Diabetologie und Stoffwechsel 2022; 17(01): 29-30
DOI: 10.1055/a-1723-3488
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Kommentar zu Mehr infektionsbedingte stationäre Einweisungen bei Diabetes-Patienten

Contributor(s):
Robert A. Ritzel

Die Therapie des Diabetes mellitus erlebt in den letzten Jahren durch die neuen Möglichkeiten einer vaskulären Behandlung jenseits des Glukosestoffwechsels (z.B. mit GLP-1 Rezeptoragonisten und SGLT-2-Inhibitoren) rasche Weiterentwicklungen in den nationalen/internationalen Leitlinien und Therapieempfehlungen. Dabei findet das seit vielen Jahren bekannte hohe Risiko für Infektionserkrankungen bei Diabetes mellitus nicht regelhaft den Stellenwert, der ihm aufgrund der hohen Relevanz für die tägliche Praxis zukommt. Aktuelle epidemiologische Daten aus Kanada [1] oder England [2] zeigen zum Beispiel, dass in den dort untersuchten Patientengruppen das Risiko für eine klinisch relevant verlaufende Infektionserkrankung durch einen Diabetes mellitus um 21–66% erhöht ist. Die jetzt von Fang und Kollegen vorgelegte Arbeit verfolgt das Ziel, insbesondere das Risiko für Infektions-assoziierte Hospitalisierungen und die Infektions-Mortalität in den USA näher zu untersuchen. Beide Parameter waren auch nach einer Adjustierung der Grundrisiken bei Menschen mit Diabetes mellitus versus kein Diabetes mellitus signifikant erhöht (Infektionsassoziierte Hospitalisierung HR 1.67, 95% CI 1.52, 1.83; Infektions-Mortalität HR 1.72, 95% CI 1.28, 2.31). Besonders hoch war das Risiko für Fußinfektionen (HR 5.99, 95% CI 4.38, 8.19).

Insgesamt ist bei Menschen mit Diabetes mellitus auch das Risiko für Haut- und Weichteilinfektionen erhöht, sowie Infektionen im Bereich des urogenitalen, gastrointestinalen und respiratorischen Systems. Zudem treten auch Pilzinfektionen (z.B. orale Candidiasis, Onychomykose, Intertrigo) häufiger auf. Diese Liste ließe sich noch weiter fortschreiben, das hohe Risiko für postoperative Infektionskomplikationen und Wundheilungsstörungen (z. B. OR 1.3, 95% CI 1.2, 1.4 [3]) soll aber noch explizit erwähnt werden.

Die Ursachen für ein erhöhtes Risiko von Infektionserkrankungen bei Diabetes mellitus sind vielfältig und beinhalten Defekte der Neutrophilenfunktion, eine Hyperglykämie-induzierte Kompromittierung des Immunsystems, eine verstärkte Kolonisierung der Patienten mit z.B. Staphylokokkus aureus und Candida Spezies (rezidivierende Bakteriämien) und auch ein gesteigertes Wachstum von Bakterien und Viren im Bronchialsystem durch höhere Glukosekonzentrationen in den Atemwegssekreten. Nicht zuletzt ist auch die Funktion der mit dem Blutstrom zirkulierenden Komponenten des Immunsystems bei z.B. einer pAVK eingeschränkt.

Für die klinische Praxis ist es daher wichtig, die Diagnostik und Therapie von Infektionserkrankungen bei Personen mit Diabetes mellitus streng leitliniengerecht durchzuführen. Das gilt insbesondere für die Erregerdiagnostik, um möglichst zielgenaue antiinfektive Therapien einsetzen zu können. Aber auch Allgmeinmaßnahmen wie Hygiene oder Hautpflege, sowie eine Aufklärung und Schulung der Patienten ist wichtig. Schlussfolgernd beinhaltet eine umfassende diabetologische Versorgung auch eine sorgfältige Berücksichtigung des erhöhten Infektionsrisikos und fordert von den Behandlungsteams eine hohe Kompetenz in der praktischen Infektiologie. Das gilt nicht erst seit COVID.



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Article published online:
21 February 2022

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