Schlüsselwörter
Patientenbezogene Daten - Digitalisierungsgrad - Telematikinfrastruktur - IT-Management
Key words
Patient-related data - degree of digitalization - telematics infrastructure - IT managementonline
publiziert 2023
Einleitung
In der Zeitschrift Die Rehabilitation wurde in letzter Zeit zunehmend über
Digitalisierung berichtet, bspw. in Bezug auf Patientenschulung und
Gesundheitsförderung [1]
[2] oder betriebliche Inklusion [3]
[4]. In
der Zusammenfassung einer Studie wird berichtet, dass Deutschland im internationalen
Vergleich der Digitalisierung im Gesundheitswesen Rang 16 von 17 belegt [5]. Die Studie [6] zeigt auf, dass digitale Innovationen einen entscheidenden Beitrag zur
Verbesserung der Gesundheitsversorgung leisten können. Deutschland
schöpft dieses Potenzial jedoch nicht aus. Es liegen häufig weder
Digital-Health-Strategien vor, noch deren technische Implementierung. Auch ist das
Gesundheitswesen im Hinblick auf Vernetzung und Datenaustausch sowie die
tatsächliche Nutzung digitaler Daten nicht gut vorbereitet [6] Die Studie bezieht jedoch nur in
Dänemark lokalisierte Rehabilitationskliniken ein. Zudem ist sie 2018
erschienen und somit vor der COVID-19-Pandemie 2020.
Dass die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen verbesserungsbedürftig
ist, wurde nicht zuletzt durch die COVID-19-Pandemie aufgezeigt [7]. Mangelnde Verfügbarkeit digitaler
Patient*innendaten konstatieren auch [8] und [9]. Nach [10] wurde in deutschen Krankenhäusern
in den vergangenen Jahren zu wenig in die Digitalisierung investiert, obgleich diese
zu einer „qualitativ hochwertige[n] und moderne[n]
Patientenversorgung“ beitrage [10].
Dieser Ansicht sind auch die Beschäftigten im Gesundheitswesen selbst [11].
Der Digitalisierungsstand in Krankenhäusern wurde 2017 durch das
„Electronic Medical Record Adoption Model“ (EMRAM) aufgezeigt, das
den Digitalisierungsgrad misst. Während in Krankenhäusern auf Stufe
0 kaum digitales Arbeiten stattfindet, arbeiten Krankenhäuser der Stufe 7
papierlos. Kein Krankenhaus erreichte 2017 in Deutschland Stufe 7; über ein
Drittel befand sich auf Stufe 0. Im Mittel erreichten deutsche Krankenhäuser
einen EMRAM-Wert von 2,3. Im internationalen Vergleich (Europa und USA) weist
Deutschland zusammen mit Österreich den geringsten EMRAM-Wert auf. Der
Abstand zu anderen europäischen Ländern nahm in den letzten Jahren
zu. Der europäische Durchschnitt liegt bei 3,6 [12].
Auch in Pflegeeinrichtungen ist die Digitalisierung bisher vergleichsweise wenig
fortgeschritten, wie eine Befragung von Führungskräften zur
Untersuchung der Digitalisierung in ambulanten und stationären
Pflegeeinrichtungen aus 2019 zeigt. Finanzielle oder technische Gründe
sprechen gegen eine Beschaffung digitaler Assistenzsysteme. Diese erfordern zudem
höher qualifiziertes und somit besser bezahltes Personal in den Bereichen
Informations- und Kommunikationstechnik und Pflege sowie Arbeitszeit für
Einführung, Schulung und Wartung [13].
Anschaffungs- und Folgekosten durch Einführung und Wartung werden als
größtes Hemmnis beim weiteren Ausbau des Technikeinsatzes gesehen
[14].
Eine Branchenanalyse der medizinischen Rehabilitation der Hans Böckler
Stiftung in Deutschland ergab, dass das Ausmaß der Digitalisierung in
Rehabilitationseinrichtungen vom Einsatzbereich abhängt. Während das
Patient*innenmanagement mehrheitlich (70%) (stark) digitalisiert
ist, findet die Verwaltung der Patient*innendaten nur zu 37% (stark)
digitalisiert statt und in 22% noch eher/vollständig analog.
Die Kommunikation nach außen mit Haus- oder Fachärzt*innen
oder Akutkliniken erfolgt lediglich zu 15% (stark) digital [15].
Hier setzt die vorliegende Studie an. Die Bestandsaufnahme hat zum Ziel, den
Digitalisierungsgrad bayerischer Rehabilitationseinrichtungen zu erfassen und
Herausforderungen bei der Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) zu eruieren.
Die TI dient der Vernetzung des deutschen Gesundheitswesens [16]. Durch das Patientendaten-Schutzgesetz
(PDSG) wird der Anschluss von Einrichtungen und Leistungserbringern der
medizinischen Rehabilitation an die TI und ihre Anwendungen in den Fokus
gerückt. Für ihre Aufwände sollen die Einrichtungen eine
Erstattungspauschale erhalten (§ 381 SGB V) [17]. Seit 01.01.2022 wird den Rehabilitationseinrichtungen ein Anschluss
an die TI ermöglicht. Neben der Bestandsaufnahme erfolgte im Rahmen des
Projekts Reha-/TI-Konsil 2022 erstmals ein Anschluss von fünf
Rehabilitationseinrichtungen an die TI und die Erprobung einer Konsil-Anwendung
für den Austausch medizinischer Informationen zwischen niedergelassenen
Hausärzt*innen und Rehabilitationskliniken (siehe Link zum Projekt
unten [18]).
Material und Methoden
Studiendesign
Die Querschnittsstudie mit quantitativen und qualitativen Verfahren basiert auf
einer Online-Befragung, gemäß der Standards für
Web-Surveys [19], die per
Auftragsverarbeitungsvertrag für eine Cloud-Dienstleistung entsprechend
§29 der Datenschutzgrundverordnung mit SoSci Survey GmbH im Zeitraum
07.06.2021 bis 05.07.2021 von den Autorinnen durchgeführt wurde.
Grundgesamtheit sind alle Rehabilitationseinrichtungen mit Standort in Bayern,
welche durch die regionalen Körperschaften Nordbayern und Schwaben der
Deutschen Rentenversicherung getragen werden, Mitglied des Verbands der
Privatkrankenanstalten in Bayern e. V., des Vereins Health Care Bayern e. V.
oder des Vereins Zentrum für Telemedizin e. V. sind. Die genannten
Einrichtungen versendeten die Einladung zur Teilnahme mit einem Link zur Umfrage
an ihren E-Mail-Verteiler und einer pdf-Version des Fragebogens mit der
Möglichkeit, die Beantwortung des Fragebogens bei Bedarf auch mit
verschiedenen Angehörigen der Einrichtung vorzubereiten. Die Fragen
richteten sich an Personen aus dem IT-Management. Untersuchungseinheit der
Befragung sind Rehabilitationseinrichtungen.
Es nahmen 33 Einrichtungen an der Befragung teil. Gemessen an den
Einträgen im Verzeichnis „Krankenhäuser, Vorsorge- oder
Rehabilitationseinrichtungen“ des Bayerischen Landesamts für
Statistik (Stand 2017 N=233) [20]
lag die Ausschöpfungsquote bei mindestens 14,2%, wobei der
Fragebogen auch von Trägern mit mehreren Einrichtungen
ausgefüllt werden konnte. Das Maximum der von einem Träger
vertretenen Einrichtungen lag bei 120 (M=11,6; SD=24,4;
Md=8). Die Ausschöpfung ist bei einer Online-Befragung mit
freiwilliger Teilnahme zufriedenstellend – Ausschöpfungsquoten
von 10% und niedriger sind hier nicht unüblich [21].
Der Fragebogen und die Handlungsempfehlungen wurden mit partizipativen Methoden
in zwei Workshops per Videokonferenz erstellt. Die Einladung richtete sich an
Beteiligte des Forschungsprojektes Reha-/TI-Konsil mit den
Stakeholdergruppen Medizinische Informatik, IT-Entwicklung sowie
Vertreter*innen von Rehabilitationsträgern und
Rehabilitationseinrichtungen (siehe Link zum Projekt unten). Am Workshop I am
25.03.2021 nahmen elf Vertreter*innen aus den Berufsgruppen Medizin,
Medizinische Informatik, Projekt- und IT-Management sowie Sozialwissenschaften
teil.
Mit der Einladung zum Workshop II am 10.01.2022 wurde ein vorläufiger
Ergebnisbericht an die projektbeteiligten Rehabilitationsträger und
Rehabilitationseinrichtungen versendet, der vorgestellt und mit siebzehn
Teilnehmer*innen verschiedener Berufsgruppen, darunter Einrichtungs-,
IT- oder Teilhabemanagement, (Rehabilitations-)Medizin, Medizinische Informatik,
Medizinrecht und Öffentlichkeitsarbeit, diskutiert wurde.
Erhebungsinstrument
Der teilstandardisierte Fragebogen umfasst 36 Fragen, die mit partizipativen
Methoden im Rahmen des Stakeholder-Workshops I finalisiert wurden. Die Erfassung
des Digitalisierungsgrads basiert auf einer Adaption des EMRAM (siehe Online-Tab. 1). Hierbei kann ein
höherer Grad nur erreicht werden, wenn die Voraussetzungen für
den vorhergehenden Grad bzw. die vorhergehenden Grade erfüllt sind [12].
Mit der Einladung zum Workshop I wurde eine Information über geplante
Themenbereiche des Fragebogens sowie eine Kurzdarstellung des Electronic Medical
Record Adoption Model (EMRAM) [22]
verteilt. Leitfragen des Workshops waren: a) Welches Modell soll zur Bestimmung
des Reifegrads verwendet werden? b) Müssen Inhalte der einzelnen
Modellstufen angepasst werden? Wenn ja, wie? c) Welche Themen sollen im
Fragebogen enthalten sein? d) Wie detailliert sollen die Inhalte des Fragebogens
sein (Software, Hardware, Infrastruktur allgemein, …)? In zwei
Arbeitsgruppen wurde ein Fragebogenentwurf überarbeitet, wobei
Charakteristiken der IT in Rehabilitationseinrichtungen berücksichtigt
wurden. Die Skalierung wurde aus dem Reifegradmodell Digitale Prozesse 2.0 von
Bitcom [23] adaptiert übernommen
(siehe Dokumentation im Anhang des Projektabschlussberichts [24]). Online-Tab. 1 enthält das ursprüngliche EMRAM nach
[22] und die abgewandelten
Frageformulierungen.
Neben den 12 Items im EMRAM-Instrument wurden 5 zusätzliche Items
abgefragt. Eine weitere Frage bezog sich auf das sozialmedizinische Gutachten
/ den Entlassbrief (In welcher Form liegt es vor? In welcher Form wird
es an die weiterbehandelnden Ärztinnen und Ärzte versendet?
siehe Online-Tab. 1). Der Fragebogen
enthält ansonsten sieben Fragen zur Einrichtung, neun Fragen zur
technischen Ausstattung, sechs Fragen zur Digitalisierung allgemein
(z. B. Gibt es in Ihrer Einrichtung eine Digitalisierungsstrategie? Wie
schätzen Sie den Umsetzungsgrad der Digitalisierungsstrategie ein?) und
sieben Fragen bezogen sich auf die Anbindung an die Telematik-Infrastruktur
(TI). Fünf offene Fragen forderten zur Nennung von Erwartungen, Chancen,
Hoffnungen, Empfehlungen und Vorschlägen auf. Vor der Feldphase erfolgte
ein Pre- und Funktionstest [25] durch die
Teilnehmenden des Workshop I.
Analyse
Bei bivariaten Analysen wurden unter Berücksichtigung des Skalenniveaus
ein χ2-Test, eine Korrelation nach Bravais-Pearson
(Pearson’s r) oder eine Rangkorrelation nach Spearman
(Spearman’s Rho) durgeführt. Die angegeben Prozentwerte beziehen
sich jeweils auf gültige Angaben. Weicht die Anzahl gültiger
Angaben von der Stichprobengröße ab, wird sie angegeben. Das
Signifikanzniveau wurde auf p=0,05 festgelegt. Die Auswertung mit
quantitativen Methoden (deskriptive und schließende Statistik) erfolgte
ungewichtet und softwaregestützt mit IBM Statistics SPSS 27. Die
Auswertung der offenen Fragen erfolgte mit der Methode einer strukturierenden
Inhaltsanalyse nach [26]. Die
Oberkategorien wurden deduktiv anhand der Fragestellungen gebildet, die
Unterkategorien induktiv auf Basis des Datenmaterials. Bei Zitaten wird in
Klammern die Interviewnummer angegeben.
Beschreibung der Stichprobe
Die teilnehmenden Einrichtungen werden meist privat (45,5%) oder
öffentlich (42,2%) getragen (6,1%
freigemeinnützig, 6,1% ohne Angabe). Im Vergleich zum
Verzeichnis [20] sind privat getragene
Einrichtungen gut repräsentiert (54,9%), wohingegen
öffentlich getragene über- (25,3%) und
freigemeinnützig getragene unterrepräsentiert (19,7%)
sind.
Mehr als die Hälfte der Einrichtungen sind in der akutnahen
Rehabilitation (53,3%) und/oder der Krankenhausnachsorge
(56,7%) tätig sowie 90,0% in der Antragsrehabilitation
und 40,0% in der Prävention, 12,1% in allen Bereichen
(n=30). Die Stichprobe bildet die Fachbereiche der im Verzeichnis
aufgeführten Einrichtungen [20]
gut ab; dies umfasst Neurologie, Geriatrie, innere Medizin, Sonstige, wobei
Orthopädie über- und Psychosomatik etwas
unterrepräsentiert ist.
Ergebnisse
Stand der Digitalisierung und Digitalisierungsgrad
Zwei Drittel der Einrichtungen (65,5%) haben eine
Digitalisierungsstrategie (n=29). Mit der Umsetzung wurde bei allen
begonnen, jedoch steht die Mehrheit (73,7%) damit noch am Anfang.
21,1% der Einrichtungen haben etwa die Hälfte ihrer
Digitalisierungsstrategie umgesetzt und 5,5% hatten diese zum
Befragungszeitpunkt bereits beendet.
Die Bestimmung des Digitalisierungsgrades erfolgte über EMRAM (Online-Tab. 1). Da der
nächsthöhere EMRAM-Grad nur erreicht werden kann, wenn alle
vorherigen Voraussetzungen erfüllt sind, erreichen bspw. Einrichtungen
mit einrichtungsinterner elektronischer Patientenakte (ePA) Grad 2 nicht, wenn
Patienteninformationen nicht (überwiegend) digital verwaltet werden
(Grad 1). Die Auswertung zeigt, dass der überwiegende Teil der
Einrichtungen (23 von 33) sich unterhalb des EMRAM-Grads 1 einordnet.Vier
Einrichtungen erreichen Grad 2; seltener ist Grad 3 (drei Einrichtungeni).
Jeweils eine Reha-Einrichtung befindet sich auf den Graden 1, 4 oder 6, keine
auf Grad 7 .
Der durchschnittliche EMRAM-Grad in der Stichprobe liegt bei 0,9. Die Annahme,
dass mit der Trägergröße der Digitalisierungsgrad
steigt, bestätigt sich nicht
(r
sp
=–0,162,
p=0,393).
Eine Einschränkung der Validität ergibt sich durch die
Operationalisierung des Stufengradmodells EMRAM, das eine Umsetzung aller
Kriterien und der vorherigen Stufen voraussetzt, um auf die
nächsthöhere Stufe zu gelangen. Drei Viertel der befragten
Einrichtungen haben das Erfordernis für Grad 2 (einrichtungsinterne ePa)
umgesetzt (72,7%), auch Elemente von Grad 3 (elektronische Verordnungen
57,6%, digitale Dokumentation Medikamentengabe 50%), Grad 4
(klinische Entscheidungsunterstützung 24,2%, elektronische
Verordnung mit klinischer Entscheidungsunterstützung 12,1%),
Grad 5 (integrierte Bildmanagementlösung 20%), Grad 6
(15,1% integrieren klinische Entscheidungsunterstützung und
klinische Dokumentation und 12,1% mit IT-gestütztem
Medikamentenausgabeprozess) und Grad 7 (data warehouse 24,2%) sind nicht
selten. Den vollständigen Ersatz einer Papierakte durch eine ePa auf
Stufe 7 erreichen lediglich 3%. Nur bei einem Drittel ist allerdings die
Voraussetzung für Grad 1 erfüllt (Verarbeitung
patientenbezogener Daten vollständig digital 3,3%,
überwiegend digital 30%) und nur diese Einrichtungen
können überhaupt auf eine höhere EMRAM-Stufe kommen.
Digitalisierung im Bereich der patientenbezogenen Daten
Patienteninformationen werden mehrheitlich teilweise analog/teilweise
digital verwaltet (60,0%). Etwa ein Viertel dokumentiert und verwaltet
(überwiegend) digital und 13,3% der Einrichtungen
überwiegend analog (n=30). Jedoch hängt die Form
patientenbezogener Daten (z. B. Stammdaten, Vorbefunde, Medikationsplan,
usw.) von Ärzt*innen, Versicherungen, Laboren, usw. davon ab, ob
der Eingang, die Verarbeitung oder die Übermittlung betrachtet wird
(n=30). Während der Eingang bei den Rehabilitationseinrichtungen
zu 43,3% (überwiegend) analog erfolgt, ist die Verarbeitung
patientenbezogener Daten häufiger (überwiegend) digital. Die
Übermittlung der Daten findet häufiger (überwiegend)
analog statt ([Abb. 1]). Noch deutlicher
zeigt sich dieses Muster bei der Form des sozialmedizinischen Gutachtens.
Während es mehrheitlich (86,7%) teils analog/teils
digital vorliegt, findet die Weitergabe mehrheitlich (56,7%)
ausschließlich analog und in 40,0% teils analog/teils
digital statt (n=30).
Abb. 1 Eingang, Verarbeitung und Übermittlung
patientenbezogener Daten (n=30).
Der Informationsaustausch mit Patient*innen verläuft in der
Hälfte teils analog/teils digital sowie zu je knapp einem Viertel
überwiegend bzw. vollständig analog. In 3,4% der
Einrichtungen findet der Austausch überwiegend digital statt
(n=29).
Anbindung an die Telematikinfrastruktur
Zum Befragungszeitpunkt gaben 18,1% der Rehabilitationseinrichtungen
– i.d.R. Einrichtungen mit Akutversorgung – an, bereits Zugriff
auf die TI zu haben und das Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) zu nutzen.
In Teilen werden Kommunikation im Medizinwesen (KIM), der E-Medikationsplan
(eMP), die ePA und die Elektronische Verordnung (eRP) verwendet. Nicht genutzt
wird das Notfalldaten-Management (NFDM). Die Einrichtungen, welche zum
Befragungszeitpunkt keinen Zugriff auf die TI hatten (n=22), wurden
gefragt, wie hoch sie den Aufwand hinsichtlich finanzieller, zeitlicher und
personeller Ressourcen in den Bereichen Installation, Wartung, Schulung des
Personals und Anpassung der Arbeitsorganisation bei einem Anschluss an die TI
einschätzen würden ([Abb.
2]). Der größte Aufwand wird bei der Schulung des
Personals gesehen ((sehr) großer Aufwand: 81,1%), gefolgt von
der Anpassung der Arbeitsorganisation ((sehr) großer Aufwand:
77,2%). Der geringste wird bei der Wartung ((sehr) großer
Aufwand: 40,9%) erwartet. Dabei zeigt sich, dass mit der
Trägergröße der Aufwand bei der Installation steigt
(r
sp
=0,576, p=0,005).
Für Wartung, Schulung des Personals und Anpassung der
Arbeitsorganisation ist kein signifikanter Zusammenhang mit der
Trägergröße nachweisbar (jeweils
p>0,05).
Abb. 2 Geschätzter Aufwand bei Anschluss an TI
(n=22).
Insgesamt wird angegeben, dass der Aufwand den Nutzen eines TI-Anschlusses (eher)
überwiegt (71,4%). Jedoch zeigt sich bei dieser
Einschätzung große Unsicherheit, da 42,4% der
Einrichtungen die Ausweichoption „Weiß ich nicht“
wählten und weitere 15,2% keine Angabe tätigten. Dass
zunächst der Aufwand überwiegt, wurde am Ende des Fragebogens
auch frei formuliert: „Die Einführung neuer digitaler
Prozesse ist erstmal mit deutlich erhöhtem Aufwand
verbunden“ (R195).
Ähnlich große Unsicherheit zeigt sich bei der
Einschätzung der Kompatibilität zwischen dem verwendetem
Krankenhausinformationssystems (KIS) und der TI. Während 68,8%
der antwortenden Rehabilitationseinrichtungen (n=16) angaben, dass KIS
und TI eher bis vollständig kompatibel seien, wurde in 48,5%
aller Fälle „Weiß ich nicht“ geantwortet und in
12,1% keine Angabe getätigt. Der Kompatibilität von KIS
und TI steht die Eignung des Stands der Informationstechnologie (IT) für
die Nutzung von bspw. KIM/eArztbrief und ePA gegenüber. In 57,7%
wird der Stand nicht als geeignet angesehen (n=26). Sechs Einrichtungen
gaben eine Summe an, die notwendig sei, um bei der IT einen geeigneten Stand zur
Nutzung von Anwendungen der TI zu erreichen
(xmin=100.000€,
xmax=1.200.000€, Md=482.500€).
Erwartungsgemäß steigt die Summe mit der
Trägergröße (r=0,928,
p=0,023). In der Mehrheit der Rehabilitationseinrichtungen sind
vor Nutzung von Anwendungen der TI größere Investitionen im
Bereich der Informationssicherheit notwendig (83,3%; n=12).
Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung
Die offenen Nennungen auf Fragen zu Erwartungen an die Digitalisierung werden
nach den Oberkategorien Chancen/Hoffnungen einerseits und Herausforderungen
andererseits unterschieden. Bei Chancen und Hoffnungen wurden als Unterkategorie
Steigerung der Arbeitsplatzattraktivität, Erleichterungen und
Vereinfachungen durch Neustrukturierung genannt, darunter fallen
Qualitätssteigerung (Prozess- und Serviceoptimierung, Standardisierung)
und Effizienzsteigerung ([Abb. 3]).
Abb. 3 Chancen und Hoffnungen in Bezug auf Digitalisierung
(Unterkategorien).
„Die Erwartung ist, dass Digitalisierung zu Erleichterungen und
Vereinfachungen führt. Eine dauerhafte Mehrbelastung durch
ungelöste Probleme in den Prozessen und Schnittstellen kann nicht
getragen werden“ (R58). Erwartete positive Effekte der
Digitalisierung betreffen im Wesentlichen eine Qualitäts- sowie dadurch
bedingte Effizienzsteigerung. Zu Qualitätssteigerung zählen
„Prozessoptimierung“ (R89, R189),
„Serviceoptimierung“ (R189) und
„Standardisierung“ (R88). Die Befragten erhoffen sich
dadurch eine verbesserte Kommunikation zwischen Ärzt*innen und
Leistungserbringer*innen und Patient*innen. Sie sehen die
Chance, „Big Data zu Smart Data zu machen. Patientendaten
können miteinander vernetzt und verknüpft werden. Durch
diese innovative Datenaufbereitung könnten Diagnosen schneller
gestellt und Krankheiten besser überwacht werden“
(R112). Im Kern der Qualitätssteigerung steht die bessere Versorgung der
Patient*innen, obgleich auch Befürchtungen bestehen:
„Digitale Prozesse erschweren die Kommunikation mit dem Patienten
und dadurch können wichtige Informationen verloren
gehen“ (R195). Aussagen zur Effizienzsteigerung betreffen
mehrheitlich eine erhoffte „Zeitoptimierung“ (R189) bspw.
durch „Beschleunigung der Dokumentation“ (R115) und
„vereinfachte Geschäftsprozesse“ (R185), was
wiederum zu mehr Zeit für die Versorgung von Patient*innen
führen würde.
Herausforderungen lassen sich untergliedern in Praxis/Arbeitsalltag mit den
Unterkategorien Anpassung von Geschäftsprozessen und
Arbeitsabläufen sowie Akzeptanz des Personals und IT, untergliedert in
die Unterkategorien Finanzierung (Infrastruktur, Technische Umsetzung,
IT-Dienstleister und IT-Personal, Schulungen) und technische Herausforderungen
(Datenschutz, IT-Sicherheit, Schnittstellen ([Abb. 4]).
Abb. 4 Herausforderungen der Digitalisierung
(Unterkategorien).
Genannte Herausforderungen durch eine fortschreitende Digitalisierung betreffen
den Arbeitsalltag in den Rehabilitationseinrichtungen und die IT sowie die
Schnittmenge aus beiden Sphären. Beide Seiten betrifft eine praxisnahe
Entwicklung von rehabilitationsspezifischer Software: „Die
Herausforderung wird sein, dass sich Programmierer mit Praktikern abstimmen
und dass am Ende ein gutes Produkt entsteht. Beide Gruppen denken leider
nicht identisch, so dass der Prozess eng begleitet werden muss“
(R58). Aktuell wird eine sich „[s]teigernde Komplexität der
Systeme“ (R189) wahrgenommen, was hinsichtlich des
Arbeitsalltags zum einen zu einem erhöhten
„Implementierungsaufwand“ (R189) führt und
zum anderen „prozesstechnische Veränderungen in den
Abläufen“ (R190) sowie eine „Anpassung der
eigenen Geschäftsprozesse“ (R185) bewirkt. Explizit
wurde hier auch die „Trennung vom Fax“ (R191) als
Herausforderung genannt. Weiterhin resultiert daraus ein „hoher
Schulungsaufwand“ (R115) des Personals sowie ein
„[v]eränderter Personalbedarf (mehr Bedarf im
IT-Bereich)“ (R189); diese lassen sich der Kategorie
Finanzierung zuordnen. Im Bereich der IT selbst werden Herausforderungen
bezüglich der Technik und der Finanzierung gesehen,wobei die technischen
Herausforderungen wiederum Einfluss auf Arbeitsalltag und -praxis haben
können. Dazu zählen seitens der Technik
„Datensicherheit und Datenschutz“ (R90) und die
„Stabilität des IT-Systems“ (R111). Aspekte der
Finanzierung betreffen neben der Qualifikation des Personals „Kosten
für die Infrastruktur“ (R112).
In Bezug auf die Realisierung des Fortschreitens der Digitalisierung und des
Anschlusses an die TI erhoffen sich die Befragten „praktikable
Rahmenbedingungen“ (R112) sowie eine
„[a]ufwandsgerechte und rechtzeitige staatliche
Finanzierungsleistung“ (R189) sowie eine
„Förderung aller Gruppen im Gesundheitswesen“
(R159); genannt wird eine „Finanzierung der Aufwände
über einen Telematikzuschlag wie im Akutbereich“ (R176).
Aktuell sehen die Befragten jedoch „[h]öhere
Kosten“ (R189) bei gleichzeitig „fehlende[n]
Finanzierungskonzepten“ (R115) auf sich zukommen.
Diskussion
Zum aktuellen Stand der Digitalisierung
Der Anteil an Rehabilitationseinrichtungen mit Digitalisierungsstrategie
(65,5%) ist geringer verglichen mit dem Anteil stationärer
Pflegeeinrichtungen (72,5%) [13].
Nach den Ergebnissen dieser Studie ist die Digitalisierung in bayerischen
Rehabilitationseinrichtungen gemessen an einem für
Rehabilitationseinrichtungen leicht abgewandelten EMRAM-Instrument niedrig
ausgeprägt, wie in deutschen Krankenhäusern und im deutschen
Gesundheitssystem. Das EMRAM ist ein anerkanntes und weit verbreitetes
Digitalisierungs-Reifegradmodell bezogen auf Krankenhäuser. Ein speziell
auf Rehabilitationseinrichtungen ausgelegtes Modell ist nicht bekannt. Aufgrund
der oben geschilderten Problematik des kumulativen Stufenmodells wird die
Reihenfolge, in der Digitalisierungsprozesse umgesetzt werden,
eingeschränkt abgebildet. Zu kritisieren ist auch, dass wenn in einer
Einrichtung bildgebende Verfahren nicht verwendet werden, ein Erreichen von Grad
5 nicht möglich ist. Insofern wird eine Betrachtung des
Digitalisierungsgrads anhand der einzelnen Indikatoren der Realität
besser gerecht als das zusammenfassende Stufenmodell. Erschwernisse für
die Verfügbarkeit und Weitergabe digitaler Daten und somit das Erreichen
höherer Digitalisierungsgrade ergeben sich auch aus Anforderungen an
Datenschutz und Datensicherheit im Gesundheitsbereich [27]
[28]
[29]. Insgesamt liegt der
Vorteil des EMRAM in der Vereinfachung und der (inter-)nationalen und
einrichtungsübergreifenden Vergleichbarkeit.
Die Einstellungen der Beschäftigten in Rehabilitationseinrichtungen zu
digitaler Technik variieren in der vorliegenden Studie wie auch in anderen
Untersuchungen. Diese sehen zum Teil die Chancen und Möglichkeiten einer
qualitativ hochwertigen Versorgung der Patient*innen [10]
[11] durch digitalisierte Daten und Prozesse, bspw. in der
Kommunikation mit weiteren Ärzt*innen, die aktuell noch
häufig analog stattfindet. Zum Teil liegt auch eine geringe Akzeptanz
vor, was Digitalisierungsprozesse bremst [30], bspw. aufgrund einer befürchteten Verschlechterung bei
der Kommunikation mit Patient*innen.
Hinsichtlich der Schnittstelle zu Patient*innen in Privathaushalten ist
die Altersstruktur zu berücksichtigen. Der Anteil der
Bevölkerung ab 70 Jahren an der erwachsenen Bevölkerung in
Deutschland liegt bei 19,3% (eigene Berechnung nach [31]). Die Internetnutzung ist weit
verbreitet, jedoch altersabhängig [32]. Das zeigen bspw. die Auswertungen des Deutschen Alterssurvey
2020, einer Bevölkerungsbefragung ab dem 46. Lebensjahr. Zwar ist in
allen betrachteten Altersgruppen der Zugang zum Internet gestiegen, aber
während in der jüngsten Altersgruppe (46–60 Jahre) mit
96% nahezu alle Personen über einen Internetzugang
verfügen, trifft das in der Gruppe der 75–90-Jährigen
nur auf jede zweite Person zu (52,1%). Zudem nimmt die
Nutzungshäufigkeit mit steigendem Alter ab [33]. Daten des Statistischen Bundesamts
zeigen, dass in 2019 und in den Jahren zuvor die Anzahl an Personen in Vorsorge-
und Rehabilitationseinrichtungen ab 45 Jahren etwa vier bzw. ab 65 Jahren etwa
4,5 mal so hoch war im Vergleich zu Personen unter 45 Jahren (eigene Berechnung
nach [34]). Zudem verfügen
Menschen mit geringem Einkommen möglicherweise nicht über die
benötigte technische Ausstattung [35]. Besonders für ältere Menschen kann also nicht
vorausgesetzt werden, dass diese mit der Digitalisierung Schritt halten
können und über die notwendigen Geräte und Kompetenzen
verfügen, um z. B. die ePA oder ein E-Rezept nutzen zu
können.
Auch die bislang oft analoge interprofessionelle Kommunikation befindet sich im
Umbruch. Im Rahmen des Pilotprojekts „Reha/-TI-Konsil“
wurden fünf Rehabilitationseinrichtungen an die TI angebunden und in
Form von telemedizinischen Konsilen wurden die spezifischen Anforderungen in der
patient*innenzentrierten Information und Kommunikation zwischen
niedergelassenen Hausärzt*innen sowie medizinischen
Fachkräften in der Rehabilitation getestet. Diese Vorgehensweise kann,
wie sich in einem Workshop mit Rehabilitationsträgern gezeigt hat,
wegweisend für eine deutschlandweite Umsetzung sein.
Voraussetzungen der Digitalisierung
Die Voraussetzung zur Steigerung der Digitalisierung ergeben sich zum einen aus
den Ergebnissen der Befragung und zum anderen aus den Diskussionen im
Stakeholder-Workshop II. Es wurden dreizehn Handlungsempfehlungen erarbeitet.
Bemängelt wird, dass der Glasfaserausbau langsam voranschreite, vor
allem im ländlich geprägten Bayern. Ländliche Gemeinden,
in denen Rehabilitationseinrichtungen häufig angesiedelt sind, weisen
eine geringere Breitbandverfügbarkeit auf als städtische Gebiete
[36]. Darüber hinaus wird eine
finanzielle Förderung benötigt, um den Stand der Digitalisierung
zu erhöhen und sowohl technisch als auch personell eine
TI-Fähigkeit zu erreichen. Die Rehabilitationseinrichtungen geben an,
dass Bedenken bei der Informationssicherheit eine große Hürde
darstellen. Von besonderer Bedeutung sind Datenschutz und Datensicherheit im
Hinblick auf die Gesundheitsdaten in der ePA [9].
Voraussetzung ist, dass Personal geschult und die Akzeptanz von Digitalisierung
erhöht wird [9]
[30], da Motivation und Kompetenz der
Schlüssel für die Umsetzung der Digitalisierung sind [11]. Ebenso bedeutsam ist die digitale
Gesundheitskompetenz der Bevölkerung [9].
Krankenhäuser erhalten durch das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG)
finanzielle Förderung. Die Rehabilitationseinrichtungen fordern eine
Gleichstellung von Akutversorgung und Rehabilitation; inwieweit dies durch das
Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG) gelingt, ist noch offen.
Kernbotschaft
Rehabilitationseinrichtungen haben meist eine Digitalisierungsstrategie, die Mehrheit
befindet sich jedoch am Beginn der Umsetzung. Der Digitalisierungsgrad in
Rehabilitationseinrichtungen wird relativ niedrig eingestuft, wobei
Änderungen aufgrund der rechtlich-finanziellen Situation anstehen. Mit
Digitalisierung und Anbindung an die TI sind Erwartungen an Qualitäts- und
Effizienzgewinne, aber auch Herausforderungen und hoher Aufwand für
IT-Sicherheit oder Schulung des Personals verbunden.
Ethische Aspekte
Die Untersuchungseinheit der Befragung sind Rehabilitationseinrichtungen; es werden
keine Patient*innen befragt oder untersucht.
Finanzielle Unterstützung
Finanzielle Unterstützung
Das Projekt wurde durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und
Pflege (StMGP) gefördert (G81d-A1070–2020/247–1).
Der Fördergeber hatte keinen Einfluss auf Frageformulierungen, Auswertung
und Interpretation der Daten sowie die Manuskripterstellung. Die Verantwortung
für den Inhalt der Publikation liegt bei den Autor*innen. Die
Open-Access-Veröffentlichung wurde aus dem Publikationsfonds der
Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg gefördert.
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