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DOI: 10.1055/a-1987-6838
Doctor ex machina: Zur potenziellen Rolle der Telemedizin in der Perinatologie

Liebe Leserinnen und Leser,
in den vergangenen Jahren hat, bedingt durch die von der Corona-Pandemie ausgelösten Kontaktbeschränkungen, die digitale Kommunikation einen unerwarteten Aufschwung genommen. Dies gilt nicht nur für zahlreiche geschäftliche Konferenzen, die plötzlich am Bildschirm, mitunter sogar vom heimischen Wohnzimmertisch aus, bestritten wurden. Es bezieht sich auch auf ärztliche Konsultationen, die vielfach online stattfanden, um den Patient*innen die Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln und den Aufenthalt in überfüllten Warteräumen zu ersparen. Ein Fazit dieser unverhofften und nicht ganz freiwilligen Testphase ist, dass sich viele Routine-Meetings erstaunlich gut – nicht nur zeitsparender, sondern manchmal sogar fokussierter – in virtueller Form abhalten lassen. Es hat sich aber auch gezeigt, dass der Knüpfung persönlicher Kontakte und der Gewinnung praktischer Eindrücke ohne physische Präsenz enge Grenzen gesetzt sind. Das Gleiche dürfte mutatis mutandis für die Telemedizin gelten, sodass das zentrale Problem weniger deren technische Machbarkeit als vielmehr ihr adäquater Einsatzbereich ist. Ein potenzieller Einsatzbereich, der in diesem und im nächsten Heft der Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie (ZGN) am Beispiel eines ostsächsischen Modellprojekts vorgestellt wird, ist die Sicherstellung einer hochqualitativen perinatologischen Versorgung in einer bevölkerungsarmen und strukturschwachen Region. Die denkbaren Kontroversen liegen auf der Hand: Sie dürften sich um die Fragen drehen, inwieweit fehlende geburtshilfliche oder neonatologische Expertise vor Ort durch einen „Doctor ex machina“ substituiert werden kann; und ob die telemedizinische Beratung nicht ein „Verrat“ an der Idee ist, Risikoschwangere in Perinatalzentren zu betreuen. Oder ob die Telemedizin nicht im Gegenteil gerade dabei helfen kann, eine sinnvoll abgestufte perinatologische Versorgungsstruktur (vom übergeordneten Perinatalzentrum bis hin zur wohnortnahen Geburtshilfe) aufzubauen. Zu dieser spannenden Diskussion kann das hier beschriebene Modellprojekt einen wichtigen Input geben.
Publication History
Article published online:
16 February 2023
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Georg Thieme Verlag KG
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