Aktuelle Rheumatologie 2020; 45(06): 531-534
DOI: 10.1055/a-1201-2407
Übersichtsarbeit

Rheumatologische paraneoplastische Syndrome

Rheumatic Paraneoplastic Syndromes
Johannes Knitza
1   Medizinische Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen
,
Georg Schett
1   Medizinische Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen
,
Bernhard Manger
1   Medizinische Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie, Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Rheumatologische paraneoplastische Syndrome sind selten, stellten jedoch eine wichtige Differenzialdiagnose zu klassischen rheumatologischen Krankheitsbildern dar. Durch das Erkennen der eindrücklichen Syndrome mit typischen Labor- und Untersuchungsbefunden ist oftmals eine beschleunigte Diagnose der zugrundeliegenden Malignität und kurative Therapie möglich. In dieser Übersichtsarbeit werden die Charakteristika rheumatologischer paraneoplastischer Syndrome vorgestellt.


Abstract

Paraneoplastic syndromes in Rheumatology are rare, but they represent an important differential diagnosis to classic rheumatic and musculoskeletal diseases. The recognition of their typical laboratory and clinical examination findings often allows an accelerated diagnosis of the underlying malignancy and curative therapy. This review presents the characteristics of paraneoplastic syndromes in rheumatology


Einleitung

Das primäre Ziel der Vorstellung beim Rheumatologen ist die Bestätigung oder der Ausschluss einer entzündlich rheumatischen Erkrankung (RMD) und Hilfe zu finden. Aufgrund der häufig unspezifischen Symptome und begrenzten ärztlichen Untersuchungszeit [10] gelingt auch erfahren rheumatologischen Fachärzten (FÄ) nicht immer eine korrekte Diagnosestellung bei klassischen und häufigen rheumatischen Erkrankungen wie der rheumatoiden Arthritis [6]. Malignome gehen in etwa 8% der Fälle mit paraneoplastischen Syndrome einher [2]. Das Erkennen der typischen Charakteristika der paraneoplastischen Syndrome kann dann eine genauere Abklärung und rechtzeitige kurative Therapie ermöglichen. Wir möchten in dieser Übersichtsarbeit daher einige rheumatologische paraneoplastische Syndrome vorstellen.

Rheumatologische paraneoplastische Syndrome

Essentiell für die Diagnose eines paraneoplastischen Syndroms ist eine kausale Beziehung zwischen den muskuloskelettalen Symptomen und dem zugrundeliegenden Malignom. Zur Begründung von Kausalität haben sich hier und in anderen Bereichen der Medizin die 9 Bradford Hill Kriterien etabliert. In dieser Übersichtsarbeit sollen daher Syndrome vorgestellt werden die diese Kriterien am ehesten erfüllen. [Tab. 1] zeigt diagnostische Hinweise auf ein rheumatisches paraneoplastisches Syndrom.

Tab. 1 Hinweise auf ein rheumatisches paraneoplastisches Syndrom [29].

  • atypische Symptomkonstellation

  • ungewöhnliches Erkrankungsalter

  • ungewöhnliches Gelenkbefallsmuster

  • ungewöhnlich hohe humorale Entzündungsaktivität

  • B-Symptomatik

  • starke distale Ödembildung

  • palmare oder plantare Fasziitis

  • schlechtes Ansprechen auf Glukokortikoide, NSAR oder Immunsuppressiva

Bei Myositiden: Nachweis von Anti-TIF-1γ, Anti-NXP-2 Autoantikörpern, ausgeprägte Muskelbeteiligung (sehr hohe Kreatinkinasewerte), ausgeprägte Hautbeteiligung mit Ulzerationen bei fehlender Organbeteiligung,


Paraneoplastische Arthritis (PA)

Die paraneoplastisches Arthritis ist besonders schwierig zu erkennen, da neben der Polyarthritis bei bis zu 23% ein positiver Rheumafaktor und bei 11% der Patienten positive anti-citrullinierte Proteine (ACPAs) vorliegen [13]. Eine asymmetrische Gelenkbeteiligung (91%), vorwiegend männliche Beteiligung und ein schlechtes Therapieansprechen auf Disease-modifying anti-rheumatic drugs (DMARDS) lassen auf die paraneoplastische Genese schließen.


Palmare Fasziitis mit Polyarthritis (PFPAS)

Die PFPAS bietet im Vergleich zur PA durch die Entzündung der palmaren/plantaren Faszien ein markanteres Erscheinungsbild Die symmetrische, schmerzhafte Schwellung der Hände mit betonter palmarer Gewebeverhärtung „woody hands“ führt häufig zu fortschreitenden Flexionskontrakturen ähnlich dem Morbus Dupuytren. Bei über der Hälfte der bekannten Fälle liegt ein Ovarialkarzinom bzw. ein anderes urogenitales Karzinom vor [18] [23].


Pankreatische Pannikulitis mit Polyarthritis (PPP)

Eine Polyarthritis zusammen mit Pannikulitis, die einem Erythema nodosum ähnelt, tritt häufig bei Patienten mit Pankreatitis und stark erhöhten Lipasewerten auf [24] Am häufigsten betroffen sind Knie-, Sprung-, Hand- und Metacarpophalangealgelenke. Beim Azinuszellkarzinom kommt es häufig auch zum PPP mit hohen Lipasewerten. Hier geht das PPP mit einer schlechten Prognose einher [36].


Remitting seronegative symmetrical synovitis with pitting edema (RS3PE)

Charakteristisch für das Syndrom sind symmetrische Weichteilschwellungen des Hand- und Fußrückens Niedrigdosierte Kortikosteroide führen zu sehr gutem Therapieansprechen. Schlechtes Therapieansprechen ist hinweisend auf das Vorliegen eines Malignoms, das bei etwa einem Drittel der Patienten vorliegt [15]. Serologisch konnten bei Patienten einer japanischen Kohorte erhöhte Serum Matrix Metalloproteinase 3 (MMP-3) Spiegel nachgewiesen werden [25].


Tumorinduzierte Osteomalazie (TIO)

Das Syndrom wird durch seltene mesenchymale ossäre Tumorentitäten (40%) oder Weichtteiltumore (55%) verursacht, wobei etwa 8% maligne sind [12]. Tumorzellen setzen fibroblast growth factor 23 (FGF 23) frei, der durch Bindung an Rezeptoren proximaler Nierentubuluszellen zu vermehrter Phosphatsekretion führt [9]. Laborchemisch liegt eine Hypophosphatämie, Hyperphosphaturie, erhöhte alkalische Phosphatase und ein normwertiger bis erniedrigter 1,25-Dihydroxycholecalciferol Spiegel vor. Klinisch kommt es zu Knochenschmerzen, Spontanfrakturen, Muskelschwäche und Fatigue.


Paraneoplastische Vaskulitis

Die kutane leukozytoklastische Vaskulitis ist die häufigste Form der Vaskulitis, die mit malignen Erkrankungen und palpablen Purpura der unteren Extremitäten einhergeht [8] [33]. In mehr als der Hälfte der Fälle liegt eine hämatoonkologische Systemerkrankung zu Grunde [4] [7]. Bei 3 Patienten wurde das Vollbild einer Pupura Schönlein-Hennoch mit Arthritis und IgA-Ablagerungen dokumentiert [26].


Hypertrophe Osteoarthropathie (Marie-Bamberger) (HOA)

Die klassische Paraneoplasie wird insbesondere durch thorakale Malignome und insbesondere Bronchialkarzinome hervorgerufen [11] [17]. Durch vermehrte Produktion von vascular endothelial growth factor (VEGF) kommt es zur Differenzierung des Periosts zu Osteoblasten [22]. Hierdurch kommt es zu den typischen Trommelschlegel-fingern (), -zehen, Arthritis, Arthralgien, Knochenschmerzen vor allem in Tibia und Femur durch Osteoproliferationen die in Szintigrafie und Positronenemissionstomografie (PET) dargestellt werden können [21].


Malignom-assoziierte Myositis (CAM)

Inflammatorische Myopathien (IIM) umfassen eine heterogene Gruppe von Muskelerkrankungen [16] und gehen mit einem unterschiedlichen Malignomrisiko einher [28]. Die Untergruppe der Dermatomyositiden geht im Unterschied zu den anderen teilweise schlecht definierten IIM mit einem deutlichen erhöhten Malignomrisiko einher [28]. Das Malignomrisiko von Dermatomyositis Patienten mit Anti-TIF1γ ist um das 27-fache erhöht [34]. TIF-1γ ubiquitiniert das Tumorsuppressorgen p53, reguliert es dadurch herunter, was zu einer verminderten Apoptose von Tumorzellen führt. Das vermehrte Vorkommen von TIF-1γ in Haut und Muskelzellen unterstützt die äthiopathogenetische Bedeutung von TIF-1γ [30]. Antikörper gegen das nukleäre Matrixprotein 2 (NXP2) gehen ebenfalls mit einem etwa 4-fach erhöhtem Malignomrisiko im Vergleich zur Normalbevölkerung einher [1]. Das Fehlen spezifischer Antikörper bei IIM Patienten geht auch mit einem erhöhten Malignomrisiko einher [35]. Rheumatologen sind sich einig, dass ein Malignom Screening generell bei IIM Patienten erfolgen sollte [5]. Es gibt Evidenz die ein blindes Screening von IIM Patienten unterstützt [14] und klare Algorithmen für das Screening bei IIM Patienten [31]. Die größte Wahrscheinlichkeit für ein Malignom liegt ein Jahr nach und 1 Jahr vor Symptombeginn und dehnt sich auf etwa 3 bis 5 Jahre vor/nach Symptombeginn aus [32].

Fazit und Ausblick

Das Erkennen eines paraneoplastischen Syndroms und die korrekte weiterführende Abklärung wird aufgrund der geringen Datenlage und mangelnden Empfehlungen komplex bleiben. [Tab. 2] listet die besprochenen Syndrome und spezielle Charakteristika zusammenfassend auf. Innovative Entwicklungen wie „Liquid-Biopsy“ [3], die mittels Blutprobe Malignomdetektion ermöglichen und klinische Entscheidungsunterstützungssysteme, die passiv Informationen verarbeiten und Ärzte auf auffällige Befunde aufmerksam machen [27] könnten das klinische Vorgehen in Zukunft vereinfachen.

Tab. 2 Rheumatische paraneoplastische Syndrome und deren Charakteristika [19] [20] [29].

Syndrom

klinische Beschwerden/Besonderheiten

Labor

assoziierte Tumorentität

Paraneoplastische Arthritis

asymmetrische Arthritis, M>F

23% RF, ACPA 11%

Hämatoonkologisch (ca. ein Drittel), Adenokarzinome der Lunge, Mammakarzinome

Palmare Fasziitis mit Polyarthritis

F>M, „woody hands“

Ovarialkarzinom (in fast 40%), andere Tumoren des weiblichen Urogenitaltrakts

Remitting seronegative symmetrical synovitis with pitting edema

periphere dorsale Weichteilschwellung

MMP-3 Erhöhung

divers, ca. 30% paraneoplastisch bedingt

Pankreatische Pannikulitis mit Polyarthritis

Pankreatitis, Erythema nodosum, Arthritis

Lipase Erhöhung

Azinuszellkarzinom des Pankreas

Tumorinduzierte Osteomalazie

Knochenschmerzen, Spontanfrakturen, Muskelschwäche und Fatigue

Hypophosphatämie, Hyperphosphaturie, erhöhte alkalische Phosphatase

Sehr seltene mesenchymale, auch benigne Tumoren

Paraneoplastische Vaskulitis

palpable Purpura der unteren Extremitäten

Hämatoonkologisch, Bronchialkarzinom, Mammakarzinom, urogenitale Malignome

Hypertrophe Osteoarthropathie

gutes Ansprechen auf NSAR

Malignome des Thorax

Malignom-assoziierte Myositis

Dermatomyositis mit ausgeprägter Hautbeteiligung

Anti-TIF-1γ, Anti-NXP-2 Nachweis

Ovarialkarzinom, Pankreaskarzinom, Magenkarzinom, kolorektale Karzinome

F Frauen, M Männer, RF Rheumafaktor, ACPA Antikörper gegen citrullinierte Proteine, TIF-1γ anti-transcription intermediary factor 1 gamma, NXP-2 nuclear matrix protein 2, MMP-3 Matrix Metalloproteinase-3, NSAR nichtsteroidale Antirheumatika.


Einhaltung ethischer Richtlinien

Dieser Beitrag beinhaltet keine von den Autoren durchgeführten Studien an Menschen oder Tieren.




Interessenkonflikt

J. Knitza, G. Schett und B. Manger geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse

Dr. Johannes Knitza MHBA
Medizinische Klinik 3 – Rheumatologie und Immunologie
Universitätsklinikum Erlangen
Ulmenweg 18
91054 Erlangen

Publication History

Article published online:
15 July 2020

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany