retten! 2021; 10(03): 221-224
DOI: 10.1055/a-1218-6901
Mein Einsatz

Teamarbeit auf hohem Niveau

Lisa Raß

Ein kardiologischer Notfall in den Bergen geht selten gut aus: Zu lang sind oft die Wege, zu schwierig ist das Gelände, nur wenige Menschen sind in der Nähe. Doch auch dann kann die Rettungskette, allen Widrigkeiten zum Trotz, funktionieren – wenn die Helfer gut geschult sind und die nötige Portion Glück dazukommt.

Kommentar

von Dr. med. Sönke Müller, hausärztlicher Internist in Neckargemünd, Notarzt im Rettungsdienst und Mitherausgeber von retten!

Zur rechten Zeit mit den richtigen Rettern am rechten Ort – Zufall? Schicksal? Können? Kluge Planung?

Es wird wohl fast keinen Mitarbeiter von Rettungsdiensten, Feuerwehren, DLRG, Bergwacht oder anderen Hilfsorganisationen geben, der im Lauf seines ehrenamtlichen oder hauptamtlichen „Helferlebens“ nicht mindestens zwei ganz konträre Erfahrungen macht:

Die negative Erfahrung nämlich, dass wir trotz allen Bemühens, trotz aller Vorbereitung und Übung, trotz höchsten persönlichen Engagements, trotz besten Equipments häufig zu spät sind, dass wir schicksalhafte Verläufe nicht mehr aufhalten können, dass „alles schon gelaufen ist“ und wir im Prinzip genauso gut hätten „zu Hause“ blieben können, so aber Teil eines Dramas werden, das den einen oder anderen sicherlich zu der Fragestellung bringt, warum er sich das antut, warum er sich mit Schmerzen, Krankheit, Verzweiflung und Tod „fremder Menschen“ belastet.

Dann gibt es aber glücklicherweise – wenn auch seltener – genau die gegenteilige Erfahrung: Wir erleben das Gefühl, fast schicksalhaft genau zur richtigen Zeit mit den richtigen Mithelfern am richtigen Ort zu sein. Das muss nicht unbedingt im Rahmen unserer z. B. beruflichen Helfertätigkeit während der Dienstzeit sein, sondern passiert in unserer Freizeit, in unserer Nachbarschaft, im Urlaub, beim Einkaufen etc. Uns kommen dann aber unsere Profession, unsere Leidenschaft fürs Helfen, fürs Nicht-Wegschauen, unser Wissen und unsere Erfahrung in der Form zugute, dass wir fast nicht anders können, als eine optimale Schicksalsbekämpfung vorzunehmen.

Da ist – aus eigenem Erleben – der 54-jährige Gast im Nebenraum eines Festlokals, der, während man selbst gerade an einem Familienfest an dieser Stätte teilnimmt, beim Tanzen einen Herz-Kreislauf-Stillstand erleidet, ein Gastwirt, der den Mut hat, in die Feiergesellschaft hineinzuplatzen, um zu fragen, ob zufällig ein Arzt da ist, der 2. Helfer aus der Feierrunde, der sofort die anlaufende Reanimation unterstützt, das Mitglied der örtlichen Freiwilligen Feuerwehr, das innerhalb von 4 Minuten ein AED-Gerät aus dem benachbarten Feuerwehrhaus herbeischafft, der professionelle Rettungsdienst, der zeitnah eintrifft und die Kombination aller Dinge, die dazu führt, dass der kammerflimmernde Patient dem Tod nochmal entgehen kann und ohne jeden neurologischen Schaden das Leben im Kreise seiner Familie dankbar weiter erfahren darf.

Solche Erlebnisse geben uns Kraft, bestätigen, dass wir etwas Sinnvolles tun, versöhnen uns mit dem einen oder anderen Schicksal und zeigen uns, dass wir allein so etwas nicht schaffen können, dass wir nur Rädchen im möglichst gut funktionierenden Getriebe des Helfens sind.

Dass all diese Rädchen aber nur dann zueinander passen, wenn jedes Teil geölt, gut gelagert und griffig ist – sprich: wenn wir nicht nachlassen, unser Wissen, unser Engagement, unsere Ausrüstung und die Breitenaufklärung der Mitmenschen über lebensrettende Sofortmaßnahmen ununterbrochen voranzutreiben, das zeigt das Fallbeispiel der erfolgreichen Teamarbeit auf hohem Berg- und Leistungsniveau!

Bleiben Sie alle engagiert!



Publication History

Article published online:
05 July 2021

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