ergopraxis 2022; 15(02): 12-14
DOI: 10.1055/a-1693-1221
Wissenschaft

Internationale Studienergebnisse

Sexuelle Belästigung durch Klientel – Mitarbeitende im Gesundheitswesen

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Zu einer sexuellen Belästigung gehören unerwünschte sexuelle Handlungen oder Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen. Quelle: © K. Oborny/Thieme Die Würde
einer Person wird verletzt, wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird. AGG § 3 Absatz 4

Gesundheits- und Sozialarbeiter*innen erfahren an ihrem Arbeitsplatz häufig verbale, nonverbale und physische sexuelle Belästigung durch Klient*innen oder Bewohner*innen. Prävalenz und Frequenz unterscheiden sich nach der Art der Einrichtung. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungsteam um Mareike Adler von der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) Hamburg.

Um Daten zu sexueller Belästigung im Gesundheitswesen zu erheben, wählten die Forschenden 358 Organisationen per Zufall aus den Versicherungsdaten der BGW aus und baten diese, einen Fragebogen an ihre Beschäftigten zu verteilen. Von 66 Einrichtungen konnten 901 Bögen ausgewertet werden.

Zur Messung von sexueller Belästigung diente der Sexually Harassing Behavior Questionnaire (SHBQ-X). Als Indikatoren zur Erhebung des Einflusses auf das Wohlbefinden wurden Items von drei verschiedenen Fragebögen verwendet. Kenntnisse über Unterstützungsangebote wurden in einer Frage eingeholt.

Im Durchschnitt waren die Studienteilneh-mer*innen etwa 42 Jahre alt und arbeiteten rund 32 Wochenstunden im Gesundheits- und Sozialbereich. Der überwiegende Teil (80 %) war weiblich. Knapp die Hälfte der Befragten war in der Krankenpflege tätig.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass sexuelle Übergriffe kein seltenes Phänomen sind. 62,5 % der Teilnehmenden gab an, bereits nonverbale sexuelle Belästigung durch Patient*innen erlebt zu haben. 67,1 % wurden verbal belästigt, 48,9 % erlebten körperliche Übergriffe. Frauen waren häufiger betroffen als Männer.

Varianzen zeigen sich je nach Einrichtungsart: Mitarbeitende in Behindertenwerkstätten erlebten in den letzten 12 Monaten deutlich häufiger nonverbale Übergriffe (73,6 %) als diejenigen in der ambulanten Pflege (48,1 %). Das Auftreten verbaler Übergriffe wurde mit 75,9 % am häufigsten in Krankenhäusern angegeben, am wenigsten in Wohneinrichtungen für behinderte Menschen (57,7 %). Bei körperlichen Übergriffen erzielten stationäre Pflegeeinrichtungen die höchsten Werte (53 %).

Für alle Formen der sexuellen Belästigung konnten die Forschenden eine positive Korrelation mit einem beeinträchtigten Wohlbefinden der Mitarbeitenden aufzeigen. Kenntnis über Unterstützungsangebote hatte die Mehrheit der Befragten. Sie konnten Ansprechpersonen benennen oder hatten Trainings- oder Informationsmaterial zum Thema erhalten. Rund einem Drittel der Teilnehmenden waren keine Unterstützungsangebote ihrer Einrichtung bekannt.

Die Forschenden schlussfolgern, dass das Management sexueller Belästigungen in Gesundheits- und Sozialeinrichtungen sektorspezifisch und differenziert verbessert werden muss. In Deutschland sind Arbeitgebende dazu verpflichtet, Maßnahmen zur Prävention sexueller Übergriffe anzubieten.

clcz

Int J Environ Res Public Health 2021; 18: 5198



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Article published online:
31 January 2022

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