Angewandte Nuklearmedizin 2022; 45(02): 134-145
DOI: 10.1055/a-1708-5989
CME-Fortbildung

Radiosynoviorthese bei Hämophilie

Radiosynoviorthesis (RSO) and haemophilia
Barbara Boddenberg-Pätzold
,
Michael Sigl-Kraetzig
,
Willm Uwe Kampen
Preview

Die Radiosynoviorthese (RSO) ist fester Bestandteil der Therapie bei Patienten mit Hämophilie mit rezidivierenden Gelenkeinblutungen. 70–90 % der Patienten erleben eine verminderte Blutungsfrequenz, nachlassende Schmerzen und verbesserte Beweglichkeit. Der Artikel beschreibt die Pathomechanismen der Erkrankung und die Besonderheiten bei der RSO der zumeist noch jungen Patienten, die prätherapeutische Diagnostik, die Durchführung der RSO und die Nachsorge.

Abstract

Background: Radiosynoviorthesis (RSO) is an important treatment modality in patients with reccurrent joint bleedings from haemophilia and is anchored in both national and international guidelines. The indication for RSO is a chronic synovitis of at least 3–6 months despite intensified clotting factor substitution or in case of 3 or more joint bleedings in 6 months. The aim of RSO is – similar to the treatment of synovitis in other inflammtory joint diseases – a fibrosis and sclerosis of the inflamed synovial membran. Thus, the vicious circle of „bleeding – synovitis – neoangiogenesis – increased bleeding frequency” is effectively interrupted. This pathomechanism will otherwise lead to an irreversible joint damage, called haemophylic arthropathy with a serious reduction of the quality of life.

Objectives: This paper describes and discusses the role of radiosynoviorthesis as an important part of the treatment plan for patients suffering from hemophiliac joint disease.

Materials and methods: Both the basic pathomechanisms of hemophiliac arthropathy and the distinctive features of RSO in those patients, often at younger ages, are described, in particular the issues of pretherapeutic diagnostic imaging, the choice of the appropriate radiocolloids and their activities, specific procedural aspects of RSO and the follow-up, respectively.

Results: A total of 70–90 % of patients with hemophilia benefit from RSO with a significantly reduced frequency of joint bleedings, with alleviation of pain and with an increase in joint mobility. However, the best clinical results are achieved in earlier stages of the disease with less pronounced joint deterioration.

Conclusion: Radiosynoviorthesis is an integrated part of the treatment schedule in patients with hemophiliac joint disease suffering from chronic synovitis.

Kernaussagen
  • Die Hämophilie beruht auf einem X-chromosomal vererbten Mangel an Faktor VIII oder XI (Hämophilie A oder B). Je nach Schwere des Mangels kommt es zu Blutungen, meist in Gelenke, bei schwerer Hämophilie i. d. R. beginnend im Kleinkindesalter.

  • Durch eine Gelenkeinblutung, insbesondere durch freigesetztes Eisen und Radikalbildung, entsteht eine Synovialitis mit erhöhter Vulnerabilität der Schleimhaut und zunehmender Blutungsneigung, beginnend sofort nach dem Blutungsereignis. Nach dem akuten Stadium kann sich bei unzureichendem Ansprechen auf die Faktorsubstitution eine chronische Synovialitis entwickeln.

  • Eine chronische Synovialitis führt unweigerlich zur Hämarthropathie. Knorpel und Knochen reagieren auf die andauernden Entzündungsprozesse mit Degeneration und Verformung. Schon im Kindesalter kann eine Hämarthropathie entstehen und zu Bewegungseinschränkung und mangelnder Belastbarkeit führen.

  • Eine Hämarthropathie ist ein irreversibler Prozess, der je nach betroffenem Gelenk langfristig zu Gelenkersatz führen kann.

  • Ziel der Hämophiliebehandlung bezüglich der Gelenke ist es somit, die Entwicklung einer chronischen Synovialitis zu vermeiden. Durch die sogenannte Prophylaxe mit Gerinnungsfaktor (regelmäßige Applikation) wird ein Faktorspiegel angestrebt, der häufige Blutungen verhindern soll.

  • Die Radiosynoviorthese (RSO) soll im Falle einer chronischen Synovialitis frühzeitig eingesetzt werden, damit die Entwicklung einer Hämarthropathie aufgehalten wird. Sie ist indiziert bei persistierender Synovialitis über 3–6 Monate trotz intensiver Faktortherapie bzw. bei rezidivierender Gelenkblutung (2-3 Blutungen pro 6 Monate).

  • Da die Entwicklung einer Hämarthropathie schon nach 2 oder 3 Gelenkblutungen getriggert werden kann, sollte die RSO schon im Kindesalter vor der Entwicklung von degenerativen Veränderungen eingesetzt werden.

  • Die Erfolge der RSO sind umso besser, je geringer der Hämarthropathiegrad ist.

  • 70–90 % der Patienten profitieren durch Rückgang der Blutungsfrequenz und der Entzündungszeichen. Aber auch bei schon vorliegender mäßiger Hämarthropathie und im Vordergrund stehender Entzündungssituation kann eine RSO die Symptomatik verbessern.

  • Die Strahlenexposition bei der RSO ist gering. Eine Malignomentwicklung ist nicht bekannt. 2 Fälle von ALL wurden beschrieben, der Zusammenhang ist jedoch nicht gesichert.



Publication History

Article published online:
30 May 2022

© 2022. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany