Diabetes aktuell 2021; 19(05): 196
DOI: 10.1055/a-1519-2796
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Insulin: unverzichtbar!

Jürgen Krug
1   Leipzig
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Dr. Jürgen Krug, Leipzig

Bekäme man die Frage vorgelegt, welches Diabetesmedikament eine Marsexpedition bei begrenzten Transportkapazitäten mitführen sollte, würde man ohne Zweifel Insulin benennen, weil dessen Einsatz Lösungsmöglichkeiten für alle hyperglykämischen Problemsituationen bietet.

Für den Diabetes mellitus Typ 1 ist Insulin mit einer „number-needed-to treat“ von 1 alternativlos. Auch in der stationären Akutmedizin ist die Substanz in ihren verschiedenen Darreichungsformen wegen praktisch fehlenden Kontraindikationen, des unbeschränkten Dosisspektrums und der – für den Geübten – guten Steuerbarkeit unverzichtbar. Das nunmehr 100-jährige Pharmakon Insulin wird durch ständige Innovationen mit Sicherheit noch eine erhebliche Lebenserwartung haben, wenn nicht gar das ewige Leben.

Bei der Behandlung der Mehrzahl unserer Patienten – Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 – kann die Beantwortung der Frage nach der Bedeutung des Insulins zum Eier­tanz werden. Die unzweifelhaften Erfolge in der Prävention und Therapie mikrovaskulärer Komplikationen verdanken wir komplexen und multimodalen Therapiestrate­gien, häufig unter Einschluss von Insulin auch in intensivierten Therapieformen. Immer noch ist es für viele Betroffene nur eine Frage der Zeit, bis eine schlechte Stoffwechselqualität als Folge nachlassender Insulinsekretion einerseits und der bis heute schlecht beeinflussbaren Insulinresistenz andererseits den Tribut in Form der Insulintherapie einfordert. Der Beweis für eine kardiovaskuläre Prognoseverbesserung durch Insulintherapie konnte aber nie erbracht werden.

Seit wir wissen, wie die kardiovaskuläre Prognose von Menschen mit Typ-2-Diabetes mit SGLT2-Hemmern und GLP-Präparaten signifikant verbessert werden kann, hat die Diabetologie aus dem seit 2008 durchschrittenen Tal der Tränen herausgefunden; unser Fachgebiet entwickelt sich mit einem neuen, anhaltenden Schwung. Wir stehen jetzt vor der Herausforderung, diese Behandlungsprinzipien in der notwendigen Breite und Konsequenz in die Praxis umsetzen, ohne die erreichten Erfolge hinsichtlich mikro­vaskulärer Komplikationen durch Vernachlässigung der Stoffwechselqualität zu gefährden.

Besser und einfacher als je zuvor kann die Stoffwechselsituation permanent erfasst werden, bisher praktizierte Mechanismen der Stoffwechselsteuerung werden im Licht dieser Daten überprüft werden müssen. Vermutlich bedarf es politischer und regulatorischer Anstrengungen, um den Umgang mit den Daten vieler Millionen Menschen, den daraus gewonnenen Erkenntnissen und generierten Algorithmen transparent zu machen – angesichts der offenbar strukturellen Geheimnisse, die künstliche Intelligenz und maschinelles Lernen umgeben, dürfte das eine Herkules-Aufgabe sein.



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Article published online:
03 September 2021

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