Geburtshilfe Frauenheilkd 2021; 81(04): 398-421
DOI: 10.1055/a-1345-8793
GebFra Science
Guideline/Leitlinie

Vulvovaginalkandidose (ausgenommen mukokutane Kandidose): Leitlinie der DGGG, OEGGG und SGGG (S2k-Level, AWMF-Registernummer 015/072, September 2020)

Article in several languages: English | deutsch
Alex Farr
1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Medizinische Universität Wien, Wien, Austria
,
Isaak Effendy
2   Hautklinik, Klinikum der Stadt Bielefeld, Bielefeld, Germany
,
Brigitte Frey Tirri
3   Frauenklinik, Kantonsspital Baselland, Liestal, Switzerland
,
Herbert Hof
4   MVZ Labor Limbach und Kollegen, Heidelberg, Germany
,
Peter Mayser
5   Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, Biebertal, Germany
,
Ljubomir Petricevic
1   Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Medizinische Universität Wien, Wien, Austria
,
Markus Ruhnke
6   Klinik für Hämatologie, Onkologie und Palliativmedizin, Helios Klinikum Aue, Aue, Germany
,
Martin Schaller
7   Hautklinik, Zentrum für Dermato-Onkologie, Universität Tübingen, Tübingen, Germany
,
Axel P. A. Schäfer
8   Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Berlin, Germany
,
Birgit Willinger
9   Abteilung für Klinische Mikrobiologie, Medizinische Universität Wien, Wien, Austria
,
Werner Mendling
10   Deutsches Zentrum für Infektionen in Gynäkologie und Geburtshilfe, Wuppertal, Germany
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Ziel Das Ziel dieser offiziellen Leitlinie, die von der DGGG, OEGGG und SGGG unter Beteiligung der DMykG, DDG und AGII publiziert und koordiniert wurde, ist es, durch die Evaluation der relevanten Literatur einen konsensbasierten Überblick über die Diagnostik und das Management der Vulvovaginalkandidose zu geben.

Methoden Diese S2k-Leitlinie wurde durch einen strukturierten Konsens von repräsentativen Mitgliedern verschiedener Professionen im Auftrag der Leitlinienkommission der genannten Gesellschaften entwickelt.

Empfehlungen Diese Leitlinie gibt Empfehlungen zu Diagnostik, Management, Beratung, Prophylaxe und Screening der Vulvovaginalkandidose.


I  Leitlinieninformationen

Leitlinienprogramm der DGGG, OEGGG und SGGG

Informationen hierzu finden Sie am Ende der Leitlinie.


Zitierweise

Vulvovaginal Candidosis (Excluding Mucocutaneous Candidosis): Guideline of the German (DGGG), Austrian (OEGGG) and Swiss (SGGG) Society of Gynecology and Obstetrics (S2k-Level, AWMF Registry Number 015/072, September 2020). Geburtsh Frauenheilk 2021; 81: 398 – 421


Leitliniendokumente

Die vollständige Langfassung und eine DIA-Version dieser Leitlinien sowie eine Aufstellung der Interessenkonflikte aller Autoren befinden sich auf der Homepage der AWMF: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-072.html


Leitliniengruppe

Siehe [Tab. 1] und [2].

Tab. 1 Federführender und/oder koordinierender Leitlinienautor.

Autor

AWMF-Fachgesellschaft

Priv.-Doz. DDr. Alex Farr

Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (OEGGG), Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG)

Tab. 2 Beteiligte Leitlinienautoren/innen.

Autor/in

Mandatsträger/in

DGGG-Arbeitsgemeinschaft (AG)/AWMF/Nicht-AWMF-Fachgesellschaft/
Organisation/Verein

Prof. Dr. Isaak Effendy

DDG

Priv.-Doz. DDr. Alex Farr

OEGGG/DGGG

Dr. med. Brigitte Frey Tirri

SGGG

Prof. Dr. Herbert Hof

DMykG

Prof. Dr. Peter Mayser

DDG

Prof. Dr. Werner Mendling

DGGG

Prof. Dr. Ljubomir Petricevic

OEGGG

Prof. Dr. Markus Ruhnke

DMykG

Prof. Dr. Martin Schaller

DDG

Priv.-Doz. DDr. Axel Schäfer

AGII

Prof. Dr. Birgit Willinger

DMykG


Verwendete Abkürzungen

Ak: Antikörper
BMI: Body-Mass-Index
C : Candida
CDC: Centers for Disease Control and Prevention
CF: zystische Fibrose
ECHA: European Chemicals Agency
GBS: Gruppe-B-Streptokokken
GDM: Gestationsdiabetes mellitus
IUS: intrauterine Spirale
KOH: Kaliumhydroxid
Lcr35: Lactobacillus casei rhamnosus 35
LNG: Levonorgestrel
MHK: minimale Hemmkonzentration
MPA: Medroxyprogesteronacetat
OTC: Over-the-Counter
PCR: Polymerase-Kettenreaktion
PVP-I: Jodpovidon
RVVC: rezidivierende Vulvovaginalkandidose
VVC: Vulvovaginalcandidose/-kandidose
 



II  Leitlinienverwendung

Fragestellung und Ziele

Ziel ist die optimale Betreuung von Patientinnen mit Vulvovaginalkandidose im ambulanten, teilstationären und stationären Versorgungssektor. Ebenso stellt die Prävention und Früherkennung der Vulvovaginalkandidose ein Ziel dieser Leitlinie dar. Bei entsprechender Symptomatik wird eine zielgerichtete Diagnostik und Therapie angestrebt. Hierdurch sollen unnötige Therapie und dadurch etwaig entstehende Resistenzen vermieden werden.


Versorgungsbereich

  • ambulanter Versorgungssektor

  • teilstationärer Versorgungssektor

  • stationärer Versorgungssektor

  • spezialisierte Versorgung


Anwenderzielgruppe/Adressaten

  • Gynäkologinnen/Gynäkologen mit Klinikanstellung

  • Gynäkologinnen/Gynäkologen in der Niederlassung

  • Dermatologinnen/Dermatologen mit Klinikanstellung

  • Dermatologinnen/Dermatologen in der Niederlassung

  • Mikrobiologinnen/Mikrobiologen mit Klinikanstellung

  • Mikrobiologinnen/Mikrobiologen in der Niederlassung


Des Weiteren

  • HausärztInnen/Hausärzte

  • Hebammen mit Klinikanstellung

  • Hebammen in der Niederlassung

  • Pflegekräfte

  • biomedizinische AnalytikerInnen

  • medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaften und Berufsverbände

  • gesundheitspolitische Einrichtungen und Entscheidungsträger auf Bundes- und Landesebene

  • Kostenträger


Verabschiedung und Gültigkeitsdauer

Die Gültigkeit dieser Leitlinie wurde durch die Vorstände/Verantwortlichen der beteiligten Fachgesellschaften/Arbeitsgemeinschaften/Organisationen/Vereine sowie durch den Vorstand der DGGG und der DGGG-Leitlinienkommission sowie der SGGG und OEGGG im September 2020 bestätigt und damit in seinem gesamten Inhalt genehmigt. Diese Leitlinie besitzt eine Gültigkeitsdauer von 01.09.2020 bis 31.08.2025. Diese Dauer ist aufgrund der inhaltlichen Zusammenhänge geschätzt.



III  Methodik

Grundlagen

Die Methodik zur Erstellung dieser Leitlinie wird durch die Vergabe der Stufenklassifikation vorgegeben. Das AWMF-Regelwerk (Version 1.0) gibt entsprechende Regelungen vor. Es wird zwischen der niedrigsten Stufe (S1), der mittleren Stufe (S2) und der höchsten Stufe (S3) unterschieden. Die niedrigste Klasse definiert sich durch eine Zusammenstellung von Handlungsempfehlungen, erstellt durch eine nicht repräsentative Expertengruppe. Im Jahr 2004 wurde die Stufe S2 in die systematische evidenzrecherchebasierte (S2e) oder strukturelle konsensbasierte Unterstufe (S2k) gegliedert. In der höchsten Stufe S3 vereinigen sich beide Verfahren.

Diese Leitlinie entspricht der Stufe S2k.


Empfehlungsgraduierung

Die Evidenzgraduierung nach systematischer Recherche, Selektion, Bewertung und Synthese der Evidenzgrundlage und eine daraus resultierende Empfehlungsgraduierung einer Leitlinie auf S2k-Niveau ist nicht vorgesehen. Es werden die einzelnen Statements und Empfehlungen nur sprachlich – nicht symbolisch – unterschieden ([Tab. 3]).

Tab. 3 Graduierung von Empfehlungen.

Beschreibung der Verbindlichkeit

Ausdruck

starke Empfehlung mit hoher Verbindlichkeit

soll/soll nicht

einfache Empfehlung mit mittlerer Verbindlichkeit

sollte/sollte nicht

offene Empfehlung mit geringer Verbindlichkeit

kann/kann nicht


Statements

Sollten fachliche Aussagen nicht als Handlungsempfehlungen, sondern als einfache Darlegung Bestandteil dieser Leitlinie sein, werden diese als „Statements“ bezeichnet. Bei diesen Statements ist die Angabe von Evidenzgraden nicht möglich.


Konsensusfindung und Konsensusstärke

Im Rahmen einer strukturierten Konsenskonferenz nach dem NIH Typ (S2k/S3-Niveau) stimmen die berechtigten Teilnehmer der Sitzung die ausformulierten Statements und Empfehlungen ab. Der Ablauf war wie folgt: Vorstellung der Empfehlung, inhaltliche Nachfragen, Vorbringen von Änderungsvorschlägen, Abstimmung aller Änderungsvorschläge. Bei Nichterreichen eines Konsensus (> 75% der Stimmen), Diskussion und erneute Abstimmung. Abschließend wird abhängig von der Anzahl der Teilnehmer die Stärke des Konsensus ermittelt ([Tab. 4]).

Tab. 4 Einteilung zur Zustimmung der Konsensusbildung.

Symbolik

Konsensusstärke

prozentuale Übereinstimmung

+++

starker Konsens

Zustimmung von > 95% der Teilnehmer

++

Konsens

Zustimmung von > 75 – 95% der Teilnehmer

+

mehrheitliche Zustimmung

Zustimmung von > 50 – 75% der Teilnehmer

kein Konsens

Zustimmung von < 51% der Teilnehmer


Expertenkonsens

Wie der Name bereits ausdrückt, sind hier Konsensusentscheidungen speziell für Empfehlungen/Statements ohne vorige systemische Literaturrecherche (S2k) oder aufgrund von fehlenden Evidenzen (S2e/S3) gemeint. Der zu benutzende Expertenkonsens (EK) ist gleichbedeutend mit den Begrifflichkeiten aus anderen Leitlinien wie „Good Clinical Practice“ (GCP) oder „klinischer Konsensuspunkt“ (KKP). Die Empfehlungsstärke graduiert sich gleichermaßen wie bereits im Kapitel Empfehlungsgraduierung beschrieben ohne die Benutzung der aufgezeigten Symbolik, sondern rein semantisch („soll“/„soll nicht“ bzw. „sollte“/„sollte nicht“ oder „kann“/„kann nicht“).



IV  Leitlinie

1  Definition

Konsensbasierte Empfehlung 1.E1

Expertenkonsens

Konsensusstärke ++

Die Bezeichnungen „Candidose“, „Kandidose“ und „Candida-Vulvovaginitis“ sollen gegenüber der Bezeichnung „Candidiasis“ bevorzugt werden.

Die VVC ist eine Infektion der primär östrogenisierten Vagina und des Vestibulums, die sich auf die Außenseite der kleinen Labien, der großen Labien, sowie auf die Interkrural- und Perianalregion ausdehnen kann. Eine Kandidose der Zervix oder des Endometriums ist nicht bekannt. Eine konnatale, fetale Kandidose und eine Candida-Amnionitis sind sehr selten, aber möglich. Die Bezeichnung „Kandidose“ oder „Candida-albicans-Vulvovaginitis“ werden bevorzugt [1]. Die Endung „-iasis“ sollte parasitären Infektionen vorbehalten bleiben (z. B. Trichomoniasis) [2], wird aber wegen der weiten Verbreitung im angloamerikanischen Schrifttum häufig benutzt.


2  Mikrobiologie

Konsensbasiertes Statement 2.S1

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei prämenopausalen, schwangeren, asymptomatischen, gesunden Frauen sowie bei Frauen mit akuter VVC (ohne Anamnese für chronisch rezidivierende VVC) handelt es sich beim Nachweis von Hefepilzen meistens um Candida albicans.

Candida albicans bildet in vitro Blastosporen, Keimschläuche, Pseudomyzelien, echte Myzelien und auf Spezialnährböden auch Chlamydosporen. Candida glabrata bildet ausschließlich Blastosporen. Die Pseudohyphenbildung (außer von C. glabrata und einigen anderen Candida-Arten, die in Form von Blastosporen vorkommen) ist Hinweis für eine Infektion [3], [4]. Bei prämenopausalen, schwangeren, asymptomatischen und gesunden Frauen, sowie bei Frauen mit akuter VVC, ist in 85 – 95% C. albicans die ursächliche Spezies. Diese Spezies (spp.) ist C. africana sehr ähnlich, die aber nur mit speziellen diagnostischen Verfahren identifiziert werden kann [5], [6]. Exakte epidemiologische Daten fehlen hierzu. Es existieren zwar regionale Unterschiede in der Verteilung der Candida-Spezies, wiewohl Arbeiten aus dem deutschsprachigen [7], [8] und englischsprachigen Raum [9] vergleichbare Zahlen berichten. In einer retrospektiven PCR-gestützten Analyse von 93 775 zervikovaginalen Abstrichen aus 4 Jahren, die zur Abklärung von VVC entnommen worden waren, waren C. albicans mit 89%, C. glabrata mit 7,9% und andere Candida-Arten mit jeweils unter 2% Häufigkeit vertreten [10]. Non-albicans-Arten, besonders C. glabrata, werden häufiger bei postmenopausalen, diabetischen und immunsupprimierten Frauen vorgefunden [8], [11], [12], [13], [14], [15], [16]. C. krusei, C. guilliermondii, C. tropicalis, C. parapsilosis und andere Spezies können in Einzelfällen eine Vulvovaginitis mit typischen Symptomen verursachen [4], [8], [17], [18], [19]. Saccharomyces cerevisiae ist grundsätzlich apathogen und verursacht daher keine Beschwerden [20], [21], auch wenn dieser im Sinne eines Kommensalismus in 1 – 2% der vaginalen Kulturen identifiziert werden kann [8], [15].


3  Virulenzfaktoren

Konsensbasiertes Statement 3.S2

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Der Schritt von der Kolonisation zur Vaginitis ist bisher nicht ganz verstanden und belegt die Bedeutung von Wirtsfaktoren.

Die Pathogenese der VVC hängt nicht nur von der Virulenz des Erregers, sondern auch von der individuellen Prädisposition und Infektabwehr ab. Eigentlich sind Hefepilze typische Opportunisten, die bei einer Schwäche der lokalen bzw. systemischen Infektabwehr eine Infektion hervorrufen. Noch nicht ganz klar ist, warum aus einer einfachen Kolonisation mit Candida bei einer gesunden Person eine akute, hochentzündliche Affektion entsteht.

Die Unwissenheit über den Schritt von der Kolonisation zur Vaginitis belegt die Bedeutung von Wirtsfaktoren [22]. Nach Kolonisation kommt es zunächst zur Adhärenz am Vaginalepithel, und darauffolgend mittels Virulenzfaktoren zur Invasion, Infektion und Inflammation. Bei der Bildung von Pseudohyphen werden Pilzbestandteile gebildet, die eine heftige Chemotaxis von Granulozyten stimulieren, die daraufhin die Entzündung verursachen [23].

Die Adhärenz der Candida-Zelle [24] an der Vaginalwand wird durch Mannoproteine ermöglicht [25], [26]. Die Fähigkeit zur (Pseudo-)Hyphenbildung und die Sekretion von hydrolytischen Proteinen sind relevante Virulenzfaktoren [27], [28], [29], die mit der Pathogenität korrelieren [30], [31]. Weiters spielen Siderophoren, die pH-Toleranz [32], sowie die Anwesenheit von Enzymen, die Candida albicans das Überleben in Makrophagen ermöglichen [33], zu wichtigen Mechanismen in der Entstehung der Infektion.

Bei der akuten Infektion scheint es zu einer Aktivierung von Inflammasom-Rezeptoren der vaginalen Epithelzellen durch die Bildung von Virulenz- und Immun-Entzündungsfaktoren zu kommen. Pilzbestandteile, wie Glucan, Mannan und Chitin, binden an spezifische Rezeptoren von Makrophagen und stimulieren diverse Zytokine [34]. Eine der Voraussetzungen für die Invasion von Candida ist der Übergang von der Hefeform in die Hyphenform, was durch die Anwesenheit von Östrogenen begünstigt wird, da Pilze zytoplasmaständige Östrogenrezeptoren enthalten [35].


4  Genitale Kolonisation

Konsensbasiertes Statement 4.S3

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die einfache Kolonisation mit Candida-Spezies ist häufig, oft vorübergehend und außerhalb der Schwangerschaft meist nicht therapiebedürftig.

Entsprechend der Östrogenisierung der Vagina sind Mädchen vor der Menarche und Frauen nach der Menopause (ohne Hormonersatztherapie) weniger häufig vaginal kolonisiert und praktisch niemals von einer VVC betroffen [36]. Insgesamt gibt es keinen eindeutigen Hinweis für einen Anstieg der Häufigkeit von Candidosen in der Gynäkologie, weder bei akuten, noch bei chronisch rezidivierenden Ereignissen. Schwangere Frauen sind in etwa 30% der Fälle im 3. Trimenon betroffen, sofern die Diagnostik kulturelle Nachweismethoden umfasst [8], [16].

Mittels PCR-Methoden steigt der Nachweis einer vaginalen Kolonisation erheblich an [37]. Die vaginale Kolonisation kann jedoch individuell von Zeit zu Zeit wechseln. Zu beachten ist etwa, dass ein positiver Befund auf C. glabrata meist nur eine Kolonisation darstellt. Als Risikofaktor für die bei etwa 70% aller junger gesunder Frauen auftretenden Kolonisation mit Candida spp. wurden kürzlich zurückliegender sexueller Verkehr, die Injektion vom Ovulationshemmer Medroxyprogesteronacetat (MPA) und die Kolonisation mit Laktobazillen und Streptokokken der Gruppe B (GBS) identifiziert [38].

Das Sperma des Partners kann mit dem identischen Candida-Stamm wie der in der Vagina kolonisiert sein [39], obwohl der Partner symptomfrei ist. Die Candida-Balanitis ist behandlungsbedürftig, jedoch kann eine vorübergehende Rötung der Eichel nach Verkehr mit einer Candida-kolonisierten Frau auch reaktiv sein. Es ist nicht klar, ob die Kolonisation des Genitaltraktes des Partners oder die des Orointestinaltraktes beider Partner als Quelle für chronisch rezidivierende Candida-Vaginitiden eine Rolle spielt [4], [40].


5  Prädisponierende Wirtsfaktoren

Konsensbasierte Empfehlung 5.E2

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Etwa 70 – 75% aller Frauen leiden mindestens einmal in ihrem Leben an einer VVC, wobei bestimmte Risikogruppen existieren, bei denen (sofern möglich), neben ordnungsgemäßer Diagnostik und Therapie der VVC, zusätzlich die Ausschaltung des prädisponierenden Wirtsfaktors angestrebt werden sollte.

5.1  Diabetes mellitus

Patientinnen mit Diabetes mellitus leiden häufiger unter einer VVC, wobei die Therapie meistens dann versagt, wenn sich die Serumglukosespiegel nicht im Normalbereich befinden [11], [41]. Eine erhöhte Glykämie im Vaginalgewebe erhöht die Pilzadhäsion, das Pilzwachstum und prädisponiert Vaginalepithelzellen für die Bindung von Hefen. Zusätzlich kann eine Glykämie von 10 – 11 mmol/l den Abwehrmechanismus des Wirts beeinträchtigen. Eine Hyperglykämie senkt die Migration der Neutrophilen und schwächt ihre chemotaktischen und phagozytischen Kräfte, wodurch die Empfindlichkeit gegenüber einer VVC erhöht wird [42], [43]. Die antidiabetisch wirksamen SGLT2-Hemmer, welche die Glykosurie erhöhen, erhöhen auch die Episoden einer VVC [44] – [46]. Bei wiederholt auftretenden Episoden einer VVC bei Diabetikerinnen ist jedenfalls auch die Kontrolle und Einstellung der antidiabetischen Medikation angebracht [47].


5.2  Antibiotika

Frauen, die bereits vaginal mit Candida kolonisiert sind, haben ein bis 33% höheres Risiko, nach einer antibiotischen Behandlung eine VVC zu entwickeln [48], [49], [50], [51]. Die am häufigsten verschriebene, wirksamste VVC-Prophylaxe stellt die Einnahme von 150 mg Fluconazol zusammen mit der Einnahme der Antibiotika dar, wobei diese zu Beginn und am Ende bzw. einmal wöchentlich verabreicht werden kann. Eine andere Möglichkeit besteht in der gleichzeitigen Einnahme von oralen oder vaginalen Probiotika [52].


5.3  Vaginale Mikrobiota

Es wurden niedrigere Zahlen von Laktobazillen bei Frauen mit VVC, gegenüber jenen ohne VVC, gefunden [53]. Es besteht eine antagonistische Wirkung einiger Laktobazillen gegen Candida [54], [55]. Diese antagonistische Wirkung betrifft spezielle Stämme, wie z. B. Lactobacillus rhamnosus [56], [57], [58], [59], [60]. Dieser Schutz durch Laktobazillen beruht hauptsächlich auf deren Fähigkeit, an Vaginalepithelzellen zu haften und das Wachstum von Krankheitserregern zu hemmen [61].


5.4  Hormonelle Faktoren

Das im Vaginalepithel unter Östrogeneinwirkung gespeicherte Glykogen dient Pilzen als Nährsubstrat [62]. Weiters sind Östrogene für die Bildung von Hemmstoffen durch die Epithelzellen verantwortlich, welche die antimykotische Funktion der Granulozyten behindern und somit eine Leukozytenanergie bewirken [23], [47], [63]. Aufgrund des Östrogenspiegels und dem hohen Glykogengehalt werden am häufigsten mitzyklisch bzw. in der lutealen Phase des Menstruationszyklus Symptome der VVC angegeben, während es zu einem raschen Rückgang der Symptome während der Menstruation kommt [62]. Postmenopausale Frauen sind signifikant häufiger von einer VVC betroffen, wenn sie eine Hormonersatztherapie erhalten [64].


5.5  Kontrazeptiva

Es scheint zu einer Zunahme von VVC unter Einnahme oraler Kontrazeptiva zu kommen, wobei dies von der Dosierung des Östrogenanteils abhängig zu sein scheint [65]. Gestagene alleine scheinen einen protektiven Effekt gegen VVC zu haben [47], [66]. Bezüglich der Anwendung von Hormonspiralen empfehlen Donders et al. [43] „Levonorgestrel releasing intrauterine systems“ (LNG-IUS) bei Frauen mit chronischer RVVC oder einem erhöhten Risiko für VVC zu meiden.


5.6  Genetische Faktoren

Für Rückfälle der VVC können auch genetische Faktoren verantwortlich sein, wie etwa Genpolymorphismen des mannosebindenden Lektins [67], [68] und ein Non-Sekretor-Phänotyp der AB0-Lewis-Blutgruppe [69]. Da Infektion gleich Kolonisation plus Disposition ist, leiden immunsupprimierte Menschen häufiger an VVC [70]. Ak-produzierende B-Zellen bei VVC werden als protektiv angesehen [71], [72], [73], [74], [75]. Frauen mit atopischer Diathese und Typ-I-Allergien entwickeln häufiger eine VVC als Gesunde [76].


5.7  Lebensstilfaktoren

Sexuelles Verhalten kann zu Rückfällen von VVC führen [48], [77], [78]. Psychosozialer Stress kann vermutlich über Immunsuppression eine chronische RVVC auslösen [79], [80]. Die Kandidose übt einen negativen Einfluss auf das Arbeits- und Sozialleben der Patientin aus. Ernährung wird von einigen FachexpertInnen als relevant für die Entstehung einer VVC angesehen [81], [82].



6  Klinische Symptomatik

Konsensbasiertes Statement 6.S4

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Juckreiz ist das Hauptsymptom der VVC, wobei nicht alle Frauen, die Juckreiz beklagen, tatsächlich eine VVC haben. Neben Juckreiz klagen Betroffene häufig über vaginale Rötung, Wundheitsgefühl, Brennen, Dyspareunie und Dysurie. Symptome alleine ermöglichen es nicht, verlässlich zwischen den Ursachen einer Vaginitis zu unterscheiden.

Prämenopausale Frauen leiden meist unter einer vaginalen Kandidose, die sich auf das Vestibulum und die Vulva ausdehnen kann, während postmenopausale Frauen primär in der Leisten-/Inguinalregion sowie der Vulva betroffen sind. Es gibt keine Candida-Zervizitis. Bei prämenopausalen Frauen treten die Symptome typischerweise prämenstruell auf, da die von Östrogenen induzierte Zellproliferation und von Progesteron induzierte Zytolyse Glykogen freisetzt, das von Laktobazillen verstoffwechselt werden kann, sodass der Glukosespiegel im Gewebe erhöht ist [83].

Aus klinischer und therapeutischer Sicht ist eine Einteilung in komplizierte und unkomplizierte Fälle zu empfehlen [4]. In etwa 90% ist Juckreiz das wichtigste, jedoch nicht verlässliche Symptom, da nur 35 – 40% jener Frauen, die Juckreiz beklagen, tatsächlich eine VVC haben [8], [37], [84]. Vaginaler Fluor kann unterschiedlich sein. Von der Konsistenz ist dieser oft dünnflüssig zu Beginn einer VVC, meist weißlich flockig, und bei chronischer RVVC kann dieser auch gänzlich fehlen [42], [85]. Im Gegensatz zur bakteriellen Vaginose riecht Fluor bei VVC nicht unangenehm [42].

Neben Juckreiz in der Vulva und/oder der Vagina beklagen die meisten Patientinnen mit VVC eine vaginale Rötung, Wundheitsgefühl, Brennen, Dyspareunie und Dysurie [42]. Diese Symptome alleine erlauben es dem Kliniker allerdings oft nicht, verlässlich zwischen den Ursachen einer Vaginitis zu unterscheiden. Juckreiz und Rötung sind bei VVC nicht immer vorliegend [84]. Die kleinen Labien können ödematös sein und besonders bei RVVC kommen häufig brennende Rhagaden vor.

Neben den typischen Symptomen einer VVC durch C. albicans ist die C.-glabrata-Vaginitis selten und kommt gewöhnlich im späten prä- und perimenopausalen Lebensabschnitt vor [9], [17], [86], [87], [88]. Die C.-krusei-Vaginitis [19] und die C.-parapsilosis-Vaginitis [18] sind meist ähnlich wie jene durch C. glabrata mit nur milden klinischen Symptomen und Beschwerden verbunden. Saccharomyces cerevisiae ist als Verursacher einer Vaginitis unwahrscheinlich [20], [21], [89]. Die Kandidose der Vulva wird aus dermatologischer Sicht in eine vesikulöse, ekzematoide und follikuläre Form unterschieden. Frauen mit sekundärer Vestibulodynie berichten häufig über eine VVC vor Ausbruch der vestibulären Schmerzen.

Insgesamt führt die Symptomatik der VVC zu einer Einschränkung der Lebensqualität, die vergleichbar mit jener von Patientinnen ist, die an Asthma bronchiale oder chronisch obstruktiver Bronchitis leiden. Die VVC ist daher auch mit einer signifikant reduzierten Produktivität im Berufs- und Alltagsleben vergesellschaftet [90].


7  Diagnostik

Konsensbasierte Empfehlung 7.E3

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die Diagnose VVC soll anhand der Kombination aus Klinik und dem mikroskopischen Nachweis von (Pseudo-)Hyphen gestellt werden, wobei bei unklaren Fällen die Diagnostik auf kulturelle Methoden erweitert werden soll.

7.1  Notwendige Diagnostik

Konsensbasierte Empfehlung 7.E4

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die mikroskopische Untersuchung mit Kochsalzlösung bei 400-facher Vergrößerung soll zur Orientierung als erster diagnostischer Schritt durchgeführt werden.

In der Diagnostik ist das Vorhandensein von (Pseudo-)Hyphen erforderlich, um eine Candida-bedingte Vaginitis nachzuweisen und von der asymptomatischen Kolonisation zu unterscheiden. Essenziell sind Anamnese, gynäkologische Untersuchung und mikroskopische Untersuchung von vaginalem Fluor mittels Kochsalzlösung (oder alternativ 10%iger KOH-Lösung) bei zumindest 400-facher Vergrößerung (10 × Okular plus 40 × Objektiv) im Licht- oder Phasenkontrastmikroskop [20], [91]. Gegebenenfalls kann auch eine pH-Messung erfolgen. Sprosszellen (Blastosporen) oder (Pseudo-)Hyphen können in etwa 50 – 80% der Fälle der akuten VVC im Mikroskop gefunden werden [4], [92]. Es können, müssen aber nicht, vermehrt Leukozyten im Fluor gefunden werden. Falls mikroskopisch keine Blastosporen oder (Pseudo-)Hyphen gefunden werden können, ist die Keimmenge vermutlich so gering, dass die Untersuchung mit geringer Sensitivität negativ bleibt. Da die Kultur sensitiver ist und da trotz geringer Pilzlast eine Entzündung ausgelöst werden kann, sollte z. B. bei einer chronischen RVVC die kulturelle Untersuchung mit Artbestimmung durchgeführt werden. Da Resistenzen nicht mit der MHK korrelieren, ist deren Bestimmung primär nicht notwendig [83], [93], [94].

Das typische Medium zur kulturellen Diagnostik der Candida-Arten ist der Sabouraud-2%-Glucose-Agar. Weiters gibt es den CHROMagar oder Mikrostix-Candida. Chromogene Medien bieten die Möglichkeit, bestimmte Candida spp. aufgrund ihrer Pigmentierung sofort zu identifizieren und erleichtern den Nachweis von Mischkulturen bei gleichzeitigem Vorkommen von mehreren Hefearten. Die Patientin leidet in diesem Fall meist an einer C.-albicans-Vaginitis, während nach einer Behandlung die häufig resistente C. glabrata in situ verbleibt. Diese ist dann meistens nur kolonisierend vorhanden und muss bei Beschwerdefreiheit nicht erneut therapiert werden. Eine In-vitro-Empfindlichkeitstestung ist allenfalls bei Nachweis von Non-albicans-Arten und chronisch-rezidivierenden Verläufen anzudenken.

Unter Anwendung eines modernen DNA-Hybridierungstests des vaginalen Fluors vom Spekulum der gynäkologischen Untersuchung kann eine Sensitivität und Spezifität bei der Detektion von Candida spp. von bis zu 96,3% erreicht werden [95]. Die Detektion mittels Whole-Genome-Sequencing besitzt die höchste Sensitivität und Spezifität in der Candida-Diagnostik [96].


7.2  Unsinnige Diagnostik

Konsensbasiertes Statement 7.S5

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Serologische Tests, vor allem Antikörperspiegelbestimmungen, haben in der Diagnostik der VVC keinen Stellenwert.



8  Therapie

Konsensbasierte Empfehlung 8.E5

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die akute VVC sollte je nach individuellen Bedürfnissen der Frau entweder mit lokalen oder mit oralen Antimykotika behandelt werden, während bei einer chronischen RVVC primär die orale Therapie, eventuell im Sinne einer länger andauernden Suppressionstherapie, durchgeführt werden sollte.

8.1  Therapie der akuten Candida-Vaginitis

Konsensbasiertes Statement 8.S6

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die Therapie der akuten VVC mit topischen oder oralen Imidazolderivaten, Polyenen und Ciclopiroxolamin zeigt äquivalente Therapieerfolge. Die Behandlung eines asymptomatischen Sexualpartners ist bei einer akuten VVC nicht indiziert.

Die asymptomatische vaginale Kolonisation bedarf selbst bei hoher Keimzahl keiner Therapie, falls die Patientin immunkompetent ist und nicht unter einer chronischen RVVC leidet. Im Falle einer Infektion besteht selbst bei niedriger Keimzahl eine Therapiebedürftigkeit, wobei zahlreiche Therapiemöglichkeiten existieren [97]. Die folgenden Wirkstoffe kommen zum Einsatz: Azole, welche die Bildung von Lanosterol zu Ergosterol der Hefezellmembran verändern [98]; Polyene, die Komplexe mit dem Ergosterol der Sprosspilzmembran bilden und so deren Permeabilität verändern [99]; Ciclopiroxolamin, das wichtige Enzyme, die Eisen benötigen, durch Chelatbildung behindert [100]. Im Falle einer chronischen RVVC kann eine dosisreduzierende Suppressionstherapie erwogen werden, etwa mittels eines Schemas mit Fluconazol 200 mg oral an 3 Tagen pro Woche (für 1 Woche), bei Beschwerde- bzw. Pilzfreiheit wöchentlich über 2 Monate, dann alle 2 Wochen über 4 Monate, anschließend einmal monatlich über 6 Monate.

Es existieren Vaginalsuppositorien und -cremes mit Dosierungen bzw. Zubereitungen für eine Behandlungsdauer zwischen 1 und 3 Tagen, sowie zwischen 6 und 7 Tagen [101]. Alternative Therapieoptionen bei der nicht schwangeren Frau sind orale Triazole (Fluconazol, Itraconazol, Posaconazol, Voriconazol), Polyene (Nystatin) [4], [102], [103], oder Ciclopiroxolamin ([Tab. 5]) [104].

Tab. 5 Therapieoptionen bei akuter Candida-Vaginitis.

Lokaltherapie (bei Erstmanifestation)

Clotrimazol

200 mg Vaginaltabletten 1 × tgl. für 3 Tage

500 mg Vaginaltablette einmalig

Econazol

150 mg Vaginalzäpfchen 2 × tgl. alle 12 Stunden

150 mg Vaginalzäpfchen 1 × tgl. für 3 Tage

Fenticonazol

600 mg Vaginalkapsel 1 × tgl.

bei Bedarf wiederholen

Isoconazol

150 mg Vaginalzäpfchen 2 × tgl. alle 12 Stunden

150 mg Vaginalzäpfchen 1 × tgl. für 3 Tage

600 mg Vaginalzäpfchen einmalig

alternative Therapien (bei massiver Erstmanifestation)

Fluconazol

150 mg oral einmalig

50 mg oral 1 × tgl. für 7 – 14 Tage

100 mg oral 1 × tgl. für 14 Tage

bei immunsupprimierten Patientinnen

Itraconazol

100 mg oral 2 × 2 Kapseln tgl. postprandial

100 mg oral 1 × 2 Kapsel tgl. für 3 Tage

Nystatin

100 000 I. E. Vaginaltablette für 14 Tage

200 000 I. E. Vaginaltablette für 6 Tage

Ciclopiroxolamin

50 mg (1 Applikatorfüllung) 1 × tgl. für 6 – 14 Tage

evtl. Bezug über internationale Apotheke


8.2  Nebenwirkungen

Konsensbasiertes Statement 8.S7

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Alle gängigen vaginalen und topischen Antimykotika sind grundsätzlich gut verträglich.

Alle gängigen vaginalen und topischen Antimykotika werden gut vertragen. Azole und Ciclopiroxolamin können in 1 – 10% der Fälle leichtes lokales Brennen verursachen [7], [103]. Lokale Irritationen führen leider zu einer reduzierten Compliance der Patientin und können als Resistenz gegen die Therapie fehlinterpretiert werden [105]. Allergische Reaktionen sind möglich, aber selten. Das hydrophile Fluconazol und das lipophile Itraconazol verursachen bei den üblichen Dosierungen selten Nebenwirkungen. Bei der systemischen Therapie verursacht Itraconazol jedoch deutlich mehr Nebenwirkungen als Fluconazol (z. B. anaphylaktoide Reaktionen, Kopfschmerzen, u. a.). Bei einer systemischen Azol-Therapie sollten jedoch auch Wechselwirkungen mit weiteren Therapeutika beachtet werden, insbesondere wenn diese über Cytochrom P450 3A4 verstoffwechselt werden. Bei der lokalen Anwendung von Azol-Antimykotika ist die Patientin darüber aufzuklären, dass die Funktionsfähigkeit und Zuverlässigkeit von Gummidiaphragmen sowie Latex-Kondomen beeinträchtigt sein kann.


8.3  Resistenzbildung

Konsensbasierte Empfehlung 8.E6

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Unnötige antimykotische Therapien können durch Selektion weniger empfindlicher Stämme zu Resistenzen führen und sollen daher vermieden werden.


8.4  Therapie der Non-albicans-Vaginitis

Konsensbasierte Empfehlung 8.E7

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei chronisch RVVC und Non-albicans-Vaginitiden sollte geprüft werden, ob die angegebenen Symptome für eine Mykose sprechen und (nach Resistenzprüfung) tendenziell Reserve-Antimykotika zur Anwendung kommen. Dies gilt insbesondere für Infektionen mit Candida glabrata.

Wiewohl der Nachweis von Candida glabrata häufig nur auf eine Kolonisation hindeutet, versagt bei tatsächlichen Candida-glabrata-Vaginitiden für gewöhnlich die übliche vaginale oder orale Behandlung. Im Falle einer Candida-glabrata-Vaginitis kann die lokale Gabe von Nystatin oder Ciclopiroxolamin erwogen werden.

Die Candida-krusei-Vaginitis ist gegen Fluconazol und Itraconazol, aber teilweise auch gegen Posaconazol und einige Imidazole resistent. Nach dem primären Therapieversuch mit topischem Clotrimazol 100 mg für 2 Wochen kann eine Therapie mit Ciclopiroxolamin [20] oder Nystatin [19] versucht werden. Aufgrund der Seltenheit solcher Fälle gibt es jedoch kaum Studienergebnisse.

C. dubliniensis ist zwar empfindlich auf Imidazole, entwickelt jedoch Resistenzen gegen Fluconazol, im Speziellen bei Patientinnen unter Langzeittherapie [106]. C. tropicalis und C. guilliermondii sollten, wie eine konventionelle C.-albicans-Vaginitis behandelt werden. C. kefyr ist apathogen und daher als Verursacher einer Vaginitis unwahrscheinlich.


8.5  Therapie der chronisch rezidivierenden Candida-Vaginitis

Konsensbasierte Empfehlung 8.E8

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei einer chronischen RVVC kann eine antimykotische Langzeitbehandlung durchgeführt werden, wobei verschiedene Schemata mit geringer Evidenz existieren.

Während die Therapie einer akuten VVC 1 – 7 Tage dauert und aus einem kurzfristig verabreichten typischen Wirkstoff oder einer Einzeldosis besteht und damit Heilungsraten von über 80% erreicht werden können, kann dies bei der chronischen RVVC nicht berichtet werden. Da Infektion gleich Kolonisation plus Disposition ist und eine Therapie gegen die Disposition bisher nicht erprobt ist, werden lokale oder orale Erhaltungstherapien (Suppressionstherapien) bei chronischer RVVC empfohlen, um Rückfälle zu vermeiden [107], [108], [109], [110], [111].

Die Ergebnisse von Therapien mit Clotrimazol 500 mg lokal, Ketoconazol 100 mg oral und Fluconazol 150 mg oral sind vergleichbar, wobei Ketoconazol nicht mehr erhältlich ist. In einer randomisierten placebokontrollierten Studie mit 387 Frauen, die 150 mg Fluconazol wöchentlich für 6 Monate erhielten, waren 42,9% der Patientinnen mit Fluconazol und 21,9% der Patientinnen mit Placebo nach 12 Monaten krankheitsfrei [110]. Ebenso scheint lokales Nystatin bei der chronischen RVVC, insbesondere bei Non-albicans- und Fluconazol-resistenten Stämmen, wirksam zu sein [102].

Donders et al. [68], [112] empfehlen im Falle einer chronischen RVVC eine Initialdosis von 200 mg Fluconazol an 3 Tagen in der 1. Woche, gefolgt von einem Erhaltungsregime ab Beschwerde- bzw. Pilzfreiheit mit einmal 200 mg Fluconazol pro Monat über 1 Jahr ([Abb. 1]). Hierbei waren knapp 90% nach 6 Monaten und 77% nach 1 Jahr krankheitsfrei [68], [112]. Frauen mit familiärer Atopie, längerer Symptomdauer und schwerer vaginaler Exkoriation haben ein erhöhtes Risiko, nicht auf eine Fluconazol-Erhaltungstherapie anzusprechen [113]. Die Fluconazol-Suppressionstherapie scheint insgesamt jedoch hochwirksam bei der Vorbeugung von VVC-Symptomen zu sein, jedoch ist sie selten kurativ [114]. Ein Rückfall tritt häufig nach Absetzen der Erhaltungstherapie wieder auf.

Zoom
Fig. 1 Erhaltungstherapie mit Fluconazol bei Patientinnen mit chronischer RVVC.

Das sexuelle Verhalten scheint kein Risikofaktor für das Nichtansprechen auf eine Fluconazol-Erhaltungstherapie bei Patientinnen mit einer chronischen RVVC zu sein [115]. Asymptomatische Sexualpartner von Patientinnen, die an einer chronischen RVVC leiden, benötigen keine Behandlung, um die Rezidivrate dieser Frauen zu verbessern [115]. Im Falle von Beschwerden oder beim Nachweis von Hefepilzen am Penis oder im Sperma kann eine Fluconazol-Therapie mit einmalig 150 mg für den Partner indiziert werden. Bei jenen Frauen, die an einer chronischen RVVC leiden, sollte in Erwägung gezogen werden, ein liegendes Intrauterinpessar zu entfernen, da erst nach Entfernen des Intrauterinpessars unter laufender Therapie betroffene Frauen rezidivfrei wurden.


8.6  Therapie während der Schwangerschaft

Konsensbasierte Empfehlung 8.E9

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Im Falle einer VVC während der Schwangerschaft soll insbesondere im 1. Trimenon mit lokalem Clotrimazol behandelt werden, um das Risiko für fetale Fehlbildungen und einen Frühabort zu vermeiden.

In mehreren retrospektiven Studien [116], [117], [118], [119] sowie in einer prospektiv randomisierten Studie [120] wurde eine signifikante Reduktion von Frühgeburten nach einer vaginalen Behandlung mit Clotrimazol im Falle einer VVC im 1. Trimester der Schwangerschaft berichtet. In einer australischen Studie mit relativ kleiner Fallzahl wurde eine Tendenz zur Reduktion von Frühgeburten nach Clotrimazol im 1. Trimester berichtet [121]. Eine weitere retrospektive Arbeit berichtete über eine erhöhte Frühgeburtenrate nach rezidivierender asymptomatischer Candida-Kolonisation in der Frühschwangerschaft [122].

Fast alle der gesunden reifen Neugeborenen, die während der vaginalen Geburt von der mütterlichen Vagina mit C. albicans kolonisiert worden sind, bekommen während des 1. Lebensjahres mit einem Gipfel in der 2. – 4. Lebenswoche einen Mundsoor und/oder eine Windeldermatitis [123], [124]. Es gibt daher eine Empfehlung zur topischen Therapie für 6 – 7 Tage im Falle einer Candida-Kolonisation in den letzten Wochen der Schwangerschaft, um beim Neugeborenen während der vaginalen Geburt die Kolonisation und nachfolgende Infektionen zu verhindern.

Die Einnahme von Fluconazol in der gynäkologisch üblichen Dosis von 150 – 300 mg/Tag galt während der Schwangerschaft lange als unbedenklich, wiewohl nicht für Schwangere zugelassen. Bei geringen Dosen von ≤ 150 mg scheint auch kein embryopathisches Risiko zu bestehen [125]. Bei einer kumulativen Dosis von 150 – 6000 mg Fluconazol im 1. Trimenon wurde jedoch ein höheres Auftreten der fetalen Fallot-Tetralogie berichtet [126]. Dieselbe Arbeitsgruppe berichtete über ein erhöhtes Abortrisiko nach oraler Fluconazol-Therapie während der Frühschwangerschaft [127]. Eine alternative Therapieoption während der Schwangerschaft stellt die Anwendung von Dequaliniumchlorid dar [128], [129], [130].


8.7  Selbstmedikation

Konsensbasierte Empfehlung 8.E10

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die Therapie der VVC soll nach einer korrekt durchgeführten und ärztlich gesicherten Diagnose, anhand von Anamnese, Klinik, Nativpräparat und ggf. Pilzkultur, erfolgen.

Die Selbstmedikation oder OTC-Therapie (OTC, over-the-counter) der VVC mit Clotrimazol oder Fluconazol wird mittlerweile in weit mehr als 80% der Fälle betrieben [38], [131]. Laut einer Studie litten allerdings nur ein Drittel der Frauen, die vaginale Antimykotika zur Selbsttherapie angewendet hatten, tatsächlich an einer VVC [132]. Daher sollte nur nach einer korrekt durchgeführten, ärztlich gesicherten Diagnose behandelt werden, um Resistenzbildung und Nebenwirkungen zu vermeiden.


8.8  Bedeutung der Probiotika

Konsensbasiertes Statement 8.S8

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Probiotika scheinen sich positiv auf die Vorbeugung einer VVC auszuwirken, wobei die Evidenz diesbezüglich begrenzt ist.

Aufgrund der antagonistischen Wirkung mancher Laktobazillen bei der durch Candida verursachten Vulvovaginitis werden Probiotika als natürlicher Ansatz zur Vorbeugung und Behandlung von Infektionen angesehen. Extragenitale Lokalisationen wie der Darm dienen als Reservoir für die Rekolonisation bei Frauen mit chronischer RVVC [133], weshalb etwa orale Probiotika bei Frauen mit chronischer RVVC, aber auch bei jenen mit Kontraindikationen gegen Antimykotika in Erwägung gezogen werden können [134], [135]. Probiotika könnten eine wirksame Strategie zur Vorbeugung einer VVC sein, etwa auch bei der Candida-glabrata-Vaginitis [136]. Probiotika sind auch direkt fungizid wirksam, da sie das Candida-Wachstum hemmen und die Adhäsion an Epithelzellen behindern [137].


8.9  Alternative und komplementäre Medizin

Konsensbasiertes Statement 8.S9

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Es existieren diverse Therapiealternativen in der Behandlung der VVC, die jedoch selten evidenzbasiert sind.

Borsäure besitzt antibakterielle, antimykotische und antivirale Aktivität sowie antiseptische und adstringierende Eigenschaften. Sie wird als topisches Pulver eingesetzt und hilft, das Wachstum von Candida spp. zu kontrollieren. Es werden Juckreiz und Entzündungen gelindert und die Heilung beschleunigt. Deren Einsatz sollte auf den „Off-label-use“ in Ausnahmefällen limitiert sein. Jodpovidon (PVP-I) besitzt keimtötende Wirkungen gegen Bakterien, Pilze und Viren, da es die Biofilmbildung hemmt. Daher bewirkt PVP-I eine meist relativ rasche Linderung der VVC-Symptome [134]. Propolis wird als eine vielversprechende Alternative in der Therapie der VVC beschrieben. Es weist antimikrobielle, entzündungshemmende, antiseptische, hepatoprotektive, antitumorale, immunmodulatorische, wundheilende, anästhetische und antioxidative Eigenschaften auf [134], [138]. Salvina officinalis ist eine weitere Therapiealternative [139], ebenso wie die Therapie mit Gestagenen [66], [140].



9  Ausblick

9.1  Immuntherapien

Konsensbasiertes Statement 9.S10

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bis dato existieren keine zugelassenen Immuntherapien gegen die Candida-Vaginitis.


9.2  Zukünftige Forschung

Konsensbasiertes Statement 9.S11

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Es existiert umfassender Bedarf an präklinischer, translationaler und klinischer Forschung im Bereich der VVC bzw. der chronischen RVVC.




Funding

Die Erstellung der Leitlinie wurde von der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) finanziell gefördert.



Conflict of Interest/Interessenkonflikt

The conflicts of interest of the authors are listed in the long version of the guideline./Die Interessenkonflikte der Autoren sind in der Langfassung der Leitlinie aufgelistet.

Danksagung

Die Autoren bedanken sich bei Valentina Sustr, Monika Nothacker, Simone Bucher, Susanne Blödt, Ulrike Weber und Paul Gaß für die freundliche Unterstützung bei der Erstellung dieser Leitlinie.


Correspondence/Korrespondenzadresse

Priv.-Doz. Dr. med. univ. Dr. scient. med. Alex Farr
Universitätsklinik für Frauenheilkunde
Abteilung für Geburtshilfe und Feto-Maternale Medizin
Medizinische Universität Wien
Währinger Gürtel 18 – 20
1090 Wien
Austria   

Publication History

Received: 21 December 2020

Accepted after revision: 23 December 2020

Article published online:
14 April 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Fig. 1 Maintenance therapy with fluconazole in patients with chronic recurrent vulvovaginal candidosis.
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Fig. 1 Erhaltungstherapie mit Fluconazol bei Patientinnen mit chronischer RVVC.