B&G Bewegungstherapie und Gesundheitssport 2022; 38(01): 3-11
DOI: 10.1055/a-1714-2006
Wissenschaft

Die Bedeutung der Verhaltens- und Verhältnisprävention in der Metallindustrie: Empirische Untersuchungen am Beispiel der Berufsgruppe Schweißer

The Importance of Behavioural and Structural Prevention in the Metal Industry: Empirical Study of Professional Welders
Christopher Weyh
1   Abteilung für Leistungsphysiologie und Sporttherapie, Justus-Liebig-Universität, Gießen, Deutschland
,
Christian Pilat
1   Abteilung für Leistungsphysiologie und Sporttherapie, Justus-Liebig-Universität, Gießen, Deutschland
,
Karsten Krüger
1   Abteilung für Leistungsphysiologie und Sporttherapie, Justus-Liebig-Universität, Gießen, Deutschland
,
Torsten Frech
1   Abteilung für Leistungsphysiologie und Sporttherapie, Justus-Liebig-Universität, Gießen, Deutschland
,
Emil Schubert
2   Abicor-Binzel, Alexander Binzel Schweißtechnik GmbH & Co.KG, Buseck, Deutschland
,
Frank-Christoph Mooren
3   Abteilung für Rehabilitationswissenschaften, Universität Witten/Herdecke, Witten, Deutschland
› Author Affiliations

Zusammenfassung

Muskel-Skelett-Erkrankungen gehören zu den häufigsten berufsbedingten Erkrankungen in der Metallindustrie. Die Berufsgruppe der Schweißer fällt dort durch hohe Prävalenzen auf. Daher sind Maßnahmen zur Prävention und Gesundheitsförderung dieser Zielgruppe von großem Interesse. Die vorliegende Studienreihe hatte zum Ziel, gesundheitliche Probleme von Schweißern zu analysieren und Möglichkeiten der Verhaltens- und Verhältnisprävention zu untersuchen. Eine Fragebogenuntersuchung bei 143 Schweißern in 34 Unternehmen der deutschen Industrie ergab, dass die 12-Monats-Prävalenz von unteren Rückenschmerzen 71%, Nackenschmerzen 61% und Schulterschmerzen 55% betrug. Insgesamt 42% der Befragten weisen eine körperliche Freizeitaktivität unter dem von der WHO empfohlenen Umfang auf. Eine niedrige Freizeitaktivität sowie Nackenschmerzen konnten als unabhängige Risikofaktoren für das Auftreten von unteren Rückenschmerzen identifiziert werden.

In einem weiteren Studienteil wurden die Auswirkungen eines individualisierten und progressiven 24-wöchigen Ausdauer- oder Krafttrainingsprogramms bei 77 berufstätigen Schweißern untersucht. Es konnten differenzierte Auswirkungen auf arbeitsbedingte Beanspruchungen und auf verschiedene Dimensionen von Gesundheit und Leistung gezeigt werden. Zum Erreichen präventiver Effekte sollten Bewegungsinterventionen mit systematischem, langfristigem und progressivem Charakter ausgewählt werden. Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen allerdings auch, dass die Barrieren zur Teilnahme an Bewegungsprogrammen hoch sind und gezielte Maßnahmen zur Motivation und Implementierung geschaffen werden müssen.

Neben Maßnahmen der Verhaltensprävention wurden auch verhältnispräventive Aspekte in einem ganzheitlichen Ansatz berücksichtigt. So konnten durch Verwendung eines ergonomisch modifizierten Schweißbrenners bei einer Schweißsimulation die beanspruchte Muskulatur um bis zu 9% entlastet und die Arbeitsqualität gesteigert werden.

Insgesamt scheinen Maßnahmen der Verhaltensprävention wie ein systematisches Training sowie der Verhältnisprävention im Sinne der Arbeitsergonomie effektive Strategien in der Prävention und Gesundheitsförderung bei Schweißern darzustellen.

Summary

Musculoskeletal disorders are among the most common occupational diseases in the metal industry. The disorders are more prevalent in the professional group of welders. Therefore, prevention and health promotion measures for this target group are of great interest. The objective of this series of studies was to analyze the health problems of welders and to examine possibilities of behavioural and structural prevention.

The study was based on a questionnaire comprising 143 welders in 34 companies in the German industry. The study showed that the 12 month prevalence of lower back pain was 71%, neck pain 61% and shoulder pain 55%. A total of 42% of those questioned had physical leisure activity below the level recommended by the WHO. Low level of leisure activity and neck pain could be identified as independent risk factors for the occurrence of lower back pain.

The study also examined the effects of an individualized and progressive 24-week endurance or strength training program in 77 working welders. Differentiated effects on work-related stress and on various dimensions of health and performance were revealed. To achieve preventive effects, physical activity interventions with a systematic, long-term and progressive character should be selected. However, practical experience also shows that the barriers to participation in exercise programs are high and that targeted measures for motivation and implementation must be created.

In addition to behavioural prevention measures, environmental preventive aspects were also taken into account in a holistic approach. By using an ergonomically modified welding torch in a welding simulation, the stressed muscles could be relieved by up to 9% and the quality of work increased.

Overall, behavioural prevention measures, such as systematic training and relative prevention in the sense of work ergonomics, seem to represent effective strategies in prevention and health promotion among welders.



Publication History

Received: 07 May 2020

Accepted after revision: 23 November 2021

Article published online:
21 February 2022

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