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DOI: 10.1055/a-1827-2769
Tendinopathien der unteren Extremität
- Inzidenz und Prävalenz der LTTs
- Risikofaktoren
- Histologie und Biomechanik
- Pathophysiologie
- Schmerzmechanismen
- Klinische Diagnostik
- Management innerhalb der Physiotherapie
- Zusammenfassung
- Literatur
„Treat the donut, not the hole.“ Was bedeutet diese Aussage angesichts einer „Lower Limb Tendinopathy“? Um es kurz zu machen: Liegt eine Tendinopathie vor, gibt es immer noch genügend gesunde Sehnennanteile um das degenerierte „Sehnenloch“ herum, die trainiert werden sollten. Wie das Training gestaltet werden kann, ob immer noch ausschließlich Exzentrik en vogue ist und Schmerzen beim Training keine Rolle spielen, hat Physiotherapeut Hauke Heitkamp für Sie zusammengestellt.
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Physiotherapeut*innen, die in einem muskuloskelettalen Setting tätig sind, treffen in der Praxis regelmäßig auf Patient*innen, die unter Sehnenbeschwerden an der unteren Extremität („Lower Limb Tendinopathy“ – LLT) leiden ([ Abb. 1 ]). LTT betrifft zwar häufig sportlich aktive Menschen, aber auch diejenigen, die keinen Sport treiben, können sich eine LTT zuziehen.
„Lower Limb Tendinopathy (LLT)“ ist als Oberbegriff aller potenziellen Tendinopathien der unteren Extremität zu sehen. Auch wenn Sehnenbeschwerden nach wie vor durch Begriffe wie „Tendinose“ oder „Tendinitis“ beschrieben werden, sollte nach dem „International Scientific Tendinopathy Symposium Consensus“ aus dem Jahr 2020 die Bezeichnung „Tendinopathie“ vor allem dann bevorzugt genutzt werden, wenn es sich um anhaltende, belastungsabhängige Sehnenschmerzen handelt [1].
Inzidenz und Prävalenz der LTTs
Inzidenzen und Prävalenzen unterschiedlicher LLTs variieren je nach Körperregion und Klientel. Zahlen hierzu existieren vor allem für die Patella- (PT) und Achillestendinopathie (AT).
Die Prävalenz einer PT im Elitesport liegt bei 14,2 % [2]. Sprungintensive Sportarten wie Volleyball (44,6 %) und Basketball (31,9 %) zeigen die höchsten Zahlen. Auch die AT liegt mit einer Inzidenz von 19,7 % bei Basketballer*innen hoch [3], wobei Mittel- und Langstreckenläufer*innen mit 52 % noch häufiger betroffen sind [4]. Für einen Zeitraum von maximal 3 Monaten im zeitlichen Zusammenhang zu einem Laufevent liegt die Inzidenz einer AT bei 4,5 %–7,4 % [5]. Diese Zahl steigt mit der Länge der Laufdistanz. Die Inzidenzen anderer LLTs wie der proximalen Hamstring- oder Glutealtendinopathie liegen innerhalb eines Zeitraumes von 8 Jahren in unterschiedlichen Sportarten vergleichsweise auf niedrigem Niveau [3].
LLTs treten auch bei denjenigen auf, die keinen leistungsorientierten Sport treiben. Daten aus einer dänischen Allgemeinarztpraxis geben die Prävalenzen und Inzidenzen einer allgemeinmedizinischen Durchschnittspopulation an. Auch wenn diese Studie keine Information zur sportlichen Aktivität der eingeschlossenen Patient*innen gibt, ist zu erwarten, dass hier tendenziell wenige bis keine Leistungssportler*innen eingeschlossen waren [6]:
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AT: Prävalenz 46 %, Inzidenz 14 %
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plantarer Fersenschmerz: Prävalenz 57 %, Inzidenz 33 %
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Trochanter Major Schmerzsyndrom (Greater Trochanteric Pain Syndrom – GTPS): Prävalenz 26 %, Inzidenz 14 %
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PT: Prävalenz 10 %, Inzidenz 4 %
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Risikofaktoren
Durch die Prävalenzen und Inzidenzen der einzelnen LLTs lassen sich auch deren Risikofaktoren vermuten. So wird zum Beispiel ein umfangreiches Sprungtraining oder auch ein hoher Wert beim Counter Movement Jump – ein standardisierter Test zur Beurteilung der vertikalen Sprungkraft – als Risikofaktor für die Entwicklung einer PT genannt [7]. In dem Review von van der Vlist et al. wird der Laufsport an sich schon als Risikofaktor für die Entstehung einer AT bezeichnet [8]. In [ Tab. 1 ] und [ Tab. 2 ] sind die in der Literatur beschriebenen Risikofaktoren zusammengetragen. Hier muss allerdings betont werden, dass einige Autor*innen die limitierte Evidenz dieser Faktoren hervorheben [7], [8], [9] und dass ein Teil der aufgeführten Risikofaktoren auf Expert*innenmeinungen beruht. Ein hohes Maß an Evidenz liegt für den Zusammenhang zwischen Diabetes Mellitus und der Entwicklung einer Tendinopathie vor [10].
intrinsisch |
extrinsisch |
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intrinsisch |
extrinsisch |
umfangreiches Sprungtraining [7] hohe Anzahl an Volleyballeinheiten pro Woche [7] |
Ein weiterer Faktor, der klinisch eine Rolle spielen kann, betrifft vor allem die Insertionstendinopathien, also diejenigen Tendinopathien, die nahe am Sehnen-Knochen-Übergang lokalisiert sind. Hier wird die externe Kompression auf die Sehne, v. a. durch den angrenzenden Kochen, in bestimmten Gelenkstellungen als möglicher auslösender und unterhaltender Faktor erwähnt [11]. Dies kann zum Beispiel bei einer proximalen Hamstring-Tendinopathie eine Rolle spielen. Die externe Kompression über das Tuber ischiadicum auf die ansatznahe Region der Sehne steigt z. B. beim Sitzen auf harten Flächen und bei einer endgradigen Hüftflexion. Ebenfalls sollte man bei einer Gluteal-Tendinopathien die Kompression über den Trochanter major bei Hüftadduktion oder bei einer Insertionstendinopathie der Achillessehne über den Kalkaneus bei Dorsalextension berücksichtigen.
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Histologie und Biomechanik
Der Hauptanteil einer Sehne wird durch lange, wellenförmige kollagene Fasern des Typ I bestimmt [14]. Diese machen einen Anteil von 70–90 % der Sehne aus [15]. Zusätzlich zum wellenförmigen Verlauf sind die einzelnen Fasern leicht spiralig angeordnet (Helixstruktur), wodurch eine sehr hohe Belastungsstabilität von 500 bis 1000 kg/cm2 erreicht werden kann [14]. Die Sehnenstruktur ist hierarchisch aufgebaut: Fibrillen bilden die Fasern, Fasern die Faszikel und Faszikel die Sehne selbst ([ Abb. 2 ]). Jede Sehneneinheit ist von einer Bindegewebsschicht umgeben. Das Endotenon umgibt das Primärbündel, das Peritenon das Sekundärbündel und das Paratenon die Sehne. In den Bindegewebsschichten verlaufen Blutgefäße und Nerven, wobei Blutgefäße vergleichsweise selten zu finden sind [16], was zu einer entsprechend reduzierten Durchblutungssituation führt. Neben Kollagen besteht die Matrix einer Sehne aus Elastin (0,5–3 %), Proteoglykanen (2–5 %) und anderen Glykoproteinen (0,5–5 %). Der Zellanteil einer Sehne beträgt ca. 10 % und besteht aus spezialisierten Fibroblasten, sogenannten Tenozyten [15], die v. a. für die Synthese der Kollagenfasern, aber auch für die Bildung von elastischen Fasern und Grundsubstanz verantwortlich sind.
Die Sehnen der unteren Extremität zählen zu den „Energy Storing Tendons“ (EST), womit sie von den „Positional Tendons“ unterschieden werden [15], die sich z. B. im Bereich der Finger befinden. Der Name verrät bereits, dass die EST die Möglichkeit besitzen, Energie zu speichern, um diese schlagartig wieder abgeben zu können. Dies ist eine essenzielle Voraussetzung für Sprung- und Laufbelastungen. Die Sehnen der unteren Extremität sind somit mit einer Sprungfeder vergleichbar. Der Grund dafür liegt in der besonderen Helixstruktur der EST-Faszikel [17] und in der Fähigkeit der Faszikel, gegeneinander gleiten zu können [15].
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Pathophysiologie
Das von Cook & Purdam [18], [19] beschriebene „Continuum Model“ ist eines der aktuell am häufigsten erwähnten Modelle zur Beschreibung der Pathologie von Tendinopathien [12], [20], [21] ([ Abb. 3 ]). Nach diesem Modell lassen sich Tendinopathien in 3 Stadien unterteilen:
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Reaktive Tendinopathie (Reactive Tendinopathy)
Das erste Stadium entsteht in der Regel durch eine akute Überlastung der Sehne in Form von Zug oder Druck, die eine proliferative, nicht entzündliche Reaktion der Sehnenzellen und -matrix zur Folge hat. Während die Kollagenstrukturen allerdings noch Integrität aufweisen, ist es – als Resultat einer erhöhten Zellaktivität – insbesondere die Grundsubstanz (s. „Grundsubstanz“), die in Form einer erhöhten Konzentration der Proteoglykane Veränderungen zeigt. Die dadurch gesteigerte Wasserbindung führt zu der typischen Sehnenschwellung. -
Mangelnde Sehnenheilung (Tendon Dysrepair)
Dieses Stadium weist einige Parallelen zum 1. Stadium auf, nur sind im 2. Stadium bereits Veränderungen der Sehnenmatrix zu erkennen. Aktivitäten von Chondrozyten und Myofibroblasten sowie die Konzentration der Proteoglykane sind erhöht. Die Kollagenstrukturen sind zunehmend unorganisierter. Es existiert ein erhöhter Anteil an Kollagen Typ III, der eine geringere Belastbarkeit aufweist als Typ I. Auch erste Neovaskularisationen und Nervenproliferationen haben evtl. schon stattgefunden. Die Ursache für dieses Stadium ist meist eine regelmäßig wiederkehrende Überlastung der Sehne. -
Degenerative Tendinopathie (Degenerative Tendinopathy)
Die degenerative Tendinopathie ist Folge einer chronischen Sehnenüberlastung und tritt am ehesten bei alten Menschen oder Leistungssportler*innen auf. Hier zeigt sich eine deutliche Heterogenität der Kollagenstruktur. Auch massive Zellveränderungen und Zelltod werden beobachtet. Neovaskularisationen und Nervenproliferationen haben weiter zugenommen.
Auch das Forscherteam um Michele Abate sieht Mikroverletzungen der Sehnenmatrix als pathophysiologische Ursache einer Tendinopathie an, gefolgt von einem komplexen Heilungsprozess, in den unterschiedliche Entzündungszellen, Wachstumsfaktoren und Zytokine involviert sind [22].
Eine Besonderheit der Sehne stellt die aufgrund der geringen Durchblutung schlechte metabolische Situation dar, was dazu führt, dass Heilungsprozesse nur entsprechend träge ablaufen können. Die Gefahr einer zu frühen Wiederbelastung und Überstrapazierung der noch nicht ausreichend wieder hergestellten Sehnenmikrostruktur ist somit sehr hoch. Dies kann allerdings nach dem „Continuum Model“ im 1. und 2. Stadium bis zu einem gewissen Grad durch Belastungsanpassungen reguliert werden ([ Abb. 3 ]). Die Anteile der Sehne jedoch, die bereits degeneriert sind und in denen ein entsprechender Zelltod stattgefunden hat, lassen sich nicht mehr in ihren ursprünglichen Zustand zurückführen. Der Fokus der Therapie richtet sich aus pathophysiologischer Sicht demnach vor allem auf den noch nicht degenerierten Anteil einer Sehne [18]. Hierauf zielt im Grunde auch die von Cook und Purdam [18], [19] definierte „Reactive on Degenerative Tendinopathy“ ab.
Docking et al. konnten in diesem Zusammenhang zeigen, dass sich bei Patient*innen mit Achilles- bzw. Patellatendinopathien neben pathologisch stark veränderten Sehnenregionen auch ausreichend nicht degenerierte Anteile befinden [23]. Die therapeutische Konsequenz aus dieser Tatsache drückten sie daraufhin durch den Titel „Treat the donut, not the hole“ aus ([ Abb. 4 ]).
Im Bindegewebe kann man grundsätzlich zelluläre und extrazelluläre Bestandteile unterscheiden. Alle extrazellulären Bestandteile des Bindegewebes bezeichnet man als Matrix. Die Matrix enthält folgende Komponenten:
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Fasern (kollagene und elastische),
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Grundsubstanz (Glykosaminoglykane und Proteoglykane),
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nicht kollagene Proteine (Vernetzungs- und Verbindungsproteinen),
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Wasser.
Die Grundsubstanz verbindet Zellen und Fasern miteinander und bindet außerdem Wasser.
Dieses Stadium einer Tendinopathie ist ein Übergangsstadium, da man davon ausgehen kann, dass die Stadien des „Continuum Model“ nicht immer die gesamte Sehne betreffen. Eine Rückführung der Sehnenstruktur ist jeweils nur für die Sehnenanteile zu erwarten, die sich im reaktiven oder frühen „Dysrepair“-Stadium befinden. Die degenerierten Anteile sind sehr wahrscheinlich zumindest strukturell kaum bis gar nicht mehr beeinflussbar [18], [19].
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Schmerzmechanismen
Welche Schmerzmechanismen einer LLT zugrunde liegen, ist noch nicht endgültig geklärt. Diskutiert wird ein primär peripherer Mechanismus [24] oder eine Veränderung der zentralen Schmerzverarbeitung in Form einer reduzierten deszendierenden Schmerzhemmung [25]. Ebenso ist bei einem Anteil der Patient*innen mit chronischer LLT ein neuropathischer Schmerzmechanismus im Gespräch [26].
Tatsächlich zeigen sich klinisch nicht selten Hinweise für alle 3 Mechanismen, da Tendinopathien in der Regel mit lokalen, belastungsabhängigen „on/off“-Schmerzen einhergehen, die zudem aber auch häufig persistieren und mit einer gewissen Latenz in Folge von Belastung auftreten. Demnach sollte bei Patient*innen individuell geprüft werden, welcher Mechanismus der dominante zu sein scheint. Hilfreich für diese Entscheidung ist, psychosoziale Faktoren der Patient*innen zu berücksichtigen. Zum Beispiel gibt es Hinweise auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Kinesiophobie und einem schlechterem Therapieergebnis bei Patient*innen mit persistierender Achillestendinopathie [27], [28]. Allerdings sollte beachtet werden, dass die Studien, die diesen Zusammenhang zeigen, teilweise massive methodische Mängel aufweisen [28].
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Klinische Diagnostik
Da sich ein weiterer Artikel in dieser Ausgabe tiefgehend mit der Ultraschalldiagnostik bei Tendinopathien beschäftigt (s. Vertiefungsartikel S. 135), soll hier der Fokus auf die klinische Präsentation und Diagnostik unterschiedlicher LLTs gerichtet werden. [ Tab. 3 ] fasst klinische Tests einiger LLTs inkl. differenzialdiagnostischer Informationen zusammen. Zum klinischen Bild einer LLT lässt sich grundsätzlich sagen, dass diese in der Regel lokale Schmerzen hervorrufen, welche klassischerweise in Zusammenhang mit einer (initialen) Belastung auftreten, und unter anhaltender Belastung zunächst abnehmen, um sich zeitversetzt, mitunter auch erst am nächsten Tag, häufig wieder aufzubauen [13], [29], [30].
Tendinopathie |
klinische Tests/Zeichen |
Differenzialdiagnose |
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Schmerzprovokation durch:
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proximale Hamstring-Tendinopathie [29] |
Schmerzprovokation durch progressiven Belastungsaufbau über:
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Für alle in [ Tab. 3 ] aufgeführten LLTs sind zudem „Patient Reported Outcome Measures“ entwickelt worden, die unter der Bezeichnung „Victorian Institute of Sport Assessments“(VISA) publiziert wurden. Diese VISA-Scores liegen vor für:
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die Patellatendinopathie (VISA-P) [36],
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die Achillestendinopathie (VISA-A) [37],
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die proximale Hamstringtendinopathie (VISA-H) [38] und
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das Trochanter Major Syndrom (VISA-G) [39].
Die VISA-Scores geben Auskunft zu Steifigkeit, Schmerz und Funktionsfähigkeit bezüglich der jeweiligen Tendinopathie. Die Ergebnisse der VISA-Scores werden in Prozent angeben: 0 = höchste und 100 = keine Einschränkung. Für den VISA-P und den VISA-A existieren zudem validierte deutschsprachige Versionen [40], [41]. Allerdings muss in diesem Zuge auch das COSMIN-Review erwähnt werden, das hervorhebt, dass lediglich eine sehr geringe Evidenz zur Inhaltsvalidität der VISA-Scores besteht [42].
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Management innerhalb der Physiotherapie
Im Umgang mit LLTs wird aktuell vor allem eine Kombination aus aktiver und edukativer bzw. verhaltensorientierter Therapie empfohlen [13], [29], [30], [31], [35], [43], [44]. Ein Großteil der Empfehlungen bezieht sich allerdings vor allem auf die AT und PT.
Training
Die aktive Therapie wird in der Regel anhand eines progressiv angelegten Trainingsprogramms gestaltet, das sich bei einer AT auf die Wadenmuskulatur [45], [46], [47], [48] und bei einer PT auf den M. quadriceps [49], [50], [51] konzentriert.
Während ursprünglich davon ausgegangen wurde, dass im Falle einer Tendinopathie die entsprechende Muskulatur vor allem exzentrisch trainiert werden sollte, ist mittlerweile klar, dass ein konzentrisch-exzentrisches Training eine vergleichbare Wirkung zeigt [48], [51], [52]. Vielmehr scheint es um konkrete Grundprinzipien zu gehen, die in einem Trainingsprogramm bei LLT berücksichtigt werden sollten. Das Training sollte unter Berücksichtigung eines Schmerzmonitorings progressiv und somit zunehmend intensiv sowie über mindestens 12 Wochen durchgeführt werden [53]. Das Ziel des Trainings ist es, die Belastungskapazitäten der Sehne zu verändern, wobei allerdings noch nicht endgültig geklärt ist, ob dadurch strukturell oder mechanisch Einfluss auf die Sehne genommen wird [54].
Training bei einer Tendinopathie sollte über mind. 12 Wochen unter Berücksichtigung eines Schmerzmonitorings progressiv gestaltet sein.
Eine Form des Schmerzmonitorings bei Patient*innen mit AT beschreiben Silbernagel und Crossley [55]. Nach diesem Monitoring soll die Schmerzintensität während des Trainings, unmittelbar nach dem Training und am Morgen nach dem Training auf der Numeric Pain Rating Scale (NPRS) (0–10) nicht > 5 liegen. Ist dies der Fall, sollte das Training bezüglich Trainingshäufigkeiten, -umfängen oder -intensitäten angepasst werden.
Darüber hinaus kann es auch hilfreich sein, die Form der Muskelaktivierung zu verändern. Insbesondere bei sehr schmerzempfindlichen Tendinopathien macht es durchaus Sinn, teilweise oder auch vorübergehend ausschließlich auf eine isometrische Muskelaktivierung zu wechseln, da sich gezeigt hat, dass diese Form der Muskelbeanspruchung eine besonders hohe schmerzinhibierende Wirkung hat [56]. Interessant ist zudem, dass dieser Mechanismus insbesondere bei Tendinopathien greift. Zumindest konnten Rio et al. zeigen, dass dieser schmerzlindernde Effekt bei Patient*innen mit PT deutlich intensiver ausfällt als bei Patient*innen mit anderen Formen des anterioren Knieschmerzes [33]. Das bedeutet auch, dass eine isometrische Spannung diagnostisch eingesetzt werden kann, um zwischen tendinösen und nicht tendinösen anterioren Knieschmerzen zu differenzieren.
Vorschlag für einen Trainingsaufbau
Der Einstieg in das Training erfolgt über ein isometrisches Training und geht, je nach Schmerzreaktion und Leistungsfähigkeit der Patient*innen, in ein zunehmend intensiver werdendes konzentrisch-exzentrisches Training über. Je nach Patient*in wird anschließend entschieden, ob es bei dieser Form des Trainings bleibt oder ob z. B. ein sportliches Ziel erfordert, dass die Sehne über ein „Energy-Storage-Training“ und „Energy-Storage-and-Release-Training“auf entsprechende Belastungen vorbereitet wird [54]. Im Gegensatz zu einem jungen Menschen, der wieder Basketball spielen möchte, wäre dies bei älteren Patient*innen, die als Ziel haben, wieder walken zu können, sehr wahrscheinlich nicht nötig. [ Abb. 5 ] soll den hier erläuterten Trainingsprozess verdeutlichen [54].
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Kompression
Ein Punkt, der insbesondere bei Ansatz-Tendinopathien berücksichtigt werden sollte, ist die externe Kompression auf die Sehne während des Trainings. Hier kann es sinnvoll sein, zunächst ein Bewegungsausmaß zu wählen, das die Kompression möglichst gering hält, um im weiteren Verlauf über eine schrittweise Erweiterung des Bewegungsausmaßes der Sehne die Möglichkeit zur Adaption zu geben [29], [57].
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Schmerzmonitoring/Adaption
Die Prinzipien des Schmerzmonitorings lassen sich wie im Training im Sinne einer Belastungsanpassung oder -modifikation auch auf Alltags- oder Sportbelastungen übertragen. Die angepasste Fortführung sportlicher Aktivitäten hat unter der Anwendung eines Schmerzmonitorings keinen nachteiligen Effekt [58]. Da adäquate Belastungsreize im Sinne einer Mechanotherapie [59] für die Rehabilitation von Tendinopathien eine wesentliche Rolle spielen, liegt es nahe, die Alltagsbelastung der Sehne nicht zu meiden. Stattdessen sollte diese lediglich um das nötige Maß reduziert und in regelmäßigen Abständen an die aktuelle Belastungskapazität angepasst werden.
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Passive Maßnahmen
Passive therapeutische Maßnahmen sollten, wenn überhaupt, nur begleitend ein Rolle spielen [30], [31], [60]. Insbesondere bei sehr akuten Tendinopathien können passive Maßnahmen, wie z. B. therapeutischer Ultraschall, Taping oder ggf. auch manualtherapeutische Techniken, hilfreich sein. Es muss aber davon ausgegangen werden, dass passive Maßnahmen sehr wahrscheinlich lediglich einen schmerzinhibierenden Effekt und keinerlei direkten Einfluss auf die Sehnenstruktur haben [61] .
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Zusammenfassung
Tendinopathien der unteren Extremität sind sowohl bei Sportler*innen als auch bei Nicht-Sportler*innen häufig. Die verschiedenen Tendinopathien können durch unterschiedliche intrinsische und extrinsische Faktoren begünstigt werden, wobei der Kern des Problems oft in einer einmaligen oder auch wiederholten indirekten oder direkten Überlastung liegt. Wesentliche therapeutische Inhalte sind Edukation und Belastungsanpassung zur Vermeidung weiterer Überlastungen sowie Trainingsstrategien zur Verbesserung der Belastungskapazitäten. Die Patient*innen sollten das progressiv angelegte Training unter einem Schmerzmonitoring für mindestens 12 Wochen durchführen. Passive Maßnahmen sollten nur bei Bedarf und zur Schmerzlinderung eingesetzt werden.
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Hauke Heitkamp
ist Physiotherapeut und Orthopädischer Manualtherapeut (OMT-DVMT) mit einem Masterabschluss in „Muskuloskelettaler Physiotherapie“. Zurzeit ist er wissenschaftlich in der „AG translationale Schmerzforschung“ am UK Münster und lehrend an der Professor Grewe Schule für Physiotherapie und der Hochschule Osnabrück tätig.
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Literatur
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Article published online:
19 July 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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