Diabetes aktuell 2021; 19(03): 101
DOI: 10.1055/a-1417-2249
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Gestationsdiabetes indisziplinär behandeln

Maren Goeckenjan
1   Dresden
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Die Diagnose eines Gestationsdiabetes (GDM) wurde vor Einführung des standardisierten Screenings zumeist post hoc gestellt: Das Auftreten einer fetalen Makrosomie bei gleichzeitiger fetaler Unreife, Komplikationen bei der Geburt mit z. B. Schulterdystokie oder sogar intrauterinem Tod des Kindes ließen eine Entgleisung des Glukosestoffwechsels erst nach dem Manifestieren von dramatischen Komplikationen oder nach der Geburt vermuten. Grundlegende Untersuchungen der Insulinsekretion und -regulation während der Schwangerschaft und Auswirkungen der maternalen Hyperglykämie auf den Feten ab den 1960iger Jahren zeigten die Notwendigkeit sich mit dieser besonderen Form von Diabetes mellitus zu beschäftigen.

Heute wird ein Screening auf GDM in Deutschland standardisiert empfohlen und dadurch die Stoffwechselstörung frühzeitig erkannt, bevor sich die Risiken für das Kind und die Mutter zeigen. Mit Unterstützung von Ute Schäfer-Graf, die sich maßgeblich für ein generelles Screening auf D.m. in der Schwangerschaft eingesetzt hat, ist die Übersicht über das Gestationsdiabetes-Screening (2.0) entstanden. Das GDM-Screening in Deutschland, verankert in den Mutterschafts-Richtlinien, ist besser als kein Screening, aber noch nicht optimal. Nachbesserungen in Bezug auf die Entscheidungen des gemeinsamen Bundesausschusses sind träge und mühsam. Langfristig ist jedoch, auch im internationalen Vergleich und gemäß der Studienlage klar, dass das Screening angepasst werden muss.

Durch interdisziplinäre Beratung, Begleitung und Therapie der Schwangeren in der Gynäkologie, Allgemeinmedizin und/oder Inneren Medizin können die Risiken für Mutter und Kind verringert werden. Dazu gehört insbesondere die Überwachung der Blutzuckerwerte, die sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert hat. Ob und wieweit die kontinuierliche Blutglukosemessung eine Option auch für Schwangere wäre oder bereits ist, dies beschreibt der Diabetologie Andreas Reichel.

Da die Zahl der jungen Frauen mit präexistentem Diabetes oder GDM in gleichem Maße zunimmt wie Übergewicht und Adipositas in modernen Gesellschaften vorkommen, ist die präkonzeptionelle Beratung und Optimierung von veränderbaren Faktoren wie Ernährung, Bewegung und Körpergewicht wichtig. Frühzeitige Interventionen können Risiken für Mutter und Kind minimieren. In Kooperation mit der internistischen Endokrinologie hat die Reproduktionsmedizinerin Daría Madej Ansätze zur optimierten interdisziplinären Betreuung vor Schwangerschaften bei Diabetikerinnen zusammengestellt.

Wie geht es nach der Diagnose mit der Schwangerschaft weiter und was bedeutet die Diagnose GDM für Geburt und Wochenbett? Dies beschreibt Frau Winkler, ebenfalls aus dem Dresdner Universitätsklinikum, durch Darstellung der Auswirkungen des präexistenten D.m. und des neudiagnostizierten D.m. in der Schwangerschaft auf die Geburt aus Sicht der Geburtshelferin. Sie untermauert die Aussagen von aktuellen Leitlinien und Studien mit eigenen Daten aus einem großen universitären Perinatalzentrums Level I.

Die verzahnte interdisziplinäre Betreuung von Frauen mit Diabetes oder einem Risiko hierfür findet einerseits in der Gynäkologie, seltener auch in der Reproduktionsmedizin und vor allem in der Geburtsmedizin und andererseits in der Allgemeinmedizin und Inneren Medizin statt. Die optimale Begleitung und Behandlung von Schwangeren mit Diabetes fordert von den Behandelnden in beiden Gebieten einen stetigen Dialog und Perspektivwechsel. Für diesen interdisziplinären Austausch steht dieses Themenheft.



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Article published online:
27 May 2021

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