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DOI: 10.1055/a-1376-1578
Beatmungspatienten zwischen Akutversorgung und außerstationärer Langzeitbeatmung
Darstellung der Versorgungssituation anhand der RoutinedokumentationVentilation Patients between Acute Care and Long-term Out-of-Hospital VentilationRoutine Documentation based Analysis of the Care Situation- Zusammenfassung
- Abstract
- Hintergrund und Fragestellung
- Material und Methoden
- Ergebnisse
- Diskussion
- Schlussfolgerung
- Literatur
Zusammenfassung
Hintergrund und Fragestellung Die Anzahl der invasiven und nicht-invasiven außerklinischen Langzeitbeatmungen steigt seit Jahren stark an. Gleichzeitig gibt es nur wenige Informationen über die Versorgungsqualität von außerstationär beatmeten Patienten. Die vorliegende Untersuchung erfolgte im Rahmen der OVER-BEAS-Studie. Ziel dieser Untersuchung war es, die Versorgungssituation von Weaning-Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung aus dem Weaning-Zentrum anhand der vorhandenen Routinedokumentation abzubilden.
Material und Methoden In unsere retrospektive Analyse schlossen wir alle Patienten ein, die 2018 über die Weaning-Station des Thoraxzentrums Münnerstadt aufgenommen wurden. Es erfolgte die deskriptive Auswertung der im Rahmen des Qualitätsmanagements erhobenen Routinedaten. Datenquellen waren die WeanNet-Datenbank, der Entlassbrief des Weaning-Zentrums sowie der Verlegungsbericht der zuverlegenden Klinik.
Ergebnisse Im untersuchten Weaningz-Zentrum konnten 50,8 % der Patienten (n = 31) vollständig vom Respirator entwöhnt und extubiert bzw. dekanüliert werden (Kategorie 3aI). Gelang keine vollständige Entwöhnung, so war im weiteren Verlauf bei 75,0 % (n = 21) die ständige Anwesenheit von speziell geschultem Personal oder einer Fachpflegekraft erforderlich. Hier erfolgte die Weiterversorgung meist in stationären Pflegeeinrichtungen (z. B. Beatmungs-WG).
Schlussfolgerung Anhand der Routinedokumentation lässt sich die Versorgungssituation von Weaning-Patienten darstellen und mit bekannten Daten vergleichen. So kann die Ergebnisqualität eines Weaning-Zentrums vergleichbar gemacht werden.
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Abstract
Background The number of invasive and non-invasive long-term out-of-hospital ventilations has been increasing rapidly for years. At the same time, there is poor information on the quality of care of out-of-hospital ventilated patients. The present investigation was conducted as part of the OVER-BEAS study. The aim of this study was to describe the care situation of weaning patients from admission to discharge from the weaning center using existing routine documentation.
Material and Methods In our retrospective analysis, we included all patients admitted in 2018 via the weaning ward of the Thorax Center Münnerstadt. Descriptive analysis of routine data collected as part of quality management was performed. Data sources were the WeanNet database, the discharge letter of the weaning center, and the transfer report of the referring hospital.
Results In the studied weaning center, 50.8 % of the patients (n = 31) could be completely weaned from the respirator and extubated or decannulated (category 3aI). If complete weaning was not successful, 75.0 % (n = 21) required the constant presence of specially trained staff or a specialist nurse in the further course. In this case, further care was mostly provided in inpatient care facilities (e. g., ventilator shared living community).
Conclusion Based on routine documentation, the care situation of weaning patients can be presented and compared with known data. In this way, the outcome quality of a weaning center can be made comparable.
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Hintergrund und Fragestellung
Die außerklinische Heimbeatmung ist ein gravierender Einschnitt in das Leben von betroffenen Patienten und deren Angehörigen. Aufgrund des medizinischen und technischen Fortschritts steigt die Anzahl der invasiven und nicht-invasiven außerklinischen Langzeitbeatmungen seit Jahren stark an. Während man im Jahr 2005 noch von ca. 5000 außerklinisch beatmeten Menschen ausging [1], ermittelte die Kassenärztliche Bundesvereinigung 2018 bereits über 15 000 invasiv-beatmete Patienten aus ihren Abrechnungsdaten [2]. Zusätzlich ist von einer deutlich höheren Anzahl nicht-invasiv beatmeter Patienten im häuslichen Umfeld auszugehen [2] [3]. Trotz des starken Anstiegs von Versorgungsangebot und -nachfrage gibt es nur wenig Informationen über die Versorgungsqualität von außerklinisch beatmeten Menschen [3] [4]. Die Identifikation von außerklinischen Beatmungsfällen sowie die dabei erbrachten Leistungen und erzielten Behandlungsergebnisse lassen sich aus Routinedaten nur schwer ermitteln. Ebenso ist das Versorgungsgeschehen an typischen Schnittstellen, z. B. Weaning-Zentren oder -Stationen, weitestgehend unbekannt.
Dieses Wissensdefizit zur Prozess-, Struktur- und Ergebnisqualität erschwert das Erkennen und Beheben von Versorgungsdefiziten bei heimbeatmeten Menschen. Im Rahmen der OVER-BEAS-Studie sollen diese Wissenslücken in mehreren Arbeitspaketen geschlossen werden. OVER-BEAS steht dabei für die Optimierung der VERsorgung BEatmeter Patienten in der AußerStationären Intensivpflege. Bei dieser Studie handelt es sich um ein Förderprojekt des Innovationsfonds des Gemeinsamen Bundesausschusses mit dem Themenschwerpunkt Versorgungsforschung (Förderkennzeichen: 01VSF17008). Ziel des Projektes ist die Verbesserung des Kenntnisstandes zu Angebot und Qualität in der außerstationären Heimbeatmung. Zudem sollen Qualitätsindikatoren als Grundlage für Qualitätsprüfungen definiert sowie Empfehlungen zu evidenzbasierten Interventionen zur Verbesserung der Heimbeatmung entwickelt werden. Die vorliegende Analyse erfolgte im Rahmen des Teilprojektes „Identifikation von Optimierungsbedarfen in der prä- und poststationären Versorgung“ von Weaning-Patienten.
Fragestellung
Diese Arbeit beschreibt die Rolle eines Weaning-Zentrums als wichtiges Bindeglied zwischen Akutversorgung und außerstationärer Langzeitbeatmung. Ziel dieser Untersuchung ist es, die Versorgungssituation von Weaning-Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung aus dem Weaningzentrum anhand der vorhandenen Routinedokumentation abzubilden. Anschließend soll diskutiert werden, wie die gewonnenen Ergebnisse und Erkenntnisse in den wissenschaftlichen und klinischen Kontexten einzuordnen sind.
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Material und Methoden
Thoraxzentrum Münnerstadt
Als Referenzzentrum wurde das Thoraxzentrum in Münnerstadt ausgewählt. Das Thoraxzentrum des Bezirks Unterfranken ist ein spezialisiertes Zentrum für die Behandlung von pulmologischen und thoraxchirurgischen Krankheitsbildern. Die patientenzentrierte Versorgung erfolgt durch ärztliches und pflegerisches Personal aus den Fachkliniken der Pneumologie, Thoraxchirurgie, Anästhesiologie, Allergologie, Somnologie, Lungenfunktionsdiagnostik, Radiologie sowie der Atemphysiotherapie. Die Fachklinik verfügt über insgesamt 110 Betten, wovon 16 auf die Intensivstation mit Weaning-Einheit entfallen. Die Einrichtung ist nach DIN ISO 9001:2015 zertifiziert. Auch nach Abschluss der stationären Behandlung werden die invasiv oder nicht-invasiv beatmeten Patienten langfristig beim weiteren Verlauf ihrer Erkrankung begleitet [5].
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WeanNet-Datenbank
Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. (DGP) hat 2009 das Kompetenznetzwerk WeanNet gegründet. Eines der wichtigsten Ziele von WeanNet besteht darin, eine überprüfbare Weiterentwicklung von Weaning-Zentren zu fördern, um die Versorgung und Behandlungsqualität von Weaning-Patienten zu verbessern. Das anspruchsvolle Zertifizierungsverfahren und das Patientenregister mit über 10 000 Einträgen stellen zentrale Werkzeuge zur Qualitätssicherung dar. Durch Auswertung dieser epidemiologischen Daten lassen sich wertvolle Erkenntnisse gewinnen [4].
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Datenaufbereitung und Auswertung
In diese retrospektive Auswertung wurden alle Patienten eingeschlossen, die 2018 über die Weaning-Station des Thoraxzentrum Münnerstadt aufgenommen wurden. Ausschlusskriterien wurden nicht definiert. Es erfolgte die deskriptive Analyse der im Rahmen des Qualitätsmanagements erhobenen Routinedaten. Als primäre Datenquelle diente die WeanNet-Datenbank. Konnten einzelne Parameter nicht aus der Datenbank ermittelt werden, so wurden der Entlassbrief des Weaning-Zentrums sowie der Verlegungsbericht der zuverlegenden Klinik ausgewertet.
Es wurden folgende Parameter betrachtet:
Status bei Aufnahme
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Lebensalter
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Geschlecht
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Tracerdiagnose
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Beatmungsdauer vor Aufnahme länger als 14 Tage
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erfolgte Weaning-Maßnahmen in der Quellklinik:
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Intubation: Behandlung der akuten respiratorischen Insuffizienz
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Vermutete Entwöhnbarkeit: Der behandelnde Arzt zieht in Erwägung, dass der Patient nun für die Anbahnung des Weaning-Prozesses bereit sein könnte.
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Bewertung der Entwöhnungsbereitschaft: Tatsächliches Starten von täglichen Tests (z. B. RSBI = Rapid Shallow Breathing Index) zur Erfassung der Bereitschaft zur Entwöhnbarkeit, um den ersten Verdacht, der Patient könnte entwöhnbar sein, zu erhärten oder zu verwerfen.
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Spontaneous Breathing Trial (SBT): Spontanatmungsversuch
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Dekanülierung bzw. Extubation
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Ggf. Rekanülierung oder Re-Intubation
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Weaning-Verlauf und Status bei Entlassung
Bei Entlassung aus der Weaning-Klinik wurden alle Patienten einer Weaning-Kategorie (siehe [Tab. 1]) zugeordnet. Des Weiteren wurde analysiert, wie selbstständig und in welchem Umfeld die Weiterversorgung nach Entlassung erfolgen konnte.
Gruppe |
Kategorie |
Definition |
1 |
einfaches Weaning |
erfolgreiches Weaning nach dem ersten SBT und der ersten Extubation |
2 |
schwieriges Weaning |
erfolgreiches Weaning nach initial erfolglosem Weaning spätestens beim 3. SBT oder innerhalb von 7 Tagen nach dem ersten erfolglosen SBT |
3 |
prolongiertes Weaning |
erfolgreiches Weaning erst nach mindestens 3 erfolglosen SBT oder Beatmung länger als 7 Tage nach dem ersten erfolglosen SBT |
3a |
erfolgreiches prolongiertes Weaning von der invasiven Beatmung ohne Fortsetzung einer Langzeit-NIV (Nicht-invasive Beatmung) |
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3aI |
mit Extubation/Dekanülierung |
Erfolgreiches Weaning von der invasiven Beatmung mit Extubation/Dekanülierung erst nach mindestens 3 erfolglosen SBT oder Beatmung länger als 7 Tage nach dem ersten erfolglosen SBT mit oder ohne passagere NIV |
3aII |
ohne Dekanülierung |
erfolgreiches Weaning von der invasiven Beatmung ohne Dekanülierung erst nach mindestens 3 erfolglosen SBT oder Beatmung länger als 7 Tage nach dem ersten erfolglosen SBT |
3b |
erfolgreiches prolongiertes Weaning von der invasiven Beatmung mit Fortsetzung einer NIV |
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3bI |
mit Langzeit-NIV ohne zusätzlichen Pflegebedarf |
erfolgreiches Weaning von der invasiven Beatmung mit Extubation/Dekanülierung erst nach mindestens 3 erfolglosen SBT oder Beatmung länger als 7 Tage nach dem ersten erfolglosen SBT und nur mittels Einsatz der NIV, welche nach Abschluss des Weaning-Prozesses selbstständig im Sinne einer außerklinischen Beatmung fortgesetzt wird |
3bII |
mit Langzeit-NIV und zusätzlichem Pflegebedarf |
erfolgreiches Weaning von der invasiven Beatmung mit Extubation/Dekanülierung erst nach mindestens 3 erfolglosen SBT oder Beatmung länger als 7 Tage nach dem ersten erfolglosen SBT und nur mittels Einsatz der NIV, welche nach Abschluss des Weaning-Prozesses im Sinne einer außerklinischen Beatmung fortgesetzt wird, wobei ein weiterer Behandlungsbedarf besteht |
3c |
erfolgloses Weaning von der invasiven Beatmung |
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3cI |
mit außerklinischer Fortsetzung der invasiven Beatmung |
erfolgloses Weaning mit Fortsetzung einer invasiven Beatmung via Tracheostoma nach Abschluss des Weaning-Prozesses im Sinne einer invasiven außerklinischen Beatmung |
3cII |
Tod |
erfolgloses Weaning mit Tod des Patienten in der Klinik |
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Welche Weaningmaßnahmen sind am Weaningzentrum erfolgt?
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Intubation
-
Vermutete Entwöhnbarkeit
-
Bewertung der Entwöhnungsbereitschaft
-
Spontaneous Breathing Trial (SBT)
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Dekanülierung bzw. Extubation
-
Ggf. Rekanülierung oder Re-Intubation
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-
Welche Weaning-Kategorie lag bei Entlassung aus dem Weaning-Zentrum vor?
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Wie war der Atemweg bei Entlassung gesichert?
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In welcher Einrichtung erfolgte die Weiterversorgung?
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Welche pflegerische Betreuung war nach Entlassung erforderlich?
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Zur Anfertigung dieser Arbeit wurde auf die Speicherung patientenidentifizierender Daten verzichtet. Das Projekt wurde der zuständigen Ethikkommission der Universität Würzburg vorgelegt und nach Beurteilung und Beratung genehmigt (Ref. 57/19-sc).
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Ergebnisse
Aufnahmesituation im Weaning-Zentrum
Das mediane Lebensalter betrug bei Aufnahme 69 Jahre (IQR 60–78). Über 90,2 % (n = 55) der Patienten waren im Vorfeld länger als 14 Tage respiratorabhängig, 72,1 % (n = 44) der Patienten waren männlichen Geschlechts. [Tab. 2] zeigt die führenden Diagnosen bei Aufnahme ins Weaningzentrum.
[Abb. 1] zeigt, welche Phasen der invasiven mechanischen Ventilation bereits vor Aufnahme im Weaningzentrum (in der Quellklinik) durchlaufen wurden. Bei 46 von 61 Patienten (75,4 % konnten aus den Aufzeichnungen durchgeführte SBTs durch die vorbehandelnde Einrichtung abgeleitet werden. Eine Bewertung der Entwöhnungsbereitschaft wurde in über 90,2 % (n = 56) der Fälle nicht dokumentiert. 22,9 % (n = 14) der Patienten erhielten vor Aufnahme mindestens einen Extubationsversuch, für 24,6 % (n = 15) wurde eine Re-Intubation vor Verlegung in das Weaning-Zentrum dokumentiert.


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Weaning-Verlauf und Status bei Entlassung
[Abb. 2] zeigt die Weaning-Kategorie der Patienten bei Verlassen der Weaning-Station. Im Weaning-Zentrum konnten 50,8 % (n = 31) vollständig vom Respirator entwöhnt und extubiert bzw. dekanüliert werden (Kategorie 3aI). 3,3 % der Patienten (n = 2) blieben kanüliert, benötigten bei Verlegung allerdings keine respiratorische Unterstützung. Bei 14,7 % (n = 9) war eine dauerhafte NIV-Therapie ausreichend. 2 Patienten (3,3 %) sind im Weaning-Zentrum verstorben (Kategorie 3cII).


Atemweg: In 67,2 % der Fälle (n = 41) erfolgte die Extubation oder Dekanülierung in der untersuchten Weaning-Klinik. Keiner dieser Patienten musste bis zur Entlassung re-intubiert oder re-kanüliert werden. Bei Entlassung hatten 46,4 % (n = 13) der nicht vollständig entwöhnten Patienten ein chirurgisches Tracheostoma, 25,0 % (n = 7) ein dilatatives Tracheostoma. 28,6 % (n = 8) kamen ohne künstlichen Atemweg aus und erhielten nicht invasive Atemunterstützung.
Weiterversorgung nach Entlassung aus dem Weaning-Zentrum: Gelang es nicht, Patienten vollständig zu entwöhnen, so war bei 75,0 % (n = 21) die ständige Anwesenheit von speziell geschultem Personal oder einer Fachpflegekraft erforderlich. 14,3 % (n = 4) der Patienten konnten sich nach entsprechender Schulung trotz intermittierender Respiratorabhängigkeit vollständig selbst versorgen. Bei anhaltender invasiver Beatmung erfolgte die Weiterversorgung in 64,3 % (n = 18) der Fälle in einer stationären Pflegeeinrichtung mit ständiger Anwesenheit von speziell geschultem Personal (z. B. Beatmungs-WG). 14,3 % (n = 4) der Patienten wurden in ein Haus der Schwerpunktversorgung verlegt, 10,7 % (n = 3) nach Hause in die ambulante pflegerische Versorgung, 7,1 % (n = 2) in eine Rehabilitationseinrichtung und 3,6 % (n = 1) in ein Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung. In 39,3 % (n = 11) der Entlassungen von Patienten der Kategorie 3aII–3cI wurde eine dauerhafte Anbindung an das Weaning-Zentrum im Entlassbrief angeboten.
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Diskussion
Ziel war es zu untersuchen, ob sich anhand der Routinedokumentation eines Weaning-Zentrums die Versorgungssituation von Weaning-Patienten von der Aufnahme bis zur Entlassung abbilden lässt.
Die untersuchten Patienten hatten überwiegend Tracerdiagnosen internistischen Ursprungs. Dieses Ergebnis bestätigt ältere Untersuchungen [7] [8] [9]. Im Sinne des kontinuierlichen Behandlungskonzepts muss Informationsverlust durch Wechsel der Versorgungseinrichtung bestmöglich vermieden werden. Aus [Abb. 1] geht hervor, dass sich dem weiterbehandelnden Weaning-Zentrum der Weaning-Verlauf vor Verlegung sowie der Weaning-Status zum Zeitpunkt der Verlegung oft nicht vollständig erschließt. Zur Vermeidung solcher Informationsverluste sind standardisierte Anamnesebögen zur Übernahme beatmeter Patienten ein adäquates Mittel [8]. Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. fordert im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens vom Weaning-Zentrum vor Patientenübernahme das Einholen eines standardisierten Datensatzes ([Tab. 3]). Hat die Weaning-Therapie bereits in der zuverlegenden Klinik begonnen, ist es essenziell zu übermitteln, welche Weaning-Schritte schon erfolgt sind oder woran ein Abschluss der Entwöhnung bislang gescheitert ist. Eine übersichtliche Darstellung des Weaning-Verlaufs im Arztbrief (wie in [Tab. 4]) ist bei der Umsetzung des kontinuierlichen Therapiekonzepts hilfreich.
Datensatz zur Patientenübernahme |
Personalien des Patienten und organisatorische Daten, Ansprechpartner, überweisende Intensivstation, Telefonnummern etc. sind selbstverständlich, sie werden hier nicht im Detail aufgelistet. |
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In unserer Untersuchung konnten 67,7 % der beatmet zuverlegten Patienten ohne dauerhafte respiratorische Unterstützung aus dem Weaning-Zentrum entlassen werden. Die Entwöhnungsrate steht im Einklang mit den 2008 veröffentlichten Daten von Schönhofer et al. [7]. Hier konnten 66,4 % der Patienten von der invasiven Beatmung entwöhnt werden, wovon allerdings knapp die Hälfte nach Entlassung bei persistierender ventilatorischer Insuffizienz mit NIV therapiert wurden. In der vorliegenden Untersuchung konnte ein deutlich geringerer Anteil an anhaltender NIV-Abhängigkeit nachgewiesen werden. Aktuelle Daten zeigen, dass selbst bei abgeschlossenem Weaning-Prozess und der Einschätzung „nicht entwöhnbar“ bei 47,5 % der Patienten dennoch eine Entwöhnung gelingen kann, wenn ein strukturierter Ablauf an kompetenten und zertifizierten Kliniken oder Stationen gewährleistet ist [10]. Zusätzlich konnte bei 34,4 % der Wechsel von der invasiven zur nicht-invasiven Beatmungsunterstützung erreicht werden [10].
Mit dem Ziel, die Ergebnisqualität des Weaning-Prozesses und gleichzeitig die Struktur- und Prozessqualität zu verbessern, wurden Anforderungen definiert und bei Erfüllung in Form von Zertifikaten dokumentiert. Zu nennen wären hier die Zertifikate des Kompetenznetzwerks WeanNet der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. und das Weaning-Zertifikat der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) [6] [11]. Nicht alle Patienten im prologierten Weaning kommen in von DGP oder DGAI zertifizierte Weaning-Einheiten [6] [11]. Da der Nutzen einer Weaning-Behandlung in einer dafür spezialisierten und zertifizierten Einrichtung auch in schwierigen Fällen nachgewiesen wurde [10], ist die steigende Anzahl von invasiv beatmeten Patienten, die ohne Kontakt zu einer ausgewiesenen Weaning-Station direkt in die außerklinische Intensivpflege verlegt wird, durchaus kritisch zu sehen [6].
Limitationen
Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine reine Observationsstudie ohne Kontrollgruppe. Unklar ist, ob sich der Weaning-Erfolg nicht auch bei längerem Verbleib auf der primären Intensivstation oder einer im Weaning zertifizierten Intensivstation eingestellt hätte. Da hier nur die Daten eines einzelnen Weaning-Zentrums berücksichtigt wurden, kann zur Abbildbarkeit der Versorgungssituation auf Grundlage der Routinedokumentation keine allgemeingültige Aussage getroffen werden.
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Schlussfolgerung
In unserer Untersuchung gelang es, anhand der Routinedokumentation die Versorgungssituation der Weaning-Patienten während der stationären Behandlung darzustellen und mit bereits bekannten Daten zu vergleichen. So kann die Versorgungsqualität eines Weaning-Zentrums beurteilt werden. Im Rahmen der Untersuchung wurde außerdem deutlich, dass die Dokumentation des individuellen Weaning-Verlaufs von der Akutversorgung bis zur Entlassung in die Heimbeatmung unter dem Einfluss mehrerer Schnittstellen steht. Ein sektorüberschreitendes Dokument (z. B. ein Weaning-Ausweis) könnte hier zur Minimierung von Informationsverlusten beitragen. Dies gilt zumindest für das untersuchte Weaning-Zentrum. Ob dies auch für andere Weaning-Zentren gilt, lässt sich anhand der erhobenen Daten nicht sagen. Hierin liegt Verbesserungspotenzial, das in Zukunft bei der Definition von Qualitätsindikatoren eine wichtige Rolle spielen sollte.
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Interessenkonflikt
T. Skazel: Forschungsförderung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen des Innovationsfonds (OVER-BEAS Förderkennzeichen 01VSF17008)
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M. Kippnich: Forschungsförderung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen des Innovationsfonds (OVER-BEAS Förderkennzeichen 01VSF17008)
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H. Klingshirn: Forschungsförderung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen des Innovationsfonds (OVER-BEAS Förderkennzeichen 01VSF17008)
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L. Gerken: Forschungsförderung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen des Innovationsfonds (OVER-BEAS Förderkennzeichen 01VSF17008)
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P. Heuschmann: Forschungsförderung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen des Innovationsfonds (OVER-BEAS Förderkennzeichen 01VSF17008), weitere Forschungsförderung außerhalb der Studie: Bundesministerium für Forschung und Bildung; Deutsche Forschungsgemeinschaft; Europäische Union; Charité – Universitätsmedizin Berlin; Ärztekammer Berlin; Deutsche Parkinson-Gesellschaft; Universitätsklinikum Würzburg – Robert-Koch-Institut; Deutsche Herzstiftung; Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA) im Rahmen des Innovationsfonds; Universitätsklinikum Heidelberg (im Rahmen von RASUNOA-prime; gefördert durch eine uneingeschränkte Forschungsförderung an das Universitätsklinikum Heidelberg von Bayer, BMS, Boehringer-Ingelheim, Daiichi Sankyo); Charité – Universitätsmedizin Berlin (im Rahmen Mondafis; gefördert durch eine uneingeschränkte Forschungsförderung an die Charité von Bayer); Universität Göttingen (im Rahmen FIND-AFrandomised; gefördert durch eine uneingeschränkte Forschungsförderung an die Universität Göttingen von Boehringer-Ingelheim)
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K. Haas: Forschungsförderung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen des Innovationsfonds (OVER-BEAS Förderkennzeichen 01VSF17008)
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M. Schutzmeier: Forschungsförderung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen des Innovationsfonds (OVER-BEAS Förderkennzeichen 01VSF17008)
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L. Brandstetter: Forschungsförderung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen des Innovationsfonds (OVER-BEAS Förderkennzeichen 01VSF17008)
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J. Ahnert: Forschungsförderung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen des Innovationsfonds (OVER-BEAS Förderkennzeichen 01VSF17008).
J. Koch: Keine Interessenkonflikte.
B. Seese: Keine Interessenkonflikte.
P. Meybohm: bekam für Forschungsvorhaben und für die Durchführung von klinischen Studien Gelder von Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF; 01KG1815), B. Braun Melsungen AG, CSL Behring GmbH, Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG; ME 3559/1-1, ME 3559/3-1), Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI), European Society of Anaesthesiology (ESA), Fresenius Kabi GmbH, International Anesthesia Research Society (IARS), Pfizer Pharma GmbH, ViforPharma GmbH. P. M. erhielt Förderungen oder Reisekostenunterstützung für Beratungen und Vorträge der folgenden Firmen: Abbott GmbH & Co KG, AesculapAkademie GmbH, AstellasPharma GmbH, B. Braun Melsungen AG, Baxter Deutschland GmbH, Biosyn GmbH, Biotest AG, CSL Behring GmbH, Dr. F. KöhlerChemie GmbH, Dräger Medical GmbH, Fresenius Kabi GmbH, HCCM Consulting GmbH, Heinen + Löwenstein GmbH, MSD Sharp&Dohme GmbH, Pulsion Medical Systems S. E., Siemens Healthcare, ViforPharma GmbH.
B. Reuschenbach: Forschungsförderung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen des Innovationsfonds (OVER-BEAS Förderkennzeichen 01VSF17008).
T. Wurmb: Forschungsförderung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) im Rahmen des Innovationsfonds (OVER-BEAS Förderkennzeichen 01VSF17008).
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Literatur
- 1 Lloyd-Owen SJ, Donaldson GC, Ambrosino N. et al. Patterns of home mechanical ventilation use in Europe: results from the Eurovent survey. Eur Respir J 2005; 25: 1025-1031
- 2 Kassenärztliche Bundesvereinignung. Mustervertrag für ein Versorgungskonzept zur Behandlung von Beatmungspatienten auf der Grundlage des § 140a SGB V. 2018
- 3 Klingshirn H, Gerken L, Heuschmann P. et al. [Quality of Care for People with Home Mechanical Ventilation in Germany: A Scoping Review]. Gesundheitswesen 2020; 82: 729-739
- 4 Katholische Stiftungshochschule München. Optimierung der Versorgung beatmeter Patienten in der außerstationären Intensivpflege. 2020 Available from (22.06.2020): https://www.ksh-muenchen.de/hochschule/forschung-und-entwicklung/zentrum-fuer-forschung-und-entwicklung/forschungsprojekte/laufende-forschungsprojekte/over-beas-projekt/
- 5 Bezirk Unterfranken. Thoraxzentrum Bezirk Unterfranken – Wir über uns. 2020 Available from (12.06.2020): https://www.tzbu.de/wir_ueber_uns/index.html
- 6 Schönhofer B, Geiseler J, Dellweg D. et al. S2k-Leitlinie – Prolongiertes Weaning. Pneumologie 2019; 73: 723-814
- 7 Schönhofer B, Berndt C, Achtzehn U. et al. [Weaning from mechanical ventilation. A survey of the situation in pneumologic respiratory facilities in Germany]. Dtsch Med Wochenschr 2008; 133: 700-704
- 8 Thoraxzentrum Bezirk Unterfranken. Aufnahmebogen für Beatmungspatienten. Available from (24.06.2020): https://www.tzbu.de/media/www.tzbu.de/org/med_11542/24665_aufnahmebogen_fuer_beatmungspatienten_v8.pdf
- 9 Karagiannidis C, Strassmann S, Callegari J. et al. [Evolving Epidemiology of Home Mechanical Ventilation: A Rapidly Growing Challenge for Patient Care]. Dtsch Med Wochenschr 2019; 144: e58-e63
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- 11 Marx G. DGAI-Zertifizierung anästhesiologische Intensivmedizin: Entwöhnung von der Beatmung. Anästh Intensivmed 2013; 54: 522-4
- 12 Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin e. V. Erhebungsbogen zur Zertifizierung von Weaningzentren.
Korrespondenzadresse
Publication History
Received: 08 November 2020
Accepted: 27 January 2021
Article published online:
09 August 2021
© 2021. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
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