Frauenheilkunde up2date 2021; 15(05): 399-410
DOI: 10.1055/a-1372-7776
Gynäkologische Onkologie

Endokrine Interventionen bei BRCA1/2-Mutationsträgerinnen

Deborah R. Huber
,
Stephan Seitz
,
Olaf Ortmann
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BRCA1/2-Mutationsträgerinnen haben ein erhöhtes Risiko für Mamma- und Ovarialkarzinom. Das mediane Erkrankungsalter beträgt 44 bzw. 54 Jahre für BRCA1- und 48 bzw. 59 Jahre für BRCA2-Mutationsträgerinnen [1]. In der klinischen Praxis stellt sich bei diesen Patientinnen häufig auch die Frage nach der onkologischen Sicherheit endokriner Interventionen. Dieser Beitrag stellt die aktuelle Datenlage dar.

Kernaussagen
  • Eine Erhöhung des Mammakarzinomrisikos durch orale Kontrazeption bei BRCA1/2-Mutationsträgerinnen wurde bisher nicht nachgewiesen. Insbesondere bei frühem Anwendungsbeginn kann eine Risikoerhöhung für „Early-Onset“-Mammakarzinome jedoch nicht ausgeschlossen werden.

  • Die Anwendung oraler Kontrazeptiva führt auch bei Mutationsträgerinnen zu einer Reduktion des Ovarialkarzinomrisikos. Aufgrund der möglichen Risikoerhöhung für Mammakarzinome muss eine ausführliche Aufklärung der Patientin auch über alternative Verhütungsmethoden erfolgen.

  • BRCA1/2-Mutationsträgerinnen sollte eine Fertilitätsbehandlung nicht grundsätzlich vorenthalten werden. Eine adäquate Aufklärung über die mangelnde Datenlage zum Karzinomrisiko ist von hoher Wichtigkeit.

  • Wenn eine Fertilitätsbehandlung durchgeführt wird, sollte dies unter Einschluss in klinische Register erfolgen, um eine genauere Datenerhebung und Follow-up zu gewährleisten.

  • Eine Erhöhung des Mammakarzinomrisikos durch eine HRT ist nicht eindeutig belegt. Es ist anzunehmen, dass jüngere, prämenopausale Patientinnen nach risikoreduzierender Adnektomie von einer HRT profitieren. Diesen sollte sie angeboten werden.

  • Eine Risikoerhöhung für Ovarial- und Mammakarzinome durch eine HRT bei nicht adnektomierten Patientinnen ist nicht nachgewiesen, kann aber aktuell wegen der limitierten Datenlage nicht ausgeschlossen werden. Die Indikation ist streng zu stellen.

  • Bei Patientinnen ohne nachgewiesene Mutation kann im Zustand nach Mammakarzinom in manchen Fällen eine ultraniedrig dosierte vaginale Östriol-Applikation erwogen werden. Bei BRCA1/2-Mutationsträgerinnen liegen hierzu jedoch keine Daten vor.

  • Eine Risikoerhöhung für Endometriumkarzinome ist wissenschaftlich nicht eindeutig belegt. Die Indikation zur Hysterektomie im Rahmen einer risikoreduzierenden Adnektomie muss individuell gestellt werden.

  • Eine von der Normalbevölkerung abweichende Risikomodifikation für Endometriumkarzinome durch eine HRT ist aufgrund der eingeschränkten Datenlage nicht eindeutig nachgewiesen. Bei nicht hysterektomierten Mutationsträgerinnen soll daher bei Indikationsstellung einer HRT eine EPT durchgeführt werden.

  • Die Datenlage hinsichtlich endokriner Interventionen ist insgesamt eingeschränkt. Prospektive Registerstudien sind erforderlich, um die Risiken in Zukunft besser einschätzen zu können.



Publication History

Article published online:
18 October 2021

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