physiopraxis 2022; 20(04): 22-26
DOI: 10.1055/a-1767-1407
Wissenschaft

Internationale Studienergebnisse

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VKB-Test – Lachman überschätzt

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Pivot-Shift-Test: Der Patient liegt auf dem Rücken, der Untersucher steht seitlich der zu untersuchenden Extremität. Er hält das gestreckte Bein über die Ferse in Innenrotation und appliziert über die proximale Tibia Valgusstress (1). Unter dieser Belastung kommt es z. B. bei Ruptur des vorderen Kreuzbandes irgendwann zwischen voller Streckung des Kniegelenks und 30° Beugung zu einer vermehrten anterioren Translation (Subluxation) des lateralen Tibiaplateaus (2). Wird das Kniegelenk dann langsam weiter flektiert, kommt es bei 20–30° Beugung durch Zug des Tractus iliotibialis (ändert bei diesem Beugewinkel seine Zugrichtung) zu einer meist ruckartig spürbaren Reposition („Schnapp-Phänomen“) des Tibiaplateaus (3). Der Patient nimmt dies als unangenehmes Gefühl der Instabilität wahr.Quelle: © Schünke M, Schulte E, Schumacher U. Prometheus. LernAtlas der Anatomie. Allgemeine Anatomie und Bewegungssystem. Illustrationen von K. Wesker und M. Voll. 5. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2018

Probleme des vorderen Kreuzbandes (VKB) sind mit einer jährlichen medianen Inzidenz von 0,03 % pro Person weit verbreitet. Für Profisportler liegt sie sogar bei 3,7 % [1]. Folgen einer Ruptur des VKB könnten weitere Knieverletzungen, eine posttraumatische Arthrose oder eine reduzierte Lebensqualität sein. Die Diagnose einer VKB-Ruptur wird unter anderem durch eine physische Untersuchung unterstützt. Bildgebend wird gearbeitet falls nötig [2]. Für eine genaue Diagnose ist ein Test essenziell, der eine hohe Sensitivität und Spezifität zeigt. Das Forschungsteam befasste sich daher mit der Frage welcher physische Test im Fall einer VKB-Ruptur ohne Bandbeteiligung am akkuratesten abschneidet.

Diese Arbeit ist das Update eines Reviews mit Metaanalyse entsprechend der PRISMA-Leitlinie [3]. Für die Suche innerhalb von vier Datenbanken verwendeten die Forschenden ein PICOS-Schema (Population, Intervention, Comparison, Outcomes and Study design) [4]. Die Studienqualität bewerteten sie mit dem QUADAS-2 Tool [5] und inkludierten Studien, die Teilnehmende mit Voll- oder Teilruptur betrachteten. Wo es möglich war, führten sie eine bivariate Analyse mithilfe des Random-Effects-Modell durch.

Das Forschungsteam konnte für 12 Studien eine bivariate Metaanalyse durchführen. Insgesamt zeigte der Pivot-Shift-Test die höchste Spezifität (94 %), jedoch gleichzeitig die geringste Sensitivität (55 %). Die Likelihood-Ratio fällt jedoch moderat aus (LR+ = 10,7 und LR- = 0,48). Der Test der vorderen Schublade war der akkurateste (LR+ = 25,1 und LR- = 0,17). Gepoolte Werte zeigen, dass bei akuten Fällen (< 3 Wochen seit Verletzung) das Lever Sign und der Pivot-Shift-Test am besten abschneiden (Spezifizität = 94 % und Sensitivität = 100 %). Zur Diagnose einer Teilruptur scheint das Lever Sign am besten geeignet zu sein.

Fazit für die Praxis

Verglichen mit bisherigen Metaanalysen zeigt der Lachman-Test eine geringere diagnostische Genauigkeit als erwartet [z.B. 6]. Erwähnt werden muss jedoch, dass die Studienqualität insgesamt und speziell für Studien des Lever Sign nicht sehr hoch ausfiel. Trotz nicht perfekter Studienqualität zeigt sich, dass zum Einschluss oder Ausschluss einer VKB-Ruptur besser ein Pivot- oder Lever-Test durchgeführt werden sollte.

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Knee Surg Sports Traumatol Arthrosc 2022; doi:10.1007/s00167-022-06898-4



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Article published online:
19 April 2022

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