Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2023; 33(04): 201-208
DOI: 10.1055/a-2116-8465
Übersicht

Welche Versorgungserwartungen haben Rehabilitand*innen mit Migrationshintergrund im Verlauf der medizinischen Rehabilitation? – Eine qualitative Befragung

Which Health Care Expectations do Migrants Have in the Course of Medical Rehabilitation? A Qualitative Study
Yüce Yilmaz-Aslan
1   Lehrstuhl für Versorgungsforschung, Department für Humanmedizin, Fakultät für Gesundheit, Universität Witten/Herdecke
2   Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld, Bielefeld, Germany
,
Tuğba Aksakal
1   Lehrstuhl für Versorgungsforschung, Department für Humanmedizin, Fakultät für Gesundheit, Universität Witten/Herdecke
,
Jana Langbrandtner
3   Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, Lübeck, Germany
,
Ruth Deck
3   Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Universität zu Lübeck, Lübeck, Germany
,
Oliver Razum
2   Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld, Bielefeld, Germany
,
Patrick Brzoska
1   Lehrstuhl für Versorgungsforschung, Department für Humanmedizin, Fakultät für Gesundheit, Universität Witten/Herdecke
› Institutsangaben
Funding Information Deutsche Rentenversicherung Bund/Verein zur Förderung der Rehabilitationsforschung in Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein (vffr) — 0421/40–64–50–44
 

Zusammenfassung

Hintergrund Menschen mit Migrationshintergrund sind im Vergleich zu Menschen ohne Migrationshintergrund mit ihrer Versorgung durchschnittlich unzufriedener und weisen ungünstigere Rehabilitationsergebnisse auf. Gründe hierfür werden u. a. in einer mangelnden interkulturellen Öffnung von Rehabilitationseinrichtungen vermutet. Auch unerfüllte Versorgungserwartungen hinsichtlich der Gestaltung von Rehabilitationsangeboten können dazu führen, dass rehabilitative Angebote erst spät und mit großen Vorbehalten in Anspruch genommen werden, und auch der Rehabilitationsprozess selbst beeinträchtigt wird. Über die Erwartungen, die Menschen mit Migrationshintergrund an die Versorgung haben und darüber, wie sie sich im Verlauf der Rehabilitation verändern, ist bisher nur wenig bekannt. Ziel der vorliegenden Studie ist es, Versorgungserwartungen exemplarisch bei Menschen mit türkischem Migrationshintergrund im Rehabilitationsverlauf zu untersuchen.

Methodik Die Untersuchung basiert auf leitfadengestützten Einzelinterviews mit 32 Menschen mit türkischem Migrationshintergrund zu drei unterschiedlichen Phasen des Rehabilitationsprozesses, die in fünf Rehabilitationseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein durchgeführt wurden. Die Auswertung der Daten erfolgte mittels inhaltlich-strukturierender qualitativer Inhaltsanalyse.

Ergebnisse Die Versorgungserwartungen von Rehabilitand*innen mit Migrationshintergrund sind individuell sehr unterschiedlich. Viele Befragte erhofften sich von der Rehabilitation vor allem eine Verbesserung der gesundheitlichen Situation, Schmerzlinderung und Erholung. Darüber hinaus äußerten sie den Wunsch nach einer individuellen Behandlung und einer intensiven ärztlichen Betreuung während der Rehabilitation. Die zu Beginn der Rehabilitation formulierten Versorgungserwartungen verändern sich teilweise im Verlauf der Rehabilitation, werden den befragten Rehabilitand*innen zufolge aber nicht oder nur teilweise erfüllt. Gründe für die Nichterfüllung liegen u. a. in einer unzureichenden ärztlichen Betreuung während der Rehabilitation.

Schlussfolgerung Aus den Befragungen werden sehr vielfältige Erwartungen von Menschen mit türkischem Migrationshintergrund an die Rehabilitation deutlich, was sich durch die Heterogenität dieser Bevölkerungsgruppe erklärt. Die Ergebnisse weisen auf Potenziale und Ansatzpunkte zur Weiterentwicklung der rehabilitativen Versorgung in einer vielfältigen Gesellschaft hin. Diversitätssensible Instrumente, die der Vielfalt aller Rehabilitand*innen Rechnung tragen können, können hierbei einen wertvollen Beitrag leisten.


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Abstract

Background Compared to the majority population, migrants who utilize rehabilitation are on average less satisfied with their care and show less favourable treatment outcomes. Amongst others, this is related to the poor cultural sensitivity of health care facilities. Moreover, unfulfilled health care expectations regarding the design of rehabilitation services can result in migrants utilizing rehabilitative services with reservations and only for advanced stages of their diseases and can also affect the rehabilitation process. Little is known about the expectations migrants have towards health care and about how these expectations change in the course of rehabilitation. The aim of the present study was to examine health care expectations of Turkish migrants across the rehabilitation process.

Method The study is based on in-depth interviews with 32 Turkish migrants in three different phases of the rehabilitation process. Interviews were conducted in five rehabilitation facilities in North Rhine-Westphalia and Schleswig-Holstein in Germany. Qualitative content analysis was used as the method of analysis.

Results The health care expectations of migrant patients vary greatly from person to person. Interviewees expected the rehabilitation to improve their health situation, to reduce pain and assist recovery. In addition, patients requested individual treatment and intensive medical care during rehabilitation. Patients change their expectations towards health care during the rehabilitation process. However, they considered their expectations to be not or only partially fulfilled, which they attributed, amongst others, to inadequate medical care during rehabilitation.

Conclusion The study reveals diverse expectations of migrants with regard to rehabilitation which can be explained by the heterogeneity of this population group. The results of this study reveal potentials and starting points for the further development of rehabilitative care in a diverse society, for which diversity-sensitive instruments can make a valuable contribution.


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Einleitung

Mehr als jede vierte Person in Deutschland hat einen Migrationshintergrund [1]. Menschen mit Migrationshintergrund weisen eine durchschnittlich schlechtere arbeitsbezogene Gesundheit auf, was sich in höheren Anteilen von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und Erwerbsminderung zeigt [2]. Die medizinische Rehabilitation als Maßnahme zur Wiederherstellung eingeschränkter körperlicher und psychischer Funktionen ist vor diesem Hintergrund entscheidend und trägt maßgeblich zur Sicherung gesellschaftlicher Teilhabechancen bei. Allerdings nehmen Menschen mit Migrationshintergrund die medizinische Rehabilitation bei vielen Indikationen seltener in Anspruch als Menschen ohne Migrationshintergrund [3] [4] [5]. Im Hinblick auf die Behandlungsergebnisse am Ende der Rehabilitation zeigen Untersuchungen, dass Menschen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu Personen ohne Migrationshintergrund ungünstigere Ergebnisse aufweisen [6] [7] [8]. Es gibt Hinweise darauf, dass sowohl der Migrationshintergrund als auch der sozioökonomische Status den Behandlungserfolg jeweils unabhängig voneinander beeinflussen [6] [7] [8] [9]. Wichtige Einflussfaktoren auf den Behandlungserfolg, die mit einem Migrationshintergrund assoziiert sind, stellen neben Sprachbarrieren und unzureichend berücksichtigten kulturellen Bedürfnissen – beispielsweise im Bereich subjektiver Krankheitsvorstellungen – unerfüllte Versorgungserwartungen im Zusammenhang mit der Rehabilitation dar [10] [11]. Der Einfluss subjektiver Krankheitsvorstellungen auf den Behandlungserfolg wird in der systematischen Übersichtsarbeit von French et al. (2006) im Kontext kardiovaskulärer Erkrankungen untersucht. Die Ergebnisse legen nahe, dass Krankheitsvorstellungen, u. a. starke Kontrollüberzeugungen betreffend, Prädiktoren für die Teilnahme an der kardialen Rehabilitation darstellen [12].

Verschiedene Untersuchungen zeigen, dass Unterschiede in den Versorgungsbedürfnissen und -erwartungen von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund bestehen. Eine qualitative Befragung von Menschen mit Migrationshintergrund im Kontext der Altenpflege zeigt beispielsweise auf, dass der Familie als soziale Ressource eine große Bedeutung beigemessen wird [13]. Weiterhin weisen Untersuchungen auf eine im Durchschnitt geringere Gesundheitskompetenz bei Menschen mit Migrationshintergrund hin [14]. Gleichzeitig zeigen Müller und Koch (2016) im Kontext psychischer Erkrankungen, dass Patient*innen mit türkischem Migrationshintergrund im Vergleich zu deutschen Patient*innen häufiger von Diskriminierung betroffen sind, was sich wiederum negativ auf den Gesundheitszustand von Migrant*innen auswirkt [15].

Während Versorgungserwartungen bei Rehabilitand*innen aus unterschiedlichen Indikationsbereichen untersucht wurden [16] [17] [18], ist über die Versorgungserwartungen speziell bei Rehabilitand*innen mit Migrationshintergrund bisher nur wenig bekannt. Weiterhin ist unklar, wie sich die Versorgungserwartungen dieser Bevölkerungsgruppe in den einzelnen Phasen der Rehabilitation darstellen und über den Verlauf der Rehabilitation verändern. Erkenntnisse hierzu können einen Beitrag dazu leisten, die Versorgung für Menschen mit Migrationshintergrund nutzerorientierter auszurichten. Vor diesem Hintergrund war das Ziel der vorliegenden Studie, Versorgungserwartungen von Menschen mit Migrationshintergrund im Rehabilitationsverlauf zu untersuchen. Der Fokus wird hierbei exemplarisch auf die orthopädische Rehabilitation und Menschen mit türkischem Migrationshintergrund als eine der größten Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund in Deutschland gelegt.


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Methoden

Zur Erhebung von Versorgungserwartungen im Rehabilitationsverlauf wurden leitfadengestützte Einzelinterviews [19] zu drei unterschiedlichen Phasen des Rehabilitationsprozesses durchgeführt (T0: zu Beginn der Rehabilitation bis maximal drei Tagen nach der Aufnahme, T1: am Ende der Rehabilitation bzw. in der letzten Rehabilitationswoche, T2: ein Monat nach der Rehabilitation bzw. im Rahmen der Nachsorge).

Die drei zugrundeliegenden Leitfäden orientierten sich dabei am Verlauf der Rehabilitation. Sie enthielten verschiedene Themenbereiche, in die neben Ergebnissen aus früheren Studien [10] [20] auch Inhalte des Fragebogens zu rehabilitationsbezogenen Erwartungen und Motivation (FREM-17) [21] einflossen. Rehabilitand*innen wurden zu den o.g. Zeitpunkten zu ihren Erwartungen im Hinblick auf die Rehabilitation/den Rehabilitationsverlauf (T0), die ärztliche und therapeutische Betreuung, die Zielsetzung, den Umfang von Angeboten, den Therapieablauf (T1), das Rehabilitationsergebnis und die wahrgenommene Wirksamkeit (T2) befragt. Zur Qualitätssicherung wurden die Leitfäden im Vorfeld der Untersuchung mit einem Forschungsbeirat bestehend aus insgesamt zehn Vertreter*innen von Rehabilitationseinrichtungen, Rehabilitationsträgern sowie Wissenschaftler*innen diskutiert, angepasst und im Rahmen von Probeinterviews mit zwei Rehabilitand*innen prägetestet. Die Prätests ergaben, dass keine Anpassungen hinsichtlich Verständlichkeit, Vollständigkeit und Sinnhaftigkeit durchgeführt werden mussten.

Als Stichprobe wurden Rehabilitand*innen mit Migrationshintergrund in orthopädischen Rehabilitationseinrichtungen gewählt. Dabei wurden aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein über Netzwerke der Arbeitsgruppe insgesamt fünf Kliniken miteinbezogen, die Rehabilitand*innen mit Migrationshintergrund behandeln (nach eigenen Angaben der Kooperationskliniken haben mindestens 10% der behandelten Rehabilitand*innen einen Migrationshintergrund). Bei der Auswahl der Befragten wurde anhand unterschiedlicher Merkmale (z. B. Geschlecht, Alter, Bildung) kontrastiert und die Studienteilnehmer*innen konsekutiv rekrutiert. Rehabilitand*innen wurden in den fünf kooperierenden Rehabilitationseinrichtungen im Zeitraum Mai 2015 bis Januar 2016 befragt. Sie wurden von Ansprechpartner*innen vor Ort in den Einrichtungen angesprochen und mithilfe eines Informationsschreibens zur Studie eingeladen. Die Befragungen wurden – je nach Präferenz der Befragten – deutsch- oder türkischsprachig durch in qualitativer Forschung geschulte Interviewer*innen (YYA, JL) durchgeführt. Der Großteil der Interviews wurde in türkischer Sprache durchgeführt und anschließend übersetzt. Alle Befragten wurden über das Projekt und dessen Zweck sowie Ziele informiert und gaben im Anschluss ihr schriftliches Einverständnis zur Befragung. Es wurden soziodemografische Daten, darunter das Alter, das Geschlecht, (Vor-)Erkrankungen, der Familienstand und der Beruf/die berufliche Situation der Rehabilitand*innen erfragt. Zu den Zeitpunkten T0 und T1 fanden die Befragungen in den Rehabilitationseinrichtungen persönlich mittels Face-to-Face-Interviews statt. Die Befragung zum Zeitpunkt T2 wurde telefonisch durchgeführt. Die Länge der Interviews umfasste bei der T0-Befragung ca. 40 Minuten, bei der T1-Befragung ca. 30 Minuten und bei der T2-Befragung ca. 20 Minuten. Nach Einwilligung durch die Teilnehmer*innen wurden die Interviews mithilfe eines Tonaufnahmegeräts aufgezeichnet und nach der Pseudonymisierung und Verschriftlichung (Transkription) gelöscht.

Die Durchführung, Transkription, Übersetzung und Analyse der Daten erfolgten durch das Projektteam (YYA, JL, TA) und mit Hilfe des Programms MAXQDA. Die Transkripte wurden gemäß der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring mittels induktiver Kategorienbildung ausgewertet [22]. Unter Berücksichtigung des Leitfadens wurden die Kategorien zunächst deduktiv erstellt. Unabhängig voneinander ordnete das Auswertungsteam diesen vorläufigen Kategorien anschließend einzelne Interviewsegmente zu. Durch eine induktive Erweiterung des Kategoriensystems wurden dabei weitere relevante Kategorien identifiziert und hinzugefügt. Die generierten Kategorien sowie Unstimmigkeiten bei der Kodierung wurden in der Arbeitsgruppe konsentiert [22]. Die finale Version des Codebaums umfasste 4 Ober- und 24 Unterkategorien (siehe Supplement). Das zusammengefasste Material wurde in der Auswertungsgruppe im Hinblick auf die Fragestellung interpretiert.

Ethikvotum

Für die Untersuchung lagen positive Voten der zuständigen Ethikkommissionen der Ärztekammer Westfalen-Lippe (Ethikvotum AZ 2014–665-b-S) sowie der Universität zu Lübeck (Ethikvotum AZ 14–147) vor.


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Ergebnisse

Insgesamt nahmen an der T0-Befragung 32 türkeistämmige Rehabilitand*innen teil (darunter 13 Frauen). Von diesen konnten 30 Rehabilitand*innen für die T1-Befragung gewonnen werden. Insgesamt 28 türkeistämmige Rehabilitand*innen, darunter 12 Frauen, nahmen an allen drei Interviews teil (siehe [Tab.1]). Im Folgenden werden ausschließlich die Ergebnisse zusammengefasst, die sich unmittelbar auf die Forschungsfrage beziehen. Insgesamt ließen sich dabei fünf zentrale Themen ableiten. Dies sind 1. „Erwartungen und Wünsche an die Rehabilitationsmaßnahme zu Beginn“, 2. „Erfüllung, Nichterfüllung und Veränderung der Versorgungserwartungen subjektiver Krankheitsvorstellungen“, 3. „Zufriedenheit mit der Rehabilitationsmaßnahme im Allgemeinen“ sowie 4. „Zufriedenheit mit den Behandelnden“ sowie 5. „Relevanz von Sprachkompetenzen“.

Tab. 1 Interviews mit Rehabilitanden in orthopädischen Rehabilitationseinrichtungen in Nordrhein-Westfalen (NRW) und Schleswig-Holstein (SH) – Stichprobenbeschreibung.

Stichprobenbeschreibung

N (T0/T1/T2)

32 (32/30/28)

Weiblich

13

Alter (Mittelwert)

47,9

Schulabschluss

Abitur

4

Realschule

7

Hauptschule

11

Schule in der Türkei

4 (5 Jahre), 1 (8 Jahre)

Keinen

5

Geburtsland

Türkei

29

Deutschland

3

Indikation

Orthopädie

30

Kardiologie

2

Verfahren

Heilverfahren

25

Anschlussheilbehandlung

7

T0: Rehabilitationsbeginn, T1: Rehabilitationsende, T2: ein Monat nach der Rehabilitation.

Erwartungen und Wünsche an die Rehabilitationsmaßnahme zu Beginn (T0)

Zu Beginn der Rehabilitationsmaßnahme waren die Erwartungen der Rehabilitand*innen differenziert ausgeprägt: die Mehrheit der Befragten erhoffte sich Ruhe, Erholung und Entlastung. Außerdem erwarteten sie eine signifikante Besserung ihrer gesundheitlichen Situation durch Schmerzlinderung und Schulung im Umgang mit ihrer Erkrankung. Einige Rehabilitand*innen erwarteten trotz Chronifizierung Schmerzfreiheit und Heilung. Der Teil der Rehabilitand*innen, der laut Eigenangabe über keine Informationen zum Ablauf der Rehabilitationsmaßnahme verfügte, habe aufgrund des Informationsdefizits zu Beginn der Maßnahme auch keine Erwartungen gehabt.

  • „Ja, dass ich wieder arbeitsfähig bin. Ja, ohne Probleme. Schmerzfrei natürlich. [..]“ (T0_IP24) „Also ich.. zunächst mal keinen Stress, bisschen den Kopf frei.. erholt und vielleicht mit bisschen weniger Schmerzen.“ (T0_IP3)

  • „Erwartung hatte ich jetzt überhaupt nicht, weil ich nicht wusste wie das abläuft.“ (T0_IP28)

Im Vergleich zur ambulanten Versorgung äußerten die Rehabilitand*innen den Wunsch nach intensiveren und individuelleren Untersuchungen sowie danach, dass sich die Behandelnden mehr Zeit für sie nehmen.

Besonders die Erwartungen von Rehabilitand*innen, die durch Eigeninitiative in die Rehabilitation kamen, sind hoch, z. B. hinsichtlich der Professionalität des Gesundheitspersonals. Dies betrifft insbesondere Rehabilitand*innen, die von sich aus an den überweisenden Arzt oder die überweisende Ärztin herangetreten und gut über die Rehabilitationsmaßnahme informiert waren. Außerdem wünschte sich dieser Teil der Befragten eine gute Kommunikation mit dem Gesundheitspersonal, darunter einen Austausch auf Augenhöhe, Freundlichkeit und Ehrlichkeit. Ein im Allgemeinen häufig geäußerter Wunsch der Befragten war, durch das Gesundheitspersonal wahr- und ernstgenommen zu werden. Dadurch würde den Rehabilitand*innen vermittelt, dass die Behandelnden ihnen bewusst zuhören und für ihre Gesundheits-, Lebens- und Arbeitssituation Verständnis zeigen.

Die Erwartungen und Wünsche der Rehabilitand*innen richteten sich häufig an die Versorgung und Betreuung durch das ärztliche Personal. Ein Rehabilitand machte deutlich, dass er während seiner Rehabilitationsmaßnahme ausschließlich von Ärzt*innen, statt durch Pflegepersonal und Therapeut*innen, behandelt werden möchte.

  • „Ich will nur erst mal nur Ärzte hier und sonst etwas nein. Arzt muss helfen. Was kann ich machen [..], so etwas.“ (T0_IP27)

Von den Befragten wurde auch die Wichtigkeit der Menüauswahl und einer guten Verpflegung betont.


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Erfüllung, Nichterfüllung und Veränderung der Versorgungserwartungen (T1 und T2)

Im Laufe der Rehabilitationsmaßnahme haben sich die Erwartungen der Rehabilitand*innen zum Teil erfüllt, nicht erfüllt und verändert. Dabei räumten einige Rehabilitand*innen ein, dass sie zu Beginn der Maßnahme womöglich zu hohe Erwartungen gehabt hätten. Dies betrifft insbesondere Erwartungen wie Schmerzfreiheit und Gewichtsreduktion. Ein kleiner Teil der Befragten berichtet auch von einer Verschlechterung der gesundheitlichen Situation.

  • „[..] Ich weiß nicht, dass ist vielleicht, dass ich zu hohe Erwartungen habe [..].“ (T1_IP28)

  • „Das hat gar nicht geändert, das ist noch schlimmer geworden.“ (T1_IP25)

Rehabilitand*innen, die zuvor über wenig Wissen hinsichtlich der Rehabilitationsmaßnahme verfügten, erklärten auch, dass sie aufgrund mangelnder Erfahrungen unrealistische Erwartungen hinsichtlich der Versorgung in einer Rehabilitationseinrichtung gehabt hätten. So erwarteten sie, eine stationäre, krankenhausähnliche Versorgung und Behandlung. Erst während des Rehabilitationsaufenthaltes hätten sie dann das Vorgehen verstanden und ihre Versorgungserwartungen entsprechend angepasst.

  • „Ich dachte z. B. kriegst du z. B. wie Spritze und was ist für dich gut, was hilft dir und Medikamente.“ (T0_IP26)

Rehabilitand*innen, die Kenntnisse über die Rehabilitation oder bereits Erfahrungen mit dem Rehabilitationssystem hatten, konnten sich laut Eigenangabe auch besser auf ihren Aufenthalt einstellen. Entsprechend verfügten sie seltener über unrealistische Vorstellungen und konnten besser einschätzen, was sie erwartet und in inwiefern eine Verbesserung der gesundheitlichen Situation erreicht werden könne.

  • „Ja, die Schmerzen kriegst du nicht weg, das wusste ich schon von Anfang an schon, dass ich die Schmerzen alle nicht wegkriege.“ (T1_IP8)

Nach Angabe der Befragten ergaben sich bei einem Teil unerfüllte Versorgungserwartungen hinsichtlich der Therapien und Angebote. Die Erwartungen der Rehabilitand*innen im Rahmen von individuellen Gesprächen und Behandlungen mit dem Gesundheitspersonal versorgt zu werden, blieben aufgrund des zu hohen Anteils an Gruppentherapien und mangelnder Spezifizierung der Angebote unerfüllt.


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Zufriedenheit mit der Rehabilitationsmaßnahme im Allgemeinen (T0 bis T2)

Zu Beginn gab ein Großteil der Befragten an, mit der Rehabilitationsmaßnahme zufrieden zu sein. Besonders gefielen den Rehabilitand*innen die Anwendungen und Therapien. Weiterhin wurde die Erholung durch das Ausbleiben des Alltagsstresses als positiv bewertet. Rehabilitand IP29, der laut Eigenangabe von seinem behandelnden Orthopäden zu der Maßnahme gedrängt wurde, änderte seine Meinung, wurde positiv überrascht und bewertete die Aktivitäten in der Rehabilitationseinrichtung positiv.

Bei Rehabilitand*innen, die zum letzten Befragungszeitpunkt angaben, mit der Maßnahme im Allgemeinen unzufrieden gewesen zu sein, lag die Begründung in einer unzureichenden Verbesserung der gesundheitlichen Situation. Rehabilitand*innen, die beispielsweise bereits beim Aufnahmegespräch mit den Behandelnden über ihre Erwartungen und Ziele gesprochen und diese ggf. frühzeitig angepasst hätten, sahen ihre Erwartungen eher als erfüllt an oder konnten ihre Ziele erreichen. Eben diese seien laut Eigenangabe mit dem Rehabilitationsaufenthalt grundsätzlich zufrieden.


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Zufriedenheit mit den Behandelnden (T0 bis T2)

Unzufrieden seien die Befragten insbesondere mit der ärztlichen Betreuung. Während die Rehabilitand*innen in der Formulierung ihrer Erwartungen und Wünsche zum ersten Befragungszeitpunkt noch wenig auf ihre Vorstellungen bezüglich der Therapeut*innen eingingen, machten sie bei der Angabe ihrer Zufriedenheit mit den Behandelnden präzise Unterscheidungen zwischen dem ärztlichen und therapeutischen Personal.

  • „Also, man muss unterscheiden [..] zwischen Physiotherapeuten-Behandlern und dem Arzt. Mit dem Arzt habe ich drei Termine gehabt, am Anfang einen, in der Mitte einen und am Ende halt. Da ist halt, das war jetzt nicht so intensiv [..].“ (T1_IP28)

Vor allem die Verständigung mit den Behandelnden habe einen hohen Stellenwert. Nach Auskunft der Befragten trage eine gute Kommunikation mit den Behandelnden auch zu einer Erhöhung der Zufriedenheit und Wirksamkeit der Maßnahme bei. Während viele Rehabilitand*innen keinerlei Schwierigkeiten in der Kommunikation mit den Behandelnden erlebten, hatten andere Befragte kleinere bis größere Probleme, sich mit dem Gesundheitspersonal zu verständigen. Sie kritisierten, dass sie von den Ärzt*innen im Gespräch oftmals unterbrochen und nicht ernstgenommen würden. Außerdem bemängelten die Befragten den zu geringen Umfang des Austausches mit den Ärzt*innen und die oberflächliche Behandlung durch diese.

  • „Seit fast drei Wochen bin ich hier. Nur zwei Mal war beim Arzt und nur habe ich so gesessen. Er hat nur Blut kontrolliert und sonst gar nichts. [..].“ (T1_IP27)

Zusätzlich würden Sprachbarrieren sowohl bei den Rehabilitand*innen als auch beim Gesundheitspersonal die Kommunikation und den Austausch erschweren. Verstärkt werde dieser Umstand durch Analphabetismus bei den älteren Befragten. Probleme in der Kommunikation entstünden dabei allerdings nicht nur aufgrund von Sprachbarrieren bzw. mangelnden Sprachkenntnissen bei den Befragten oder Behandelnden, sondern auch aufgrund mangelnder Wertschätzung und fehlender Empathie auf Seiten der Ärzt*innen.

  • „Ich konnte nicht mit dem Arzt sprechen [..] ich verstehe sie nicht und sie verstehen mich nicht.“ (T0_IP2)

  • „Also ich denke, das ist schon von den Personen abhängt, dass man sagt: ‚Okay, der kann ja nicht sprechen, den schieben wir weg‘ […] Also es ist schwer das zu sagen. Ich möchte das Wort nicht sagen, aber ,nicht Wert genug‘.“ (T1_IP5)

Beim Thema medikamentöse Begleitung fühlten sich die Rehabilitand*innen von den Ärzt*innen häufig im Stich gelassen. Eine Rehabilitandin räumte ein, dass für sie die Besprechung ihrer gesundheitlichen Probleme mit Scham verbunden gewesen sei. Obwohl sie sich überwunden hätte, von ihren Problemen zu berichten, hätten sich die Behandelnden geweigert, ihr zu helfen.

  • „Das habe ich zu denen gesagt, mit den Schmerzen komme ich durcheinander, ich kann nicht alles beschreiben. Habe ich zu jeder Arzt gesagt, die Schmerzen machen mich richtig verrückt. Und der sagte, ach das geht wieder weg [..].“ (T2_IP25)

Im Vergleich zum ärztlichen Personal wurde die Versorgung und Betreuung durch das therapeutische Personal größtenteils positiv bewertet. Die Befragten seien mit den Therapeut*innen zufrieden, da sich diese ausreichend Zeit nähmen und auch auf ihre individuelle Bedürfnisse eingingen. Die Erfahrungen bezüglich der Verständigung mit den Therapeut*innen seien ebenfalls positiv. So kommunizierten die Therapeut*innen bei schwierigen Fachwörtern mit den Rehabilitand*innen mittels Körpersprache.

  • „Die Therapeuten, das sieht man wirklich, die bemühen sich. Das ist ja, für mich ist das wichtig.“ (T1_IP8)


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Relevanz von Sprachkompetenzen (T1 bis T2)

Im Hinblick auf die Frage, inwiefern Sprachkompetenzen zur Teilnahme an einer medizinischen Rehabilitation erforderlich sind, waren die interviewten Rehabilitand*innen geteilter Meinung. Ein Teil der Befragten verwies darauf, dass eine Teilnahme ohne vorhandene Sprachkenntnisse/-kompetenzen nicht sinnvoll sei, da viele Informationen, z. B. zu Therapien, im Vorfeld der Rehabilitation oder vor Ort schriftlich vermittelt würden. Ausreichende Sprachkenntnisse und Lesefähigkeiten seien deshalb elementare Voraussetzungen.

  • „Wir haben die Anwendungen über ein Zettel gehabt. Wir haben selber gelesen und wir müssen auch lesen und verstehen, dass wir die Anwendungen teilnehmen müssen. Deswegen, also Sprache ist ganz ganz wichtiges. Wenn er kein Deutsch sprechen kann, dann braucht er gar nicht mehr zu Reha. Weil, bringt gar nichts.“ (T2_IP27)

Auf der anderen Seite war ein kleiner Teil der befragten Rehabilitand*innen der Auffassung, dass Sprachkenntnisse nicht zwingend erforderlich seien, denn in den überwiegenden Gruppentherapien sei keine Kommunikation notwendig. Den Angaben der Befragten zufolge seien alle Übungen ohne weiteres nachahmbar und Gespräche mit Ärzt*innen ohnehin eher selten.


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Diskussion

Ziel der vorliegenden Studie war es, die Versorgungserwartungen von Rehabilitand*innen mit Migrationshintergrund im Verlauf der Rehabilitation zu untersuchen. Rehabilitand*innen mit türkischem Migrationshintergrund zeigen wie Rehabilitand*innen ohne Migrationshintergrund [18] [23] ein breites Spektrum von Erwartungen an die Rehabilitation, die individuell sehr unterschiedlich sind. Dies unterstreicht die Heterogenität dieser Bevölkerungsgruppe und macht die Notwendigkeit zielgruppensensibler Versorgungsangebote deutlich, die eine nutzerorientierte Versorgung für Menschen mit Migrationshintergrund ermöglichen können.

Die Befragung zu Beginn der Rehabilitation zeigt, dass eine mangelnde Informiertheit bei Menschen mit Migrationshintergrund im Hinblick auf den Ablauf der Rehabilitation, ebenso wie bei Menschen ohne Migrationshintergrund, die Erwartungshaltung gegenüber dem Versorgungsprozess negativ beeinflussen [24]. Darüber hinaus verweist die Studie auf Informationsdefizite im Verlauf der Rehabilitation, die durch die Bereitstellung adäquater Informationen, beispielsweise durch die Verwendung leichter Sprache und mehrsprachiger Angebote, sowohl vor als auch in der Rehabilitation überwunden werden müssen [25]. Ferner zeigen die Ergebnisse der Befragungen, dass Rehabilitand*innen, die zuvor keine Erfahrungen mit dem Rehabilitationssystem gemacht hatten, oftmals keine oder falsche Vorstellungen hinsichtlich der bevorstehenden Maßnahme hatten und diese, wenn überhaupt, erst im Verlauf der Rehabilitation anpassten. Nicht selten führte dieser Aspekt bei den Befragten zu Missverständnissen und Unzufriedenheit. Dies zeigt die Notwendigkeit auf, die Erwartungen von Rehabilitand*innen zu Beginn der Rehabilitation zu erfassen und in die Therapieplanung einzubeziehen. Hierbei sollte auch ein Austausch über unrealistische Erwartungen erfolgen [26].

Vorrangig gaben die Rehabilitand*innen zu Beginn der Rehabilitation als Ziel an, Erholung und eine Verbesserung der gesundheitlichen Situation zu erwarten. Zu vergleichbaren Ergebnissen kommen Untersuchungen bei Menschen ohne Migrationshintergrund [18] [21] [27] [28] [29]. Dabei machen die Ergebnisse allerdings deutlich, dass die zu Beginn der Rehabilitation formulierten Versorgungserwartungen den Befragten zufolge nicht oder nur teilweise erfüllt werden. Gründe für die Nichterfüllung werden u. a. in einer unzureichenden ärztlichen Betreuung während der Rehabilitation sowie einem unveränderten gesundheitlichen Zustand einen Monat nach der Rehabilitation gesehen. Für die befragten türkeistämmigen Rehabilitand*innen stand vor allem die Schmerzlinderung im Fokus. Auch Studien aus der ambulanten Versorgung weisen auf eine signifikant erhöhte Schmerzbetonung von Patient*innen mit türkischem Migrationshintergrund hin [30]. Das lässt sich dadurch erklären, dass der Ausdruck von und die Kommunikation über Schmerz sozio-kulturell und psycho-sozial geprägt sind und sich damit zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund unterscheiden [31]. Die Ergebnisse früherer Untersuchungen weisen ferner darauf hin, dass unterschiedliche Krankheitskonzepte unabhängig vom Migrationshintergrund mit unterschiedlichen Prioritäten bei den Behandlungserwartungen einhergehen [11] [32]. Die tendenziell hohen Erwartungen gegenüber medizinischen Fachkräften sowie die passive Erwartungshaltung gegenüber dem eigenen Beitrag zum Behandlungserfolg lassen sich womöglich durch kulturbedingte, externale Kontrollüberzeugungen erklären, die bei Menschen mit türkischem Migrationshintergrund häufiger als in der Mehrheitsbevölkerung zu beobachten sind [33]. Das kulturgeprägte Schmerz- und Krankverständnis geht auch mit einer anderen Vorstellung von Gesundheit und Heilung einher, die ihrerseits zu erhöhten und unrealistischen Erwartungen an die Rehabilitation führen können. Unrealistische Erwartungen können durch den mangelnden Austausch zwischen Behandelnden und Rehabilitand*innen begünstigt werden und sich negativ auf Rehabilitationsergebnisse auswirken [26]. Durch die Bereitstellung von gezielten Informationen kann bereits vor oder spätestens direkt zu Beginn der Rehabilitation verhindert werden, dass Versorgungsnutzer*innen Erwartungen entwickeln, die während der Rehabilitation nicht erfüllt werden können, entweder weil sie mit den Zielen von Rehabilitation nicht vereinbar oder Ressourcen von Einrichtungen eingeschränkt sind. Untersuchungen zeigen, dass allein ein Austausch zwischen Rehabilitand*innen und Gesundheitspersonal über Versorgungserwartungen, die – aus unterschiedlichen Gründen – im Verlauf der Rehabilitation nicht oder nicht vollständig umgesetzt erfüllt werden können, dazu beitragen kann, dass sich Rehabilitand*innen ernst genommen und wertgeschätzt fühlen [26]. Hierbei sollte vor allem die Orientierungsphase in der Einrichtung unterstützt werden, indem Rehabilitand*innen zu Beginn der Rehabilitation besser über Therapien und Inhalte informiert werden. Vor dem Hintergrund möglicher Sprachbarrieren von Menschen mit Migrationshintergrund stellt ein persönliches Gespräch zwischen Behandelnden und Rehabilitand*innen eine Möglichkeit dar, die Informiertheit der Rehabilitand*innen zu verbessern. Insbesondere bei der Bereitstellung von schriftlichem Informationsmaterial sollte berücksichtigt werden, dass Sprachbarrieren oder Analphabetismus das Verständnis beeinträchtigen können. Bei einem persönlichen Gespräch können Rehabilitand*innen hingegen Nachfragen stellen, sodass Behandelnde individuell auf bestehende Informationsbedürfnisse eingehen können. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung zeigen, dass Rehabilitand*innen, die ausreichend über die Rehabilitation informiert und aktiv an ihr beteiligt sind, ihre zuvor unrealistischen Erwartungen im Rehabilitationsverlauf anpassen. Bei Rehabilitand*innen, die zu Beginn der Rehabilitation keine großen Erwartungen hatten und nur wenig über die Rehabilitation informiert waren, fand kein Anpassungsprozess der eigenen Erwartungen statt.

Ferner zeigen die Ergebnisse der Untersuchung, dass die alleinige Betrachtung des Diversitätsmerkmals Migrationshintergrund nicht ausreichend ist. So zeigte die vorliegende Studie, dass ältere Rehabilitand*innen aufgrund von Sprachbarrieren Schwierigkeiten bei der Interaktion mit Behandelnden erleben. Häufig kommt hinzu, dass ältere Rehabilitand*innen unzureichende Lese- und Schreibfähigkeiten besitzen, wodurch ihnen die Teilhabe an Gesundheitsangeboten zusätzlich erschwert wird. Um eine nutzerorientierte Versorgung vorzuhalten, ist es notwendig, weitere – im Idealfalle alle – Diversitätsmerkmale wie beispielsweise das Alter, das Geschlecht, körperliche und geistige Einschränkungen oder die sozioökonomischen Verhältnisse zu betrachten und in die Behandlung zu integrieren [34]. Diversitätssensible Versorgungsstrategien, die Versorgungserwartungen und -bedürfnisse berücksichtigen, die durch die Vielfalt der Rehabilitand*innen entstehen, können einen Beitrag dazu leisten [35].

Stärken und Limitationen

Stärken der vorliegenden Studie liegen im längsschnittlichen Design, das die Untersuchung von Versorgungserwartungen über den Rehabilitationsverlauf ermöglichte. Limitationen sind vor allem im engen Fokus auf Menschen mit türkischem Migrationshintergrund und eine Indikation (Orthopädie) zu sehen. Hierdurch sind Vergleiche zwischen Menschen mit und ohne Migrationshintergrund hinsichtlich der Erwartungen und der Behandlungsergebnisse nur eingeschränkt möglich. So ist anzunehmen, dass einige der Erwartungen, die die befragten Personen mit Migrationshintergrund geschildert haben, auch bei Rehabilitand*innen ohne Migrationshintergrund vorhanden sind. Obwohl mit Blick auf die zugrundeliegende Fragestellung die Informationssättigung bei der Erhebung erreicht wurde, stellt die Durchführung der Interviews in lediglich zwei Bundesländern eine weitere Limitation der Studie dar. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Befragten in Rehabilitationseinrichtungen rekrutiert wurden und daher nicht repräsentativ für alle Menschen mit Migrationshintergrund sind, die einen Rehabilitationsbedarf haben, da ein Teil – bedingt durch unterschiedliche Zugangsbarrieren – die Rehabilitation erst gar nicht in Anspruch nimmt und hier daher unberücksichtigt bleibt.


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Schlussfolgerung

Die Ergebnisse dieser Studie weisen auf Potenziale und Ansatzpunkte zur Weiterentwicklung und Verbesserung der rehabilitativen Versorgung für Rehabilitand*innen mit Migrationshintergrund hin. Sie zeigen zum einen, dass die Versorgungserwartungen von Rehabilitand*innen mit türkischem Migrationshintergrund sehr vielfältig sind, wozu die starke Heterogenität der Bevölkerungsgruppe beiträgt. Sie machen zum anderen deutlich, dass die Befragten ihre Versorgungserwartungen im Verlauf der Rehabilitation unzureichend thematisiert sehen. Unrealistische Erwartungen können hierbei die Folge sein und sich negativ auf die Rehabilitation auswirken. Dies macht die Notwendigkeit deutlich, den Austausch über Versorgungserwartungen zwischen Rehabilitand*innen und Behandelnden zu fördern und ggf. Kompromisse zu finden, wenn bestimmte Erwartungen nicht erfüllbar sind. Eine optimierte Kommunikation zwischen Behandelnden und Rehabilitand*innen kann dabei unterstützen, die Erwartungen besser zu erfüllen, die Rehabilitand*innen in unterschiedlichen Phasen der Rehabilitation an die Versorgung stellen. Ferner können diversitätssensible Rahmenbedingungen im System der Rehabilitation sicherstellen, den mit der Heterogenität von Versorgungsnutzer*innen einhergehenden Versorgungserwartungen Rechnung zu tragen.


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Interessenkonflikt

Die Autor*innen geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Statistisches Bundesamt. Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Statistisches Bundesamt. 2020
  • 2 Brzoska P, Voigtländer S, Spallek J. et al. Arbeitsunfälle, Berufskrankheiten und Erwerbsminderung bei Menschen mit Migrationshintergrund. In: Razum O, Schott TP, Hrsg. Migration und medizinische Rehabilitation. Weinheim and Basel. Beltz Juventa Verlag; 2013: 49-61
  • 3 Brzoska P, Voigtländer S, Spallek J. et al. Utilization and effectiveness of medical rehabilitation in foreign nationals residing in Germany. European Journal of Epidemiology 2010; 25: 651-660 DOI: 10.1007/s10654-010-9468-y.
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Korrespondenzadresse

Dr. Yüce Yilmaz-Aslan
Universität Witten/Herdecke, Fakultät für Gesundheit
Department für Humanmedizin, Lehrstuhl für Versorgungsforschung
Alfred-Herrhausen-Straße 50
58448 Witten
Germany   

Publikationsverlauf

Eingereicht: 02. April 2022

Angenommen: 21. Juni 2023

Artikel online veröffentlicht:
24. Juli 2023

© 2023. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

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