ergopraxis 2023; 16(01): 12-13
DOI: 10.1055/a-1930-2000
Wissenschaft

Wunsch nach Lernplattform – Mediale Bedürfnisse im Praktikum

Florence Kranz
 

Während ihrer Hochschulausbildung entwickeln angehende Ergotherapeut*innen berufliche Kompetenzen, die sie in ihren Praktika zum Einsatz bringen. Stehen sie dabei vor Hürden, führt sie die Suche nach Lösungen mitunter ins World Wide Web. Daher untersuchte Bettina Großauer in ihrer Masterarbeit, welche Bedürfnisse Studierende und deren Anleiter*innen mit Blick auf das digitale Lernen und Lehren im Praktikum haben.


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Bettina Großauer … ... entschied sich für die Ausbildung zur Ergotherapeutin, nachdem sie mehrere Jahre als Kinder- und Hortpädagogin gearbeitet hatte. 2012 erlangte sie ihr Ergotherapie-Diplom und ist seitdem im Gesundheitszentrum für physikalische Medizin und Rehabilitation der österreichischen Gesundheitskasse in Steyr tätig. Ihr damaliger Einstieg in die Berufspraxis ist ihr als „echter Wahnsinn“ in Erinnerung geblieben: Sie sei quasi direkt nach der Ausbildung ins kalte Wasser gesprungen und habe viel Zeit damit verbracht, nach Lösungen und Herangehensweisen für die ergotherapeutische Arbeit mit Klient*innen im Bereich der Neurologie, Geriatrie, Pädiatrie, aber auch Orthopädie zu recherchieren. Heute überlegt sie, ob nicht bereits damals die Idee für ihre Masterarbeit entstanden ist, die sie 2021 in ihrem Masterlehrgang Hochschuldidaktik für Gesundheitsberufe an der FH Gesundheitsberufe OÖ in Linz fertigstellte. Mit der Kombination von Digitalisierung und Ergotherapie beschäftigt sie sich auch in ihrem Projekt T.I.M.O., das sie auf der Internetplattform näher vorstellt: www.abenteuertimo.com. Für ihre berufliche Zukunft wünscht sie sich, die praktische Arbeit als Ergotherapeutin verstärkt mit Lehre und Forschung kombinieren zu können. Aktuell ist sie im Erziehungsurlaub und genießt die gemeinsame Zeit mit ihrer Familie. © B. Großauer

Die Masterarbeit

Während ihrer Hochschulausbildung erwerben angehende Ergotherapeut*innen vielfältige berufliche Kompetenzen. Besonders in den Praktika zeigt sich dann, welche sie in welchem Ausmaß bereits besitzen und wo sie womöglich an ihre Grenzen stoßen. Tun sich Fragen auf, greifen viele von ihnen auch auf das Internet zurück. Studierende nutzen internationalen Studien zufolge zum Lernen verstärkt digitale Medien, was Social Media wie Facebook & Co einschließt. Eine solche Internetrecherche kann allerdings sehr zeitaufwendig sein und führt vermutlich nicht immer zu den passenden Ergebnissen. Bettina Großauer wollte deshalb wissen, welche Bedürfnisse Studierende und Praxisanleiter*innen haben, wenn es um digitales Lernen bzw. Lehren im Praktikum geht. Außerdem fragte sie Lehrende und Lernende, welche professionellen Kompetenzen ihnen in diesem Zusammenhang als besonders relevant erscheinen. Dabei bezieht sie sich auf die verschiedenen Kompetenzen nach Erpenbeck und Heyse: Fach- und Methodenkompetenz, Aktivitäts- und Handlungskompetenz, Persönlichkeitskompetenz und sozial-kommunikative Kompetenz. Um die Bedürfnisse zu ermitteln, führte sie eine Querschnittstudie durch, an der 24 Studierende der Ergotherapie sowie 29 Anleiter*innen teilnahmen. Für beide Gruppen hatte sie jeweils einen eigenen Onlinefragebogen konzipiert, der 19 offene und geschlossene Fragen beinhaltete. Während sie die gewonnenen Daten zu den geschlossenen Fragen deskriptiv mit Excel darstellte, analysierte sie die Antworten auf die offenen Fragen mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring.


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Ergebnis

Wie die statistische Auswertung zeigt, haben 22 von 24 Studierenden das Bedürfnis, im Praktikum die Möglichkeiten des digitalen Lernens zu nutzen. Anders sieht es bei den Praxisanleiter*innen aus. Nur knapp die Hälfte (14 von 29) bejaht ein entsprechendes Bedürfnis nach digitalem Lehren. Die Mehrheit der Praxisanleiter*innen (20 von 29) würde aber die digitale Lehre mithilfe einer Lernplattform befürworten. Ein Angebot, das auch bei 23 von 24 Studierenden auf positive Resonanz stößt.

Was die Inhalte einer solchen Lernplattform betrifft, sollten sich diese aus der Sicht der Anleiter*innen und Studierenden vor allem auf das Fach- und Methodenwissen konzentrieren. Neben Hintergrundwissen etwa zu Anatomie, Krankheitsbildern oder Therapiemethoden erscheinen ihnen auch Coaching-Instrumente, Fallbeispiele oder Therapieideen relevant, die den Theorie-Praxis-Transfer erleichtern. Dabei empfinden es beide Teilnehmergruppen als sinnvoll, dass die Lerninhalte auf einer möglichen Plattform gemeinsam von Hochschuldozent*innen, Studierenden und praktizierenden Ergotherapeut*innen entwickelt werden. Neben einer didaktisch-methodischen sowie einer benutzerfreundlichen Aufbereitung empfehlen sie multimediale Angebote und Vernetzungsmöglichkeiten. Dabei kann digitales Lernen und Lehren aus Sicht der Teilnehmer*innen die Kompetenzentwicklung und Qualitätssicherung unterstützen sowie individuell zugeschnittenes und selbstgesteuertes Lernen ermöglichen.

Im Hinblick auf die professionellen Kompetenzen sehen Anleiter*innen und Studierende besonderen Bedarf, die Fach- und Methodenkompetenz mit den Möglichkeiten des digitalen Lernens bzw. Lehrens im Praktikum zu unterstützen. Danach folgen in absteigender Reihenfolge die Aktivitäts- und Handlungskompetenz, die personale Kompetenz und die sozial-kommunikative Kompetenz.


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Fazit

Während die Studierenden dem digitalen Lernen gegenüber generell aufgeschlossen sind, würden die meisten Praxisanleiter*innen die Nutzung einer eigenen Plattform in der digitalen Lehre begrüßen. Eine solche Plattform würde es ermöglichen, relevante sowie evidenzbasierte Inhalte gezielt auszuwählen, zu bündeln und didaktisch-methodisch sowie benutzerfreundlich aufzubereiten. Sie könnte Studierenden die Möglichkeit bieten, sich selbstgesteuert mit den Inhalten auseinanderzusetzen und diese im Austausch mit ihren Anleiter*innen praktisch anzuwenden sowie zu reflektieren. Allerdings ist weitere Forschung dazu notwendig, wie die ermittelten Bedürfnisse konkret erfüllt werden können, wie sich ein angemessenes digitales Lern- und Lehrangebot aufbauen lässt und inwieweit es tatsächlich den Kompetenzerwerb der Studierenden unterstützt.

Florence Kranz


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3 Fragen an Bettina Großauer

Welche Rolle spielt die Digitalisierung in deiner eigenen Berufspraxis?

Als ich nach dem Studium in die Praxis eingestiegen bin, recherchierte ich viel, welche möglichen Hilfsmittel, Übungen, Aktivitäten oder Informationsmaterialien ich Klient*innen und ihren Angehörigen anbieten könnte. Ähnliche Erfahrungen mache ich, wenn ich Studierende in der Praxis begleite. Allerdings führt die Recherche im World Wide Web nicht immer zum schnellen Erfolg. Es gibt einfach einen so großen Dschungel an Angeboten. Wenn man zum Beispiel Dr. Google fragt, erhält man zum Teil qualitativ fragwürdige Informationen. Auf der anderen Seite sind gerade in den letzten Jahren viele Ressourcen und Angebote im Internet entstanden, die eine gute Qualität besitzen und eine gewisse Sicherheit bieten, wie zum Beispiel ergolink.

Was wünschst du dir für die Digitalisierung in der Ergotherapie?

Digitalisierung ist für manche noch ein Angstthema. Ich würde mir wünschen, dass wir uns in der Ergotherapie diesen Möglichkeiten Schritt für Schritt weiter öffnen und auch mutiger im Umgang damit werden. Aus meiner Sicht können wir die Digitalisierung auch dafür nutzen, uns professionell weiterzuentwickeln.

Wie tankst du in deiner Freizeit auf?

Tatsächlich ist mir meine Familie sehr wichtig. Wir verbringen gerne Zeit in der Natur oder machen Ausflüge. Mit meiner Tochter tauche ich irrsinnig gerne in ihre Spielwelt ein. Manchmal fahren wir zusammen Fahrrad und genießen es, einen Sonnenuntergang zu sehen. Im gemeinsamen Urlaub am Meer oder in den Bergen fotografiere ich gerne und halte die schönen Momente fest.


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  • Masterarbeit

  • 1 Großauer B.. Lernraum Praktikum. Eine wissenschaftliche Arbeit über digitales Lehren und Lernen im handlungsorientierten Praktikum. Masterthesis an der FH Gesundheitsberufe OÖ GmbH, Linz, Österreich 2021

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
03. Januar 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

  • Masterarbeit

  • 1 Großauer B.. Lernraum Praktikum. Eine wissenschaftliche Arbeit über digitales Lehren und Lernen im handlungsorientierten Praktikum. Masterthesis an der FH Gesundheitsberufe OÖ GmbH, Linz, Österreich 2021

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Bettina Großauer … ... entschied sich für die Ausbildung zur Ergotherapeutin, nachdem sie mehrere Jahre als Kinder- und Hortpädagogin gearbeitet hatte. 2012 erlangte sie ihr Ergotherapie-Diplom und ist seitdem im Gesundheitszentrum für physikalische Medizin und Rehabilitation der österreichischen Gesundheitskasse in Steyr tätig. Ihr damaliger Einstieg in die Berufspraxis ist ihr als „echter Wahnsinn“ in Erinnerung geblieben: Sie sei quasi direkt nach der Ausbildung ins kalte Wasser gesprungen und habe viel Zeit damit verbracht, nach Lösungen und Herangehensweisen für die ergotherapeutische Arbeit mit Klient*innen im Bereich der Neurologie, Geriatrie, Pädiatrie, aber auch Orthopädie zu recherchieren. Heute überlegt sie, ob nicht bereits damals die Idee für ihre Masterarbeit entstanden ist, die sie 2021 in ihrem Masterlehrgang Hochschuldidaktik für Gesundheitsberufe an der FH Gesundheitsberufe OÖ in Linz fertigstellte. Mit der Kombination von Digitalisierung und Ergotherapie beschäftigt sie sich auch in ihrem Projekt T.I.M.O., das sie auf der Internetplattform näher vorstellt: www.abenteuertimo.com. Für ihre berufliche Zukunft wünscht sie sich, die praktische Arbeit als Ergotherapeutin verstärkt mit Lehre und Forschung kombinieren zu können. Aktuell ist sie im Erziehungsurlaub und genießt die gemeinsame Zeit mit ihrer Familie. © B. Großauer