(Quelle: © Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem.
Grafik: Karl Wesker; aus: Schünke M, Schulte E, Schumacher U et al. Prometheus. LernAtlas
der Anatomie. Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. Grafiken: M. Voll, K. Wesker.
5. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2018)
Die Geburtsstunde des menschlichen Fußes: Vor mehr als vier Millionen Jahren begann
die Aufrichtung zum Zweibeiner mit der Ausgestaltung des Fußes [1]. Die Entwicklung des Gehirns ist mit 1,5 Millionen Jahren dagegen vergleichsweise
jung! 20 bis 25 Kilometer per pedes pro Tag entsprechen dem natürlichen Energieumsatz
des Menschen. Dies führt zur Annahme, dass Menschen zu Zeiten der Wildbeuter täglich
etwa sechs Stunden gegangen sind. 2017 berichtete der Spiegel über eine in dem Journal
Nature veröffentlichte Studie der Universität Stanford, die das Gehverhalten von 700
000 Probanden untersuchte: Der Durchschnitt geht heute 4900 Schritte pro Tag, das
sind zirka drei Kilometer [2], [3]. Selbst dieses eher gemütliche Gangpensum führt uns im Lauf des Lebens zwei Mal
um die Erde.
Beim Joggen wird pro Laufkilometer jedes Bein mit zirka 60 Tonnen belastet, bei einem
Marathon ergeben sich so etwa 2500 Tonnen pro Fuß [4]! Dies ist eine eindrückliche Leistung, die Präzision im Zusammenspiel von Statik
und Dynamik, von muskulärer Spannung und Bewegungssteuerung erfordert. Die Grundlage
dafür liegt in der optimierten Anlage der Anatomie. Die Bedeutung anatomisch korrekter
Bewegung ist offensichtlich: 40 Prozent der Überlastungsschäden bei Läufern resultieren
aus „anatomischen Auffälligkeiten“ [5], orthopädische Fußbeschwerden und fußchirurgische Eingriffe sind entsprechend häufig.
Das Fußskelett – ein architektonisches Meisterwerk
Das Fußskelett – ein architektonisches Meisterwerk
Die Aufrichtung vom Vierbeiner zum Homo erectus erhöht die Anforderungen an die Füße.
Der hohe labile Schwerpunkt lässt die Standbeinphase auf einem Bein zum Balanceakt
werden, die kleine Standfläche der Sohle sucht Stabilität und in der Dynamik sind
Stoßdämpfung und Abstoßkraft gefordert.
Der Trick mit der Spirale
Architektonisch erkennt man in der Anordnung der Fußknochen eindeutig die Form einer
Spirale ([
Abb. 1
], [
Abb. 2
]). Die Ferse steht vertikal, der Vorfuß horizontal, Rückfuß und Vorfuß sind 90 Grad
torquiert. Gleichzeitig zeigen Vor- und Rückfuß einen nach oben konvexen Oppositionsbogen
(C-Bogen). Von oben betrachtet ergibt sich das Bild eines flachen S-Bogens. Torsion,
C-Bogen und S-Bogen sind die Merkmale der 3D-Geometrie des Fußes ([
Abb. 3
]). Das „Herzstück“ der Fußknochen sind die Ossa cuneiformia, die keilförmig im Zentrum
des Fußskeletts sitzen. Durch die spiralige Verschraubung verkeilen Cuneiformia II
+ III – das Längsgewölbe erreicht dadurch eine beachtliche knöcherne Stabilität. Die
Bedeutung der Cuneiformia ähneln der des Schlusssteines beim Bau einer Gewölbekuppel.
Abb. 1 Keilprinzip und Spiralprinzip sorgen für eine lebenslange Belastungsstabilität. a Keilprinzip, b Spiralprinzip. (Quelle: Larsen C. Füße in guten Händen. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme;
2014)
Abb. 2 Die Bioarchitektur des Fußskeletts zeigt eine perfekte Spiralform. (Quelle: Heel
C. Bein: Koordinationseinheit Fuß. In: Hüter-Becker A, Hrsg. Lehrbuch zum Neuen Denkmodell
der Physiotherapie; Band 1: Bewegungssystem. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2013)
Abb. 3 3D-Geometrie des Fußskeletts: C-Bogen, Torsion und S-Bogen sind Merkmale der spiraligen
Verschraubung des Fußes. Daraus resultiert ein Zug von dorsolateral an der Ferse über
den Fußrücken nach ventromedial zum Großzehengrundgelenk. Fersenaußenseite und Großzehenballen
sind die Zonen, die in der Standbeinphase am stärksten belastet werden. Die der Spirale
innewohnende Dehnspannung sorgt für Stabilität und gleichmäßige Belastungsverteilung.
(Quelle: C. Heel; graf. Umsetzung: Thieme Gruppe)
Beim Fersenlot macht das Zusammenspiel von Hüftgelenk und Vorfuß den Unterschied für
die Stabilität des Fußgewölbes. Dreht der Vorfuß nach innen im Sinne einer Pronationsbewegung
und das Femur im Hüftgelenk nach außen, richtet sich das Bein axial aus, das Knie
zeigt orthograd nach vorne. Auch hier tritt dasselbe Konstruktionsprinzip auf. Die
Drehrichtungen sind grundlegend und in der Anordnung vieler anatomischer Strukturen
sichtbar. Die Form des Femurs, die Anlage der Kreuzbänder oder der Verlauf der Mm.
iliopsoas, sartorius und tibialis anterior zeigen die Form einer Helix ([
Abb. 4
]). Die axiale Ausrichtung des Beines sorgt für eine zentrierte Belastung auf den
Talus, das Fersenbein steht im Lot – Markenzeichen einer stabilen Fuß- und Beinsituation.
Abb. 4 Spiralform anatomischer Strukturen. a Femur: Röhrenknochen mit Spiralform – Torsion, C-Bogen und S-Form sind Merkmale für
eine Schraubenspirale. (Quelle: Heel C. Bein: Koordinationseinheit Hüftgelenke. In:
Hüter-Becker A, Hrsg. Lehrbuch zum Neuen Denkmodell der Physiotherapie; Band 1: Bewegungssystem.
3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2013) b Die Anlage der Kreuzbänder zeigt die Form einer Helix. c Der Verlauf der Mm. iliopsoas, sartorius und tibialis anterior zeigt die Form einer
Helix. (Quelle: Larsen C. Füße in guten Händen. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2014)
Abb. 5 Blickdiagnose – Kriterien im Stand. (Quelle: Spiraldynamik AG)
Rotationstests
Die Torsion von Bein- und Fußknochen entsteht primär durch eine gegensinnige Rotation.
Die Konsequenz: Hüftgelenk, Kniegelenk und Fußwurzelgelenke brauchen ein gewisses
Rotationsspiel, das jeweils getestet werden sollte.
Ausführung der Rotationstests
-
Hüftrotation: in Bauchlage, Idealwerte in Extension des Hüftgelenks: Außenrotation
50°, Innenrotation 40°, Grenzwert, um kompensationsfrei gehen zu können: je 30° [4].
-
Pronation des Vorfußes: Das größte Bewegungsausmaß findet im Talonavikulargelenk und
im Gelenk zwischen Os naviculare und Os cuneiforme mediale statt. Das Bewegungsausmaß
zwischen Os calcaneus und Os cuboideum ist deutlich geringer. Getestet wird mit proximaler
Fixierung die Bewegung der jeweils distalen Gelenkpartner. In Summe sollte 15–20°
reine Pronation im Vorfuß bei fixierter Ferse möglich sein [4]. Im Unterschied dazu ist das Gesamtausmaß der Pronations- und Supinationsbewegung
ohne fixierte Ferse deutlich größer (35°/0°/50°) [6].
-
Innenrotation der Tibia im Kniegelenk: Das Kniegelenk lässt nur in Beugestellung eine
Rotation zu. Die Innenrotation lässt sich am besten im Sitzen mit hängendem Unterschenkel
testen. Dabei wird der Unterschenkel nach innen gedreht, als Referenzpunkt für die
Einschätzung der Beweglichkeit dient die Tuberositas tibiae. Mindestens 10° Innenrotation
sollte möglich sein.
Einbeinstand – einfacher Funktionstest mit hoher Aussagekraft
Einbeinstand – einfacher Funktionstest mit hoher Aussagekraft
Der Einbeinstand erfordert eine gute Organisation der Bein- und Fußstatik. Zusätzlich
lassen sich in dieser Position die Lastübertragung vom Rumpf aufs Bein anhand der
Beckenstellung sowie die sensomotorischen Fähigkeiten, das Gleichgewicht zu organisieren,
beurteilen. Abweichungen vom Ideal werden im Vergleich zum Zweibeinstand meist deutlicher
und damit besser sichtbar. Bewegungsdefizite und eine mangelhafte Aktivierung und
Koordination der posturalen Muskulatur werden offensichtlich.
Bei einer eingeschränkten Pronationsbeweglichkeit des Vorfußes kippt der Rückfuß nach
medial, im Sinne eines Pes valgus, oft kombiniert mit einer nach innen gedrehten Oberschenkelstellung
(Kneeing in, Beinvalgus). Umgekehrt kann eine mangelhafte Außenrotation im Hüftgelenk
dasselbe Phänomen bewirken ([
Abb. 6
]). Beides ist oftmals kombiniert mit einer schlechten Balance. Legt man in diesem
Fall ein Holzplättchen unter die Großzehe und den Großzehballen des Patienten, um
der verminderten Vorfußpronation entgegenzuwirken, verbessert sich die Gleichgewichtssituation
meist spontan. Ein Testen der Pronationsbeweglichkeit, wie oben beschrieben, bestätigt
dann das erwartete Pronationsdefizit.
Abb. 6 Das Spiralprinzip mit den definierten Drehrichtungen, Oberschenkel nach außen, Unterschenkel
nach innen, ist grundlegend für eine axial verlaufende Beinachse. Der funktionelle
Zusammenhang zwischen Femur-Außenrotation und Vorfuß-Pronation sollte in der Therapie
aktiv geübt werden. a Ausgangshaltung, b korrigierte Haltung. (Quelle: Larsen C. Füße in guten Händen. 3. Aufl. Stuttgart:
Thieme; 2014)
X-Beinhaltung und Knickfuß finden sich allerdings auch ohne Einschränkung der beschriebenen
Rotationskomponenten, was auf eine insuffiziente Ansteuerung der posturalen Muskulatur
hinweist. Die Leitstrukturen hierfür sind die tiefen Außenrotatoren im Hüftgelenk:
Mm. quadratus femoris, obturatorii, gemelli und piriformis. Sie sorgen für die rotatorische
Stabilität des Femurs. Der M. peroneus longus liefert die aktive Gegenbewegung im
Vorfuß. Das Zusammenspiel dieser beiden Muskelsysteme ergibt eine stabile Bein- und
Fußachse, die auch durch die Übertragung der Rumpflast auf das Bein beeinflusst wird.
Die Stellung des Beckens entscheidet, ob die Rumpflast zentriert auf das Bein übertragen
wird oder nicht. Der Körperschwerpunkt verlagert sich auf die Standbeinseite, indem
das Becken über die kleinen Glutaeen aktiv seitlich nach kaudal gezogen wird, entsprechend
einer proximalen Abduktion im Hüftgelenk ([
Abb. 7
]).
Abb. 7 Zusammenspiel der Muskulatur beim Einbeinstand. a Die tiefen Außenrotatoren verlaufen fächerförmig unter der Gesäßmuskulatur. Sie wirken
rotationsstabilisierend auf das Femur. Die kleinen Glutaeen ziehen das Becken standbeinseitig
tief und bringen den Körperschwerpunkt näher ans Bein. b In der Landephase (Loading Response) werden die tiefen Außenrotatoren impulsartig
aktiviert. Das Becken bewegt sich spiralförmig über das Bein. c Der M. peroneus longus dreht den Vorfuß nach innen (Pronation) und wirkt damit der
Außenrotationskraft der Hüfte entgegen. (Quelle: C. Heel; graf. Umsetzung: Thieme
Gruppe)
BLICKDIAGNOSTIK – KRITERIEN IM STAND ([
Abb. 5
])
-
Beckenhaltung aufrecht, Hüftgelenk gestreckt
-
Bein axial, Innenseite und Außenseite etwa gleich lang
-
Oberschenkel Rotation minimal nach außen gehalten
-
Femurkondylenquerachse liegt in der Frontalebene
-
Tuberositas tibiae zentriert
-
Patella orthograd
-
Ferse lotrecht
-
Großzehenballen am Boden verankert
-
Fuß gerade nach vorne (abhängig von den Knochentorsionen)
Balance: Spannung im Gleichgewicht
Balance: Spannung im Gleichgewicht
Die propriozeptiven Fähigkeiten für Balance, Adaptionsfähigkeit und Reaktionsfähigkeit
hängen primär von zwei Faktoren ab: der optimierten statischen Ausrichtung und einer
homogenen Spannungsverteilung. Dabei bedingt das eine das andere. Je besser die Statik,
desto geringer die geforderte Haltespannung, was die Agilität und Reaktionsfreudigkeit
sämtlicher Muskeln erhöht. Die Spannungsverteilung im Faszien- und Bandgewebe ist
entscheidend. Am Fuß verläuft die Hauptzuglinie dorsal vom Großzehengrundgelenk über
den Fußrücken zur Fersenaußenseite. Faszien und Bänder sind entlang dieser Linie gut
aufgespannt, dies gilt vor allem auch für die Retinakuli und die lateralen Sprunggelenkbänder
([
Abb. 8
]). Sind die passiven Strukturen homogen gespannt, werden Spannungsunterschiede von
den Golgiapparaten schneller erfasst und reflektorisch verarbeitet. Mehr Input führt
zu differenzierterem Output. Die Gleichgewichtsfähigkeit verbessert sich signifikant.
Auf einem Bein stehen wird zum Kinderspiel.
Abb. 8 Die spiralige Verschraubung von Vor- und Rückfuß führt zur Dehnspannung des Retinakulums
und der Außenbänder am oberen Sprunggelenk. Sämtliche Strukturen auf der Linie von
der Fersenaußenseite zum Großzehengrundgelenk kommen unter Zug. (Quelle: C. Heel;
graf. Umsetzung: Thieme Gruppe)
Beim Zähneputzen 2x je 1 Minute auf einem Bein stehen mit axialer Ausrichtung im Bein
und aufgerichtetem Fußgewölbe [7].
Knickfuß und Supinationstrauma – eine häufige Kombination?
Knickfuß und Supinationstrauma – eine häufige Kombination?
Beim Pes valgus sind die lateralen Seitenbänder zu locker. Gewohnheitsmäßig knickt
das Bein nach innen, ohne spezifische Stützaktivität der peronealen Muskulatur. Die
Großzehenballe wird passiv auf den Boden gepresst. Im Falle eines Fehltritts wird
zuerst das lockere Seitenband beschleunigt. Wertvolle Millisekunden verstreichen,
bis die Spannung des lateralen Bandtraktes zunimmt und die Golgiapparate ihre Signale
Richtung Rückenmark schicken. Ist nun die efferente Antwort, das blitzschnelle Aktivieren
der peronealen Muskulatur wenig geübt, gibt es auch hier eine Verzögerung. Die Krafteinwirkung
auf die Bänder ist mittlerweile zu groß und die Ruptur die unausweichliche Folge.
Den Vorfuß resistiv gegen Widerstand pronieren und damit Ansteuerung und Kraft des
M. peroneus longus üben [8] ([
Abb. 9
]).
Abb. 9 Das differenzierte Aktivieren der Peronealmuskulatur kombiniert mit der Vorfußpronation
lässt sich resistiv gegen den Widerstand der Finger oder des Therabandes gut üben.
Setzen Sie sich bequem auf den Boden oder Stuhl und achten Sie auf die isolierte Vorfußpronation.
Ferse und Knie bleibt nach außen gedreht und bewegen nicht. a Widerstand am Großzehenballen gegen die Pronation im Schneidersitz. b Auch mit aufgestelltem Fuß lässt sich die Aktivierung der Peronealmuskulatur üben.
(Quelle: Spiraldynamik AG)
Stoßdämpffunktion – das Einmaleins des Raubkatzengangs
Stoßdämpffunktion – das Einmaleins des Raubkatzengangs
Die Beschwerden oder Erkrankungen, die durch eine verbesserte Stoßdämpfwirkung beim
Gehen positiv beeinflusst werden, sind vielfältig: Gelenkarthrose der Fuß- und Beingelenke,
Facettenarthrose der Lendenwirbelsäule, Meniskopathien, Diskopathien, Iliosakralgelenkschmerzen
und sämtliche Symptome, die durch Rigidität und Elastizitätsverlust in den Weichteilen
resultieren, wie die Plantarfasziitis beim Fersensporn oder die Achillodynie. Selbst
bei der Stressinkontinenz kann die Stoßdämpfung ein wichtiges Puzzleteil sein.
Die Gangphasen
Die Standbeinphase lässt sich vom zeitlichen Ablauf genau unterteilen ([
Abb. 10
]). Beim Gehen setzt der Fuß in der Regel mit der Ferse, dem rund geformten Tuber
calcanei auf. Der harte Fersenaufprall ist ein valides Zeichen einer mangelnden Stoßdämpfung.
Ein gestrecktes bis überstrecktes Kniegelenk und ein stark ausgeprägter Pelvic Drop
(proximale Adduktion der Standbeinhüfte) sind meist ursächlich dafür. Nach dem Initial
Contact [9] folgt die zweite Phase im Standbeinzyklus: Loading Response – der Moment der Stoßdämpfung.
Abb. 10 Die Gangzyklen nach dem Rancho Los Amigos System. (Quelle: Spiraldynamik AG)
Ausgeklügelte Mechanik und einfache Bewegungssteuerung
In der Landephase rollt der Fuß über den runden Tuber calcanei nach vorne, bis der
Vorfuß und damit die gesamte Sohle Bodenkontakt hat. Der Unterschenkel beugt ein wenig
nach vorne, das Knie steht leicht vor dem Sprunggelenk. Im Knie entsteht eine leichte
Flexion, im oberen Sprunggelenk eine leichte Dorsalextension. Sind Quer- und Längsgewölbe
genügend aufgespannt, können diese federelastisch nachgeben ([
Abb. 11
]). In diesem zeitlich sehr kurzen Moment greifen unterschiedliche Mechanismen für
eine perfekte Stoßdämpfung ineinander:
-
Der knöcherne Gewölbebogen des Vorfußes ([
Abb. 11a
]) befindet sich im distalen Fußwurzelbereich, die drei Ossa cuneiformia bilden zusammen
mit dem Os cuboideum einen perfekten Bogen, die Ossa cuneiformia II & III verkeilen
sich im Gewölbebogen und sorgen für knöcherne Stabilität. Das Kuboid und das Os cuneiforme
mediale organisieren sich in einem Oppositionsbogen.
-
Die spiralige Verschraubung des Fußes unterstützt den Quergewölbeaufbau. Der supinatorisch
orientierte Kalkaneus dreht das Kuboid mit in diese Richtung, die pronatorische Vorfußbewegung
ist identisch mit der Einrollbewegung von Metatarsale I und Os cuneiforme mediale.
Die Leitmuskulatur der Fußspirale, M. tibialis posterior und M. peroneus longus, organisieren
auch das Quergewölbe ([
Abb. 11b
])
-
Auf die richtige Spannung und Kraft kommt es an, der Rest ist reine Mechanik. Die
beiden genannten Muskeln wirken im Sprunggelenk plantarflektorisch. Im Moment des
Initial Contacts erhöht sich die Muskelspannung, ähnlich einer isometrischen Aktivität,
die Bewegung der Tibia nach vorne verlängert die Mm. tibialis posterior und peroneus
longus während der Phase Loading Response und überträgt damit den Zug mechanisch auf
die Insertionsstellen. Es ist, als ob die Muskeln wie straffe Seile an den Knochen
ziehen und das Gewölbe formen. Allerdings ist es nicht wie bei Stahlseilen, denn die
Kollagenanteile der Muskelsehnen und der Titinfilamente geben geringfügig elastisch
nach, was das Fußgewölbe federn lässt. Die Federung funktioniert mechanisch und nicht
neurologisch. Die Muskeln geben nicht exzentrisch nach.
-
Derselbe Mechanismus findet mehrfach statt. Der M. quadratus plantae sitzt unter der
Ferse an der Fußsohle und inseriert in die Sehne der langen Zehenbeuger ([
Abb. 11c
]). Vis-à-vis der Insertionsstelle entspringen aus den Sehenbifurkationen die Mm.
lumbricales. Diese verstreben das Quergewölbe muskulär. Entwickelt die tiefe Sohlenmuskulatur
beim Landen eine gewisse Steifigkeit, überträgt sich die Längsspannung der Fußsohle
auch auf das Quergewölbe. Auch hier gibt es wieder elastische Kollagenstrukturen,
die federnd nachgeben können.
-
Die Dorsalextension im oberen Sprunggelenk des Standbeins verlängert beim Landen die
Achillessehne und gibt Zug auf den Triceps surae. Ist dieser auch wieder isometrisch
gespannt, wirkt die Zugkraft des Triceps surae auf das Fersenbein und unterstützt
dort die supinatorische Aufrichtung. Ein Geheimtipp bei vielen Knickfüßen ist die
Stoßdämpferbewegung: Knie ein wenig vor das Sprunggelenk beugen lassen, die Wadenmuskulatur
adäquat spannen. Dies wirkt oft erstaunlich positiv auf die Aufrichtung eines Pes
valgus.
Abb. 11 Mechanismen für eine perfekte Stoßdämpfung. a Gewölbebau in der distalen Fußwurzelreihe. (Quelle: C. Heel; graf. Umsetzung: Thieme
Gruppe) b Mm. peroneus longus und tibialis anterior unterstützen den Quergewölbeaufbau. (Quelle:
Larsen C. Füße in guten Händen. 3. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2014) c Mm. quadratus plantae und lumbricales sind über die Sehne des M. flexor digitorum
longum verbunden. Die Kraft des M. quadratus plantae lässt sich effektiv auf die das
Quergewölbe stabilisierenden Mm. lumbricales übertragen. (Quelle: C. Heel: graf. Umsetzung:
Thieme Gruppe)
ÜBUNGSTIPP III FÜR PATIENTEN
Rollen Sie mit ihren Händen das Os cuneiforme mediale und das Kuboid jeweils zusammen
mit den Metatarsalknochen I und V zu einem Oppositionsbogen und mobilisieren Sie so
Ihr Quergewölbe [10].
ÜBUNGSTIPP IV FÜR PATIENTEN
Trainieren Sie ihre Mm. lumbricales ([
Abb. 12
]). Stellen Sie im Sitzen den Vorfuß auf die Ballen, die Ferse etwa vier Zentimeter
vom Boden angehoben ([
Abb. 12a
]). Denken Sie nun an die Einrollbewegung des Quergewölbes und beginnen Sie, die Zehenkuppen
in den Boden zu drücken, die Grundgelenke werden etwas angehoben, die Zehen bleiben
lang, die Ferse sinkt zwei Zentimeter nach unten ([
Abb. 12b
]). Die Bewegung erinnert an den „Raupengang“. Der Vorfuß zieht den Rückfuß etwas
nach vorne. So entwickeln Sie Vorfußkraft und üben die Abstoßbewegung [4].
Abb. 12 Kräftigung der Mm. lumbricales. a Ausgangsstellung des Trainings der Mm. lumbricales.
b Endstellung des Trainings der Mm. lumbricales. (Quelle: Spiraldynamik AG)
Die drei wichtigsten Parameter eines elastischen Ganges:
-
anatomisch sinnvolle Ausrichtung der Fußgewölbe und Beinachse integriert in die korrekten
Abfolgen der Standbeinphase
-
Elastizität und Kraft in Bindegewebe und Muskeln
-
Fähigkeit, die Muskelspannung schnell und adäquat anzupassen
Fazit: Functional Reasoning
Fazit: Functional Reasoning
Die funktionellen Zusammenhänge sehen und verstehen zu können, ermöglicht es dem Therapeuten,
die Ursachen vieler Beschwerdebilder zu entdecken. Sind die Ursachen erkannt, gilt
es, die anatomischen Möglichkeiten abzuklären, um entweder das Problem zu eliminieren
oder die günstigste Kompensationsstrategie zu erarbeiten.
Die Therapieschritte auf den Punkt gebracht:
-
Patienten verstehen ihre ungünstigen Gewohnheiten.
-
Patienten lernen achtsam, im Alltag Fehlbewegungen wahrzunehmen.
-
Patienten erarbeiten mittels aktiven Übungen die notwendigen körperlichen Voraussetzungen,
wie selektive Mobilität oder differenzierten Krafteinsatz bestimmter Muskeln.
-
Patienten üben die anatomisch sinnvollen Bewegungsabläufe.
-
Patienten integrieren das Gelernte in ihren Bewegungsalltag.
Gehen gilt als die archaische Bewegung des Menschen. Bereits vor 2400 Jahren postulierte
Hippokrates: „Gehen ist die beste Medizin“. Die Qualität des Gehens lässt sich ein
Leben lang verbessern. Mit dem Üben des Gehens lassen sich sozusagen neue Aspekte
der „Menschwerdung“ entdecken.