Rofo 2022; 194(04): 363-372
DOI: 10.1055/a-1710-3529
Review

Beschaffung eines Dosismanagementsystems unter mediko-legalen und ökonomischen Aspekten

Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch
1   Department of Clinical Radiology, University of Heidelberg, Germany
,
Claudius Melzig
2   Department of Diagnostic and Interventional Radiology, University of Heidelberg, Germany
,
Hans-Ulrich Kauczor
2   Department of Diagnostic and Interventional Radiology, University of Heidelberg, Germany
,
3   Universitätsmedizin Rostock, Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Rostock, Germany
,
Mark Oliver Wielpütz
2   Department of Diagnostic and Interventional Radiology, University of Heidelberg, Germany
4   Translational Lung Research Center TLRC Heidelberg, German Center for Lung Research DZL, Heidelberg, Germany
› Institutsangaben
 

Zusammenfassung

Hintergrund Seit dem 31.12.2018 ist die neue Strahlenschutzverordnung rechtswirksam, die zusätzliche Überwachungs-, Melde- und Aufzeichnungspflichten enthält. Um diesen Aufgaben gerecht zu werden, sind Dosismanagementsysteme (DMS) erforderlich. Der Prozess der Auswahl, Anschaffung und Implementierung einer hierfür geeigneten IT-Lösung stellt eine Herausforderung für alle Röntgenstrahlen-applizierenden Einrichtungen, sowohl für Kliniken als auch Arztpraxen, dar.

Methode Es werden IST-/SOLL-Analysen und Kosten-Nutzwert-Analysen für diesen spezifischen Fall dargelegt, um eine fundierte Grundlage für die Entscheidungsfindung bei der Auswahl eines geeigneten DMS zu bilden.

Ergebnis Eine IST-Analyse ist notwendig, um den aktuellen Stand der Dosisdokumentation zu erfassen. Dabei ist ein abteilungsübergreifendes Vorgehen zu empfehlen, um alle Bildmodalitäten und Geräte zu berücksichtigen. Ein interdisziplinärer Lenkungsausschuss kann dabei hilfreich sein, um eine frühzeitige Konsensfindung und schnelles Handeln zu ermöglichen. Die SOLL-Analyse umfasst neben den gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen zusätzliche Kriterien hinsichtlich der Anwenderfreundlichkeit, technischen Umsetzbarkeit, Prozessoptimierung und Forschungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Eine Kosten-Nutzwert-Analyse ermöglicht schließlich durch die Abwägung zwischen den Kosten und den individuell gewichteten Vor- und Nachteilen der unterschiedlichen DMS eine Rangfolge der Präferenz für die infrage kommenden Lösungen zu erstellen.

Schlussfolgerung Anforderungen an das DMS können in einem Lastenheft zusammengefasst werden. Mithilfe von IST-Analysen, SOLL-Analysen und Kosten-Nutzwert-Analyse kann das geeignete Produkt sondiert werden, um eine schnelle Inbetriebnahme und eine möglichst hohe Nutzerakzeptanz bei gleichzeitig optimierten Kosten zu erreichen.

Kernaussagen:

  • Eine IST-Analyse offenbart Optimierungs- und Vereinheitlichungsbedarf bei Untersuchungsprotokollen und technischen Codierungen der Dosisdaten, der bereits vor oder während des Akquisitionsprozesses adressiert werden kann.

  • Ein Lastenheft umfasst alle funktionalen, technischen und finanziellen Aspekte einer SOLL-Analyse.

  • Eine Kosten-Nutzwert-Analyse ist zur Sondierung eines geeigneten Dosismanagementsystems mit hoher Nutzerakzeptanz, schneller Implementierung und geringen Kosten hilfreich.

  • Ein interdisziplinärer Lenkungsausschuss kann dabei hilfreich sein, um eine frühzeitige Konsensfindung und schnelles Handeln zu ermöglichen.

Zitierweise

  • Do TD, Melzig C, Kauczor H et al. Acquisition of a Dose Management System with Consideration of Medico-Legal and Economic Aspects. Fortschr Röntgenstr 2022; 194: 363 – 372


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Hintergrund

2013 wurden neue Richtlinien für den Strahlenschutz von der European Atomic Energy Community unter dem Namen EURATOM 2013/59 herausgegeben [1]. Diese dienten als Grundlage für das novellierte Strahlenschutzgesetz (StrlSchG), welches am 12.05.2017 verabschiedet wurde. Die ergänzende Strahlenschutzverordnung (StrlSchV) ist seit dem 31.12.2018 rechtswirksam [2]. Die neue StrlSchV enthält nun erweiterte Monitoring-, Melde- und Aufzeichnungspflichten [3]. Gemäß § 122 StrlSchV muss für jede Untersuchungsart die Expositionen der Personen, an denen ionisierende Strahlung angewendet wird, regelmäßig ausgewertet und bewertet werden. Zudem verpflichtet die neue StrlSchV zum Einsatz von fachlich spezialisiertem Personal im Strahlenschutz, sogenannten Medizinphysikexpert*innen (MPE). Zwar ist die Anschaffung eines Dosismanagementsystems (DMS) als technische Lösung im Gesetzesentwurf nicht explizit erwähnt, dennoch ist die Verwendung einer solchen automatisierten IT-Lösung nahezu zwingend erforderlich, um die neuen gesetzlichen Anforderungen und die Aufgaben der neu eingeführten MPE erfüllen zu können. Für die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben im Strahlenschutz kann eine entsprechende Software Kliniken und Praxen dabei unterstützen. Anfang der 2000er Jahre wurden die ersten Dosismanagementsysteme entwickelt und die meisten gängigen Systeme in der heutigen Form sind in den letzten 5–10 Jahren auf dem Markt zugelassen worden. Diagnostische Referenzwerte werden vom Bundesamt für Strahlenschutz in Deutschland erst seit 2003 erstellt und dienen dem Vergleich mit der applizierten Dosis im eigenen Institut oder Praxis, um die eigenen Werte besser einordnen zu können und das Potenzial für Optimierungsmöglichkeiten zu erkennen.


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Methode

Im Folgenden wird die Analyse und Vorbereitung des Auswahlprozesses einer DMS-Software und dessen Kosten-Nutzwert-Analyse dargestellt. Anders als die Kosten-Nutzen-Analyse berücksichtigt die Kosten-Nutzwert-Analyse neben der monetären auch nicht monetäre Kriterien, die mit Gewichtungsfaktoren bewertet werden. Somit bewertet die Kosten-Nutzwert-Analyse die Effektivität statt der Effizienz eines Ansatzes. Damit soll eine schnelle Sondierung einer geeigneten Software und deren Implementierung erfolgen und zudem der maximale Nutzen für den Anwender gezogen werden.

IST-Analyse der Dosisdokumentation

Die IST-Analyse ist unumgänglich, denn nur in Kenntnis dieser können SOLL-Analysen durchgeführt werden und umfasst sowohl die Bestandsaufnahme aller Geräte zur Anwendung ionisierender Strahlung am Menschen, die Erfassung der aktuellen Dosisdokumentation sowie die Identifizierung aller Abteilungen die Geräte im o. g. Sinne in Betrieb haben. Das DMS sollte nicht nur als abteilungsspezifische Lösung in der Radiologie gelten, sondern soll auch übergreifend für das gesamte Klinikum angewendet werden. Ebenso ist diese Dosisdokumentation inklusive MPE für Praxen und MVZ verpflichtend für die Inbetriebnahme von Neugeräten. Für Bestandsgeräte gibt es eine Übergangsfrist für den MPE bis Ende 2022. Zu den beteiligten Disziplinen gehören als Hauptanwender des DMS die allgemeine diagnostische und interventionelle Radiologie, Kinderradiologie und Neuroradiologie. Darüber hinaus gibt es weitere Interessensgruppen, die Röntgengeräte wie mobile C-Bögen, Durchleuchtungsgeräte und Angiografien-Anlagen betreiben, wie die Kardiologie, Nuklearmedizin, Strahlentherapie, Gefäßchirurgie, Orthopädie, Unfallchirurgie oder Gastroenterologie (siehe [Abb. 1]). Ebenso sollte bei der Planung der Strahlenschutzbevollmächtigte miteinbezogen werden. Abteilungsübergreifend sollte ebenfalls der Strahlenschutzverantwortliche (meist der Leitende Ärztliche Direktor des Klinikums) über den Erwerb eines DMS unterrichtet werden. Die administrative Leitung des Klinikums sollte von Anfang an in das Projekt involviert werden, um eine kontinuierliche Unterstützung zu sichern. Eine fehlende Unterstützung der administrativen Führungskräfte gehört zu den 10 häufigsten Gründen für das Scheitern eines großen IT-Projekts [4]. Es gibt zusätzlich die Möglichkeit, einen externen Berater hinzuzuziehen, um den Prozess erfolgreich zu begleiten [5].

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Abb. 1 Interessensgruppen bei der Softwarebeschaffung.

Dosisinformationen variieren mit dem bildgebenden Verfahren und können dazu in unterschiedlichen Formaten codiert sein: DICOM Radiation-Dose-Structured Report (RDSR), optische Erkennung (Optical character recognition, OCR), DICOM-Modality performed procedure steps (MPPS) oder in DICOM-Headerdaten [6]. Der RDSR wurde 1993 als internationaler Standard eingeführt und soll den Austausch und Abgleichbarkeit von Dosisinformationen zwischen den verschiedenen Herstellern und Zentren erleichtern [7]. Daher ist es empfehlenswert, bereits am Anfang des DMS-Akquisitionsprozesses auf eine einheitliche Codierung umzustellen.

Zur Vereinfachung der Zuordnung von Untersuchungsprotokollen (sog. Mapping) zu den nationalen Dosisreferenzwerten des Bundesamts für Strahlenschutz oder zusätzlich intern festgelegten Dosisrichtwerten ist es sinnvoll, vor der Software-Akquisition aktuelle Prozesse und Untersuchungsprotokolle innerhalb der Abteilung und abteilungsübergreifend zu vereinheitlichen, um eine Systematik mit korrekter Benennung, Zuordnung und Vergleichbarkeit zu erzielen. Konkret heißt das, dass alle Untersuchungsprotokolle zu einer Maßnahme, die an verschiedenen Standorten und Abteilungen durchgeführt wird, auch mit dem gleichen Namen abgelegt wird, z. B. „CT Thorax nativ“.


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SOLL-Analyse

Nur in Kenntnis der IST-Analyse über die aktuelle Dosiserfassung (z. B. Dosisparameter, Speicherformat der Dosisinformationen und interne Daten-Verknüpfungsknoten zwischen Akquisitionskonsolen, PACS und Software zur Befunderstellung) ist eine sinnvolle Aufstellung der Anforderungsanalyse an das DMS unter Berücksichtigung von Schwachstellen abzuleiten und zu priorisieren. Dabei sollten nicht nur Funktionalitäten, die durch die gesetzlichen Vorgaben gemacht werden, sondern auch die gesamte Unternehmensstrategie und IT-Strategie sowie künftige Mandantenfähigkeit berücksichtigt werden, wie z. B. Dosisüberwachung auch bei den Tochtergesellschaften, wie z. B. ein klinikeigenes MVZ. Bei Funktionen des DMS, die zusätzlich erworben werden können, sollen Forschungsschwerpunkte zum Thema Strahlenschutz berücksichtigt werden. Ebenso können im Rahmen der Anschaffung eines DMS mögliche Zentrumzertifizierungen mit Strahlenschutz als Qualitätsmerkmal abgewogen werden, z. B. im Rahmen von EuroSafe-Imaging-Zertifizierungen [8]. Alle funktionalen und finanziellen Anforderungen an das DMS können als sog. Lastenheft zusammengefasst und als Leitfaden zur dezidierten Informationsanfrage beim Hersteller verwendet werden [5] .


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Gesetzliche Vorgaben

Primär muss das DMS als Mindestvoraussetzung alle technischen und Qualitätsvorgaben des neuen StrlSchG auf Bundesebene und Vorgaben der jeweiligen Landesärztekammern erfüllen. Es sollen der Reihe nach die Geräte und Modalitäten CT, PET-CT, Angiografie-Anlagen und Röntgengeräte nach ihrer Dringlichkeit und potenziellen Exposition angebunden werden. Diese Priorisierung beruht auf den gesetzlich bestimmten Fristen und ihrer Dosisintensität und ist gemeinschaftlich von der Lenkungskommission des Klinikums aus den unterschiedlichen Fachabteilungen beschlossen worden. Ab dem 01.01.2021 müssen alle neu installierten und ab dem 01.01.2023 alle Bestandsgeräte zur Computertomografie oder Durchleuchtung die Regularien der Dosiserfassung und Dokumentation erfüllen. Für Röntgeneinrichtungen muss die Umsetzung ab dem 01.01.2024 erfolgen. Wahlweise können auch MRT- und Sonografie-Geräte einer Abteilung angebunden werden. Diese operieren nicht mit ionisierenden Strahlen, jedoch liefern die meisten Anbieter bei deren Anbindung Informationen für Auslastungsanalysen und Prozessoptimierung.


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Kennzahlen und Benchmarking

Bei der Dosisanalyse können die Ergebnisse in Form von Kennzahlen und Diagrammen mit Statistikwerkzeugen für einen erleichterten Überblick über die Dosiswerte patientenindividuell sowie per Maßnahme, per Gerät ([Abb. 2]) oder in größeren Einheiten wie Abteilung oder Gesamtklinikum präsentiert werden.

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Abb. 2 Beispielhafte Dosisübersicht eines CT-Geräts über einen Zeitraum von einem Monat. Es werden die Anzahl der Untersuchungen pro Tag (blaue Säulen) und der Mittelwert des Dosislängenprodukts aller Untersuchungen am jeweiligen Tag (rote Linie) dargestellt. Dosisspitzen bei geringer Untersuchungszahl, beispielsweise am 21.03.2021, sind mit wenigen, jedoch mehrphasigen CT-Untersuchungen bei Intensivpatienten mit geringerer Untersuchungszahl im Wochenenddienst als werktags mit Routine-Stagings zu erklären.
  • Abweichungen von den nationalen Dosisreferenzwerten oder abteilungsintern definierten Dosisschwellenwerten

  • Separate Analysen nach Protokollen ([Abb. 3]), Modalität, Standort und Abteilung

  • Analysen nach Studienzuordnung, Patientenalter und Body-Mass-Index-Klasse

  • Analyse für selbst adjustierbare Zeiträume und Tageszeiten ([Abb. 4])

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Abb. 3 Verteilung der untersuchten Protokolle an einem CT-Gerät über einen Zeitraum von einem Monat.
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Abb. 4 Verteilung der CT-Untersuchungszahlen a und Dosisverteilung b angegeben als Dosislängenprodukt (DLP) nach der Uhrzeit im Zeitraum von 2 Monaten. Die meisten Untersuchungen werden tagsüber durchgeführt. Dennoch gibt es insbesondere in der Zeit zwischen 0–6 Uhr morgens deutliche Strahlendosisexpositionen. Diese können durch mehrphasige Protokolle bei Notfalluntersuchungen erklärt werden. Falls dies nicht der Fall ist, muss hier die Ursache abgeklärt werden.

Als eine weitere Möglichkeit des Qualitätsmanagements soll der Abgleich der verwendeten Gesamtdosis pro Untersuchung pro Patient mit den externen oder intern festgelegten Dosisschwellenwerten im Rahmen eines Benchmarking-Verfahrens erfolgen. Als externe Dosisrichtwerte können die diagnostischen Referenzwerte des Bundesamts für Strahlenschutz oder des „European Study on Clinical Diagnostic Reference Levels – EUCLID“ der European Society of Radiology verwendet werden [9] [10]. Ersteres ist bereits in den DMS aller Hersteller umgesetzt worden.


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Auslastungsanalysen

Konfigurierbarkeit von Meldungen bei Dosisüberschreitung

Bei Überschreitung von Dosisschwellenwerten und Erkennung von meldepflichtigen Ereignissen durch das DMS soll der Anwender automatisch informiert werden. Manuelle Konfigurationsmöglichkeit der Meldungshäufigkeit (stündlich, täglich, wöchentlich) soll verhindern, den regulären Arbeitsablauf zu sehr zu beeinträchtigen. Eine Überschreitung des Dosisreferenzwertes allein ist noch kein Meldekriterium. Bei der Überschreitung des Schwellenwerts von 300 % des jeweiligen Dosisreferenzwertes ist eine Aktionsschwelle erreicht, die eine Überprüfung des Mittelwerts der letzten 20 Untersuchungen der gleichen Untersuchungsart am gleichen Gerät erfordert. Liegt letzterer höher als 200 % des Dosisreferenzwertes, ist eine Meldung erforderlich.


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Kontrastmittelmanagement

Es besteht ebenso die Möglichkeit, neben der Dosis den Kontrastmittelverbrauch über das Abgreifen der Information von den Kontrastmittelinjektoren oder aus dem PACS zu verwalten. Die verwendeten Kontrastmittel, -menge, -art und Flussgeschwindigkeiten sind somit dokumentiert und können der Zahl der Untersuchungen gegenübergestellt werden. Dies soll die Verwaltung von MRT- und CT-Kontrastmittel, die Kalkulation der optimalen Lieferungsmenge und -zeitpunkte erleichtern, um lange Lagerzeiten oder Lieferengpässe zu vermeiden. Die optimale Bestellmenge oder -zeitpunkt kann anhand der Andler-Formel berechnet werden [11], um so Lager- und Bestellkosten zu minimieren.


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Forschungsmöglichkeiten

„Size-specific dose estimates“ (SSDE) geben eine größenspezifische Abschätzung der Organdosis und berücksichtigen in der Kalkulation den Körperhabitus und die Strahlenempfindlichkeit der Organe [12]. Die Verfügbarkeit von SSDE und die somit bessere Vergleichbarkeit der Patientendosis trotz unterschiedlichem Habitus erbringen zusätzliche Daten für die Forschung im Strahlenschutz und Bildqualität ([Abb. 5]). Die Möglichkeit des Datenexports von Dosisparametern und ihrer Abbildungen sollen bei der Abwägung miteinbezogen werden, um wissenschaftliche Auswertungen zu vereinfachen.

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Abb. 5 Organspezifische Dosis bei einem CT-Thorax/Abdomen/Becken mit Kontrastmittel in venöser Phase. Die effektiven Organdosen der aktuellen Studie (blaue Balken) werden dem Median der effektiven Organdosen aller Patienten (rote Balken), die mit demselben CT-Protokoll in den letzten 2 Monaten untersucht wurden, gegenübergestellt.

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Technik und Datenschutz

Das neue DMS soll technisch kompatibel mit dem bereits vorhandenen Gerätepark der unterschiedlichen Hersteller sein und die Dosisinformation ablesen können. Idealerweise soll die Dosisinformation an der Modalität in Form von RDSR erzeugt und an das DMS übertragen werden, da RDSR die vollständigste Form ist, um auf strukturierte Daten zugreifen zu können und Dosisparameter zwischen Geräten von unterschiedlichen Geräteherstellern vergleichen zu können. Die Umstellung auf das Format erfordert zusätzliche Wartungstermine mit den jeweiligen Geräteherstellern und erzeugt Opportunitätskosten durch ausgefallene Untersuchungen, die finanziell und zeitlich miteinkalkuliert werden müssen. Zudem muss abhängig von der technischen Verfügbarkeit abgewogen werden, ob ein dezidierter Server oder eine Cloud-Lösung als „Software as a Service“ (SaaS) verwendet werden soll [13] [14]. Bei Ersterem ist der Server physisch im eigenen Unternehmen und geht mit einem dezentralen Datenmanagement einher, womit die Daten intern im eigenen Unternehmen verbleiben. Die Nutzungsrechte gehören dem Unternehmen und können mutmaßlich leichter hohe Sicherheitsansprüche erfüllen. Zudem können Analysen schneller durchgeführt werden und die Zuordnung zu Patientendaten ist gewährleistet. Bei Zweitem werden Dosisdaten internetbasiert vom Klinikum an das Softwareunternehmen anonymisiert verschickt, und der Dosisbericht über einzelne Untersuchungen wird jeweils in der Cloud analysiert und gespeichert. Anonymisierte Daten unterliegen im Gegensatz zu pseudonymisierten Daten nicht dem Datenschutz. Die Vorteile der Cloud-Lösung sind, dass Betrieb und Wartung durch den Anbieter erfolgen. Bei einer Cloud-Lösung wird die Betriebsverantwortung in der Regel geteilt und wird vertraglich festgelegt. Weitere mögliche enthaltene Vorteile sind ein kontinuierliches Update und Verbesserung der Software seitens des Anbieters, klare Kostenstruktur ohne eigene interne Betriebskosten sowie insbesondere fehlende Anschaffungskosten für Hardware. Durch eine Cloud-Lösung und das damit einhergehende zentrale Datenmanagement ist ein Vergleich mit anderen Zentren, welche ebenfalls auf dieselbe Cloud zugreifen, möglich.


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Finanzen

Im Vorfeld muss geklärt werden, ob der Erwerb einer Campus-Lizenz für die gesamte Institution möglich ist oder dies als Einzellizenzen erfolgen soll. Einzellizenzen können vorteilhaft sein, wenn nur wenige Personen das DMS nutzen, z. B. Einzelpraxis oder überörtliche Berufsausübungsgemeinschaft. Im Einzelfall kann eine Einzellizenz für große Institute wie die Uniklinik interessant sein, wenn nur ein oder wenige Neugeräte in Betrieb genommen werden, die gesetzlichen Vorschriften erfüllt werden müssen und die Zeit überbrückt werden soll, bevor ein campusweites DMS installiert werden kann. Ebenso müssen diese Kosten gegeneinander abgewogen werden. Bei der Kalkulation der Kosten sollen dabei nicht nur die einmaligen Fixkosten zum Zeitpunkt des Erwerbs, sondern ebenso die Folgekosten, die durch Updates und Wartungskosten entstehen, mitverhandelt werden. Zudem sollte es beim Erwerb einer Campus-Lizenz keine Einschränkungen bezüglich des Anschlusses von weiteren Modalitäten geben.


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Abgleich der IST- und SOLL-Analyse

Im Abgleich der IST-Analyse mit der SOLL-Analyse ergeben sich Schwachstellen von Prozessen und Organisationsstrukturen, die bereits vor der Akquisition des DMS behoben werden können. Eine Vereinheitlichung der Dosisprotokolle und die zugrundeliegende technische Dosiscodierung, vorzugsweise das RDSR-Format, stellen die Weichen für eine zukünftige zügige Anbindung an das DMS.


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Make or buy-Entscheidung

Sind die Anforderungen an ein DMS bekannt, so stellt sich als Erstes die Frage, ob die Anwendung vom Unternehmen selbst oder im Auftrag von einem externen Anbieter entwickelt werden soll (Individualsoftware) oder als Standardsoftware eingekauft werden kann. Auf dem Markt sind aktuell mehr als 14 Standardsoftware-Lösungen zur Evaluation der Strahlendosis vorhanden. Eine Individuallösung ist von Vorteil gegenüber einer Standardsoftware, wenn es auf dem Markt für die spezifische Anforderung keine vorgefertigte Lösung gibt oder wenn es wettbewerbskritische Vorteile gegenüber anderen Unternehmen verschafft. Im Krankenhaussektor und in der Praxis liegt der Schwerpunkt allerdings eher in der Gesundheitsversorgung, klinischen Forschung und Grundlagenforschung als in der Vorteilsverschaffung durch eine Individualsoftware.


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Kosten-Nutzwert-Analyse

Bei der Kosten-Nutzenwert-Analyse wird der gewichtete Nutzen eines DMS den Kosten der Anschaffung und der Erhaltung gegenübergestellt [15] [16]. Der Nutzwert ergibt sich aus der Summe der errechneten Punktewerte einzelner Kriterien unter Berücksichtigung eines Gewichtungsfaktors. Dabei werden Kriterien nach Gruppen geordnet und die Evaluation der Gruppengewichtung auf derselben Hierarchieebene erscheint am sinnvollsten [17]. Die Gewichtung der Kategorien kann durch das Lenkungsgremium frei festgelegt werden, z. B. Preis 40 %, Nutzenbewertung 18 %, Lieferumfang, -zeitraum und Service 2 % und technische Auswertung 40 %. Eine individuelle Anpassung der Zahlenwerte nach lokalen Bedürfnissen muss erfolgen. Die Kosten-Nutzwert-Analyse soll als Entscheidungsgrundlage für die Investitionsbetrachtungen eines auf dem Markt verfügbaren DMS dienen. Zudem sollte die Finanzierung der Anschaffungskosten die Vorgabe des Vorstands nicht übersteigen. Unter Berücksichtigung des Nutzwertes und der Kostenanalyse besteht dann die Möglichkeit, eine Rangfolge mit einer Ordinalskala anzuwenden, um eine Präferenz für einen Anbieter herauszuarbeiten [18].

Kostenanalyse

Es kann zwischen Gesamtkosten (Fixkosten) für eine Jahresnutzung und Folgekosten unterschieden werden ([Tab. 1]). In den Gesamtkosten sind alle Kosten inkludiert, wie z. B. der Preis der Software, deren Installation, Implementierung und Einweisung und Schulung inkl. Hardware- und Softwarekomponenten. Die Folgekosten setzen sich aus den Servicekosten und Lizenzkosten zusammen, welche bei jedem Hersteller zu unterschiedlichen Zeitpunkten anfallen, wie beispielsweise nach Ablauf der Gewährleistung, nach schriftlicher Übernahme oder Anbindung von zusätzlichen Modalitäten. Durch die gesetzlichen Vorschriften, wie z. B. die notwendige Einstellung von MPEs und die Anschaffung eines DMS, werden im Folgenden die Betriebskosten für Installation, Systemmanagement durch Ärzte und MTRA bei der Auswahl der Software nicht herangezogen. Dieses sind Kosten, die bei einer DMS-Akquisition herstellerunabhängig anfallen. Betriebskosten für Installation, Systemmanagement durch Ärzte und MTRA können sehr unterschiedlich ausfallen, je nach Hersteller des DMS. Die Parametrisierung ist ein Posten für Arbeitszeit für Ärzte/MTRA/MPE, jedoch kann diese nicht vorab genau abgeschätzt werden. Eine ansatzweise Evaluation dieser findet sich im Kriterium Benutzerfreundlichkeit unter der Rubrik Nutzwertanalyse im Rahmen einer Produktvorstellung.

Tab. 1

Fixkosten und Folgekosten beim Dosismanagementsystem.

Fixkosten

Folgekosten

  • Lizenzgebühr

  • Software- und Hardwarekomponenten

  • Installationskosten durch den Softwarehersteller und Gerätehersteller

  • Transaktionskosten

  • Implementierungskosten und Aufwand durch Netzwerkintegration

  • Kosten für Internetzugänge

  • Software-Einweisungskosten

  • Kosten für Arbeitsausfall durch individuelle Einarbeitung

  • Servicekosten pro Jahr

  • Kosten durch Systemmanagement (MPE, MTRA, Ärzte)

  • Nachschulungskosten

  • Kosten durch Störung des Arbeitsablaufs

  • Kosten im Fall notwendiger Prozessoptimierungen (bei Dosisüberschreitungen)

  • Energiekosten für den Betrieb der Hardware

  • Raumkosten für Rechenzentrum, falls notwendig

Zusätzlich sollen auch Preisnachlässe der Unternehmen berücksichtigt werden. Für die Berechnung der Kosten eines DMS wird ein Zeitraum von 3 Jahren angesetzt, da der Abschreibungszeitraum einer Standardsoftware 3 Jahre beträgt. Bei einer Individualsoftware kann ein Abschreibungszeitraum von 5 Jahren angesetzt werden.

Für die Wertung des Angebots wird zum Beispiel eine Punkteskala von 0 bis 400 Punkte, sog. Bieterpunkte, normiert. Je höher die Anzahl der Bieterpunkte für das jeweilige Software-Angebot ist, desto interessanter ist das Angebot für die Institution. Ein fiktives, maximales Preislimit wird auf den zweifachen Wert des niedrigsten Angebots festgelegt. Es sollen nur Angebote berücksichtigt werden, die zwischen dem unteren und oberen Preislimit liegen. Alle Angebote oberhalb dieser fiktiven Preisgrenze werden mit 0 Punkten gewertet, da das Kriterium der Preisegrenze nicht erfüllt ist. Es erfolgt eine Punktebewertung mit linearer Interpolation wie folgt [19]:

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[Tab. 2] bietet eine Übersicht zur möglichen Kostenkalkulation.

Tab. 2

Vorschlag einer Kostenkalkulation.

Wertungskriterium Preisspiegel

Dosismanagementsystem

Preis für die Software inkl. Installation/Implementierung sowie Einweisung und Schulung einschließlich aller hierfür benötigten Hard- und Softwarekomponenten

Servicekosten pro Jahr

GK für Jahr 1 (Anschaffung + Servicekosten, ohne nachtr. Schulung/Einweisung) + 19 % MwSt. (brutto)

Folgekosten Jahr 2 (Servicekosten, ohne nachtr. Schulung/Einweisung) + 19 % MwSt. (brutto)

Folgekosten Jahr 3 (Servicekosten, ohne nachtr. Schulung/Einweisung) + 19 % MwSt. (brutto)

Summe: 3 Jahres Kosten

Angebotssumme (netto)

+ 19 % MwSt. (brutto)

Preisnachlass × % Skonto bei Zahlungseingang innerhalb Y WT nach Rechnungsstellung

Angebotsendpreis inkl. Nachlass (brutto)

Bieterpunkte (max. 400 Punkte)

Preisrang der Anbieter


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Nutzwertanalyse

Für die Nutzwertanalyse können anhand des Lastenhefts geeignete Marktbieter sondiert und diese für eine Produktvorstellung eingeladen werden. Den Nutzen können Mitglieder des Lenkungsgremiums mithilfe einer 10-Punktskala bewerten. Wichtige Qualitätskriterien umfassen die Bewertung der Nutzeroberfläche, Funktionalität, Bedienbarkeit, Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen, Ausgabemöglichkeit der Daten und Serviceangaben. Beim Aspekt der technischen Ausstattung werden die gesetzlichen Vorgaben des MPG, des StrlSchG und der StrlSchV, Datensicherheit, technische Integration der Modalitäten, Berechtigungskonzepte, Alarmkonzepte sowie Zusatzoptionen evaluiert. Zusatzoptionen sollen die Beurteilung von Kontrastmittelverbrauch, Clinical Decision Support System (CDSS) und Integration von Clinical Audits ermöglichen. Das CDSS kann in der Radiologie helfen, die Entscheidung für die angemessene Untersuchungsmodalität für Patienten mit spezifischen klinischen Fragestellungen zu treffen. Diese sollen insgesamt Planungen, Prozessoptimierung und Prozesskontrolle verbessern. Anders als die Gerätebeschaffung ist das DMS für die Bilderzeugung und Befundung nicht erforderlich, sondern dient der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben zum Strahlenschutz und kann zur Prozessoptimierung innerhalb der Institution herangezogen werden. Die Kosten-Nutzwert-Analyse muss daher besonders kritisch erfolgen und sich nach den eigens definierten Anforderungen an die Software richten.

Eine Zusammenfassung der Kosten-Nutzwert-Evaluation zeigt [Abb. 6], und eine Übersicht zum methodischen Vorgehen für die Akquisition eines Dosis-Management Systems wird in [Abb. 7] dargestellt.

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Abb. 6 Beispiel einer Wertungsmatrix aller Hauptkriterien an ein Dosismanagementsystem.
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Abb. 7 Flowchart zum methodischen Vorgehen für die Akquisition eines Dosis-Management-Systems.

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Schlussfolgerungen

Die Beschaffung eines Dosismanagementsystems ist ein aufwendiges Projekt, das eine gute Abstimmung zwischen verschiedenen Interessensgruppen (Nutzergruppen, Controlling, Informatikabteilung und Geräteherstellern) erfordert. Durch die weitreichenden gesetzlichen Vorgaben ist die Verwendung eines DMS unumgänglich. Die funktionalen Anforderungen sowie die technischen Gegebenheiten in einem Klinikum mit unterschiedlichsten Geräteherstellern und Kostenvorgabe durch den Vorstand schränken die Auswahl ein. Mithilfe von IST-Analysen, SOLL-Analysen und Kosten-Nutzwert-Analyse kann das geeignete Produkt sondiert werden, um eine schnelle Inbetriebnahme und eine möglichst hohe Nutzerakzeptanz bei gleichzeitig optimierten Kosten zu erreichen.


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Conflict of Interest

The authors declare that they have no conflict of interest.


Correspondence

Thuy Duong Do
Department of Diagnostic and Interventional Radiology, University of Heidelberg
Im Neuenheimerfeld 420
69120 Heidelberg
Germany   
Telefon: +49/62 21/56 64 10   
Fax: +49/62 21/56 57 30   

Publikationsverlauf

Eingereicht: 25. Mai 2021

Angenommen: 07. November 2021

Artikel online veröffentlicht:
21. Dezember 2021

© 2021. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Fig. 1 Software acquisition stakeholders.
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Fig. 2 Dose overview of a CT device in the period of month. Numbers of examinations for each day are shown as blue bars and average dose-length-product of all examinations of the same day as red curve. Dose peaks with low numbers of examinations can be explained with multiphase CTs from ICU patients at the weekend, for example on the 21.03.2021, in comparison to regular working days with routinely performed staging examinations.
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Fig. 3 Distribution of acquisition protocols on a CT device over a period of one month.
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Fig. 4 Distribution of CT examination numbers a and radiation dose given in dose-length product (DLP) according day time in a period of two months. Most examinations are acquired during daytime. However, there is a high radiation exposition notable between 0–6a.m., which can be explained by multiserial acquisitions of emergency cases. If this is not the case other reasons should be explored.
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Fig. 5 Organ specific dose of a CT chest/abdomen/pelvis with contrast agent in venous phase. Effective organ doses of the present study (blue rows) are compared to the median of organ doses of patients (red rows), who were examined with the same CT-protocol in the last two months.
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Fig. 6 Example of an evaluation matrix of all main criteria of a dose management system.
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Fig. 7 Flowchart representing methodology for the acquisition of a dose.
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Abb. 1 Interessensgruppen bei der Softwarebeschaffung.
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Abb. 2 Beispielhafte Dosisübersicht eines CT-Geräts über einen Zeitraum von einem Monat. Es werden die Anzahl der Untersuchungen pro Tag (blaue Säulen) und der Mittelwert des Dosislängenprodukts aller Untersuchungen am jeweiligen Tag (rote Linie) dargestellt. Dosisspitzen bei geringer Untersuchungszahl, beispielsweise am 21.03.2021, sind mit wenigen, jedoch mehrphasigen CT-Untersuchungen bei Intensivpatienten mit geringerer Untersuchungszahl im Wochenenddienst als werktags mit Routine-Stagings zu erklären.
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Abb. 3 Verteilung der untersuchten Protokolle an einem CT-Gerät über einen Zeitraum von einem Monat.
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Abb. 4 Verteilung der CT-Untersuchungszahlen a und Dosisverteilung b angegeben als Dosislängenprodukt (DLP) nach der Uhrzeit im Zeitraum von 2 Monaten. Die meisten Untersuchungen werden tagsüber durchgeführt. Dennoch gibt es insbesondere in der Zeit zwischen 0–6 Uhr morgens deutliche Strahlendosisexpositionen. Diese können durch mehrphasige Protokolle bei Notfalluntersuchungen erklärt werden. Falls dies nicht der Fall ist, muss hier die Ursache abgeklärt werden.
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Abb. 5 Organspezifische Dosis bei einem CT-Thorax/Abdomen/Becken mit Kontrastmittel in venöser Phase. Die effektiven Organdosen der aktuellen Studie (blaue Balken) werden dem Median der effektiven Organdosen aller Patienten (rote Balken), die mit demselben CT-Protokoll in den letzten 2 Monaten untersucht wurden, gegenübergestellt.
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Abb. 6 Beispiel einer Wertungsmatrix aller Hauptkriterien an ein Dosismanagementsystem.
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Abb. 7 Flowchart zum methodischen Vorgehen für die Akquisition eines Dosis-Management-Systems.