Diabetes aktuell 2020; 18(07): 268
DOI: 10.1055/a-1284-4388
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Diabetes und Psyche

Bernhard Kulzer
1   Bad Mergentheim
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Die Prognose des Diabetes in Hinblick auf das Auftreten von Akut- oder Folgekomplikationen, die Lebensqualität wie auch die Mortalität hängen neben biologisch-somatischen Bedingungen entscheidend von einer ganzen Reihe anderer Faktoren ab: Vom Lebensstil des Patienten, dessen Behandlungsverhalten und psychischer Verfassung, dem Krankheitsverhalten, dem Ausmaß diabetesbezogener Belastungen sowie einer Reihe weiterer psychologischer wie auch sozialer Variablen. Diabetes kann daher als eine typische verhaltensmedizinische Erkrankung angesehen werden, bei der neben somatischen Bedingungen auch psychologische, verhaltensbezogene und soziale Faktoren gleichermaßen und in stetiger Wechselwirkung die Entstehung, den Verlauf und die langfristige Prognose dieser Krankheit prägen.

Das Spektrum psychosozialer Interventionen reicht von psychoedukativen Maßnahmen über verhaltensmedizinische Ansätze – vor allem bei speziellen diabetesbezogenen Problemen und Belastungen – bis hin zu störungsspezifischen therapeutischen Maßnahmen bei komorbiden psychischen Störungen. In diesem Heft möchten wir exemplarisch einige Interventionen bei psychologischen Problemen im Zusammenhang mit dem Diabetes aufzeigen.

Diabetesbezogene Belastungen – oder kurz „Diabetes-Distress“ – kommen sehr häufig bei Menschen mit Diabetes vor und sind die Folge einer mangelnden psychosozialen Anpassung an die Anforderungen des Diabetes und dessen Behandlung. Etwa jeder 3. Mensch mit Diabetes leidet unter hohem diabetesbezogenem Stress. Im Beitrag von Dominic Ehrmann werden verschiedene Interventionsstrategien bei Diabetes-Distress beschrieben und auf die Unterscheidung von diabetesbezogenen Belastungen und Depressionen eingegangen.

Essstörungen erschweren die Diabetestherapie deutlich, da der Fokus von betroffenen Patienten häufig auf intrapsychischen Prozessen im Zusammenhang mit der Essstörung liegt und die Diabetestherapie entweder in den Hintergrund tritt oder – wie bei Insulin-Purging, Diabulimie oder der Anorexie – in den Diensten der psychischen Störungen steht. Michael Krichbaum und Lilli Priesterroth beschreiben diese Zusammenhänge in ihrem Artikel näher und geben praktische Hinweise, wie Essstörungen in der klinischen Praxis erkannt und diagnostiziert werden können.

Bei Diabetespatienten mit Spritzenphobien oder Ängsten vor dem Kathetersetzen liegt in der Regel eine spezifische Phobie vor, welche die Umsetzung der Insulintherapie deutlich erschwert. Dies führt beim Spritzvorgang bei den Betroffenen zu panikartigen Angstzuständen und in der Folge zu Vermeidungsverhalten. Berthold Maier skizziert in seinem Beitrag die wichtigsten Therapieprinzipien von verhaltenstherapeutischen Therapieansätzen, mit denen in der Praxis gute Erfolge erzielt werden können.

„Erste Schritte Richtung Revolution – die DiGA sind da!“ Mit diesen markigen Worten kommentierte das „Health innovation hub“ des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) Anfang Oktober die ersten verschreibungsfähigen Apps – „digitale Gesundheitsanwendungen“ – die von Ärzten und psychologischen Psychotherapeuten auf Kosten der Krankenkasse rezeptiert werden können. Lilli Priesterroth beschreibt in ihrem Beitrag, inwieweit Apps die psychische Verfassung von Menschen mit Diabetes und deren Lebensqualität verbessern können.

Wir hoffen, wir haben einen spannenden Schwerpunkt für Sie zusammengestellt – viel Spaß beim Lesen!



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Article published online:
20 November 2020

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