CC BY-NC-ND 4.0 · Laryngorhinootologie 2023; 102(S 01): S12-S34
DOI: 10.1055/a-1973-3038
Referat

(Zu-)Hören mit alterndem Gehirn – eine kognitive Herausforderung

Article in several languages: deutsch | English
Wilma Großmann
1   Universitätsmedizin Rostock, Klinik und Poliklinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde,Kopf- und Halschirurgie „Otto Körner“
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Zusammenfassung

In den letzten Jahren sind Hörstörungen als potentiell modifizierbarer Risikofaktor für neurokognitive Beeinträchtigungen der alternden Gesellschaft zunehmend in den Fokus wissenschaftlicher Arbeiten gerückt. Sensorische und kognitive Defizite sind über komplexe Bottom-Up und Top-Down Prozesse eng miteinander verbunden, eine scharfe Trennung von Sensorik, Wahrnehmung und Kognition ist unmöglich. Die Auswirkung normaler und pathologischer Alterungsprozesse sowohl des auditiven Systems als auch kognitiver Funktionen auf das Wahrnehmen und Verstehen von Sprache werden im Rahmen dieses Referates ebenso vorgestellt, wie die spezifischen auditorischen Beeinträchtigungen bei den beiden häufigsten neurodegenerativen Erkrankungen des älteren Menschen – Alzheimer-Krankheit und Parkinson-Syndrom. Hypothesen zum Kausalzusammenhang werden erläutert und der aktuelle Wissenstand zum Effekt der Hörrehabilitation aufgezeigt. Dieser Beitrag bietet damit einen Überblick über die komplexen Zusammenhänge von Hören und Kognition im höheren Lebensalter.


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1. Einleitung

Erfolgreiche Kommunikation in komplexen Hörsituationen erfordert nicht nur das Detektieren des Zielsignal und die Zerlegung des Szenarios in verschiedene Schallquellen. Der Zuhörer muss auch verfolgen, wer spricht, die Bedeutung der Äußerung erfassen, abspeichern, mit bereits vorhandenem Wissen abgleichen, irrelevante Störsignale unterdrücken, parallel die eigene Antwort formulieren und zum richtigen Zeitpunkt ausführen. Längere Gespräche in Gruppen erfordern die Integration von neuer Information mit bereits geäußerten Inhalten jedes einzelnen Sprechers während immer wieder die Aufmerksamkeit zwischen den beteiligten Personen wechselt.

Das heißt, um die in gesprochener Sprache enthaltene Information zu erfassen und zu nutzen, ist ein flüssig und zügig funktionierendes integratives System von wahrnehmungs- und kognitiven Prozessen erforderlich. Sowohl das auditorische als auch kognitive System unterliegen dabei typischen Alterungsprozessen, zusätzlich wächst mit zunehmendem Lebensalter die Häufigkeit neurodegenerativer Erkrankungen, mit zum Teil erheblichem Einfluss auf die Kommunikationsfähigkeit. In den letzten Jahren sind Hörstörungen als potentiell modifizierbarer Risikofaktor für neurokognitive Beeinträchtigungen der alternden Gesellschaft zunehmend in den Fokus wissenschaftlicher Arbeiten gerückt. Im Rahmen dieses Referates sollen Hypothesen zum Kausalzusammenhang ebenso vorgestellt werden, wie die spezifischen auditorischen Beeinträchtigungen im Rahmen der häufigsten neurodegenerativen bzw. neurokognitiven Störungen des älteren Menschen, sowie der Effekt der Hörrehabilitation.


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2. Kognition und Sprachverstehen

2.1 Definition und Domänen

Kognition (engl. cognition, lat. cognoscere – (wieder-)erkennen, erfahren, wahrnehmen) ist ein Sammelbegriff sowohl für Prozesse der Aufnahme, Verarbeitung, Speicherung und Abruf von Information als auch deren Ergebnisse (Wissen, Einstellungen, Überzeugungen, Erwartungen). Wobei diese sowohl bewusst, wie z. B. beim Lösen von Aufgaben, als auch unbewusst, z. B. bei der Meinungsbildung [1] ablaufen können. Menschliche kognitive Fähigkeiten umfassen unter anderem Prozesse der Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Lernen und Gedächtnis, Denken, aber auch Erkennen von Emotionen und Kontrolle des eigenen Verhaltens. Die Fähigkeit, diese Kompetenzen zu nutzen, um Probleme zu lösen, sich an neue Situationen anzupassen und effektiv mit der Umwelt zu interagieren, wird in der Psychologie als „Intelligenz“ (lat. intelligentia – Erkennungsvermögen, Verstand) bezeichnet. Während in dem Intelligenzmodell von Cattell nur zwischen fluider Intelligenz (angeborene, erfahrungsunabhängige Fähigkeit zum Schlussfolgern und Problemlösen) und kristalliner Intelligenz (überwiegend kulturabhängige Fähigkeit, erworbenes Wissen anzuwenden) unterschieden wurde, gilt heutzutage das Cattell-Horn-Carroll (CHC-)Modell als dasjenige, welches die Struktur der Intelligenz am umfassendsten umschreibt [2]. Es inkludiert 16 Faktoren aus den Bereichen erworbenes Wissen, Denkfähigkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit, Gedächtnis, Sensorische Verarbeitung, Psychomotorik und Kinästhetik und dient als Grundlage für die weitverbreitetsten Intelligenztests.

Für die Diagnostik von neurokognitiven Störungen wurden im „Diagnostischen und Statistischen Manual Psychischer Störungen – DSM-5“ [3] 6 kognitive Domänen definiert, auf denen die Diagnosekriterien basieren und die im Rahmen standardisierter neuropsychologischer Testungen erfasst werden können ([Tab. 1]).

Tab. 1 Kognitive Domänen für die Diagnostik neurokognitiver Störungen im DSM-5 [3].

Kognitive Domäne

Unterdomänen

Komplexe Aufmerksamkeit

Daueraufmerksamkeit

Geteilte Aufmerksamkeit

Selektive Aufmerksamkeit

Verarbeitungsgeschwindigkeit

Exekutivfunktionen

Planen

Entscheidungen treffen

Arbeitsgedächtnis

Verwerten von Feedback/Fehlerkorrektur

Handeln entgegen der Gewohnheit/Verhaltenshemmung

Mentale Flexibilität

Lernen und Gedächtnis

Unmittelbares Gedächtnis*

Kurzzeitgedächtnis (einschließlich freier Abruf, Abruf mit Hinweisreizen und Wiedererkennen)

Ultralangzeitgedächtnis (semantisch und autobiografisch)

Implizites (prozedurales) Lernen

Sprache

Sprachproduktion (inkl. Benennen, Wortfindung, Wortflüssigkeit, Grammatik und Syntax)

Sprachverständnis

Perzeptiv-Motorisch

Visuo-Perzeption

Visuo-Konstruktion

Perzeptiv-Motorisch

Praxis

Gnosis

Soziale Kognition

Erkennen von Emotionen

Theory of Mind (Fähigkeit, die Befindlichkeit oder das Erleben einer anderen Person zu beachten)

*wird teilweise unter Arbeitsgedächtnis gefasst.


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2.2 Normales kognitives Altern

Kognitive Prozesse sind in unterschiedlichem Ausmaß chronologischen Alterungsprozessen unterworfen und in hohem Maße mit dem Verlust von Alltagsfunktionen, Beginn von Demenz und allgemeiner Mortalität assoziiert [4] [5]. Es gilt als etabliert, dass basale, wissensunabhängige „fluide“ Funktionen dabei einen stärkeren Altersabbau zeigen, als lebenslang erworbenes, „kristallines“ Wissen, welches bis ins hohe Lebensalter noch Zuwachs zeigen kann [6]. Die intelligente Gesamtleistungsfähigkeit wird als Ergebnis von Funktions- bzw. Wissensaufbau, -verlust und Kompensationsmechanismen gesehen. D.h. mit zunehmendem Verlust fluider Fähigkeiten werden zur Aufgabenbewältigung mehr und mehr etablierte, automatisierte kristalline Prozesse herangezogen, um die kognitive Leistungsfähigkeit aufrechtzuerhalten [6] [7]. Gegenstand der Forschung ist weiterhin, inwiefern durch Training dem Funktionsverlust entgegengewirkt werden kann und welchen Stellenwert dabei die einzelnen kognitiven Domänen haben. In einer großen Querschnittsuntersuchung von 48537 Versuchspersonen sowie Auswertung von Normwerten standardisierter IQ- und Gedächtnistests konnten Hartsthorne und Germine zeigen, dass größere Heterogenität bezüglich des Zeitpunkts der maximalen Funktionsfähigkeit zwischen den einzelnen Domänen besteht, als bisher angenommen [8]: Kurzzeitgedächtnis und Verarbeitungsgeschwindigkeit erreichen Maximalwerte bereits im Teenageralter, das Arbeitsgedächtnis erst im jungen Erwachsenenalter mit Beginn des Abbaus in den 30er Jahren. Spitzenleistungen in z. B. Wortschatz und Emotionserkennung werden hingegen erst im mittleren Lebensalter erreicht und über eine deutlich längere, mehrjährige Periode aufrechterhalten. Als Erklärung für individuelle Leistungsunterschiede müssen neben diesen domänen- und funktionsspezifischen Veränderungen aber auch unspezifische Alterseffekte, wie z. B. eine generelle Verlangsamung bedacht werden. Neuere Langzeitstudien weisen darauf hin, dass ca. 30–50% der individuellen Unterschiede im Altersverlauf auf einen „Generalfaktor“ zurückzuführen sind [9]. Neben im Vergleich zu jüngeren deutlich reduzierter allgemeiner Verarbeitungsgeschwindigkeit sowie Arbeitsgedächtnis kommt es im höheren Lebensalter vor allem zu Verlusten von Exekutivfunktionen sowie episodischem Gedächtnis [10] [11]. Morphologisch werden Veränderungen im mittleren Temporallappen (episodisches Gedächtnis) sowie dem präfrontalen/striatalen System (Exekutivfunktionen) gesehen [12]. Neurodegenerative Erkrankungen wie z. B. die Alzheimer-Demenz oder das Parkinsonsyndrom betreffen diese Areale in unterschiedlichem Ausmaß und führen zu spezifischen Funktionsdefiziten.


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2.3 Kognitive Reserve

Menschen im gleichen Alter mit ähnlichen zentralen Veränderungen z. B. i.R. einer neurodegenerativen Erkrankung aber auch normaler Alterungsprozesse können dennoch stark in ihrer klinischen Symptomatik als auch kognitiven Leistungsfähigkeit variieren. Um diese Beobachtung zu erklären, wurde der Begriff der kognitiven Reserve eingeführt [13]. Gemeint ist die Fähigkeit, durch Verwendung alternativer neuronaler Netzwerke neu aufgetretene Schädigungen auszugleichen und bestehende Funktionen aufrecht zu erhalten [14]. Dabei spielen sowohl angeborene als auch erworbene bzw. Umweltfaktoren (z. B. Intelligenz, Bildungsniveau, körperliche Betätigung, freizeit- und soziale Aktivitäten) eine Rolle. Unterschiede in der kognitiven Reserve werden auch als Erklärung für die individuelle Betroffenheit von sensorischer Beeinträchtigung (z. B. Hörstörung) im höheren Lebensalter angeführt [15].


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2.4 Informationsverarbeitungsmodell und Kognitive Konzepte im Zusammenhang mit Hören und Sprachverstehen

Lautsprachliche Kommunikation lässt sich aus kognitionspsychologischer Sicht als ein Prozess der Informationsverarbeitung begreifen: Der ankommende Reiz wird vom sensorischen System wahrgenommen, verarbeitet und führt schließlich zu einer Reaktion ([Abb. 1], adaptiert von [16] ). Dieser komplexe Verarbeitungsprozess wird einerseits bereits von den Eigenschaften des eintreffenden Reizes gesteuert (Bottom-Up), andererseits von psychischen Prozessen (Top-Down) beeinflusst. In dem theoretischen Modell von Wingfield und Tun [17] ([Abb. 2]) werden die interaktiven Rollen von peripheren, zentralen, kognitiven und linguistischen Faktoren beim Hören und Verstehen von Sprache noch einmal genauer aufgeschlüsselt: In der Peripherie muss das sensorische System die spektralen und zeitlichen Eigenschaften des Sprachsignals aufnehmen und zur weiteren Verarbeitung möglichst ungestört an das zentrale verarbeitende System weitergeben. Im nächsten Abschnitt der zentralen auditiven Verarbeitung (perzeptives System) werden dann neben spektralen und zeitlichen Eigenschaften des Sprachsignals (insbesondere Signal-Onset und -dauer) auch binaurale Informationen enkodiert. Auch die sog. „Objektformation“, d. h. die Fähigkeit ein Zielsignal zu erkennen und ihm in Gegenwart von konkurrierenden Hintergrundgeräuschen- oder Sprechern zu folgen, geschieht auf dieser Ebene. Es schließen sich die linguistischen Operationen der Lautanalyse und lexikalischen Erkennung auf Wortebene an. Basierend auf syntaktischem (Stellung eines Wortes im Satz) und semantischen (Wortbedeutung) Vorwissen werden Sätze erfasst. Der Abgleich mit kontextueller Information (Sprecher, Situation, Objekt, Zeit usw.) ermöglicht schließlich das Äußerungsverstehen innerhalb der Konversation [18]. Die einzelnen Verarbeitungsschritte werden dabei von kognitiven Fähigkeiten bzw. Prozessen wie z. B. Gedächtnisleistungen (Vorwissen, Arbeitsgedächtnis) und allgemeine Verarbeitungsgeschwindigkeit, Aufmerksamkeit und Exekutivfunktionen (Top-Down) beeinflusst. Gleichzeitig bestimmen die Eigenschaften des Reizes (z. B. Sprechtempo, Akzent, Art und Anzahl von Störgeräuschen, Hall…) die nachfolgenden Verarbeitungsprozesse (Bottom-Up). Auditive und kognitive Prozesse sind so eng miteinander verwoben, dass eine scharfe Trennung von „peripheren“ und „zentralen“ Hörfunktionen die Komplexität der Sprachverarbeitung nicht ausreichend erfasst [19]. Die typische Beschwerde des älteren Menschen – zu hören, aber schlecht zu verstehen – ist lediglich klinisches Symptom einerseits normaler altersbedingter Veränderungen in allen Abschnitten dieses Systems von der Peripherie bis zum Cortex, die darüber hinaus durch neurodegenerative Erkrankungen zusätzlich beeinträchtigt werden können.

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Abb. 1 Generalisiertes Modell der Bottom-Up und Top-Down Verarbeitung von auditorischer Information (adaptiert von [16]). Der Reiz wird zunächst in der Peripherie in neurale Information codiert, relevante Informationen werden selektiert und im nächsten Schritt interpretiert. Schließlich folgt die Speicherung im Gedächtnis, während parallel die Antwort formuliert wird. Qualität und Inhalt des Reizes beeinflussen die weitere Verarbeitung (Bottom-Up), bereits extrahierte Information bzw. erfasste Inhalte können zu Veränderung der Verarbeitung nachfolgender Reize (Top-Down) führen.
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Abb. 2 Informationsverarbeitungsmodell von Wingfield und Tun [17]. Sensorisches, perzeptives und kognitives System greifen bei der Verarbeitung der auditorischen Information ineinander. Das gemischte Eingangssignal muss zunächst in relevante (Zielsignal) und irrelevante Information (Störsignal) zerlegt werden. Der Aufmerksamkeitsfilter bestimmt, in welchem Umfang die einzelnen Signalanteile weiter verarbeitet werden. Über mehrere Zwischenschritte wird zunächst die Worterkennung erreicht, nach weiteren linguistischen Operationen schließlich die Äußerungserkennung. Der Informationsverarbeitungsprozess kann auf allen Ebenen von sowohl kognitiven als auch akustischen Faktoren beeinflusst werden.

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3. Altersbedingter Hörverlust

3.1 Prävalenz und Sozioökonomische Folgen

2019 waren laut WHO etwa 1,5 Milliarden Menschen weltweit von Hörverlust betroffen [20], bei 430 Millionen (etwa 5,5% der Weltbevölkerung) war der Hörverlust mindestens mittelgradig. Die WHO erwartet einen Anstieg auf 700 Millionen Menschen mit versorgungsbedürftigem Hörverlust bis 2050 bei einer prognostizierten Gesamtzahl von 2,5 Milliarden Betroffenen. Die individuelle Entwicklung des Hörvermögens im Laufe des Lebens hängt von verschiedenen protektiven und schädigenden Faktoren ab [21]. Neben genetischen, biologischen und umweltbezogen Einflüssen spielt auch der individuelle Lebensstil (Nikotinabusus, Ernährung, Lärmexposition) eine Rolle. Die altersbedingte Schallempfindungsschwerhörigkeit (Presbyakusis, engl. age related hearing loss, ARHL) stellt aufgrund der hohen Prävalenz in der Bevölkerung die größte sozio-ökonomische Belastung im Laufe eines Lebens dar. Nach aktuellen Schätzungen waren ca. 42% aller von Hörverlust betroffenen Menschen 2019 mindestens 60 Jahre alt [20]. Mit zunehmendem Lebensalter steigt der Anteil der versorgungsbedürftigen Hörverluste exponentiell an (Prävalenz bei 60–69 Jahre 15,4%; mehr als 90 Jahre 58,2%). Die WHO schätzt die jährlichen durch Hörverlust verursachten Kosten auf rund 980 Milliarden US-Dollar. In den letzten Jahren wurde die Altersschwerhörigkeit zunehmend als möglicher Risikofaktor für neurokognitive Störungen identifiziert [22] [23] [24] [25]. Positive Effekt der audiologischen Rehabilitation mit Hörhilfen für den Verlauf dieser Erkrankungen [26] [27] [28] sowie die gesundheitsbezogene Lebensqualität [29] werden gesehen. Dennoch werden apparative Hörhilfen in Europa nur von etwa 33% der etwa 57 Millionen Menschen mit versorgungsbedürftiger Hörminderung genutzt, obwohl diese flächendeckend verfügbar sind [20] [30].


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3.2 Altersabhängige Veränderungen des peripher-auditorischen Systems

Altersabhängige degenerative Prozesse betreffen sowohl die äußeren und inneren Haarzellen, Stützzellen, Stria vascularis und Spiralganglienzellen [31] [32] [33] [34] [35] [36]. Im Reintonaudiogramm findet sich typischerweise ein Hochtonhörverlust [36] [37] [38]. Für gutachterlicher Tätigkeiten ist die DIN EN ISO 7029:2017 heranzuziehen, die eine Abschätzung der Normalhörigkeit für die Altersstufen 20–80+Jahre erlaubt [39] ([Abb. 3]). Die aktuelle 3. Fassung beruht auf Daten von ohrgesunden Männern und Frauen, die nach 2000 publiziert wurden. Im Vergleich zu den Vorgängerfassungen ist der mittlerer Hörverlust für alle Altersgruppe geringer, was die veränderten Lebens- und Arbeitsbedingungen reflektiert.

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Abb. 3 Mittlerer Hörschwellenverlauf für Männer und Frauen der Altersgruppen 20–80+gemäß DIN EN ISO 7029:2017:06 (nach [39]). Dargestellt ist jeweils die 50. Perzentile der jeweiligen Altersgruppe.

Basierend auf Erfahrungen aus Tiermodellen hinsichtlich der zugrundeliegenden Ätiologie klassifizierten Dubno et al. [37] audiometrische Phänotypen der Altersschwerhörigkeit. Dabei spricht ein geringgradiger Hörverlust bis 1 kHz und eher flach verlaufender Hochtonhörverlust für eine metabolisch-verursachte Atrophie und Degeneration der Stria vascularis, während eine zwischen 2–8 kHz steil abfallende Hörschwelle bei normalem Tieftongehör auf eine sensorische Störung (Haar- oder Stützzellschädigung) hinweist.

In derselben Studie [37] wurde etwa 11% der Reintonaudiogramme als „older normal“ klassifiziert, mit Hörverlusten von maximal 20 dB HL im Hochtonbereich. Dennoch berichten Ältere mit normalen Tonaudiogrammen von Hörschwierigkeiten und Tinnitus[40] [41]. Für diesen versteckten Hörverlust (engl. hidden hearing loss, HHL) werden in den letzten Jahren verschiedene pathophysiologische Mechanismen diskutiert [42] [43] [44]: Neben Störungen der afferenten Synapse der inneren Haarzellen (cochleäre Synaptopathie, [35] [42] [43] [45] [46]) wurden auch Demyelinisierungsprozesse (temporärer Verlust von cochleären Schwann-Zellen [47] oder i.R. demyelinisierender Neuropathie [48]) sowie persistierende Funktionsstörungen der äußeren Haarzellen [49] [50] beschrieben. Diese Veränderungen führen zu einer gestörten Übertragung der zeitlichen und spektralen Feinstruktur[51], insbesondere von schnellen Signaländerungen sowie der Signaldauer. Die für eine präzise Worterkennung notwendigen phonetischen Kontraste nehmen ab, was sich klinisch in reduziertem Sprachverstehen insbesondere in geräuschvoller Umgebung äußert, noch bevor Hochtonhörverluste im Tonaudiogramm nachweisbar sind.

Elektrophysiologisch sind beispielsweise Amplituden-Veränderungen der Welle I der frühen auditorisch evozierten Potentiale (FAEP, engl. brainstem evoked response audiometry, BERA bzw. auditory brainstem response, ABR) bei überschwelliger Stimulation [34] [46] [51] oder eine Verändertes SP/AP-Amplitudenverhältnis in der Elektrocochleografie [52] nachweisbar.


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3.3 Altersabhängige Veränderungen des zentral-auditorischen Systems

3.3. 1 Strukturell-morphologische sowie neurochemische Veränderungen

Alterungsprozesse betreffen die gesamte zentrale Hörbahn vom Nucleus cochlearis bis zum auditorischen Cortex (siehe [53] [54] für eine umfassende Übersicht). Während der gesamten Lebensspanne ist der menschliche Cortex Umbauprozessen unterworfen, die dank moderner bildgebender Verfahren wie der Kernspintomografie sicht- und messbar werden. Die MR-Spektroskopie ermöglicht darüber hinaus metabolische und neurochemische Veränderungen zu erfassen. Bei gesunden Erwachsenen kommt es mit zunehmendem Lebensalter zu einer allgemeinen Hirnvolumenreduktion [55] [56] [57]. Nachgewiesen wurden Volumenänderungen der grauen [58] [59] [60] und weißen Substanz [60] [61] [62] als auch der Cortexdicke [58] [63]. Zu den besonders betroffenen Regionen gehören Temporallappen und Hippocampus [60] [64] [65] sowie der präfrontale Cortex [59] [61] [66] [67]. Lin et al. [68] konnten zeigen, dass Schwerhörigkeit den Volumenrückgang sowohl im Gesamtvolumen als auch im rechten Temporallappen beschleunigt. Weitere Untersuchungen zeigten über die Altersnorm hinausgehende Reduktionen der grauen Substanz im Gyrus temporalis superior und medius [69] sowie Gyrus frontalis superior und medius [69] [70] [71], im primären auditorischen cortex [72] [73] sowie Occipitallappen und Hypothalamus [70]. Diffusionsgewichtete MR-Aufnahmen zeigten darüber hinaus Veränderungen der Myelinisierung, Faserdichte und axonaler Parameter im superioren Olivenkomplex, Lemniscus lateralis sowie Colliculus inferior [69] [74]. Mit Hilfe der MR-Spektroskopie konnten Funktionsstörungen der GABAergen Neurotransmission im zentral-auditorischen System von Patienten mit Presbyakusis nachgewiesen werden [54] [75] [76].

Das heißt einerseits kommt es bereits im Rahmen der normalen Alterung zu strukturellen Veränderungen in der zentralen Hörbahn, die sich negativ auf das Sprachverstehen auswirken können, andererseits führt die altersbedingte Schwerhörigkeit zusätzlich zur Beeinträchtigung weiterer Areale im Assoziationscortex [77].


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3.3.2 Veränderungen der zentral-auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung

Strukturelle und neurochemische Veränderungen der zentralen Hörbahn führen zu einer Beeinträchtigung der Enkodierung zeitlicher Charakteristika von Sprache. Im Rahmen normaler Alterungsprozesse kommt es zu Veränderungen von neuralem Timing und Präzision bei der Sprachverarbeitung [18] mit Auswirkungen auf das Verstehen von Sprache sowohl in Ruhe als auch im Störgeräusch. Generell nimmt die Fähigkeit ab, schnelle zeitliche Veränderungen im Sprachsignal wahrzunehmen. D.h. ältere Menschen benötigen größere Differenzen oder zeitlich längere Merkmale (Voice onset time, Vokaldauer, Pausen…), um einzelne Sprachlaute zu unterscheiden [78]. Wird das Sprachsignal zusätzlich spektral verändert, nehmen diese Schwierigkeiten zu, wie mehrere Studien mit vokodierter Sprache zeigen konnten [79] [80]. Dies ist insbesondere im Hinblick auf die Versorgung mit Cochlea-Implantaten relevant. Die gestörte neurale Enkodierung des Signalbeginns wird auch als Ursache für die größeren Schwierigkeiten Älterer, Sprache mit veränderter Geschwindigkeit, Betonung oder Rhythmus zu verstehen gesehen: Untersuchungen von Gordon-Salant et al. wiesen beispielsweise nach, dass ältere normalhörende Probanden signifikant größere Probleme haben, schnelle Sprecher oder Sprache mit ausländischem Akzent zu verstehen [81] [82].

Die Fähigkeit, einzelne Sprachströme zu trennen, das heißt, einem Sprecher in Gegenwart von Störgeräuschen oder konkurrierenden Sprechern zu folgen, nimmt mit zunehmendem Lebensalter ebenfalls ab und wurde in einer Fülle von Studien nachgewiesen [83] [84] [85] [86]. Dies wird auf eine gestörte Verarbeitung der zeitlichen Feinstruktur sowie Wahrnehmung von kurzen Amplituden-Änderungen in der Einhüllenden des Sprachsignals („listen to the dips“) zurückgeführt[87]. Darüber hinaus konnten Alterseffekte bei der binauralen Verarbeitung von Sprachsignalen nachgewiesen werden [88] [89] [90].

Eine umfassende Übersicht altersabhängiger elektrophysiologischer Veränderungen der zentralen Hörbahn findet sich bei [91]: Frühe auditorisch evozierter Potentiale, insbesondere der sog. frequency following response (FFR) sowohl nach Stimulation mit Tönen als auch Sprachsignalen, objektivieren die gestörte zeitliche Verarbeitung auf Hirnstammebene. Späte auditorisch evozierte Potentiale erlauben je nach Versuchsaufbau sowohl die differenzierte Erfassung der gestörten zeitlichen Verarbeitung auditorischer Stimuli auf corticaler Ebene unabhängig von Aufmerksamkeit und Kognition (N1-P2) als auch die Beurteilung von kognitiven Prozessen, wenn die Potentiale ereigniskorreliert erfasst werden (P300, N200). Letztere können deshalb auch zur Unterscheidung zwischen normalen Alterungsprozessen, milder kognitive Beeinträchtigung und Alzheimer Demenz eingesetzt werden [92].


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3.3.3 Zentrale Presbyakusis

Im englischen Sprachraum werden die geschilderten altersbedingten Störungen der zentralen Verarbeitung und Wahrnehmung von auditorischer Information bei altersgerechter Reintonhörschwelle häufig unter dem Begriff der central auditory processing disorder, CAPD bzw. central presbycusis zusammengefasst [93] [94]. Die Störung wird dabei als multifaktoriell verursacht betrachtet, Zusammenhänge mit altersabhängigen kognitiven Störungen werden gesehen, klinisch ist eine scharfe Trennung zwischen kognitiven und auditiven Verarbeitungsprozessen kaum möglich.

Die deutsche Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie definiert die auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung (AVWS) etwas enger: Gemäß der aktuellen Leitlinie sollte die Diagnose AVWS nur dann gestellt werden, wenn bei altersgerechter Reintonhörschwelle Defizite der „Analyse, Differenzierung und Identifikation von Zeit-, Frequenz-und Intensitätsveränderungen akustischer oder auditiv -sprachlicher Signale sowie Prozesse der binauralen Interaktion (z. B. zur Geräuschlokalisation, Lateralisation, Störgeräuschbefreiung und Summation) und der dichotischen Verarbeitung“ nachgewiesen werden, die nicht besser „durch andere Störungen, wie z. B. Aufmerksamkeitsstörungen, allgemeine kognitive Defizite, modalitätsübergreifende mnestische Störungen“ erklärt werden können [95]. Die Defizite im auditiven Bereich müssen im Vergleich zu sprachunabhängigen kognitiven Leistungen signifikant sein. Gleichzeitig besteht eine hohe Komorbidität zu z. B. Störungen der Aufmerksamkeit. Klinisch muss dann unter Einbeziehung aller Befunde entschieden werden, welche Störung führend ist. Im Hinblick auf die in der Regel modalitätsübergreifenden Alterungsprozesse scheint es auch im Hinblick auf für die Abgrenzung zur kindlichen AVWS sinnvoll, für im höheren Lebensalter neu aufgetretene Störungen der zentralen Hörverarbeitung bei gleichzeitig altersgerechtem Reintonaudiogramm eher den Begriff der „zentralen Presby(a)kusis“ zu verwenden.


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3.4 Einfluss kognitiver Prozesse auf das Sprachverstehen

Um einer Unterhaltung erfolgreich folgen und am Gespräch teilhaben zu können, müssen Zuhörer und Sprecher das Gesagte nicht nur wahrnehmen und die einzelnen Worte auch unter ungünstigen komplexen Bedingungen (Nebengeräusche, Hall, hohes Sprechtempo, Akzent etc.) verstehen, sondern auch den Inhalt im Kontext erfassen, mit dem eigenen Vorwissen abgleichen und eine Antwort formulieren. Auf kognitiver Ebene erfordert dies unter anderem, die Aufmerksamkeit auf dem Zielsignal zu halten, dieses im Arbeitsgedächtnis zu speichern und mit dem Langzeitgedächtnis abzugleichen – und zwar so zügig wie möglich, um dem weiteren Konversationsverlauf folgen zu können. Arbeitsgedächtnis, Exekutivfunktionen und Verarbeitungsgeschwindigkeit werden daher als wichtigste kognitive Faktoren für das Sprachverstehen insbesondere im Störgeräusch gesehen [96] und einer Vielzahl von Studien untersucht (z. B. Exekutivfunktionen und Aufmerksamkeit [97] [98], Verarbeitungsgeschwindigkeit und Arbeitsgedächtnis [87]). Der Bedeutung auditiver und kognitiver Faktoren sowie deren Interaktion für die Qualität des Sprachverstehens wird in den letzten 10–20 Jahren vermehrt Rechnung getragen, so dass sich der Begriff „Cognitive Hearing Science“ etabliert hat [99].

3.4.1 Inhibitionskontrolle

Im Informationsverarbeitungsmodell von Wingfield und Tun [17] ([Abb. 2]) symbolisiert der „Aufmerksamkeitsfilter“ die Fähigkeit, in Gegenwart von Störgeräuschen oder konkurrierenden Sprechern selektiv einem einzelnen Signal zu folgen und damit bereits sehr früh in dem Prozess die weitere Verarbeitung der nicht-selektierten Sprachströme zu unterdrücken. Eine Störung der Inhibitionskontrolle z. B. im Rahmen des normalen Alterns limitiert diese Fähigkeit und kann dadurch das Sprachverstehen beeinträchtigen.

Auf Wortebene müssen die wahrgenommenen Phoneme mit dem mentalen Lexikon abgeglichen werden. Der Erfolg dieses lexikalischen Prozesses hängt von der Häufigkeit des Vorkommens eines Wortes innerhalb einer Sprache sowie der Anzahl der Worte, mit überlappenden Phonemen (Nachbarschaftsdichte) ab. Das Nachbarschafts-Aktivierungs-Modell (Neighborhood Activation Model, [100]) stellt die Theorie auf, dass die korrekte Worterkennung umso einfacher ist, je häufiger ein Wort innerhalb einer Sprache vorkommt (hohe Frequenz) und je weniger Worte mit überlappenden Phonemen vorhanden sind (geringe Nachbarschaftsdichte). Bei Worten mit hoher Nachbarschaftsdichte sind demnach mehr Kompetitoren vorhanden, die vom Zuhörer unterdrückt werden müssen, um einen korrekten Wortabruf zu ermöglichen. Untersuchungen zum Nachbarschaftsdichteeffekt konnten zeigen, dass bei älteren Erwachsenen ein signifikanter Zusammenhang zwischen Maßen der Inhibitionskontrolle und Sprachverstehen im Störgeräusch besteht (z. B. [101]). Zudem sind mit zunehmendem Alter häufig vorkommende konkurrierende Worte stärker intrusiv, d. h. sie werden häufiger fälschlich als Zielsignal erkannt [102] [103].


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3.4.2 Arbeitsgedächtnis

In der Kognitionspsychologie wird das Arbeitsgedächtnis als eine limitierte Ressource gesehen, die es erlaubt, Informationen im unmittelbaren Gedächtnis zu halten und zu verarbeiten [104]. Bei der phonologischen Analyse wird dem Arbeitsgedächtnis eine bedeutende Rolle als Schnittstelle zum Langzeitgedächtnis zugeschrieben. Um zu erklären, warum in manchen Situationen Sprachverstehen mühelos gelingt, während in anderen eine vermehrte Höranstrengung erforderlich ist, entwickelten Rönnberg et. al das „Ease of Language Understandig“ (ELU) Modell (siehe [105] für eine umfassende Übersicht): Das ankommende, multimodale Signal wird schnell und automatisch (innerhalb von 180–200ms [16]) mit dem mentalen Lexikon abgeglichen. Findet sich eine Mindestanzahl übereinstimmender phonologischer Attribute, schreitet der implizite lexikalische Prozess schnell fort, das Signal wird verstanden. Wird keine Übereinstimmung erreicht, muss unter Zuhilfenahme des Arbeitsgedächtnisses explizit auf semantisches und episodisches Langzeitgedächtnis zugegriffen werden, um die Sprachverarbeitung zu ermöglichen. Ist das Eingangssignal schwer verständlich – z. B. aufgrund einer Hörstörung oder ungünstiger akustischer Umgebung – muss es länger im Arbeitsgedächtnis gehalten und mehr kognitive Ressourcen aufgebracht werden, um das Gesagte zu verstehen, die Höranstrengung steigt [106]. Insbesondere für das Sprachverstehen im Störgeräusch konnte eine signifikante Abhängigkeit von der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses gezeigt werden, und zwar unabhängig vom Lebensalter [107] [108].


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3.4.3 Bedeutung des Kontextes

Der phonologische Abgleich kann durch Zuhilfenahme kontextueller Information erleichtert werden und eine partielle Kompensation der durch eine Hörstörung hervorgerufenen Defizite ermöglichen: Benichov et al. [109] wiesen beispielsweise nach, dass Hörverlust zwar einen signifikanten Einfluss auf das Sprachverstehen im Störgeräusch hat, dieser aber mit zunehmender Auftretenswahrscheinlichkeit des Zielwortes im Kontext des Satzes abnimmt. Gleichzeitig waren sowohl Alter als auch kognitive Leistungsfähigkeit (insbesondere Arbeitsgedächtnis als auch Verarbeitungsgeschwindigkeit) signifikante Prädiktoren für das Sprachverstehen unabhängig vom Ausmaß der kontextuellen Information.

Im Alter zunehmende Defizite der Inhibitionskontrolle können wiederum dazu beitragen, dass akustisch unverständliche Worte häufiger fälschlich als innerhalb des Kontexts wahrscheinliche Äußerungen verstanden werden [110] [111] [112]. Eine neuere Studie von van Os et al. [113] konnte zeigen, dass auch ältere Versuchspersonen darüber hinaus in der Lage sind, ihr Antwortverhalten innerhalb eines Versuches rational anzupassen und sich beispielsweise mehr auf die akustische Information als den Kontext zu verlassen, wenn der angebotene Kontext irreführend ist.


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3.4.4 Höranstrengung

Wenn kognitive Ressourcen verwendet werden müssen, um ein gestörtes Sprachsignal zu verstehen, fehlen diese für andere Prozesse wie z. B. Enkodierung des Gehörten in das Gedächtnis. Das sogenannte „Framework for Unterstanding Effortful Listening“ (FUEL) [114] beschreibt erfolgreiches Sprachverstehen als abhängig von der Qualität des akustischen Stimulus, der Anforderung der Aufgabe und der Motivation des Zuhörers, die dafür notwendige Anstrengung aufzubringen. Vermehrte Höranstrengung kann nicht nur die vorhandenen kognitiven Ressourcen rascher erschöpfen, sondern auch die Motivation des Zuhörers reduzieren, diese Anstrengung überhaupt aufzubringen – und zwar auch, wenn die Äußerung selbst korrekt verstanden wurde.


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4. Hörstörungen bei häufigen neurodegenerativen Erkrankungen des höheren Lebensalters

4. 1 Neurokognitive Störungen

Als neurokognitive Störungen (neurocognitive disorder, NCD) werden Erkrankungen bezeichnet, die mit einem subjektiven oder objektiven Verlust zuvor vorhandener kognitiver Fähigkeiten in mindestens einer der 6 kognitiven Domänen komplexe Aufmerksamkeit, Exekutivfunktionen, Lernen und Gedächtnis, Sprache, perzeptiv-motorische Kognition, sozialen Kognition (Vgl. [Tab. 1]) einhergehen und nicht ausschließlich im Rahmen eines Delirs vorkommen bzw. durch eine andere vorhandene psychische Störung (wie z. B. Major Depression, Schizophrenie) erklärbar sind [3]. Im DSM-5 wird zwischen leichten (minor Form) und schweren (major) Formen unterschieden, die auf einem Kontinuum kognitiver und funktioneller Beeinträchtigungen gesehen werden: Bei der minoren NCD liegen moderate kognitive Leistungseinbußen vor, die jedoch nicht die Fähigkeit zur selbstständigen Verrichtung von Alltagsaktivitäten beeinträchtigen, wobei größere Anstrengungen oder Kompensationsstrategien notwendig sein können. Eine major NCD liegt vor, wenn die kognitive Leistung erheblich abgenommen hat und die Unabhängigkeit in der Verrichtung alltäglicher Aktivitäten beeinträchtigt. Die Beeinträchtigung der Alltagsaktivitäten kann dabei leicht (lediglich instrumentelle Aktivitäten wie Hausarbeit, Umgang mit Geld beeinträchtigt), mäßig (Einschränkungen bei Grundlegenden Alltagsaktivitäten wie Nahrungsaufnahme, Ankleiden) oder schwer (vollständige Abhängigkeit) sein. Die majore NCD soll damit den weitverbreiteten, und teilweise stigmatisierenden Begriff der Demenz ablösen. Für die Mehrzahl der neurokognitiven Störungen sind spezifische pathophysiologische Prozesse bekannt, die eine weitere Spezifizierung sowohl minorer als auch majorer NCD erlauben ([Tab. 2]).

Tab. 2 Spezifische Ätiologie der neurokognitiven Störung (neurocognitive disorder, NCD) im DSM-5 [3].]

Minore/Majore NCD aufgrund …

Alzheimer-Erkrankung

Frontotemporaler Lobärdegeneration

Lewy-Körper Demenz

Vaskulärer Erkrankung

Schädel-Hirn-Trauma

Substanz-/Medikamentenkonsum

HIV-Infektion

Prionen-Erkrankung

Parkinson-Erkrankung

Huntington-Erkrankung

Anderer medizinischer Krankheitsfaktor

Multipler Ätiologien

Nicht näher bezeichnet

4.1.1 Sozioökonomische Bedeutung

Neurokognitive Störungen betreffen überwiegend das höhere Lebensalter, so dass mit dem demografischen Wandel ein weltweiter Anstieg der Betroffenen erwartet wird. Basierend auf Daten der Global Burden of Disease Study 2019[115] wurde die Zahl an Demenzkranken weltweit 2019 auf 55,4 Millionen geschätzt, Vorausberechnungen erwarten einen Anstieg auf 152,8 Millionen Betroffene im Jahr 205 [116]. In einzelnen Regionen wurden jedoch auch Rückgänge der Neuerkrankungen beobachtet: Eine aktuelle Analyse der Inzidenzrate der letzten 25 Jahre für Europa und Nordamerika ergab eine Abnahme der Demenzinzidenz 13% pro Dekade [252]. Nach Angaben der deutschen Alzheimer Gesellschaft waren Ende 2021 in Deutschland ca. 1,8 Millionen Menschen von einer Demenz betroffen, die überwiegende Zahl (1,7 Millionen) waren über 65 Jahre alt [117], Frauen waren doppelt so häufig erkrankt, wie Männer. Die Zahl der Neuerkrankungen in der Altersgruppe 65+wurde auf 436 000 geschätzt [117]. Bis zum Jahr 2050 wird ein Anstieg auf 2,8 Millionen Betroffene erwartet. Durch den demografischen Wandel wird gleichzeitig die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter, die Demenzkranke pflegen oder für deren Pflege aufkommen erheblich zurückgehen [118].

In Anbetracht dieser großen gesellschaftlichen Herausforderung kommt der Prävention besondere Bedeutung zu. Durch ein Expertenkonsortium wurden zuletzt 12 potentiell modifizierbare Risikofaktoren identifiziert, die zusammen knapp 40% aller Demenzen erklären ([Tab. 3]). Schwerhörigkeit ist dabei der wichtigste Risikofaktor im mittleren Lebensalter.

Tab. 3 Modifizierbare Risikofaktoren für das Entwickeln einer Demenz nach [23].

Zeitpunkt

Risikofaktor

Relatives Risiko

Attributables Risiko* 

Jüngeres Lebensalter (<45 Jahre)

Bildung

1,6

7,1%

Mittleres Lebensalter (45–65 Jahre)

Schwerhörigkeit

1,9

8,2%

Schädelhirntrauma

1,8

3,4%

Bluthochdruck

1,6

1,9%

Übermäßiger Alkoholkonsum (>24 g/d)

1,2

0,8%

Adipositas (BMI ≥ 30)

1,6

0,7%

Höheres Lebensalter (>65 Jahre)

Rauchen

1,6

5,2%

Depression

1,9

3,9%

Soziale Isolation

1,6

3,5%

Körperliche Inaktivität

1,4

1,6%

Luftverschmutzung

1,1

2,3%

Diabetes

1,5

1,1%

 *das attributable Risiko gibt an, um welchen Prozentsatz man die Krankheitshäufigkeit senken kann, wenn man den Risikofaktor vollständig ausschaltet; BMI=Body-Mass-Index.

Gesellschaftliche Veränderungen wie verbesserte Bildung sowie Anpassungen des individuellen Lebensstils könnten demnach zu einer erheblichen Reduktion des Demenzrisikos und damit Verbesserung der Lebensqualität im höheren Lebensalter beitragen. Norton et al. [119] schätzten beispielsweise, dass bereits eine Prävalenzreduktion von 10–20% jedes einzelnen Risikofaktors pro Dekade die Zahl der weltweiten Alzheimer- Erkrankten im Jahr 2050 um 8,8–16,2 Millionen senken könnte.

Die 2020 verabschiedete nationale Demenzstrategien versucht, den steigenden gesellschaftlichen Anforderungen durch Demenzerkrankungen Rechnung zu tragen und hat zum Ziel, Leben und Versorgung von Menschen mit Demenz in Deutschland zu verbessern. Ein konkretes Maßnahmenpaket für die Umsetzung von Präventionsstrategien auf Basis der o.g. Risikofaktoren fehlt jedoch bis dato [120].


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4.2 Alzheimer-Erkrankung

Die Alzheimer-Erkrankung (englisch Alzheimer Disease, AD) ist mit einem geschätzten Anteil von ca. 2/3 die häufigste Ursache einer major NCD [121]. Es handelt sich um eine fortschreitende neurodegenerative Erkrankung mit charakteristischen biologischen Veränderungen, die vorrangig mit Störungen des Gedächtnisses einhergeht und in eine Demenz mündet [121]. Biologisches Merkmal ist die zunehmende Ablagerung von β-Amyloid- und Tau-Proteinen im Gehirn der Betroffenen. Ca. 95% der Fälle treten sporadisch und meist nach dem 65. Lebensjahr auf („late onset Alzheimer Disease, LOAD), in weniger als 5% der Fälle zeigen sich erste Symptome vor dem 60. Lebensjahr („early onset Alzheimer Disease, EOAD) [122]. Die sporadische Form schreitet meist langsam über Jahre bis Jahrzehnte fort, während bei der EOAD häufig raschere Verläufe beobachtet werden. Der wichtigste genetische Risikofaktor für die sporadische Erkrankung ist das sog. ApoE-ε4-Allel des Gens für Apoplipoprotein E, welches am Fettstoffwechsel beteiligt ist und eine Rolle bei der Amyloid-Ablagerung spielt. Für den frühen Erkrankungsbeginn wurde bisher 3 Gene (Presenilin-1, Presenilin-2, Amyloid-Precursor-Protein) als Risikofaktoren identifiziert [121], die in ca. 1% aller Alzheimer-Erkrankten familiär gehäuft auftreten. Im Verlauf der Erkrankung sammelt sich β-Amyloid zwischen den Nervenzellen an, zunächst in Form von Oligomeren, später als Amyloid-Plaques, es kommt zu einer Störung der Nervenzellfunktion und damit verbunden zur Entwicklung der klinischen Symptomatik. Seit ca. 20 Jahren können Unterformen des β-Amyloids im Liquor nachgewiesen und als Biomarker für die AD eingesetzt werden (Aβ42 und Aβ42/Aβ40- Ratio). Neben den extrazellulären Amyloid-Ablagerungen finden sich typischerweise intrazelluläre Ablagerungen von fehlerhaften Tau-Proteinen als Neurofibrillenbündel oder „Tangles“. Im Liquor können Gesamt-Tau und Phospho-Tau-Konzentration bestimmt werden. Ersteres weißt auf einen unspezifischen Nervenzellschaden hin und kann auch bei anderen neurodegenerativen Erkrankungen oder Schlaganfällen erhöht sein. Phospho-Tau (pTau) hingegen ist ausschließlich bei der AD deutlich erhöht. Die Deutsche S3-Demenz-Leitlinie empfiehlt daher zur Differenzierung von neurodegenerativen und anderen Ursachen bei unklaren Demenzen die kombinierte Bestimmung von Aβ42, Gesamt-Tau und pTau [123].

Die Amyloid-Ablagerungen können darüber hinaus auch mit einer Positronen-Emissions-Tomografie (Amyloid-PET) sichtbar gemacht werden.

Klinisches Leitsymptom sind langsam fortschreitende Störungen vorrangig von Lernen und Gedächtnis, aber auch Aufmerksamkeit sowie örtlicher und zeitlicher Orientierung [[121] [122]. Radiologisch findet man neben einer allgemeinen Hirnvolumenminderung typischerweise eine Atrophie des medialen Temporallappens, insbesondere des Hippocampus [124]. In etwa 10% der Fälle manifestiert sich die Erkrankung mit atypischen Symptomen wie Verlust von visuell-räumlichen Fähigkeiten (Posteriore parietale Atrophie, Benson-Syndrom) [125], oder als frontale oder logopenische Variante [126] [127], die beide den typischen fronto-temporalen Demenzen ähneln. Parieto-temporale Stoffwechselstörungen können mit der Fluorodeoxyglukose-PET (FDG-PET) sichtbar gemacht werden und bei der Diagnosesicherung unterstützen, eine sichere Zuordnung zur Alzheimer-Erkrankung ist jedoch nur bei Vorliegen weiterer Marker wie typischen Liquorveränderungen oder positiver Amyloid-PET möglich . Die kognitiven Funktionsverluste werden in der Regel von neuropsychiatrischen Symptomen, wie z. B. Teilnahmslosigkeit, Unruhe, Angstzustände, Schlafstörungen und Depression begleitet.

Die Alzheimer-Erkrankung wird heute als Kontinuum verstanden, da die biologischen Prozesse schon Jahre bis Jahrzehnte vor dem Auftreten der ersten Symptome beginnen und mit zunehmender Ausprägung im Verlauf kognitive Veränderungen nach sich ziehen. Aufgrund der biologischen Marker ist es möglich, Patienten bereits im präklinischen Stadium bzw. im Stadium einer leichten kognitiven Störung (minor NCD bzw. mild cognitive impairment, MCI) als Betroffene der Alzheimer Krankheit zu identifizieren.

4.2.1 Schwerhörigkeit und Alzheimer-Erkrankung

Bereits 1993 berichteten Sinha et al. [128] über die Beteiligung des auditiven Systems an der Alzheimer-Erkrankungen. Amyloid-Plaques und intrazelluläre Neurofibrillen wurde im Corpus geniculatum mediale und Colliculus inferior, primär auditorischem Cortex sowie auditorischen Assoziationsarealen nachgewiesen. Als funktionelles Merkmal der temporo-parietalen Veränderungen im Rahmen der Alzheimer-Erkrankung wird eine Störung der auditorischen Szenen-Analyse, d. h. der Fähigkeit, auditorische Objekte – z. B. einen Sprecher – zu identifizieren und auch in Gegenwart von Störgeräuschen zu folgen, gesehen [129] [130] [131] [132] [133]. Goll et al. [129] konnten beispielsweise nachweisen, dass Alzheimer-Patienten im Vergleich zu Gesunden mit vergleichbarer peripherer Hörschwelle unter Berücksichtigung der non-verbalen Arbeitsgedächtnisleistung, spektral und zeitlich veränderte Umweltgeräusche signifikant schlechter unterscheiden können, während die Fähigkeit zur Wahrnehmung von Tonhöhe und Timbre gleich blieb. Auch Coeberg et. al [134] konnten bei Patienten mit milder Alzheimer-Erkrankung im Vergleich zu Gesunden signifikant häufiger eine auditorische Agnosie für Umweltgeräusche feststellen: 37% der Patienten wiesen dabei eine Störung der Erkennung, 57% der Benennung der Testgeräusche auf. Die mittlere Hörschwelle der von der Agnosie betroffenen Patienten war dabei signifikant höher, und zwar unabhängig vom Lebensalter. D.h. peripherer Hörverlust erhöht in Kombination mit der Alzheimer-Pathologie die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten weiterer, zentral auditorischer Defizite (in dieser Studie Odds Ratio 13,75 gegenüber Gesunden).

Uhlmann et al. [135] beschrieben bereits 1986 einen Zusammenhang von peripherem Hörvermögen und signifikant rascherem kognitiver Leistungsverlust bei AD. In einer Langzeituntersuchung von 639 bei Studieneinschluss kognitiv gesunden Individuen [136] zeigte sich für jeden Anstieg der mittleren Hörschwelle um 10 dB eine Zunahme des Demenz-Risikos um 20%. Aufgeschlüsselt nach Hörverlustgrad ergab sich eine Hazard Ratio von 1,89 für geringen, 3,00 für mittelgradigen sowie 4,94 für hochgradigen Hörverlust. Eine Metaanalyse von 33 Studien bestätigte den Zusammenhang von peripherem Hörvermögen und kognitiver Funktion [137]: Die kognitive Leistungsfähigkeit von Patienten mit Schwerhörigkeit war geringer, als bei Hörgesunden, und zwar unabhängig davon, ob der Hörverlust behandelt wurde, oder nicht. Dennoch war bei den Individuen mit behandelten Hörstörung die Differenz zu den Hörgesunden um mehr als die Hälfte geringer. Schwerhörigkeit wirkte sich dabei auf alle untersuchten kognitiven Domänen (Aufmerksamkeit, Verarbeitungsgeschwindigkeit, Arbeitsgedächtnis, Langzeitgedächtnis, Exekutivfunktionen, semantisches und lexikalisches Wissen) negativ aus, allerdings war die Effektstärke gering (Varianzaufklärung zwischen 4–6%).

Für zentrale Hörstörungen konnte ein ähnlicher Zusammenhang gezeigt werden: Bereits 1996 berichteten Gates et al. [138] ein 6-fach höheres Demenz-Risiko für Patienten mit zentraler Hörstörung, weitere große longitudinale und Querschnittsstudien kamen zu ähnlichen Ergebnissen [139] [140] [141] [142] [143]. Insbesondere zentrale Hörstörungen wurden deshalb als mögliche Vorboten einer späteren Demenz diskutiert [133] [138] [140] [144]. Eine aktuelle Metaanalyse [145] kam zu dem Schluss, dass eine Reihe von subjektiven audiometrischen Verfahren zur Beurteilung der zentral-auditiven Verarbeitung (u. a. Sprache im Störgeräusch, Dichotisches Hören/binaurale Verarbeitung, zeitkomprimierte Sprache) zwar gut zwischen normalem kognitivem Altern und milder kognitiver Beeinträchtigung bzw. Alzheimer-Demenz unterscheiden können, eine sichere Differenzierung zwischen MCI und dementiellem Stadium einer Alzheimer-Erkrankung bisher jedoch nicht möglich ist. Ob darüber hinaus in der präklinischen Phase der Alzheimer-Erkrankung ohne kognitiven Funktionsverlust diese Untersuchungen zu einer früheren Diagnose als durch die aktuell bekannten neurologischen und biologischen Marker beitragen kann, bleibt offen [146].

Auditorische ereigniskorrelierte Potentiale könnten möglicherweise diese Lücke schließen: An einer Untersuchung von 26 Patienten mit positiver Familienanamnese für AD konnte gezeigt werden, dass Träger von Mutationen im Presenilin-1 und APP-Gen im Gegensatz zu den Probanden mit positiver Familienanamnese aber ohne Mutationsnachweis bereits signifikante Veränderungen in zentralen auditorischen Potentialen zeigen, noch bevor kognitive Defizite klinisch manifest werden [147]. Die in dieser Studie nachgewiesene Latenzverzögerung der späten auditorisch-evozierten Potentiale N100, P200, N200 und P300 wurde als elektrophysiologisches Zeichen der Verlangsamung der kortikalen Informationsverarbeitung gewertet. Eine spätere Metaanalyse von Morrison et al. [92], bei der zwischen 2005 und 2017 publizierte Studien zu auditorisch evozierten Potentialen bei über 60-jährigen Patienten evaluiert wurden, kam zu dem Schluss, dass P300 und N200 geeignete elektrophysiologische Marker für die Unterscheidung zwischen normalem kognitivem Altern, milder kognitiver Beeinträchtigung und Alzheimer-Demenz sind.


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4.3 Parkinson-Syndrom (PS)

Der M. Parkinson ist nach der Alzheimer Erkrankung die häufigste neurodegenerative Erkrankung [148] [149]. Nach einer aktuellen epidemiologischen Schätzung basierend auf Krankenversicherungsdaten von 3,7 Millionen Versicherten waren im Jahr 2015 ca. 420000 Menschen in Deutschland betroffen [150], die standardisierte Prävalenz lag bei 511,4/100.000.

Die Inzidenz nimmt mit wachsendem Lebensalter zu: Während bei den 65-jährigen etwa 50/100.000 betroffen sind, findet man in der Altersgruppe ab 85 Jahren etwa 400/100.000 Erkrankte [151]. Durch den demographischen Wandel aber auch frühere Erkennung wird ein Anstieg der von einem Parkinson-Syndrom Betroffenen in der EU auf ca. 4,25 Millionen für das Jahr 2050 erwartet [152]. Das Parkinson-Syndrom (PS) umfasst eine ätiologisch und phänotypisch heterogene Gruppe von Erkrankungen: Neben dem idiopathischen Parkinson-Syndrom (IPS, ca. 75% aller Fälle), unterscheidet man genetische Formen sowie Parkinson-Syndrome im Rahmen anderer neurodegenerativer Erkrankungen (atypisches PS, Multisystematrophie, Demenz vom Lewy-Körper-Typ, progressive supranukleäre Blickparese, kortikobasale Degeneration) und symptomatische (sekundäre) Parkinsonsyndrome (medikamenteninduziert, posttraumatisch, toxisch, metabolisch, entzündlich, tumorbedingt) [153] [154] [155] [156]. Neben den motorischen Kardinalsymptomen (Akinese/Bradykinese, Ruhetremor, Rigor und posturale Instabilität) können vielfältige sensorische, vegetative, psychische und kognitive Begleitsymptome auftreten und die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen [157] [158]. Kognitive Störungen betreffen vor allem exekutive Funktionen, wie planendes, vorrausschauendes Denken, Arbeitsgedächtnis sowie Schwierigkeiten, die Aufmerksamkeit zwischen verschieden Aufgaben zu wechseln.

Die Häufigkeit der sog. Parkinson-Demenz wird in internationalen Querschnittstudien zwischen 20–44% geschätzt, was einem 3–6fach höherem Erkrankungsrisiko für Parkinsonpatienten gegenüber Nicht-Betroffenen entspricht [159] [160]. In einer deutschen Querschnittsstudie an 873 Patienten mit idiopathischem Parkinsonsyndrom erfüllten 28,6% der Patienten die Diagnosekriterien einer Demenz nach DSM-5, wobei die Häufigkeit mit zunehmenden Lebensalter sowie Krankheitsstadium erheblich zunahm [158]. Die Britische CamPaIGN-Studie verfolgte 142 Patienten, bei denen ein IPS zwischen 2000 und 2002 neu diagnostiziert wurde [161], 46% dieser Population entwickelte innerhalb des Nachverfolgungszeitraums von 10 Jahren eine Demenz, auch hier waren unter anderem Alter bei der Diagnose sowie das Erkrankungsstadium wesentliche prognostische Faktoren.

4.3.1 Schwerhörigkeit und Parkinson

Hörverlust wird als ein weiteres nicht-motorisches Begleitsymptom des Parkinson-Syndroms diskutiert [162] [163] [164] [165] [166]. Mehrere Studien konnten zeigen, dass Schwerhörige häufiger unter Parkinson leiden [162] [167]. In der Tonaudiometrie findet man vorwiegend Hochtonverluste [168] [169] [170] [171] die das Ausmaß einer reinen Presbyakusis überschreiten [169] [172] [173] [174] [175]. Eine britische Fallkontrollstudie an 55 Patienten mit PS und frühem Erkrankungsbeginn (≤ 55 Jahre) fand bei 64,7% der Patienten und 28% der alters- und geschlechts-angepassten Kontrollgruppe ein- oder beidseitig von der Altersnorm abweichende Hörschwellen [169]. In der Hirnstammaudiometrie fand sich in dieser Studie kein Unterschied zwischen beiden Gruppen, so dass die Autoren von einer rein cochleäre Beteiligung ausgingen. Die Vermutung einer dopamin-abhängigen cochleären Dysfunktion wird vom Nachweis reduzierter DPOAE-Amplituden gestützt, die sich unter Levodopa-Substitution besserten [172], in dieser Studie korrelierte die DPOAE-Dysfunktion mit dem klinischen Schweregrad des Parkison-Syndroms. Eine andere Arbeitsgruppe fand zusätzlich signifikante Seitenunterschiede: Die cochleäre Funktion, gemessen mit DPOAE und Reintonaudiometrie, war bei Parkinsonpatienten nicht nur schlechter, als bei der gleichaltrigen Kontrollgruppe, sondern auch auf dem ipsilateral Ohr der Motorsymptome signifikant stärker ausgeprägt [176].

Über tonaudiometrische Veränderungen hinaus werden Schwierigkeiten bei der Wahrnehmung von Rhythmus und tonalen Unterschieden [177] [178] berichtet.

Eine Reihe von Studien konnten Veränderung von Morphologie, Latenz und Interpeak-Intervallen der frühen akustischen-evozierten Potentiale (FAEP, engl. auditory brainstem response, ABR) bei Parkinson-Patienten nachweisen [168] [179] [180]. Ebenso fanden sich reduzierte Amplituden und verlängerte Latenzen der vestibulär evozierten Potentiale (VEMP) [179] [181] [182]. Das ereigniskorrelierte Potential P3 ist geeignet, Stadium und Verlauf des Parkinson-Syndrom zu erfassen. Der Versuchsperson werden dabei Sequenzen repetitiver Standard-Reize angeboten, die selten durch einen abweichenden Stimulus unterbrochen werden (sog. Oddball-Paradigma). Das dabei evozierte Potential (P300, P3a, P3b) ist von Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis abhängig und scheint deshalb geeignet, die Beeinträchtigung exekutiver Funktionen bei M. Parkinson zu erfassen [183] [184] [185] [186] [187]. Mit zunehmendem Schweregrad kommt es dabei zu einer Amplitudenreduktion sowie Verlängerung der Latenz, so dass Patienten mit und ohne Parkinson-Demenz elektrophysiologisch unterschieden werden können [188] [189].

Obwohl auditorische Reize und Musik zur Behandlung von Parkinson-bedingten Gangstörungen und posturaler Instabilität eingesetzt werden [190] [191] [192] wird in Therapiestudien die Bedeutung der Hörrehabilitation für Parkinsonpatienten nicht diskutiert.


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5. Zusammenhang von Schwerhörigkeit und kognitivem Funktionsverlust

Die Bedeutung kognitiver Prozesse für das Sprachverstehen insbesondere in anspruchsvollen Hörsituationen ist gut etabliert, altersbedingte Defizite führen zu Einschränkungen der Kommunikationsfähigkeit, sozialer Isolation und damit verbunden zu psychischer Belastung und reduzierter Lebensqualität. Die Frage nach einem möglichen kausalen Zusammenhang zwischen Hörverlust und reduzierten kognitiven Fähigkeiten bis hin zur manifesten Demenz ist in den letzten Jahren immer stärker in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen gerückt (wegweisende Übersichtsarbeiten z. B. [53] [146] [166] [193] [194] [195] [196]). Die Analyse bereits publizierter Studienergebnisse wird durch die große Heterogenität der erhobenen Daten erschwert, sowohl im Hinblick auf die audiologischen und kognitiven Parameter, als auch auf die untersuchten Gruppen, erfassten Einflussfaktoren und Beobachtungsdauer.

In der Regel wird die Reintonhörschwelle für die Beurteilung des (peripheren) Hörverlustes eingesetzt, jedoch bestehen bereits hier Unterschiede in der Gruppierung der eingeschlossenen Probanden, je nachdem nach welcher Methode zwischen Versuchspersonen mit und ohne Hörverlust differenziert wurde.

Auf Basis von 3 Langzeitstudien[136] [197] [198] (mindestens 5 Jahre Nachbeobachtungsdauer) von Versuchspersonen ohne kognitive Beeinträchtigung mit tonaudiometrisch bestimmter Hörschwelle berechnete die Lancet Commission [24] [25] ein relatives Risiko von 1,9 für das Entwickeln einer Demenz beim Vorliegen einer Hörstörung (definiert als Hörverlust von mehr als 25 dB HL im Reintonaudiogramm) im mittleren Lebensalter (55 Jahre und älter) gegenüber Normalhörenden. Schwerhörigkeit im mittleren Lebensalter wurde als der wichtigste modifizierbare Risikofaktor für das Entwickeln einer Demenz identifiziert.

Nur wenige Untersuchungen befassen sich explizit mit dem Zusammenhang zentraler Hörstörungen und Demenz bzw. kognitiven Defiziten im Alter. In einer Metaanalyse von Dryden et al. [199] konnte 25 Studien identifiziert werden, die den Zusammenhang zwischen kognitiver Leistungsfähigkeit und Sprachverstehen im Störgeräusch als Maß für eine zentrale Hörstörung untersuchten. Sowohl für die Untergruppe der Studien, die ausschließlich peripher normalhörende Personen einschlossen (16 Arbeiten) als auch Studien, die darüber hinaus auch Probanden mit einer maximal mittelgradigen Hörminderung im Reintonaudiogramm (maximal 70 dB HL, 9 Studien) zuließen, zeigte sich insgesamt eine schwache Assoziation (r=0,31 [Normalhörende], r=0.32 [bis zu mittelgradige Schwerhörigkeit]) von kognitiver Funktion und Sprachverstehen im Störgeräusch. Aufgeschlüsselt nach kognitiven Domänen wurden die stärkste Assoziation für die Verarbeitungsgeschwindigkeit (r=0,39), gefolgt von Inhibitionskontrolle (r=0,34) und Arbeitsgedächtnis (r=0,28) und episodischem Gedächtnis (r=0.26) gesehen, während globale Maße der kristallinen Intelligenz einen deutlich schwächeren Zusammenhang (r=0,18) zeigten.

Wayne und Johnsrude [194] führen aus, dass die Verwendung globaler kognitiver Screening-Tests wie dem Montreal Cognitive Assessment (MoCa, [200]), dem Mini-Mental-Status-Test (MMST, [201]) sowie dem modifizierten Mini-Mental State Test (3MS, [202]) bei normal-alternden Personen nur wenig Variabilität zeigt, und so die Auswirkung von Hörminderung auf kognitive Funktion unterschätzt werden könnten.

Gleichzeitig kann das Vorliegen einer Hörstörung die Durchführung von Kognitionstests beeinträchtigen und zu einer Überschätzung des vorliegenden kognitiven Defizits führen, insbesondere wenn die Instruktionen verbal erteilt werden, wie mehrere Untersuchungen an Normalhörenden, kognitiv gesunden Probanden mit simuliertem Hörverlust zeigte [203] [204] [205]. Für einige Test wurden daher spezielle Versionen für Hörgeschädigte entwickelt, die zukünftig bevorzugt Einsatz finden sollten. Für eine umfassende Übersicht hierzu sei auf die aktuelle Arbeit von Völter et. al [206] verwiesen.

5.1 Erklärungsmodelle für die Interaktion von Hören – Kognition

Um den Zusammenhang zwischen (altersbedingter) Hörminderung und kognitivem Funktionsverlust zu erklären, werden eine Reihe von Modellen diskutiert, die im Folgenden kurz erläutert werden sollen. Eine umfassende Übersicht bietet die Arbeit von Wayne und Johnsrude [194].

5.1.1 Modell 1: Kognitiver Funktionsverlust führt zu Hörstörung

(engl. “Cognitive load on perception hypothesis“) Hierbei wird ein kognitiver Funktionsverlust infolge von Alterungsprozessen postuliert, wodurch die Belastung steigt und nicht mehr ausreichend Ressourcen für die Verarbeitung von sensorischer Information zur Verfügung stehen. Dies führt zu einer audiometrisch messbarer Hörverschlechterung [207] [208]. Eine Studie von Kiely et al. [209] scheint diese Theorie zu stützen: die Autoren kamen nach Analyse von Längsschnittdaten von insgesamt 4221 Probanden zu dem Ergebnis, dass neben dem Alter und Bluthochdruck auch ein Ergebnis von weniger als 24 Punkten im MMST zu den unabhängigen Prädiktoren der jährlichen Hörschwellenverschlechterung gehört. Ex post bleibt unklar, inwiefern die Hörstörung selbst das Testergebnis beeinträchtigt hat, da der verwendete Test auditiv präsentiert wurde ([Abb. 4a]).

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Abb. 4 Erklärungsmodelle zum Zusammenhang von Altersschwerhörigkeit und kognitivem Funktionsverlust: a) Kognitiver Funktionsverlust führt über die gestörte Verarbeitung von sensorischer Information zu einer messbaren Hörstörung b) Der altersbedingte Hörverlust degradiert die für die weitere Verarbeitung zur Verfügung stehende Information. Zur Kompensation werden temporär kognitive Ressourcen genutzt, die dann für andere kogntive Prozesse nicht mehr zur Verfügung stehen. Dieser Prozess ist durch eine Hörhilfenversorgung und damit Verbesserung des Informationsangebotes potentiell reversibel. c) Die mit der Presbyakusis verbundene sensorische Deprivation führt zu permanenten strukturellen Hirnveränderungen und dauerhaftem kognitiven Funktionsverlust d) Gemeinsame endo- und exogene Ursache(n) führen sowohl zu einem kognitiven Funktionsverlust, als auch Presbyakusis.

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5.1.2 Modell 2: Informations Degradation führt zu reversiblem kognitiven Funktionsverlust

(engl. „Information degradation hypothesis“) Diese Modell geht davon aus, dass ein reduziertes oder gestörtes peripheres Hörvermögen eine Aufwärtskaskade auslöst, bei der zur Kompensation der Hörstörung kognitive Ressourcen herangezogen werden, die dadurch nicht mehr für andere kognitive Prozesse zur Verfügung stehen [207] [210]. Die Evidenz für diese Annahme ist hoch, beispielsweise konnten mehrere Studien zeigen, dass sich die Fähigkeit, Worte oder Sätze zu erinnern, während eines anspruchsvollen Wahrnehmungsexperimentes bei älteren Probanden verschlechtert [17] [211]. Die damit verbundene vermehrte Höranstrengung hat negative Auswirkungen auf Arbeitsgedächtnis und Inhibitionskontrolle [17]. Der kognitive Verlust in diesem Modell ist reversibel – es wird angenommen, dass eine Verbesserung des peripheren Inputs z. B. durch einen Ausgleich der Hörminderung durch Hörhilfen, eine zumindest teilweise Wiederherstellung der kognitiven Leistungsfähigkeit möglich ist. ( [Abb. 4b])


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5.1.3 Modell 3: Sensorische Deprivation führt zu dauerhaftem kognitivem Funktionsverlust

(engl. „Sensory deprivation hypothesis“) Dieses Modell nimmt an, dass eine dauerhafte Ressourcenverschiebung zur Kompensation perzeptiver Defizite zu einem permanentem kognitiven Funktionsverlust führt. Als mögliche Mechanismen werden ein neuroplastischer Umbau in zentral auditiven Gebieten sowie neurovaskuläre und neurophysiologische Änderungen ähnlich denen von Demenzerkrankungen postuliert [106] [212] [213] [214]. Für angeborene oder früh erworbene Hörverluste sind die damit verbundenen neuroplastischen Veränderungen bereits gut etabliert [215] [216], die kognitive Leistungsfähigkeit ist jedoch davon nur wenig betroffen [217]. Sensorische Deprivation allein ist damit als Erklärungsmodell für kognitiven Verlust im Alter nicht ausreichend. ([Abb. 4c])


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5.1.4 Modell 4: Gemeinsame Ursache

(engl. „Common cause hypothesis“) Allgemeine, altersabhängige Neurodegenerationsprozesse könnten sowohl negative Konsequenzen für die kognitiver Leistungsfähigkeit als auch sensorische Wahrnehmung haben [207] [208]. Die Abnahme der Verarbeitungsgeschwindigkeit wird beispielsweise als ein solcher Generalfaktor diskutiert [218]. Neben genetischen Ursachen [219] werden cerebrovaskuläre Erkrankungen [220] und allgemeiner physischer Funktionsverlust als mögliche Mechanismen erwogen. ([Abb. 4d])


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5.1.5 Multifaktorielles Modell

Keine der o.g. Annahmen kann allein alle beobachteten Veränderungen im höheren Lebensalter erklären, eine Kombination mehrere Effekte ist am wahrscheinlichsten. Wayne und Johnsrude [194] postulierten daher ein multifaktorielles Modell, das die gegenseitige Abhängigkeit von sensorischen und kognitiven Prozessen illustriert ([Abb. 5]).

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Abb. 5 Multifaktorielles Modell zum Zusammenhang von Altersschwerhörigkeit und kognitivem Funktionsverlust (adaptiert und erweitert nach [194]. Alterungsprozesse betreffen sowohl das sensorische als auch das kognitive System. Altersbedingter Hörverlust führt zu einem sensorischen Defizit mit Störung der Wahrnehmung. Kompensationsmechanismen verstärken den Zugriff auf (ohnehin bereits durch Alterung reduzierte) kognitive Ressourcen. Die Kommunikationsstörung infolge der Wahrnehmungsstörung begünstigt Einsamkeit und sozialer Isolation, was negative psychosoziale Folgen (z. B. Depression) hat und potentiell die Gebrechlichkeit erhöht. Die kognitive Leistungsfähigkeit nimmt aufgrund der multiplen Belastungen ab.

Altersbedingte neurodegenerative Veränderungen erhöhen die kognitiven Anforderungen und führen in Kombination mit sensorischen Defiziten zu einer gestörten Wahrnehmung. Die Kompensation der Wahrnehmungsdefizite erhöht die kognitive Belastung, was zu Einbußen der geistigen Leistungsfähigkeit führen kann. Weitere sensorische Defizite (z. B. Seh- oder Gleichgewichtsstörung) verstärken die Beeinträchtigung. Die durch den Hörverlust bedingte Kommunikationsstörung begünstigt soziale Isolation, Einsamkeit und damit Depression und Gebrechlichkeit – letztere sind unabhängig vom Hörverlust weitere Risikofaktoren für kognitiven Funktionsverlust [53] [221].


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6. Kann Behandlung von Schwerhörigkeit die kognitive Beeinträchtigung reduzieren?

Aufgrund der breiten Verfügbarkeit von Hörsystemen wird die Behandlung des altersbedingten Hörverlustes als erreichbarer Angriffspunkt für die Demenzprävention wahrgenommen. Die Überprüfung der Wirksamkeit einer solchen Intervention ist jedoch mit besonderen Herausforderungen verbunden. Beispielsweise können im Rahmen einer Beobachtungsstudie nur schwer die Qualität der Hörsystemeinstellung sowie tägliche Tragedauer kontrolliert werden. Letzteres wird inzwischen durch die Möglichkeit des Data-Loggings innerhalb der Hörsysteme erleichtert. Eine aktuelle Untersuchung an Datensätzen von mehr als 15.000 Hörgerätenutzern konnte so die erhebliche inter- aber auch intraindividuelle Varianz der täglichen Tragedauer objektivieren [222]. Gleichzeitig spielen Faktoren wie sozioökonomischer Status, Bildungsstand, soziales Umfeld, Kommunikationsverhalten und Zugang zu Gesundheitsvorsorge sowohl für die Hörsystemnutzung als auch Risiko von kognitiven Einbußen eine Rolle, so dass eine unabhängige Beurteilung des Einflusses der Hörrehabilitation erschwert wird. Große Epidemiologische Altersstudien haben in der Vergangenheit zwar teilweise die Hörschwelle, nicht jedoch die systematische Nutzung von Hörhilfen mit erfasst (z. B. für den deutschen Sprachraum [223]).

Eine 2018 in den USA initialisierte, multizentrische, randomisiert-kontrollierte longitudinale Interventionsstudie an über 800 70–84-jährigen Personen ohne Demenz mit gering-mittelgradigem Hörverlust vergleicht die Wirksamkeit der Hörsystemversorgung vs. alleiniger Gesundheitsaufklärung bei paralleler Erfassung von audiologischen als Daten sowie der kognitiven Leistungsfähigkeit über einen Zeitraum von 3 Jahren (ACHIEVE-Studie, [224]) soll dieses Problem adressieren, der Abschluss wird jedoch erst frühestens Ende 2022 erwartet.

Bezüglich der verschiedenen Interventionsmöglichkeiten finden sich aktuell die meisten Daten zur konventionellen Hörgeräteversorgung, in den letzten Jahren zunehmend auch zur Cochlea-Implantat-Versorgung.

6.1 Hörgeräteversorgung

Die Lancet Commission [24] führt 3 aktuelle Studien an, um den möglichen präventiven Effekt einer Hörgeräteversorgung zur untermauern: In einer prospektiven Studie konnte ein Zusammenhang zwischen dem vermehrten Auftreten einer Demenz bei Probanden mit selbstberichteter Hörminderung innerhalb des Beobachtungszeitraumes von 25 Jahren nur gezeigt werden, wenn diese keine Hörgeräte trugen [225]. Die Querschnittsstudie von Ray et al. [226] fand ebenfalls kognitive Defizite nur bei der Untergruppe der Schwerhörigen, die keine Hörgeräte trug, allerdings unterschieden sich die untersuchten Gruppen erheblich hinsichtlich Alter und Ausmaß des Hörverlustes. Die Langzeitstudie von Maharani et al. [227] ergab eine Verlangsamung des altersbedingten Funktionsverlustes im episodischen Gedächtnis nach Beginn der Hörgeräteversorgung.

In einer umfangreichen systematischen Analyse von zwischen 1990 und 2020 publizierten Langzeitstudien zum Zusammenhang zwischen Hörgerätenutzung und kognitiven Funktion [228] kamen die Autoren zu dem Schluss, dass auf Basis der aktuellen Studienlage derzeit noch keine definitive Aussage über den präventiven Effekt der Hörgeräteversorgung möglich ist. Die Methodik der vorhandenen Studien ist extrem heterogen, von besonderer Bedeutung ist der allgemein kurze Nachbeobachtungszeitraum im Hinblick auf die eher langsam verlaufenden altersbedingten kognitiven Funktionsverlust. Neben der bereits erwähnten Studie von Maharani et al. [227] konnten die Autoren nur 1 weitere Untersuchung identifizieren, bei der die Probanden mindestens 10 Jahre beobachteten, diese fand jedoch keine Unterschiede zwischen Interventionsgruppe (mit Hörgeräten) und Kontrollgruppe für alle kognitiven Maße [229]. Ein häufiges Problem bei vergleichenden Studien waren darüber hinaus große Hörschwellenunterschiede zwischen Interventions- und Kontrollgruppe. Des Weiteren wurde in 9/17 Studien die Hörgerätetragecompliance schlecht oder gar nicht berichtet, so dass unklar blieb, inwiefern die Versuchspersonen die Hörgeräte ausreichend nutzten. Der größte potentielle Nutzen der Hörgeräteversorgung schien im Bereich der Exekutivfunktion zu liegen – immerhin fand sich in 6/11 Studien eine Verbesserung [228]. Zwei von 4 Studien fanden eine signifikante Verbesserung durch das Tragen von Hörgeräten bei Verwendung von Screening-Tests (MMST). Allerdings wurde nicht berichtet, ob die Version für Schwerhörige zum Einsatz kam, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass aufgrund der Hörstörung bei der Baseline-Untersuchung der kognitive Funktionsverlust überschätzt wurde und die gefundene Verbesserung durch Tragen der Hörgeräte lediglich auf ein besseres Verständnis der auditiv präsentierten Aufgaben zurückzuführen ist.


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6.2 Cochlea-Implantat-Versorgung

Das ältere hochgradig schwerhörige oder taube Patienten von einer Cochlea-Implantation im Hinblick auf Sprachverstehen und Lebensqualität profitieren, ist gut belegt (z. B. [230] [231] [232] [233] [234]). Im Vergleich zu Normalhörenden ist bereits durch die Signalverarbeitung des Cochlea-Implantates das eingehende Signal hochgradig degradiert, was von vornherein einen größeren Einsatz kognitiver Ressourcen erfordert, um Sprache zu verstehen. Geht man davon aus, dass Alterungsprozesse der zentralen Hörbahn CI-Träger in gleichem Umfang betreffen, wie Hörgesunde, sind ältere CI-Nutzer noch stärker benachteiligt, weil die gestörte zeitliche Verarbeitung das ohnehin degradierte Signal noch weiter verschlechtert[235]. Wie bei Normalhörenden hat die Funktion des Arbeitsgedächtnisses Einfluss auf das Sprachverstehen [236] [237] und linguistischer Kontext kann in gewissem Umfang genutzt werden, um Sprachverstehen zu verbessern [238].

In den letzten Jahren wurden eine Reihe von Studien publiziert, die sich explizit mit der Veränderung (globaler) kognitiver Funktionen durch Cochlea-Implantation auseinandersetzen [239] [240] [241] [242] [243] [244] [245] [246] [247] [248] [249] [250] [251]. Ähnlich wie bei den Hörgeräteträgern variierten auch hier die gewählten neurokognitiven Testbatterien stark, allerdings kamen zunehmend für Hörgeschädigte geeignete Tests zum Einsatz [244] [245] [246] [247] [248] [251] [252]. Der Nachbeobachtungszeitraum war in den meisten Studien relativ kurz (12 Monate), vermutlich weil die betreffenden Langzeitstudien erst in den letzten Jahren initiiert wurden. 4 Arbeitsgruppen berichteten über Ergebnisse nach 18 [251], 24 [246], mindestens 25 [242] bzw. 60 Monaten [240]. Bereits innerhalb des kurzen Nachbeobachtungszeitraums wurden positive Effekte insbesondere auf die Exekutivfunktionen berichtet. Ein limitierender Faktor sind die geringen Fallzahlen – meist wurde über < 20 Patienten berichtet [241] [242] [243] [244] [252]. Die größten Fallzahlen bei gleichzeitiger Verwendung einer für Schwerhörige adaptierten neurokognitiven Testbatterie wurden bisher von Völter et al. untersucht [246] [247] [248]: Hierbei zeigten sich im Nachbeobachtungszeitraum von mindestens 24 Monaten bei 71 älteren CI-Patienten (mittleres Alter bei Implantation 66,03 Jahre) bereits nach 6 Monaten gegenüber der präoperativen Leistung signifikante Verbesserungen der Exekutivfunktionen (Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, Inhibition), nach 12 Monaten hatten sich zusätzlich Gedächtnis und Wortflüssigkeit signifikant verbessert. Nach 24 Monaten war eine Verbesserung der Verarbeitungsgeschwindigkeit zu verzeichnen, Inhibitionskontrolle (Flanker) war nicht mehr signifikant verbessert, bei der mentalen Flexibilität ergaben sich keine Veränderungen im gesamten Untersuchungszeitraum. Präoperativ lag die Leistung von 12 der 71 Versuchspersonen in 3 oder mehr Subtests unterhalb des 68% Konfidenzintervals, nach 12 Monaten war dies nur noch bei 3/71 Probanden der Fall. Bis zum Ende des Untersuchungszeitraumes hatten sich 5/71 Versuchspersonen in mehr als 2 Subtests verschlechtert. Die kognitive Leistungsfähigkeit hatte keinen signifikanten Einfluss auf das Sprachverstehen in Ruhe.

Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen auch Mosnier et al. [239] bei ihrer Untersuchung von 94 CI-Trägern im Alter zwischen 65 und 85 Jahren: Von den 37 Personen mit präoperativ schlechterer kognitiven Funktion verbesserten sich 81% innerhalb der ersten 12 Monate, bei 19% blieb die Leistung stabil. Hinsichtlich der Demenzentwicklung ist besonders die Nachfolgestudie der selben Arbeitsgruppe interessant [240]: 80 Personen der ursprünglich 94 eingeschlossenen waren 5 Jahre nach der Implantation noch am Leben, 70 davon konnten nachuntersucht werden. Vor der Cochlea-Implantat-Versorgung lag bei 31 Personen die kognitive Leistung im Bereich einer milden kognitiven Beeinträchtigung. Davon entwickelten sich 32% zurück zu normaler Funktion, bei 6% kam es zu einer Demenz, 61% blieben stabil. Von den 38 Versuchspersonen mit präoperativ normaler Funktion entwickelte im Nachbeobachtungszeitraum keiner eine Demenz, allerdings lag in 32% der Fälle die nach 5 Jahren die kognitive Leistung im Beriech einer milden kognitiven Beeinträchtigung. Ein Zusammenhang mit dem erreichten Sprachverstehen konnte nicht nachgewiesen werden.

Insgesamt zeigt sich bei allen bisher publizierten Studien ein deutlich positiver, mindestens stabilisierender, meist sogar verbessernder Effekt der Cochlea-Implantat-Versorgung.


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7. Ausblick

Sensorische und kognitive Defizite sind über komplexe Bottom-up und Top-down Prozesse eng miteinander verbunden. Die Folgen sowohl normaler als auch pathologischer Alterungsprozesse werden unsere Gesellschaft zukünftig unausweichlich vor große Herausforderungen stellen. Die Erkenntnis, dass eine Reihe von Risikofaktoren bereits in Jugend und mittleren Lebensalter modifizierbar sind, bietet Chancen zur Prävention. Insbesondere die konsequente Behandlung von Schwerhörigkeit muss auch im Hinblick auf die drohende soziale Isolation und Depression als weitere Risikofaktoren für kognitiven Funktionsverlust noch stärker in den Fokus der Gesundheitsaufklärung rücken, um den auch in Industrieländern erschreckend niedrigen Versorgungsanteil zu erhöhen. Die besonderen Bedürfnisse des älteren Menschen sowohl im Hinblick auf die Bedienung der Hörsysteme (feinmotorische Anforderung beim Batteriewechsel vs. Verwendung von Akkus, einfache Bedienstruktur/Kopplung mit externen Systemen) als auch auf den Anpassungsprozess (möglicherweise längere Gewöhnungsphase, langsamere Verarbeitungsgeschwindigkeit, geringere Differenzierungsschärfe beim Vergleich verschiedener Einstellungen) müssen dabei unbedingt Berücksichtigung finden. Eine entsprechende Vergütung des damit verbundenen erhöhten Zeitaufwandes für Beratung und wiederholte Anpassung würde den Anreiz für die Versorger erhöhen, dieser Patientengruppe die notwendige Aufmerksamkeit zu widmen. Den höheren Versorgungskosten stünde bei erfolgreicher Anpassung eine deutlich verbesserte Lebensqualität sowie längerer kognitiver Funktionserhalt gegenüber, was über eine Reduktion des Pflegeaufwandes zu einer gesamtgesellschaftlichen Entlastung führen könnte. Für die Validierung des Versorgungserfolges sind weitere, langfristig angelegte Studien erforderlich, die sowohl kognitive Funktion als auch Hörleistung sowie Art und Umfang der Nutzung von Hörsystemen detailliert erfassen und methodisch an mögliche kognitive und sensorische Defizite angepasste Messverfahren einsetzen.


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Danksagung

Ich danke Prof. Dr. med. R. Mlynski sowie Dr. med. I. Kilimann fürwertvolle Anregungen und Diskussionen bei der Erstellung des Manuskriptes. Darüber hinaus bedanke ich mich bei Frau A. Lühmann für ihre Unterstützung bei der Erstellung der Abbildungen.


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Interessenkonflikt

Die Autorin gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Publication History

Article published online:
02 May 2023

© 2023. The Author(s). This is an open access article published by Thieme under the terms of the Creative Commons Attribution-NonDerivative-NonCommercial-License, permitting copying and reproduction so long as the original work is given appropriate credit. Contents may not be used for commercial purposes, or adapted, remixed, transformed or built upon. (https://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/4.0/).

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Abb. 1 Generalisiertes Modell der Bottom-Up und Top-Down Verarbeitung von auditorischer Information (adaptiert von [16]). Der Reiz wird zunächst in der Peripherie in neurale Information codiert, relevante Informationen werden selektiert und im nächsten Schritt interpretiert. Schließlich folgt die Speicherung im Gedächtnis, während parallel die Antwort formuliert wird. Qualität und Inhalt des Reizes beeinflussen die weitere Verarbeitung (Bottom-Up), bereits extrahierte Information bzw. erfasste Inhalte können zu Veränderung der Verarbeitung nachfolgender Reize (Top-Down) führen.
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Abb. 2 Informationsverarbeitungsmodell von Wingfield und Tun [17]. Sensorisches, perzeptives und kognitives System greifen bei der Verarbeitung der auditorischen Information ineinander. Das gemischte Eingangssignal muss zunächst in relevante (Zielsignal) und irrelevante Information (Störsignal) zerlegt werden. Der Aufmerksamkeitsfilter bestimmt, in welchem Umfang die einzelnen Signalanteile weiter verarbeitet werden. Über mehrere Zwischenschritte wird zunächst die Worterkennung erreicht, nach weiteren linguistischen Operationen schließlich die Äußerungserkennung. Der Informationsverarbeitungsprozess kann auf allen Ebenen von sowohl kognitiven als auch akustischen Faktoren beeinflusst werden.
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Abb. 3 Mittlerer Hörschwellenverlauf für Männer und Frauen der Altersgruppen 20–80+gemäß DIN EN ISO 7029:2017:06 (nach [39]). Dargestellt ist jeweils die 50. Perzentile der jeweiligen Altersgruppe.
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Abb. 4 Erklärungsmodelle zum Zusammenhang von Altersschwerhörigkeit und kognitivem Funktionsverlust: a) Kognitiver Funktionsverlust führt über die gestörte Verarbeitung von sensorischer Information zu einer messbaren Hörstörung b) Der altersbedingte Hörverlust degradiert die für die weitere Verarbeitung zur Verfügung stehende Information. Zur Kompensation werden temporär kognitive Ressourcen genutzt, die dann für andere kogntive Prozesse nicht mehr zur Verfügung stehen. Dieser Prozess ist durch eine Hörhilfenversorgung und damit Verbesserung des Informationsangebotes potentiell reversibel. c) Die mit der Presbyakusis verbundene sensorische Deprivation führt zu permanenten strukturellen Hirnveränderungen und dauerhaftem kognitiven Funktionsverlust d) Gemeinsame endo- und exogene Ursache(n) führen sowohl zu einem kognitiven Funktionsverlust, als auch Presbyakusis.
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Abb. 5 Multifaktorielles Modell zum Zusammenhang von Altersschwerhörigkeit und kognitivem Funktionsverlust (adaptiert und erweitert nach [194]. Alterungsprozesse betreffen sowohl das sensorische als auch das kognitive System. Altersbedingter Hörverlust führt zu einem sensorischen Defizit mit Störung der Wahrnehmung. Kompensationsmechanismen verstärken den Zugriff auf (ohnehin bereits durch Alterung reduzierte) kognitive Ressourcen. Die Kommunikationsstörung infolge der Wahrnehmungsstörung begünstigt Einsamkeit und sozialer Isolation, was negative psychosoziale Folgen (z. B. Depression) hat und potentiell die Gebrechlichkeit erhöht. Die kognitive Leistungsfähigkeit nimmt aufgrund der multiplen Belastungen ab.
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Fig 1 Generalized model for bottom-up and top-down processing of auditory information (adapted from [16]). The stimulus is first coded into neural information in the periphery, relevant information is selected and then interpreted in the next step. Finally, it is stored in memory while the answer is formulated at the same time. The quality and content of the stimulus influence further processing (bottom-up), information that has already been extracted or recorded content can lead to changes in the processing of subsequent stimuli (top-down).
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Fig 2 Wingfield and Tun's information processing model [17]. Sensory, perceptual and cognitive systems interact when processing auditory information. The mixed input signal must first be broken down into relevant (target signal) and irrelevant information (interfering signal). The attention filter determines the extent to which the individual signal components are further processed. Word recognition is first achieved via several intermediate steps, and finally, after further linguistic operations, discourse comprehension. The information processing process can be influenced at all levels by both cognitive and acoustic factors.
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Fig 3 Average hearing threshold progression for men and women aged 20-80+ according to DIN EN ISO 7029:2017:06 (according to [39]). The 50th percentile of the respective age group is shown.
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Fig 4 Explanatory models for the connection between age-related hearing loss and cognitive function loss: A) Cognitve load on perception hypothesis: Loss of cognitive function leads to a measurable hearing impairment via the disturbed processing of sensory information B) Information degradation hypothesis: Age-related hearing loss degrades the information available for further processing. Temporarily cognitive resources are used to compensate, which are then no longer available for other cognitive processes. This process is potentially reversible by providing hearing aids which improve the information available. C) Sensory deprivation hypothesis: The sensory deprivation associated with presbycusis leads to permanent structural brain changes and permanent loss of cognitive function D) Common cause hypothesis: Common endogenous and exogenous causes lead to both a loss of cognitive function and presbycusis.
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Fig 5 Multifactorial model of the connection between age-related hearing loss and cognitive function loss (adapted and expanded from [194]. Aging processes affect both the sensory and the cognitive system. Age-related hearing loss leads to a sensory deficit with impaired perception. Compensatory mechanisms increase access to cognitive resources which are already reduced by aging. The communication disorder resulting from the perceptual disorder promotes loneliness and social isolation, which has negative psychosocial consequences (e.g. depression) and potentially increases frailty. Cognitive performance decreases due to multiple loads.