Heilpflanzen 2022; 02(02): 1
DOI: 10.1055/a-1723-2172
Editorial

„Wir leben Heilpflanzen!“

Christian Böser

Liebe Leserinnen, liebe leser!

Vor ein paar Jahren litt ich unter einer Wurzelvereiterung gleich zweier Zähne in direkter Nachbarschaft. Abszesse bildeten sich, ich hatte tagelang Fieber und Schmerzen. Um das Übel an der sprichwörtlichen (infizierten) Wurzel zu packen und zu beseitigen, waren neben unangenehmen zahnärztlichen Interventionen wiederholt Antibiotikagaben notwendig. Irgendwann war es überstanden und es ging mir leidlich, als ich mit Ursula Stumpf telefonierte und dabei beiläufig meine Leidensgeschichte erwähnte. „Sie sollten Weißdorn nehmen, er wird Ihnen guttun!“, sagte sie und schwärmte, wie er früher bereits zur Herzkräftigung und nach langer, zehrender Erkrankung in der Rekonvaleszenz eingesetzt wurde. Sie malte mit Worten die Signatur des Holzes, der Beeren und Blüten. Berichtete von den Flavonoiden Hyperosid, Rutin, Quercetin als Teil des Wirkprofils. Ich war hin und weg von ihrer Begeisterung, und davon angesteckt vertraute ich mich dem Weißdorn an. Es zahlte sich aus, nach nur wenigen Tagen fühlte ich mich nicht mehr schlapp und ermüdete nicht mehr so schnell. Ich war wieder obenauf, physisch und psychisch. Seither zählt Weißdorn zu meinen Lieblingspflanzen. Als bei der Planung dieser Ausgabe die Wahl der Pflanze für das große Heilpflanzenporträt in der Rubrik „Ganz nah“ auf ihn fiel, wusste ich sofort, wer den Weißdorn vorstellen sollte (S. 5–13). Dass er auch in der anthroposophischen Heilkunde und Spagyrik seinen Platz hat und einer seiner zahlreichen Verwandten zudem in der TCM verwendet wird, davon berichten Ihnen 3 weitere Expertinnen auf ihrem jeweiligen Gebiet (S. 17–19).

Wie umfangreich das Spektrum der Flavonoide ist und wie vielfältig ihre Wirkung in unserem Körper, war mir zwar schon vor meiner Erfahrung mit dem Weißdorn bekannt. Der Grundlagenbeitrag von Patricia Purker über die Flavonoide (S. 32–37) mit der übersichtlichen Grafik von Sebastian Vigl (S. 34) haben es mir jedoch noch einmal wirklich bewusst gemacht. Und die Vorstellung, einen Regenbogen zu essen – ist sie nicht einfach wunderbar! Dass die Farbe Grün im Regenbogenspektrum der Flavonoide auch den Grünkohl einschließt, das war mir allerdings neu! Wie gesund er ist und was Sie Leckeres aus diesem heimischen Superfood zaubern können, lesen Sie von Henrike März (S. 80–83).

Apropos Wissen: Wussten Sie, dass es das Silibinin aus der Mariendistel ist, das Ärzte in der Klinik bei einer Knollenblätterpilzvergiftung hochdosiert verabreichen? Seine leberprotektive Wirkung hat schon vielen Menschen das Leben gerettet. Marius Kleina erklärt in der Wirkstoffgrafik das Prinzip (S. 30–31). Und er schreibt in der Rubrik „Behandlung“ auch sehr ausführlich darüber, wie die Mariendistel mit ihrem Wirkkomplex Silymarin, der auch das Silibinin beinhaltet, zur Behandlung von Erkrankungen der Leber eingesetzt werden kann (S. 26–29).

Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen, Zubereiten und Anwenden!

Ihr Christian Böser

Redakteur Heilpflanzen



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Article published online:
21 June 2022

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