Drug Res (Stuttg) 2021; 71(S 01): S24-S25
DOI: 10.1055/a-1606-5969
Extended Abstract

Virushepatitiden

Robert Thimme
 

Virushepatitiden stellen mit ihrer hohen Prävalenz von 400 Millionen chronisch infizierten Patienten und mehr als einer Million Todesfällen pro Jahr ein signifikantes globales Gesundheitsproblem dar. Auch Deutschland verzeichnet eine erhebliche Morbidität und Mortalität, insbesondere durch chronische Verläufe, die eine Leberzirrhose und die Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) bedingen können. Die Virushepatitiden stellen aber auch eine Infektionserkrankung dar, die exemplarisch die Erfolge und Herausforderungen der Arzneimitteltherapie in der Hepatologie skizzieren.

Durchbruch in der Therapie der Hepatitis-C-Virusinfektion

Die Einführung direkt antiviraler aktiver Substanzen (DAA) hat die Therapie der chronischen Hepatitis-C-Virusinfektion revolutioniert. Diese Therapie ermöglicht heute eine vollständige Viruselimination unabhängig von der Ausgangskonstellation (z. B. Genotyp, Vorliegen Leberzirrhose) in > 95% der betroffenen Patienten, definiert als eine negative HCV-PCR in Woche 12 bzw. 24 nach Therapieende („sustained virological Response“ (SVR)). Da HCV ein RNA-Virus ist, das sich ausschließlich im Zytoplasma der Zelle vermehrt und auch kein intrazelluläres Reservoir aufweist, kann durch eine dauerhafte Suppression der Virusreplikation tatsächlich eine komplette Viruselimination erreicht werden. Das Vorliegen einer chronischen Hepatitis-C-Virusinfektion stellt daher heute grundsätzlich eine Therapieindikation dar. Für die Erfolgsgeschichte der Hepatitis C, bei der von der Erstbeschreibung des Virus 1989 bis zur Einführung erfolgreicher Therapien keine 30 Jahre vergingen, wurde 2020 der Medizinnobelpreis vergeben.


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Herausforderungen in der Therapie der chronischen Hepatitis-B-Virusinfektion

Bei Vorliegen einer Therapieindikation (z. B. erhöhte Transaminasen, Leberzirrhose) wird bei der chronischen Hepatitis-B-Virusinfektion in der Regel eine Therapie mit Nukleosid(tid)-Analoga (NA) eingeleitet. Trotz hierdurch bedingter kompletter Hemmung der Virusreplikation kommt es in der Regel zu keiner Elimination des Virus, da dieses als sogenannte cccDNA im Zellkern integriert ist. Aufgrund dieser Integration und fehlenden Elimination muss die antivirale Therapie daher, im Gegensatz zur Hepatitis C, bei der Hepatitis B in der Regel dauerhaft durchgeführt werden. In besonderen Konstellationen kann eine Beendigung der NA-Therapie erwogen werden, dies auch vor den Hintergrund, dass bei dem Wiederauftreten der Virämie in einigen wenigen Patienten eine wahrscheinlich immunvermittelte Lebererkrankung induziert wird, die zur Viruselimination (HBs-Antigen Serokonversion) führen kann. Bei Patienten mit Leberzirrhose oder Immunsuppression wird stets eine dauerhafte Fortführung der antiviralen Therapie empfohlen. Aktuell werden verschiedene antivirale oder immunmodulatorische Substanzen mit unterschiedlichen Angriffspunkten in zahlreichen klinischen Studien getestet mit dem Ziel, eine Elimination auch des Reservoirs der Virusinfektion (HBV cure) zu erreichen, ohne dass sich bis heute ein eindeutiges Therapiekonzept herauskristallisiert hat.


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Neuer Therapieansatz bei der chronischen Hepatitis-D-Virusinfektion

HDV ist ein RNA-Virus, das für die Virusreplikation auf HBV angewiesen ist. Daher kann eine HDV-Infektion nur als eine HBV/HDV-Koinfektion auftreten. Die chronische HBV/HDV-Koinfektion gilt aktuell als die am schwierigsten zu behandelnde chronische Virushepatitis, da sie nicht auf eine Therapie mit NA und in der Regel nur vorübergehend auf eine Therapie mit Interferon anspricht. Seit Juli 2020 steht mit dem Virusentry-Inhibitor Bulevirtid ein neues Behandlungskonzept der chronischen HBV/HDV-Infektion zur Verfügung, das den Eintritt des Virus über den hNTCP-Rezeptor verhindert. Dies führt zumindest zu einer Verbesserung der Transaminasen und auch Viruslast. Langzeitergebnisse stehen allerdings noch aus. Bulevirtid wird sich wahrscheinlich bei ausgewählten Patienten (z. B. mit hoher Viruslast und hohen Transaminasen) als Dauertherapie etablieren. Weitere antivirale Substanzen wie der Prenylierungsinhibitor Lonafarnib oder siRNA-basierte Therapieansätze befinden sich in klinischen Studien.


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Prävention der Virushepatitis

Während für die Hepatitis B eine aktive und passive Impfung zur Verfügung stehen, ist die Entwicklung eines Vakzins für die Hepatitis C aktuell noch Gegenstand intensiver internationaler Forschungsbestrebungen. Aufgrund der hohen genetischen Variabilität und Mutationslast des Hepatitis-C-Virus ist aber eine prophylaktische Vakzine mittels Induktion eines Antikörpers, wie bei der Hepatitis B Virusinfektion, kein realistisches Ziel. Aktuelle Bemühungen liegen vielmehr in der Induktion einer protektiven, am ehesten zellulären Immunantwort. Eine aktuelle doppelblind placebokontrollierte Phase I/II-Studie hat hier leider keinen Schutz in einer Hochrisiko-Patientengruppe zeigen können. Es wurde zwar der Nachweis HCV-spezifischer T-Zellen wie auch geringerer HCV-RNA-Titer erbracht, aber nicht die Verhinderung einer chronischen Infektion gezeigt. Diese enttäuschenden Ergebnisse unterstreichen die Schwierigkeit, eine protektive Immunantwort gegen ein hochvariables Virus wie HCV zu induzieren. Die Entwicklung einer prophylaktischen Vakzine bleibt eine der Hauptherausforderungen der Hepatitis-C-Virusinfektion.


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Zusammenfassung

Am Beispiel der Virushepatitis können die immensen Erfolge der Therapie, aber auch zukünftige Herausforderungen in der Hepatologie klar dargestellt werden. Während die Hepatitis-C-Virusinfektion von einer schwer zu einer leicht zu therapierenden Erkrankung geworden ist, die in einer großen Mehrzahl der behandelten Patienten eliminiert wird, gelingt bei der chronischen Hepatitis B in der Regel nur eine Suppression des Virus. Aktuelle Anstrengungen haben das Ziel, analog zur HCV-Infektion auch bei HBV eine Heilung zu erreichen, wobei hier die Herausforderung besteht, auch die Integration des Virus im Genom erfolgreich anzugreifen. Mit Spannung können hier die Ergebnisse laufender Studien und Forschungsarbeiten erwartet werden.


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Autor

Robert Thimme

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Prof. Dr., Klinik für Innere Medizin II, Uniklinik Freiburg

Interessenkonflikt

Beratungstätigkeit: SCG Cell Therapy Pte Ltd. Singapore, LION TCR Pte., OPASCA, Topas Therapeutics GmbH, F. Hoffmann-La Roche Ltd, Janssen Global Serivces, LLC
Honorare: Elsevier, Dr. Falk Pharma GmbH, GUT, Thieme Verlag, med publico GmbH, Fraunhofer Gesellschaft, Davos Congress, med Update GmbH, Janssen-Cilag GmbH
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Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Robert Thimme
Ärztlicher Direktor
Klinik für Innere Medizin II
Universitätsklinikum Freiburg
Hugstetter Straße 55
79106 Freiburg
Deutschland   

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Article published online:
17 November 2021

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