Rofo 2021; 193(07): 778-786
DOI: 10.1055/a-1313-7527
Review

Pränatale Strahlenexposition in der diagnostischen und interventionellen Radiologie

Article in several languages: English | deutsch
Martin Fiebich
1   Institute of Medical Physics and Radiation Protection, University of Applied Sciences Giessen, Germany
,
Andreas Block
2   Institute for Medical Radiation Physics and Radiation Protection, Hospital of Dortmund gGmbH, Dortmund, Germany
,
Markus Borowski
3   Institute of Radiology and Nuclear Medicine, Municipal Hospital Braunschweig, Germany
,
Lilli Geworski
4   Department of medical physics and radiation protection, Hannover Medical School, Hannover, Germany
,
Christian Happel
5   Department of Nuclear Medicine, Goethe University Frankfurt; University Hospital, Frankfurt am Main, Germany
,
Alexandra Kamp
6   Department Medical and Occupational Radiation Protection, Federal Office for Radiation Protection Neuherberg, Germany
,
Horst Lenzen
7   Department of Clinical Radiology, University Hospital Münster, Germany
,
Andreas H. Mahnken
8   Department of Diagnostic and Interventional Radiology, Phillips University Marburg; Marburg University Hospital, Marburg, Germany
,
Wolfgang-Ulrich Müller
9   Institute of Medical Radiation Biology, University Hospital Essen, Germany
,
Gebhard Östreicher
10   Medical Physics and Radiation Protection, University Hospital Augsburg, Germany
,
Frank Rudolf
4   Department of medical physics and radiation protection, Hannover Medical School, Hannover, Germany
,
Georg Stamm
11   Department of Diagnostic and Interventional Radiology, University Medical Center Göttingen, Göttingen, Germany
,
Peter Starck
12   Institute of Diagnostic and Interventional Radiology, Medical Physics, Städtisches Klinikum Karlsruhe gGmbH, Karlsruhe, Germany
,
Beatrice Steiniger
13   Department of Diagnostic and Interventional Radiology, Jena University Hospital, Jena, Germany
,
Jan-Henryk Wicke
4   Department of medical physics and radiation protection, Hannover Medical School, Hannover, Germany
,
Ulrich Wolf
14   Department of Radiation Oncology, University Hospital Leipzig, Germany
,
Michael Wucherer
15   Institute of Medical Physics, Nuremberg General Hospital, Paracelsus Medical University, Nuremberg, Germany
,
Maria Zankl
16   Institute of Radiation Medicine, Helmholtz Zentrum München German Research Center for Environmental Health, Neuherberg, Germany
,
Klemens Zink
1   Institute of Medical Physics and Radiation Protection, University of Applied Sciences Giessen, Germany
,
Claudia Zweig
17   Clinic for Radiooncology and Radiotherapy; Department Medical Radiological Physics, Hospital Carl-Thiem-Klinikum Cottbus gGmbH, Cottbus, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Hintergrund Die Exposition einer Schwangeren mit Röntgenstrahlung ist ein Ereignis, das bei allen Beteiligten Unsicherheit hervorrufen kann. Diese Übersichtsarbeit gibt Hinweise, wie eine derartige Situation zu bewerten ist und wie die Dosis für das ungeborene Kind ermittelt werden kann. Generell gilt, dass die Anwendung von Röntgenstrahlung bei Schwangeren in der Radiologie möglichst vermieden, Alternativen genutzt oder die Anwendung auf einen Zeitpunkt nach der Schwangerschaft verschoben werden sollen. Diese Übersichtsarbeit gibt eine Zusammenfassung der Vorgehensweise zur Bestimmung der Strahlenexposition einer Schwangeren.

Methode Auf Basis des Vorgängerberichts von 2002 und der danach publizierten Literatur zur pränatalen Strahlenexposition wurde der DGMP/DRG-Bericht zur Vorgehensweise bei der Bewertung der pränatalen Strahlenexposition dem Stand von Wissenschaft und Technik angepasst.

Ergebnisse Typischerweise treten in der Röntgendiagnostik in den überwiegend meisten Fällen nur relativ geringe Strahlenexpositionen kleiner als 20 mSv für das Ungeborene auf. Bei diesen Dosen ist das durch die Strahlung erzeugte zusätzliche Risiko für eine Schädigung des Embryos bzw. des Fötus gering und daher erfolgt hier nur eine grobe konservative Abschätzung nach Tabellenwerten. Nur bei wenigen Untersuchungsarten (CT oder interventionelle Radiologie) können höhere Werte der Uterusdosis erreicht werden. Statt der Dosisabschätzungen (Stufe 1 im 2-Stufen-Modell) sind in diesen Fällen Berechnungen (Stufe 2) zur Bestimmung der Dosis erforderlich und ggf. auch weitergehende Handlungen der Ärztin/des Arztes notwendig.

Schlussfolgerungen Es ist sinnvoll, bei der Bewertung zunächst mit einfachen konservativen Abschätzverfahren schnell festzustellen, ob ein Fall in diese große Gruppe kleiner als 20 mSv fällt, bei der eine sehr geringe Gefährdung des Embryos oder Fötus vorliegt. Ist dies der Fall, so soll die Schwangere von der Ärztin/dem Arzt, die/der die Untersuchung/Behandlung durchgeführt hat, sogleich davon unterrichtet werden. Dies vermeidet eine psychologische Belastung der Patientin. Der DGMP/DRG-Bericht schlägt ein relativ einfaches, klar strukturiertes Vorgehen vor, mit entsprechenden Vorteilen für alle Beteiligten (Arzt, Medizinphysik-Experten, MTRA und Patient).

Kernaussagen

  • Der DGMP/DRG-Bericht zur pränatalen Strahlenexposition beschreibt die Vorgehensweise bei der Berechnung der Strahlenexpositionen und der damit verbundenen Risiken für das Ungeborene.

  • Dem 2-Stufen-Modell folgend ist für die meisten pränatalen Strahlenexpositionen nur eine einfache Abschätzung nach der ersten Stufe notwendig.

  • Anhand von Tabellenwerten ist eine Abschätzung einzelner Risiken für das Ungeborene unter Berücksichtigung der Strahlenexposition möglich.

  • Nur im seltenen Fall, dass die erste Abschätzung eine Uterusdosis größer als 20 mSv ergibt, ist eine genauere Berechnung notwendig.

Zitierweise

  • Fiebich M, Block A, Borowski M et al. Prenatal radiation exposure in diagnostic and interventional radiology. Fortschr Röntgenstr 2021; 193: 778 – 786


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Einleitung

Die medizinische Strahlenexposition einer schwangeren Patientin ist ein seltenes, aber immer wieder auftretendes Ereignis. Ist eine Strahlenexposition einer Schwangeren geplant, sollte diese immer mit möglichst geringer Strahlenexposition für das Ungeborene durchgeführt werden. So kann neben den üblichen Methoden zur Dosisreduktion z. B. auch die detektornahe Positionierung des Ungeborenen durch Variation der Lagerung der Schwangeren auf den Bauch vorteilhaft sein. Um vor der Untersuchung zu wissen, ob eine Patientin schwanger ist, fordert die Strahlenschutzverordnung [1], Frauen im gebärfähigen Alter zu befragen, ob eine Schwangerschaft besteht oder bestehen könnte. Bei bestehender oder nicht auszuschließender Schwangerschaft ist die Dringlichkeit der Anwendung zu prüfen.

Wird eine Schwangere Röntgenstrahlung ausgesetzt, steht die Frage im Raum, mit welcher Wahrscheinlichkeit Schwangerschaftskomplikationen, kongenitale Malformationen, geistige und Wachstumsretardierung sowie mutagene und karzinogene Effekte bei dem Ungeborenen durch die Strahlenexposition auftreten. Grundlage der Bewertung der geplanten Anwendung ist immer die Abwägung des Nutzens der Untersuchung für die Mutter gegenüber dem strahlenbiologischen Risiko für die Mutter und das Ungeborene. Aufgrund der strahlenbiologischen Grundlagen wurde vom Ausschuss für Strahlenschutz der Deutschen Röntgengesellschaft im Jahr 1980 [2] ein mehrstufiges Konzept zur Bewertung von Strahlenexpositionen bei Schwangeren entwickelt. Bei diesem Konzept erfolgt zunächst eine grobe Abschätzung der Dosis. Oberhalb einer sehr niedrigen Dosisschwelle von 20 mSv erfolgt eine genauere Berechnung. Damit ist auch sichergestellt, dass auch dann, wenn bei der groben Abschätzung der Dosis Fehler aufgetreten sind, noch keine relevante Strahlenexposition des Ungeborenen aufgetreten ist, die aus strahlenbiologischer Sicht Konsequenzen nach sich ziehen könnte. Der weit überwiegende Teil aller Strahlenexpositionen in der Röntgendiagnostik liegt unterhalb dieser niedrigen Dosisschwelle. Daher ist nur in wenigen Fällen die genauere und etwas aufwendigere Berechnung notwendig.

Die gewählten Dosisschwellen beruhen auf strahlenbiologischen Erkenntnissen, die im Folgenden genauer erläutert werden.

Diese Übersichtsarbeit fasst den ausführlichen DGMP- und DRG-Bericht zur pränatalen Strahlenexposition zusammen [3], der 2019 grundlegend überarbeitet und an den Stand der Technik angepasst wurde. Für weiterführende Erläuterungen wird auf diesen Bericht verwiesen.

Diese Übersichtsarbeit wendet sich an Ärzte, Medizinphysik-Experten und MTRA, wobei die praktische Abschätzung der Uterusdosis oberhalb der ersten Stufe den fachkundigen, strahlenanwendenden Ärzten und den Medizinphysik-Experten in der Radiologie vorbehalten sein sollte. Eine vertiefende Darstellung einschließlich einer Anleitung für die Anwendung der zweiten Stufe findet sich im neu überarbeiteten DGMP- und DRG-Bericht zur pränatalen Strahlenexposition von 2019 [3].


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Mögliche Effekte nach pränataler Strahlenexposition

Die Bewertung der pränatalen Strahlenexposition beschäftigt Klinik und Wissenschaft seit Jahrzehnten. Hierzu existiert eine umfangreiche wissenschaftliche Literatur. Detaillierte Darstellungen erfolgten u. a. durch die Strahlenschutzkommission [4], UNSCEAR [5] und finden sich in mehreren Publikationen der ICRP [6] [7] [8].

Die pränatale Entwicklung des Menschen ist durch die Zellteilung und -vermehrung, die Spezialisierung der Zellen und die Zellmigration geprägt. Durch ionisierende Strahlen können diese Prozesse relevant gestört werden. Hieraus folgt während der gesamten intrauterinen Entwicklung eine vergleichsweise hohe Strahlenempfindlichkeit des Embryos bzw. des Fötus. Dabei unterscheiden sich die Wahrscheinlichkeit sowie die Folgen einer Strahlenexposition erheblich von der Art und Höhe der Strahlung sowie dem Zeitpunkt der pränatalen Entwicklung, zu dem die Exposition erfolgt. Die Entwicklung des Ungeborenen im Mutterleib wird oft in 3 große Abschnitte der Entwicklung eingeteilt: Präimplantationsphase (1.–2. Woche nach der Konzeption, post conceptionem (p. c.)), Organbildungsphase (3.–8. Woche p. c.) und Fetalphase (ab der 9. Woche p. c.). Stark vereinfachend gilt, dass die Strahlenempfindlichkeit des Embryos/Fötus im ersten Trimenon am höchsten ist und danach abnimmt.

In Tierexperimenten [5] [6] [7] – vor allem an Mäusen und Ratten – sind in den oben aufgeführten Entwicklungsphasen für eine größere Zahl von Strahleneffekten die Dosis-Wirkungs-Beziehungen ermittelt worden. Die gefundenen Daten konnten zum Teil durch Beobachtungen am Menschen geprüft und verifiziert werden. In anderen Fällen wurden die tierexperimentellen Ergebnisse extrapoliert auf Dosis-Wirkungs-Beziehungen beim Menschen.

Für die pränatale Strahlenexposition durch medizinische Verfahren sind vor allem 4 Wirkungskategorien bedeutsam: (1) Schwangerschaftskomplikationen (Spontanabort, Totgeburt), (2) kongenitale Malformationen, (3) geistige und Wachstumsretardierung sowie (4) mutagene und karzinogene Effekte.

Für das Auftreten von Letalität, Fehlbildungen sowie geistiger Retardierung wurden sigmoidale Dosis-Wirkungs-Beziehungen beobachtet. Aus diesen Dosis-Wirkungs-Beziehungen wurden Schwellenwerte für Expositionen abgeschätzt, unterhalb derer die jeweiligen Effekte nicht beobachtet wurden. Die Steigung der Kurven oberhalb der Schwellenwerte ermöglicht die Abschätzung der relativen Wahrscheinlichkeit in Abhängigkeit der Dosis oberhalb des Schwellwerts. Die Dosis-Wirkungs-Beziehungen sind häufig nicht linear, daher ist dies nur eine Näherung. Die Entstehung vererbbarer Defekte sowie von Krebs hat nach aktuellem Kenntnisstand keine Schwellendosis und wird im Strahlenschutz unter anderem aufgrund von Unsicherheiten der Dosis-Wirkungs-Beziehung im Niedrigdosisbereich durch lineare Dosis-Effekt-Kurven beschrieben.

[Tab. 1] zeigt eine Übersicht der möglichen nichtmalignen Effekte, den relevanten Zeitraum nach Konzeption, die Auswirkungen in mehreren Dosisbereichen, Schwellenwerte der Dosis für das Auftreten eines Effektes und derzeit angenommene Risikokoeffizienten, die für Strahlenexpositionen oberhalb der Schwellenwerte angenommen werden können.

Tab. 1

Mögliche strahleninduzierte nichtmaligne Gesundheitsauswirkungen intrauteriner Strahlenexposition mit locker ionisierender Strahlung in Abhängigkeit vom Entwicklungsstadium. Bei den angegebenen Dosiswerten handelt es sich um die Uterusdosis (Organ-Äquivalentdosis) bei externer Photonenstrahlung.

Entwicklungsstadium

ungefährer Zeitraum nach Konzeption

≤ 20 mSv

> 20–100 mSv

> 100 mSv

Risikokoeffizient pro Dosis[*]

Präimplantationsphase

1.–2. Woche

keine

bisher kein Nachweis eines Spontanaborts

Abort möglich

0,1 % pro mSv

Organogenese

3.–8. Woche

keine

mögliche Effekte klinisch nicht erkennbar

angeborene Fehlbildungen

0,05 % pro mSv

> 200 mSv Wachstumsretardierung

Fetogenese

9.–15. Woche

IQ-Reduktion sehr unwahrscheinlich

IQ-Reduktion

IQ-Reduktion

0,03IQ pro mSv

> 300 mSv schwere geistige Retardierung

0,04 % pro mSv

16.–25. Woche

IQ-Reduktion

IQ-Reduktion

0,01 IQ pro mSv

> 300 mSv schwere geistige Retardierung

0,01 % pro mSv

> 27. Woche

im Bereich der diagnostischen Dosen keine nachweisbaren Effekte

* konservative Abschätzungen, die mit einer entsprechenden Unsicherheit behaftet sind.


Strahlenexpositionen während der Präimplantationsphase führen entweder zum Absterben des Embryos bereits vor der Implantation oder die Implantation findet normal und ohne negative Folgen für den späteren Organismus statt. Derartige Effekte werden beim Menschen meist nicht erkannt, da das Bestehen einer Schwangerschaft in diesem Stadium im Allgemeinen noch nicht bekannt ist. Auf der Grundlage entsprechender tierexperimenteller Untersuchungen wird diesem Effekt im UNSCEAR-Report 1986 [5] ein Risiko von 0,1 % pro mSv zugeordnet.

Strahlenexpositionen während der Organbildungsphase können anatomische Fehlbildungen verursachen, das Wachstum hemmen und auch funktionelle Störungen hervorrufen. Experimentelle Untersuchungen zeigen, dass für das Eintreten dieser Effekte Schwellendosen existieren, die bei mindestens 100 mSv liegen. Aus den von Atombombenüberlebenden in Hiroshima und Nagasaki erhobenen Daten ist zu erwarten, dass die Schwellendosen beim Menschen höher liegen. Die Daten aus Hiroshima und Nagasaki zeigen vor allem einen verringerten Kopfumfang bei den geborenen Kindern nach pränataler Strahlenexposition mit Dosen oberhalb von ca. 500 mSv.

Tierexperimentellen Untersuchungen haben ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit von Fehlbildungen mit 0,05 % pro mSv oberhalb des Schwellenwertes zunimmt. UNSCEAR [5] vermutet, dass dies auch für den Menschen für den gesamten Zeitraum der Organbildungsphase gelten könnte. Eine Verdopplung der Wahrscheinlichkeit von Fehlbildungen wird im Dosisbereich von ca. 200 mSv vermutet [6].

Untersuchungen an Kindern, die eine pränatale Strahlenexposition durch die Atombombenabwürfe in Japan erfahren haben, zeigen vermehrt schwere geistige Retardierungen. Dies trat aber nur bei den Kindern auf, die zwischen der 9. und 25. Woche p. c. exponiert wurden. Analysen zeigen Schwellendosen zwischen ca. 550 und 870mSv; der untere 95 %-Vertrauensbereich liegt bei ca. 300 mSv [9]. Bei einer Exposition mit Röntgenstrahlung zwischen der 9. und 15. Woche p. c. wird der Risikokoeffizient mit 0,04 % pro mSv bzw. im Zeitraum der 16.–25. Woche mit 0,01 % pro mSv angenommen [9].

Weiterhin wurde bei diesen Kindern eine Reduktion des Intelligenzquotienten (IQ) beobachtet. Möglicherweise existiert hier keine Schwellendosis. Nach Expositionen in der 9.–15. Woche p. c. lag die Abnahme bei ca. 30 IQ-Punkten pro Sv und zwischen der 16. und 25. Woche p. c. bei ca. 10 IQ-Punkten pro Sv.

Bei stochastischen Strahlenschäden wird allgemein von einer linearen Dosisabhängigkeit ohne Schwellendosis ausgegangen. In einer großen retrospektiven Fall-Kontroll-Studie wurde bei Kindern mit pränataler Strahlenexposition eine Zunahme von malignen Tumoren und Leukämien bis zum Alter von 15 Jahren beobachtet [10].

Andere Studien zeigen ähnliche Ergebnisse. Die Datenlage hierzu ist jedoch sehr heterogen, u. a. da die Interpretation der vorliegenden Daten stark auf Annahmen beruht. Auf Basis derselben Daten wird beispielsweise die zusätzliche Wahrscheinlichkeit einer Krebsmortalität pro Dosis für Kinder unter 10 Jahren nach intrauteriner Strahlenexposition von 0,95–5,72 % pro Gy angegeben. Die zusätzliche Wahrscheinlichkeit einer Tumorinzidenz pro Dosis für Kinder unter 15 Jahren wird mit 2–8 % pro Gy angenommen [11].

[Tab. 2] zeigt die Wahrscheinlichkeit, ein Kind zu gebären, das keinen malignen Tumor entwickelt, in Abhängigkeit von der intrauterin erhaltenen Strahlendosis. Dabei wird nur das mit der Strahlenexposition verbundene Risiko berücksichtigt und nicht die Spontan-Fehlbildungsrate von etwa 3 % [12].

Tab. 2

Dosisabhängige Wahrscheinlichkeit nach intrauteriner Strahlenexposition keinen malignen Tumor zu entwickeln [8].

zusätzlich zur natürlichen Strahlenexposition absorbierte Dosis des pränatalen Organismus, angegeben als Uterus-Äquivalentdosis HU

HU/mSv

dosisabhängige Wahrscheinlichkeit nach intrauteriner Strahlenexposition keinen malignen Tumor zu entwickeln (Alter 0–19 Jahre)

P/%

0–5

99,7

10

99,6

50

99,4

100

99,1

Epidemiologische Daten konnten bisher keinen eindeutigen Anstieg vererbbarer Defekte nach pränataler Strahlenexposition zeigen, diesen umgekehrt aber auch nicht ausschließen [13]. Angesichts der relevanten Anzahl erblicher Defekte auch ohne pränatale Strahlenexposition ist der vermutlich vergleichsweise geringe Anstieg nach Strahlenexposition nur schwer zu identifizieren. Für die Induktion vererbbarer Defekte wird daher im Strahlenschutz analog zum Erwachsenen angenommen, dass keine Schwellendosis existiert und im Bereich kleiner Dosen eine lineare Dosis-Wirkungs-Beziehung besteht.

Bei tierexperimentellen Untersuchungen zeigten sich für genetische Anomalien in der ersten Generation pro Lebendgeburt nach pränataler Strahlenexposition der Keimdrüsen Risikokoeffizienten von 0,0003 % pro mSv bei Männern und 0,0001 % pro mSv bei Frauen [5].

Bei Dosen oberhalb von etwa 100 mSv kann es zumindest zur temporären Infertilität beim Menschen kommen, die oberhalb von etwa 1,5Sv permanent werden kann [14]. Eventuelle Mutationen in Keimzellen oberhalb dieser Dosen wirken sich daher nicht auf Nachkommen aus.

Bei Expositionen ab etwa dem 8. Monat sind die Organogenese sowie die Ausbildung des zentralen Nervensystems abgeschlossen. Damit sind bei Expositionen nur die deterministischen und stochastischen Strahlenrisiken zu erwarten, die auch bei der Exposition von Neugeborenen auftreten. Nachdem Expositionen in späteren Schwangerschaftsstadien vielfach nicht mehr das gesamte Ungeborene gleichmäßig exponieren, ist es empfehlenswert, soweit möglich, Risiken anhand von Organ-Äquivalentdosen des mitexponierten Ungeborenen zu berechnen.

Die beiden folgenden Beispiele zeigen, welche Risiken sich für die einzelnen Strahleneffekte aus der Dosis des Ungeborenen ergeben.

Beispiel 1 zur Bewertung der Strahlenexposition

Die Dosisabschätzung hat eine Strahlenexposition des Ungeborenen von 20 mSv ergeben. Die Effekte Abort während der Präimplantationsphase, Fehlbildungen und schwere geistige Retardierung sind für diesen Fall nicht zu berücksichtigen, da die Dosis in einem Bereich liegt, in der keine Effekte zu erwarten sind (siehe [Tab. 1]). Lag der Zeitpunkt der Exposition in der 9.-15. Woche, so ergibt diese Exposition eine Abnahme des Intelligenzquotienten um durchschnittlich weniger als einen IQ-Punkt. Für Kinder bis zum Alter von 15 Jahren errechnet sich ein Risiko in einer Größe zwischen 0,04 und 0,16 % entsprechend zwischen 1:2500 bis 1:625 dafür, dass eine maligne Erkrankung induziert wurde. Für das Risiko der Induktion vererbbarer Defekte bei der Exposition eines weiblichen Ungeborenen ergibt sich ein Wert von < 0,002 %; dies entspricht einem Risiko von < 1:50 000. Bei der Exposition eines männlichen Ungeborenen ergibt sich ein Wert von < 0,006 % gleichbedeutend einem Risiko von < 1:15 000.

Beispiel 2 zur Bewertung der Strahlenexposition

Hat die Dosisabschätzung eine Exposition des Ungeborenen von 200 mSv (d. h. 100 mSv über dem Schwellenwert) ergeben, müssen auch die Risiken für Abort während der Präimplantationsphase und Fehlbildungen berücksichtigt werden. Bei der Berechnung der Wahrscheinlichkeit für das Auftreten dieser Effekte kann der Risikokoeffizient auf 100 mSv (ermittelte Dosis abzüglich dem Schwellenwert) oder 200 mSv (ermittelte Dosis) angewendet werden, dann ergeben sich folgende Risiken:

  • Exposition während der Präimplantationsphase: das Risiko des Absterbens des Embryos vor der Implantation liegt zwischen 10 und 20 %;

  • Exposition zwischen der 3. und 8. Woche: das Fehlbildungsrisiko liegt zwischen 5 und 10 %;

  • Exposition zwischen der 9. und 15. Woche: die wahrscheinliche Reduktion des Intelligenzquotienten liegt bei 3–6 IQ-Punkten;

  • Exposition zwischen der 16. und 25. Woche: die wahrscheinliche Reduktion des IQ liegt bei 1–2 IQ-Punkten;

  • das Risiko der Induktion maligner Erkrankungen liegt zwischen 0,4 und 1,6 %;

  • das Risiko vererbbarer Defekte liegt in der Größenordnung < 0,06 % (männlich) bzw. < 0,02 % (weiblich).

Diese berechneten Risiken sind konservative Abschätzungen der Größenordnung des Strahlenrisikos, unter Berücksichtigung der Lückenhaftigkeit der Studiendaten und der Annahmen, auf denen diese Risikoabschätzungen basieren.


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Vorgehensweise bei der Dosisabschätzung

Als repräsentativ für die Strahlenexposition HU des ungeborenen Kindes wird bei externer Bestrahlung die Organ-Äquivalentdosis im Uterus der Patientin angesehen. Es ist möglich, die Abschätzung der Exposition des Ungeborenen anhand zweier unterschiedlicher Verfahren durchzuführen:

  • Stufe I: Abschätzung mittels Expositionsdaten und Tabellen

  • Stufe II: Abschätzung unter Berücksichtigung der verwendeten Untersuchungsparameter sowie patienten- und gerätespezifischen Daten

In [Abb. 1] ist die Vorgehensweise als Ablaufdiagramm zur Orientierung über die weiteren notwendigen Arbeitsschritte dargestellt.

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Abb. 1 Ablaufdiagramm zur Ermittlung der Äquivalentdosis des Ungeborenen HU (bei externer Photonenstrahlung entspricht HU der Uterusdosis) nach Strahlenexposition.

Als erstes wird der Zeitpunkt der Strahlenexposition p. c. bestimmt. Ist es sicher, dass die Strahlenexposition bis zu 10 Tage p. c. erfolgte, ist keine Dosisabschätzung erforderlich, da ein möglicherweise gesetzter Schaden entweder repariert wird oder keine Implantation stattfindet.

Fand die Strahlenexposition nach dem 10. Tag p. c. statt, soll die Abschätzung zunächst mithilfe von Expositionsdaten und Tabellen erfolgen. Bei Durchleuchtungsuntersuchungen wird dafür die Zeit benötigt, während der sich der Uterus im direkten Strahlengang befand. Bei Projektionsradiografien werden die Zahlen der Aufnahmen, bei denen sich der Uterus im direkten Strahlengang befunden hat, sowie grobe Angaben der Dicke der Patientin benötigt. Wenn keine genauen Informationen vorliegen, ist als obere Abschätzung davon auszugehen, dass der Uterus während der gesamten Durchleuchtungszeit im Strahlengang lag. Mittels dieser Werte können aus den [Tab. 3], [4] [15] orientierend konservative Abschätzungen für die Dosis HU berechnet werden.

Tab. 3

Höchstwerte der Organ-Äquivalentdosis (konservative Abschätzung) für den Uterus bei Röntgenaufnahmen.

Aufnahmeart

Organ-Äquivalentdosis für den Uterus pro Aufnahme/mSv

a. p.

p. a.

lat.

Konstitution

dünn 17 cm

normal 22 cm

dick 26 cm

dünn 17 cm

normal 22 cm

dick 26 cm

normal 36 cm

Projektionsaufnahme

2

3

5

1

1,5

2,5

4

Aufnahmen an Durchleuchtungs- oder C-Bogen-Geräten

1

1,5

2,5

0,5

0,8

1,3

2

DSA-Aufnahme

4

6

10

2

3

5

8

Tab. 4

Höchstwerte der Organ-Äquivalentdosisleistung (konservative Abschätzung) für den Uterus bei Röntgendurchleuchtung.

Projektion

Organ-Äquivalentdosisleistung für den Uterus /

a. p.

p. a.

lat.

Konstitution

dünn 17 cm

normal 22 cm

dick 26 cm

dünn 17 cm

normal 22 cm

dick 26 cm

normal 36 cm

Durchleuchtung

16

24

40

8

12

20

32

Beispiel einer Abschätzung der Uterusdosis für Radiografie und Fluoroskopie

Bei einer Patientin (sagittaler Durchmesser: 20 cm) wurden in der 3. Schwangerschaftswoche mehrere Untersuchungen durchgeführt:

  • 2 Aufnahmen des Thorax p. a. und lat.,

  • 1 Aufnahme des Beckens a. p.,

  • 1 Aufnahme des Abdomens a. p. sowie

  • Durchleuchtung intraoperativ mit 2 Minuten Dauer; davon 0,5 Minuten im Beckenbereich.

Dosisabschätzung

  • nach [Tab. 3]: nur bei den Aufnahmen von Becken und Abdomen liegt der Uterus im direkten Strahlengang, daher werden nur diese Aufnahmen berücksichtigt:
    2 Projektionsaufnahmen mit jeweils 3,0 mSv ergibt 6,0 mSv

  • nach [Tab. 4]: es wird nur die Expositionszeit des Beckens berücksichtigt:
    0,5 Minuten 24 mSv/min = 12 mSv

Gesamtdosis: 6,0 mSv + 12 mSv = 18 mSv

Die Gesamtdosis ist kleiner als 20 mSv. Eine genauere Abschätzung muss nicht durchgeführt werden.

Ist es bei einer Computertomografie möglich, dass der Uterus im Nutzstrahlenfeld lag, erfolgt die konservative Abschätzung auf Basis des dokumentierten CTDIVol anhand der Faktoren aus [Tab. 5] [16] [17]. Der Konversionsfaktor f aus [Tab. 5] ist dabei entsprechend der anzunehmenden Lage des Ungeborenen zu wählen und berücksichtigt bereits, dass bei langstreckigen Untersuchungen und Kombinationsprotokollen (z. B. Thorax und Abdomen und Becken) im Patientenprotokoll üblicherweise der mittlere CTDIVol angezeigt wird. Bei mehreren Serien (z. B. nach Kontrastmittelgabe arteriell und portalvenös) sind die Werte für die einzelnen Serien entsprechend aufzusummieren. Die Berechnung erfolgt mit

Tab. 5

Grobe konservative Abschätzung der Uterusdosis anhand des bei der Untersuchung dokumentierten Wertes für den CTDIvol .

Lage des Uterus

Konversionsfaktor zur Umrechnung des CTDIvol in eine Uterusdosis

teilweise oder ganz im Scanbereich

1,5 [15]

angrenzend, aber sicher außerhalb des Scanbereichs

0,2[*]

sicher weit außerhalb des Scanbereichs (z. B. Schädel, Hals, untere distale und obere Extremitäten)

< 0,001

* Abschätzung anhand der Konversionsfaktoren aus CT-Expo [16] (z. B. Thorax und Oberbauch, LWS-Fraktur).


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Beispiel für eine grobe Abschätzung der Uterusdosis für die Computertomografie

Der im Dosisbericht angezeigte CTDI Vol für eine Untersuchung des Abdomens (Summe aus Übersichtsradiografie, Premonitoring, Monitoring und Scan) beträgt 10,4 mGy. Daraus lässt sich die Uterusdosis grob abschätzen zu:

H U  = 1,5 mSv/mGy * 10,4 mGy = 15,6 mSv

In der Regel bleibt die Strahlenexposition des Uterus in der deutlichen Mehrheit radiologischer Untersuchungen unter dem Wert von 20 mSv. Erst bei einer Überschreitung dieses Dosiswertes soll eine genauere Betrachtung erfolgen.

Wird die Uterusdosis nach Stufe II bestimmt, werden weitere, gerätespezifische Informationen benötigt, die z. B. den Protokollen der Abnahmeprüfung nach § 115 der StrlSchV entnommen werden. Weiterhin werden die Patientengeometrie und die Expositionsbedingungen individuell berücksichtigt oder in einigen seltenen Fällen die Expositionen mit entsprechenden Phantomen gemessen. Hierzu sind medizinphysikalische Kenntnisse notwendig; daher sollte die Berechnung durch die Medizinphysik-Expertin/den Medizinphysik-Experten durchgeführt werden.

Nach dem Quellenkonzept oder Bildempfängerkonzept kann die Einfalldosis K E , ermittelt werden, mit der die Dosis des Ungeborenen berechnet werden kann. Die Berechnung der Dosis des Ungeborenen kann mittels dreier Methoden durchgeführt werden:

  • mittels untersuchungsspezifischer Organdosis-Konversionsfaktoren und der Verwendung des Dosisflächenprodukts oder der Einfalldosis,

  • aus der Einfalldosis K E mittels des Gewebe-Luft-Verhältnisses und der abgeleiteten Gewebe-Energiedosis in Uterustiefe und

  • aus der Einfalldosis oder der strahleneintrittsseitigen Oberflächendosis mittels Tiefendosistabellen.

Bei CT-Untersuchungen ist eine genauere Abschätzung der Uterusdosis über die deutlich differenzierten Konversionsfaktoren möglich. Durch die Verwendung des CTDIvo l wird gleichzeitig auch die Abhängigkeit der unterschiedlichen Definitionen des Pitch durch die verschiedenen Hersteller eliminiert.

Für eine Berechnung gemäß der Stufe II muss auf umfangreiche Tabellen und Formeln zurückgegriffen werden, auf die im Rahmen dieser Übersichtsarbeit nicht eingegangen werden kann. Für genauere Informationen steht der DGMP- und DRG-Bericht [3] zur Verfügung, der ausführlich die Vorgehensweise beschreibt und weitere Rechenbeispiele enthält. Dieser Bericht geht auch auf Expositionen in der Nuklearmedizin und in der Strahlentherapie ein.

Ergeben sich Dosiswerte für den Uterus von über 100 mSv, ist die Strahlenexposition dahingehend zu bewerten, dass die Wahrscheinlichkeiten für kongenitale Malformationen, geistige und Wachstumsretardierung sowie mutagene und karzinogene Effekte zu bestimmen sind (siehe Beispiele 1 und 2). Dann ist ein Gespräch mit der Patientin erforderlich, in dem die mit der Strahlenexposition verbundenen Risiken dargestellt werden. Diese Risiken sollten den Spontanrisiken für diese möglichen Effekte gegenübergestellt werden, um der Patientin eine qualifizierte Bewertung der Situation zu ermöglichen. Auch die individuelle Situation der Patientin ist bei einer Entscheidung zu berücksichtigen, ob eine Interruptio durchgeführt werden soll; letztendlich liegt die Entscheidung bei der Patientin. Das Gespräch mit der Patientin sollte in einem interdisziplinären Konsil – möglichst bestehend aus dem strahlenanwendenden Arzt, Medizinphysik-Experten, Gynäkologen, Humangenetiker und Psychologen – vorbereitet und ggf. durchgeführt werden. Häufig kann es hilfreich sein, einen überregionalen Experten mit einzubeziehen, da Dosiswerte größer als 100 mSv wahrscheinlich weniger als 1-mal pro Berufsleben auftreten und daher vor Ort selten größere Erfahrungen mit solchen Fällen vorliegen.


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Diskussion

Ist die Dosis für das Ungeborene kleiner oder gleich 20 mSv, ist das Risiko für das Auftreten von Fehlbildungen einschließlich einer geistigen Retardierung vernachlässigbar gering. Das mit dieser Exposition verbundene Risiko eines postnatalen Tumors ist so gering, dass es weit unter den Risiken liegt, die mit einer Schwangerschaft verbunden sind. Der Wert von 20 mSv liegt deutlich unterhalb der Dosiswerte, bei denen Fehlbildungen sowie geistige Retardierung als möglich angesehen werden. Diese liegen oberhalb von 100 mGy (entspricht 100 mSv bei Röntgenstrahlung) (siehe [Tab. 1]). Gemäß des 2-Stufen-Konzepts innerhalb der Publikation zu pränataler Strahlenexposition von DGMP und DRG wird es als sinnvoll angesehen, bis zu einer ermittelten Dosis von 20 mSv mit einfachen Tabellen (Stufe I) zu arbeiten, darüber jedoch eine differenziertere Abschätzung durchzuführen. Der große Unterschied ist gewählt worden, um den mit den tabellierten Dosiskoeffizienten verbundenen Unsicherheiten Rechnung zu tragen. Wenn die Dosisabschätzung für das Ungeborene nach Stufe I des 2-Stufen-Konzepts bei bis zu 20 mSv liegt (> 95 % der Fälle [15]), fertigt die Ärztin/der Arzt ein Protokoll an, in dem die Resultate der Dosisabschätzung dokumentiert sind. Zusätzlich anzugeben ist, dass die Schwangere unterrichtet wurde, dass keine sich aus der Strahlenexposition ergebende Gefahr für das Kind besteht. In diesem Dosisbereich liegt keine strahlenbiologisch begründete Indikation für einen Schwangerschaftsabbruch vor. Es ist bekannt, dass andere ärztliche Fachdisziplinen gelegentlich gegensätzliche Auffassungen vertreten und ungeachtet der bestehenden fachlichen Basis ein Schwangerschaftsabbruch empfohlen wird. In diesem haben die für die Strahlenexposition verantwortliche Ärztin oder der verantwortliche Arzt die Aufgabe, diesen gegensätzlichen Auffassungen zum Wohle der Schwangeren und des sich entwickelnden Kindes entgegenzutreten.

Die Angabe von Risiken soll im konkreten Fall einer pränatalen Strahlenexposition helfen, die Wahrscheinlichkeit des Auftretens verschiedener biologischer Effekte abzuschätzen. Diese Informationen können bei einer Beratung betroffener Schwangerer berücksichtigt werden, um Empfehlungen für das weitere Vorgehen auszusprechen. Anwendung und Nutzung dieser Information unter anderem zur Beratung schwangerer Patientinnen wurden unter anderen durch Brent im Jahr 2009 umfassend dargestellt [12].

Bei Dosiswerten über 100 mSv steht aus strahlenbiologischer Sicht eine Interruptio nicht komplett außer Frage; in diesen Fällen sollte das weitere Vorgehen in einem interdisziplinären Konsil geklärt werden.

Bei Strahlenexpositionen Schwangerer muss wie bei anderen Expositionen geprüft werden, ob ein bedeutsames Vorkommnis nach § 108 der Strahlenschutzverordnung [1] vorliegt; aus der alleinigen Exposition eines Ungeborenen ergibt sich jedoch noch keine Verpflichtung zur Meldung eines Vorkommnisses.


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Conflict of Interest

The authors declare that they have no conflict of interest.

  • References

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  • 3 Arbeitsausschuss zur Ermittlung der pränatalen Strahlenexposition der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Physik e. V (2019) DGMP- und DRG-Bericht: Pränatale Strahlenexposition ausmedizinischer Indikation – Dosisermittlung, Folgerungen für die Ärztin/den Arzt und Schwangere, DGMP-Bericht Nr. 7., ISBN 978-3-00-064613-3. http://www.dgmp.de . Zugegriffen: 23.3.2020
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Correspondence

Prof. Martin Fiebich
Inst. of Medical Physics, University of Applied Sciences Giessen
Wiesenstr. 14
35390 Gießen
Germany   
Phone: +49/6 41/3 09 25 73   
Fax: +49/6 41/3 09 29 14   

Publication History

Received: 08 June 2020

Accepted: 04 November 2020

Article published online:
16 December 2020

© 2020. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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Fig. 1 Flow chart for determining the equivalent dose of the unborn child HU (for external photon radiation HU corresponds to the uterine dose) after radiation exposure.
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Abb. 1 Ablaufdiagramm zur Ermittlung der Äquivalentdosis des Ungeborenen HU (bei externer Photonenstrahlung entspricht HU der Uterusdosis) nach Strahlenexposition.
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