Zeitschrift für Komplementärmedizin 2021; 13(02): 26-30
DOI: 10.1055/a-1409-3170
Praxis
Lebererkrankungen und Ayurveda

Lebererkrankungen in der Ayurveda-Medizin[ 1 ]

Elmar Stapelfeldt
,
Christian S. Kessler
 

Summary

Die Aryurveda-Medizin hält Diagnose- und Therapiekonzepte bereit, die seit vielen Generationen bei Lebererkrankungen zum Einsatz kommen. Ein multimodaler Behandlungsansatz umfasst eine spezifische Ernährungstherapie, Lebensstilberatung, Bewegungstherapie und Entspannungsverfahren, Phytotherapie, ausleitende Verfahren sowie manuelle und physikalische Therapien. Empirische Daten belegen die Wirkung.


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Abb. 1 © mirzamlk / stock.adobe.com © mirzamlk / stock.adobe.com

Trotz einer Vielzahl moderner schulmedizinischer Behandlungsoptionen beeinträchtigen fortgeschrittene Lebererkrankungen noch immer die Lebensqualität der Patienten – Die Ayurveda-Medizin könnte die Therapie sinnvoll ergänzen

Chronische Erkrankungen des hepatobiliären Systems sind global, auch in Deutschland, weit verbreitet. Sie verursachen insbesondere in fortgeschrittenen Krankheitsstadien, zum Beispiel bei der Leberzirrhose, erhebliche gesundheitsökonomische Kosten – aller Fortschritte in operativen und nicht-operativen Bereichen zum Trotz [1]. Die Einbindung sicherer, kosteneffektiver und wirksamer Therapien aus dem komplementärmedizinischen Bereich in integrativmedizinische Behandlungskonzepte könnte hier möglicherweise relevante Beiträge leisten.

Grundlagen der Ayurveda-Medizin

Ayurveda – das verbreitetste Naturheilkundesystem Südasiens – ist von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Traditionelles Medizinsystem (TM) anerkannt [2] [3]. Im Bereich der Gastroenterologie und Hepatologie verfügt die Ayurveda-Medizin über eine breit gefächerte Palette an Therapiekonzepten, die in einem viele Jahrhunderte währenden Entwicklungsprozess an großen Populationen Südasiens empirisch etabliert und weiterentwickelt wurden [4]. In der klassischen Ayurveda-Literatur finden sich eigene Konzeptionen bezüglich Ätiopathogenese, Diagnostik und Therapie von Lebererkrankungen [5], [6]. Dabei werden Leber und Gallenblase weniger als einzelne Organe, sondern vielmehr als Teil eines größeren Regelkreises gesehen, der im Ayurveda vereinfacht als rakta, sprich „rotes Blutgewebe“, bezeichnet wird. Vergleichbar mit dem Konzept der humores (Säftelehre) durchwirkt rakta den gesamten Organismus.

Je nach dessen individueller Zusammensetzung begünstigt oder beeinträchtigt dieses „Gewebe“ spezifische Funktionen des Körpers über die Wirkungen auf das Milieu. Aus diesem Ansatz ergeben sich therapeutische Möglichkeiten, die eine konventionelle schulmedizinische Therapie sinnvoll ergänzen können. Ayurvedische Therapiemethoden sind stets individuumszentriert und multimodal („Whole Medical System“). Maßgeschneiderte Behandlungskonzepte und Kombinationen verschiedener Therapieelemente sollen Synergieeffekte ermöglichen.

Zusammenfassung

Die Ayurveda-Medizin hält Diagnose- und Therapiekonzepte bereit, die seit vielen Generationen bei Lebererkrankungen zum Einsatz kommen. Ein multimodaler Behandlungsansatz umfasst eine spezifische Ernährungstherapie, Lebensstilberatung, Bewegungstherapie und Entspannungsverfahren, Phytotherapie, ausleitende Verfahren sowie manuelle und physikalische Therapien. Empirische Daten belegen die Wirkung.

Die wesentlichen Therapieinhalte der Ayurveda-Medizin bei Erkrankungen des hepatobiliären Systems sind:

  • spezifische Ernährungstherapie

  • Lebensstilberatung inklusive Bewegungstherapie und Entspannungsverfahren (überwiegend aus dem Bereich des Yoga)

  • medikamentöse Therapie (überwiegend phytotherapeutisch)

  • ausleitende Verfahren

  • manuelle und physikalische Therapien [7]

Ein besonderer Aspekt der Ayurveda-Therapie ist ihre Schwerpunktsetzung auf Gesundheitsförderung und Selbstwirksamkeit. Edukation von Patienten im Sinne der Aktivierung salutogenetischer Eigenressourcen zeigt sich als ayurvedischer Grundansatz bei Leber- und Gallenblasenerkrankungen nicht nur als wirksam, sondern ist im Kontext von Primär-, Sekundär und Tertiärprävention auch modern.


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Physiologie und Ätiopathogenese

Leber und Gallenblase sowie die intra- und extrahepatischen Gallenwege werden im Ayurveda anders als in der Schulmedizin bewertet. Entsprechend der klassischen Ayurveda-Lehre sind nicht Organe und Zellen, sondern spezifische „Gewebe“ (dhatu) die wichtigsten Funktionseinheiten des Körpers. Organe bilden eher sogenannte „Sitze“, also Hauptaktionsorte verschiedener funktions- und milieusteuernder Kräfte, die nach ayurvedischen Vorstellungen alle physiologischen Prozesse im Organismus bestimmen. Das hepatobiliäre System wird als ein Sitz des metabolischen Steuerungsprinzips pitta angesehen, das unter anderem Digestion, Stoffwechsel, Temperatur- und Energiehaushalt reguliert.

Ferner gilt die Leber aus ayurvedischer Sicht als Teil der „Transportsysteme des roten Blutgewebes“. Sie stellt somit ein zentrales Organ für den roten Blutanteil (rakta) dar und ist als solche zum Beispiel für Erythropoese und Hämstoffwechsel maßgebend. Im Rahmen des Metabolismus des Blutgewebes (rakta) wird durch die Aktivität von raktagni der Abfallstoff Galle (pitta-mala) produziert. Schließlich wird die Leber als ein „Sitz des Verdauungsfeuers“ (agni) bezeichnet, da in ihr beziehungsweise in den ihr zugeordneten Geweben zahlreiche Verdauungs- und Stoffwechselfunktionen ihren Ursprung nehmen.

Leber- und Gallenwegserkrankungen entstehen bei Störungen der oben genannten Prinzipien. Auslöser sind neben verdauungsfeuerschwächenden Faktoren, die unter anderem zur Verfettung der Leber führen können, besonders solche Faktoren, die zu einer verstärkten Aktivität des metabolischen Prinzips (pitta) und/oder zu einer Störung des roten Blutanteils (rakta) führen. Dies wiederum fördert Milieuveränderungen, die entzündlichen Aktivitäten und als Konsequenz daraus einer Leberzellschädigung sowie zirrhotischen Umbauprozessen Vorschub leisten können ([ Tab. 1 ]).

Tab. 1

Allgemeine ursächliche Faktoren bei Lebererkrankungen entsprechend Ayurveda

Übermaß an

Beispiele

pitta-erhöhend; rakta-störend

scharfe Nahrungsmittel

scharfe Gewürze: Chili, Tabasco, Cayenne, Peperoni, Pfeffer, Knoblauch, Pfeffer, Meerrettich, Senf

saure Nahrungsmittel

Essig, saures Obst und saure Beeren sowie deren Saft, Wein, Tomaten, saure Sahne, Joghurt, Sauerkraut, sauer Eingelegtes

salzige Nahrungsmittel

Wurst, Schinken, Käse, Salzhering, Gepökeltes, Laugengebäck, hoher Speisesalzkonsum

erhitzende Nahrungsmittel

scharfe Gewürze (siehe oben), Rapsöl, Sesamöl, Zwiebeln, Auberginen, Fleisch, Erdnüsse

frittierte Nahrungsmittel

Chips, Pommes frites, frittiertes Gebäck, Schnitzel

Alkohol

besonders Wein und hochprozentiger Alkohol

externe Hitze

starke Sonnenexposition, Sauna

agni-beeinträchtigend

fettig-klebrige Nahrungsmittel

fettiges Fleisch, fettige Wurst, Speck, Käse, Schmalz, Butter, Sahne

Transportprozesse behindernde Nahrungsmittel

Joghurt, Quark, Käse, Fettiges, Schwerverdauliches

sedierender Lebensstil

Bewegungsmangel, sitzende Tätigkeit

körperliche Überbelastung

Übermaß an körperlicher Arbeit, Sport, Geschlechtsverkehr

Störungen in den Funktionen von Leber und Galle führen aus ayurvedischer Sicht zu 2 Arten von Pathomechanismen:

  1. Fehlfunktionen von Digestion und Stoffwechsel (agni) im Bereich der Leber rufen Störungen des Gewebeaufbaus (dhatu) hervor und ziehen eine Reduktion von Lebens- und Abwehrkraft (ojas) nach sich.

  2. Fehlfunktionen im Rahmen der Ausscheidung von Abfallstoffen und Toxinen (mala) besonders von Galle (pitta-mala) führen zu einer Akkumulation dieser ausscheidungspflichtigen Stoffe, die die Grundlage für schwerwiegende Erkrankungen bilden und sogar tödlich verlaufen können.

Die Ayurveda-Medizin ist mehr als nur Phytotherapie. Daher müssen auch die anderen Aspekte dieser Therapie berücksichtigt werden.


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Therapieoptionen

Vor dem Hintergrund der oben geschilderten ayurvedischen Sichtweise, dass Leber, Galle und deren Funktionen in überordnete Funktionskreise eingebunden sind, ist es verständlich, dass im klassischen Ayurveda keine speziellen Organ-Therapeutika für die Leber beschrieben werden. Vielmehr sind leberwirksame Therapeutika unter den Therapiestrategien zur Behandlung der Funktions- und Steuerprinzipien für Metabolismus, Verdauungsfeuer, Blutgewebe und Transportkanäle zu finden. Jedoch haben sich in der modernen Ayurveda-Medizin auch Therapieansätze und Leitlinien zur Behandlung von Lebererkrankungen im Sinne konventionell-medizinischer Herangehensweisen herausgebildet.

Die Anzahl an wissenschaftlichen Studien, die unter Verlaufsbeobachtung hepatologischer Laborparameter Ayurveda-Therapien evaluieren, steigt [8]. Bisher handelt es sich überwiegend um Untersuchungen zu phytotherapeutischen Monopräparaten, da diese am ehesten den Anforderungen an konventionell evaluierbare Prüfpräparate gerecht werden. Da Ayurveda jedoch keine ausschließliche Phytomedizin ist, sondern die phytotherapeutische Komponente lediglich einen Baustein eines komplexen Medizinsystems darstellt, sollen an dieser Stelle auch andere Aspekte der Ayurvedatherapie vorgestellt werden. Für diese gibt es zwar nur begrenzte naturwissenschaftliche Evidenz, sie haben sich jedoch bei der Behandlung von Lebererkrankungen über Jahrtausende hinweg empirisch als wirksam erwiesen.

Ausleitungsverfahren

Nach ayurvedischer Auffassung ist die Aktivierung von Ausscheidungsfunktionen eine wesentliche Vorbereitung für die Gabe von Heilmitteln und steigert deren Wirksamkeit. Aber die Ausleitung stellt auch eine kausale Behandlungsform bei Leberleiden dar. Aufgrund des starken Bezugs zum metabolischen Prinzip pitta ist vor allem das Ausleiten über den Darm indiziert (Purgieren, Sanskrit: virecana), besonders mittels cholegoger Abführmittel, wie zum Beispiel Picrorrhiza kurroa. Cholegoga stimulieren die Leber und drainieren pathogene Metaboliten über die Gallenwege und den Darm. Zur „Reinigung“ des Blutgewebes inklusive der Anregung der Erythropoese haben sich zudem Aderlässe als weiteres Ausleitungsverfahren bei Lebererkrankungen bewährt.

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Abb. 2 Tinospora cordifolia ist eine Bitterdroge für die Leber. Quelle: © siwaporn999/stock.adobe.com Quelle: © siwaporn999/stock.adobe.com

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Manualtherapie

Lokale Anwendungen im Bereich der Leber besitzen als unterstützende Maßnahmen nicht nur in der Naturheilkunde des Abendlandes eine lange Tradition. Im Ayurveda werden neben den durchblutungsfördernden, verdauungsaktivierenden Wärmeanwendungen vor allem entzündungshemmende, „kühlende“ Leberpackungen eingesetzt [9].


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Phytotherapie

Die Pflanzenheilkunde nimmt im Ayurveda einen wichtigen Stellenwert bei der Behandlung von Leberleiden ein [10], [11], [12]. Sie ist jedoch stets in ein komplexes Geflecht von individuell abgestimmten Therapiemaßnahmen eingebettet. Besonders pitta-reduzierende, kühlende Pflanzen kommen zum Einsatz. Ferner sind „blutreinigende“ Bitterdrogen bei Lebererkrankungen hilfreich. Abführende Drogen haben meist eine reinigende Wirkung in Bezug auf die Leber und fördern den Gallefluss. Empirisch hat sich zudem eine beachtliche Zahl von regenerativen Heilpflanzen (rasayana) für das funktionelle Gewebe der Leber herauskristallisiert, die für die Behandlung von chronischen Lebererkrankungen von großem Nutzen sein können ([ Tab. 2 ]). Neben den Heilpflanzen kommen auch vereinzelt Präparate mit tierischen und mineralischen Bestandteilen zum Einsatz.

Tab. 2

Ayurvedische Heilmittel bei Leber- und Gallenblasenerkrankungen: Auswahl Einzeldrogen

Bezeichnung Sanskrit

Bezeichnung botanisch

Hauptwirkungen

Haridra

Curcuma longa

„blutreinigend“, cholegog, Bitterdroge

Pippali

Piper longum

Immunmodulatorisch, Leberzellschutz, regt das Verdauungsfeuer an

Guduci

Tinospora cordifolia

Immunmodulatorisch, Bitterdroge, pitta-reduzierend

Kakamaci

Solanum nigrum

klassisches Lebermittel, cholegog

Nimba

Azadirachta indica

Bitterdroge

Bhumyamalaki

Phyllanthus niruri

mild-diuretisch, positive Studienergebnisse zur Behandlung von viraler Hepatitis

Bhrngaraja

Eclipta alba

klassisches Lebermittel, cholegog; pitta-reduzierend, Leberzellschutz

Katuki

Picrorhiza kurroa

Purgativ, cholegog


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Ernährung und Verhalten

Ernährung und Verhalten sind im Ayurveda nicht nur ätiologisch bedeutsame Bereiche (Tab. 1), sondern sie stellen auch essenzielle Therapiefelder dar. Lediglich durch Diät- und Lebensstiloptimierung können alle vorherig genannten Therapieverfahren ihre volle Wirkung entfalten. Die individuelle diesbezügliche Feineinstellung erfolgt im Ayurveda immer konstitutions- und krankheitsspezifisch.

Ein therapeutischer Grundansatz der Ayurveda-Medizin besteht in der Ursachenvermeidung in Bezug auf die Ernährung. Patienten sollten dazu motiviert werden, die oben beschriebenen diätetisch-ätiologischen Faktoren zu meiden. Zudem sollten sie gewisse andere Nahrungsmittel besonders häufig zu sich nehmen. Bittere, kühlende und gesunde süße Nahrungsmittel und Getränke reduzieren die Aktivität des metabolischen Prinzips pitta. Bittere Nahrungsmittel reinigen das Blutgewebe rakta und regen zudem das Verdauungsfeuer agni an.

Aus ayurvedischer Sicht bei Lebererkrankungen besonders empfehlenswert sind:

  • länger als ein Jahr gelagerter Reis, Gerste, Weizen, Mung-Linsen

  • Kuhmilch, Ziegenmilch

  • weicher Rettich, Kürbisgemüse inklusive Gurken und Zucchini, Artischocken, Steckrüben, Fenchel, Spargel

  • Kurkuma, Nelken, Koriander, Kardamom

  • alle süßen Früchte, insbesondere Papaya, Granatäpfel, Weintrauben, Datteln und Rosinen

Neben der Ernährung spielt der Lebensstil für Ayurveda eine wichtige Rolle. Auch hier sollten ätiologisch bedeutsame Verhaltensweisen gemieden und zuträgliche umgesetzt werden. Empfehlenswert sind:

  • Ruhe, Entspannung, Meditation

  • leichte Gymnastik

  • Yoga-Übungen unter Anleitung eines Yoga-Therapeuten


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Beispiel: Beobachtungsstudie Leberzirrhose mit Aszites

Vielfach wird Ayurveda im Westen als ein Wellness-Konzept wahrgenommen, das als Therapieoption eher für funktionelle Störungen und Stressfolgen in Frage kommt. Somit würde man in unserem Gesundheitssystem bei einer verantwortungsvollen Versorgung von Patienten mit fortgeschrittenen Lebererkrankungen selten an Ayurveda-Medizin denken.

Eine Ayurveda-Klinik im Westen Indiens hat vor wenigen Jahren eine Beobachtungsstudie mit insgesamt 56 Patienten mit Leberzirrhose und Aszites veröffentlicht [13]. Dieses schon in den frühesten Ayurveda-Texten unter der Bezeichnung jalodara beschriebene Krankheitsbild wird im P. D. Patel Ayurveda Hospital in Nadiad relativ häufig auf der Grundlage klassisch ayurvedischer Therapiekonzepte behandelt. Die Ursache der Leberzirrhose bestand bei 40% der Studienteilnehmer in Alkoholismus.

Therapie

Der für Ayurveda typische individuumsbezogene multimodale Therapieansatz im Rahmen dieser Beobachtungsstudie bestand überwiegend aus phytotherapeutischen Maßnahmen und wurde durch ausleitende Verfahren (sanftes Purgieren) sowie strenge diät- und lebensstilbezogene Empfehlungen ergänzt. Therapeutisch lag der Schwerpunkt bei der medikamentösen Ayurveda-Behandlung auf der Leberzellprotektion und -regeneration (in ayurvedischer Terminologie: rasayana = Geweberegeneration), auf hepatobiliärer Entlastung (rakta-shodhana = Blutreinigung) mittels Bitterstoffen sowie auf einer natürlich angeregten Diurese (mutra-virecana). Die Ausleitung über den Verdauungstrakt diente der Entlastung des Lebergallsystems.

Die strenge Diät bestand in der stationären Phase als reine Monodiät aus entfetteter, aufgekochter Milch, in der ambulanten Folge aus einer sehr leicht verdaulichen, wärmenden vegetarischen Kost. Sie bildete im Sinne einer entlastenden Ursachenvermeidung die Basis für die Wirksamkeit der Gesamttherapie und wurde in ihrer Intensität dem Kräftezustand der Patienten angepasst. Maximale körperliche Ruhe sorgte zudem für geeignete Rahmenbedingungen. Bei Bedarf wurden konventionelle Diuretika beibehalten, in den meisten Fällen jedoch schrittweise dosisreduziert. Ansonsten wurden die Patienten rein ayurvedisch versorgt.


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Ergebnisse und Diskussion

Zielparameter waren der Child-Pugh-Score zur Bestimmung des Schweregrades der Leberzirrhose sowie diagnoserelevante Laborparameter, unter anderem GPT, GOT, Bilirubin, Albumin, AP, Hb, und klinische Symptome wie Ödembildung, Appetit, Kräftezustand, Bauchumfang, Übelkeit und Erbrechen. Nach 6 Wochen stationärer Ayurveda-Behandlung und einer daran anschließenden ambulanten Begleitung über 18 Wochen zeigten sich bei einem Großteil der Patienten statistisch signifikante und klinisch relevante Verbesserungen aller Zielparameter.

Im Ayurveda fehlen meist die finanziellen Ressourcen, um größere randomisierte klinische Studien durchzuführen. Insofern bietet diese kleine Beobachtungsstudie nur einen ersten Anhaltspunkt zur Generierung weiterer Forschungsfragen und zur Planung größerer Studien.

Maßgebend für die Wirksamkeit ayurvedischer Ansätze bleibt neben der präzisen ayurvedaspezifischen Diagnostik und individuellen Therapiegestaltung der Umfang der zur Verfügung stehenden therapeutischen Infrastruktur. Diese ist in hiesigen Ayurveda-Einrichtungen bislang nur selten mit den Möglichkeiten in den Ursprungsländern vergleichbar. Dennoch lassen sich bei bestehenden Gegebenheiten auch hierzulande im ambulanten Kontext positive Ergebnisse mit Ayurveda bei hepatobiliären Erkrankungen erzielen. Erfahrungswerte zeigen, dass bei Steatosis hepatis, biliärbedingten Fettverdauungsstörungen, cholezystektomiebedingten Beschwerden und chronischen Hepatitis-Formen oft eine funktionelle Stabilisierung des Organsystems erreicht werden kann, was für die Patienten häufig mit einer deutlichen Verbesserung der Lebensqualität einhergeht.

Interessenkonflikt: Die Autoren erklären, dass keine wirtschaftlichen oder persönlichen Verbindungen bestehen.


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Elmar Stapelfeldt, M.A.

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Abteilung Naturheilkunde
Immanuel-Krankenhaus Berlin
Königstraße 63
14109 Berlin
elmar.stapelfeldt@immanuelalbertinen.de


Elmar Stapelfeldt absolvierte den Magister in Indologie und verbrachte im Rahmen seiner medizinischen Ausbildung eineinhalb Jahre als Praktikant und Assistent an indischen Ayurveda-Kliniken. Neben seiner praktischen Tätigkeit arbeitete Stapelfeldt während seiner Berufslaufbahn auch als Dozent, Autor und Studienleiter im Bereich der Ayurveda-Medizin. Seit 2012 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Berliner Immanuel-Krankenhaus in der Abteilung für Naturheilkunde, Ayurveda-Ernährungstherapeut und seit 2019 Berater der WHO bei der Erstellung internationaler Qualitätsstandards für Ayurveda-Ausbildung und -Praxis.

PD Dr. med. Christian S. Kessler

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Immanuel-Krankenhaus Berlin
Abteilung Naturheilkunde
Königstraße 63
14109 Berlin
christian.kessler@immanuelalbertinen.de


Christian S. Kessler beschäftigt sich seit Beginn seines Medizinstudiums mit Ayurveda und südasiatischen Kulturen. Promotion zur Wirksamkeit von Ayurveda bei chronischen Erkrankungen; 2008 Abschluss als Magister der Indologie; seit 2009 Assistenzarzt und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Abteilung Naturheilkunde am Immanuel-Krankenhaus Berlin.

1Zitierweise für diesen Artikel

Stapelfeldt E, Keßler CS. Lebererkrankungen in der Aryurveda-Medizin. zkm 2021; 2: 26–30.

Es handelt sich um eine durch die Autoren komplett überarbeitete Version des Artikels Kessler C, Stapelfeldt E. Ayurveda-Medizin bei Lebererkrankungen. zkm 2012; 2: 36–41



Publication History

Article published online:
21 April 2021

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© Karl F. Haug Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co.
KG


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Abb. 2 Tinospora cordifolia ist eine Bitterdroge für die Leber. Quelle: © siwaporn999/stock.adobe.com Quelle: © siwaporn999/stock.adobe.com