Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2022; 29(04): 183
DOI: 10.1055/a-1865-3802
Gesellschaft
DGMM

Deutsche Gesellschaft für Maritime Medizin e. V.

Marcus Oldenburg

Liebe Mitglieder der DGMM,

es gibt vielfältige nachhaltige Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Seeleute. Glücklicherweise hat sich die pandemiebedingte Lage in der Schifffahrt zurzeit etwas entspannt, aber niemand kann den weiteren pandemischen Verlauf und dessen Konsequenzen für Schiffsbesatzungen prognostizieren. Was auf jedem Fall bleibt, ist eine Verunsicherung auf verschiedenen Ebenen. In einer Querschnittserhebung von Bayi et al. (2021) wurden 439 Seeleute befragt. Unter Verwendung der Depression-Anxiety-Stress-Scale-21 fanden sich bei rund 12 % der Untersuchten Hinweise für eine Depression. Interessanterweise war dabei das Risiko für Depressionen mit der Aufenthaltsdauer an Bord assoziiert und nahm mit 20 % pro Monat an Bord zu (OR 1,20 (95%-KI 1,02–1,40)). Insgesamt erlebten Offiziere in dieser Studie signifikant mehr psychosozialen Stress als Mannschaftsdienstgrade, was mutmaßlich auf die hohe Verantwortung dieser Besatzungsgruppe – auch im Bereich des Infektionsschutzmanagements – zurückzuführen ist. Darüber hinaus ist für zahlreiche Besatzungsmitglieder die Perspektivlosigkeit verunsichernd, wann sie an- bzw. abmustern können und ob sie in Zukunft einen weiteren Kontrakt zur finanziellen Absicherung ihrer Familie erhalten.

Neben der Belastung von Seeleuten zeichnen sich auch Verunsicherung unter den Reedern und Schiffsführungen ab. So wird wiederholt beobachtet, dass den Seeleuten reederei- oder schiffsseitig ein Landgang während eines Hafenaufenthalts verwehrt wurde, ohne dass es hierfür nachvollziehbare Erklärungen oder behördlich begründete Vorgaben gab. Ein nichttransparentes und inhomogenes Auslegen der Gefährdungslage für Infektionen an Bord stößt bei vielen Seeleuten und maritimen Stakeholdern auf Unverständnis und löst Verärgerung aus, zumal die Freizeiteinrichtungen in den Häfen wieder geöffnet sind und den Seeleuten zur Verfügung stehen. Erfreulicherweise zeigte eine aktuelle Umfrage der Seemannsmissionen, dass bei nur 6 % der befragten 570 Seeleute eine längere als im Kontrakt vorgesehene Aufenthaltsdauer an Bord bestand; dieses entspricht der präpandemischen üblichen Dimension.

Weitere nachhaltige postpandemische Auswirkungen zeichnen sich dahingehend ab, dass einige Reedereien ihr Personalrecruiting aufgrund der stringenten Reiserestriktionen verschiedener Länder angepasst haben. So haben sich z. B. einige Reedereien entschlossen, keine Seeleute aus den Kiribati mehr an Bord ihrer Schiffe zu beschäftigen, nachdem sie erfahren mussten, dass die entsprechende Regierung eine Repatriierung ihrer Landsleute nach Beendigung des Bordeinsatzes über Monate verweigert hatte.

Wie bereits in einer vorhergehenden Ausgabe der FTR angekündigt, fand vom 23.–25. Juni 2022 die Tagung der Deutschen Gesellschaft für Tropenmedizin, Reisemedizin und Globale Gesundheit e. V. (DTG) (Congress for Tropical Medicine) in Rostock statt. In diesem Kongress war unsere Fachgesellschaft an 3 Tagen mit den Themenschwerpunkten „Medizinische Versorgung an Bord“, „Infektionsausbruchsmanagement auf Schiffen“ und „COVID-19 Impferfahrungen bei Seeleuten“ vertreten. Das Interesse der Kongressteilnehmer an der maritimen Medizin war erfreulich hoch. Die Einbindung der DGMM-Themen in die Tagung der DTG hat den Austausch und das Verständnis der beiden Fachgesellschaften gut gefördert.

In den zurückliegenden Monaten wurde das „Curriculum Kreuzfahrtmedizin“ finalisiert und dem Vorstand der DGMM vorgelegt. Nach Beratung wird das Curriculum dann der Ärztekammer Hamburg zugeleitet. Dieser Kurs soll dazu dienen, die schiffspezifischen Besonderheiten der ärztlichen Tätigkeit zu vermitteln. In dem Curriculum wurden die Unterrichtsinhalte für angehende SchiffsärztInnen auf Kreuzfahrtschiffen skizziert. Es ist vorgesehen, dass vor Vergabe des Zertifikats „Kreuzfahrtmedizin“ und nach Bestehen des theoretischen Kurses ein praktischer, mindestens 4-wöchiger schiffsärztlicher Einsatz unter Supervision eines/r erfahrenen SeniorSchiffsärztIn absolviert wird.

Liebe DGMM-Mitglieder, neue Impulse sind in der maritimen Medizin sichtbar und öffnen den Korridor für neue Fragestellungen und Themen im schifffahrtsmedizinischen Umfeld.

Viele herzliche Grüße!

Ihr

Marcus Oldenburg

Verantwortlich für die DGMM-Gesellschaftsseiten in der FTR:

PD Dr. Marcus Oldenburg, Hamburg (V.i.S.d.P.)

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Article published online:
11 August 2022

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