Allgemeinmedizin up2date 2023; 04(04): 286-288
DOI: 10.1055/a-2130-9173
Fit fürs Fachgespräch

Eine 56-jährige Patientin „läuft nicht mehr rund“

Armin Wunder

Anamnese

Sie werden von einer Ihnen seit vielen Jahren bekannten 56-jährigen Patientin mit den Worten „Herr Doktor, ich laufe nicht mehr rund“ konsultiert. Bisher haben Sie die Patientin aufgrund einer arteriellen Hypertonie, die mit einem ACE-Hemmer (Ramipril 10 mg: ½ – 0 – 0) gut eingestellt ist, und wegen interkurrenter Infekte behandelt. Bei der letzten Gesundheitsuntersuchung vor 7 Monaten fanden sich für die Fette und die Glukose unauffällige Werte. Auch der Kreatininwert, die GFR (glomeruläre Filtrationsrate), Kalium und Natrium waren ebenso wie der Urin-Stix unauffällig gewesen. Die körperliche Untersuchung zeigte keinen pathologischen Befund.

Woran denken Sie und wie gehen Sie vor?

Unspezifische Angaben und unspezifische Symptome begegnen uns oft in der hausärztlichen Praxis. Wenn Red Flags ausgeschlossen wurden, bleibt häufig das beobachtende Zuwarten und viele der angegebenen Symptome verschwinden wieder ohne unser Einschreiten. Dennoch sollte zunächst durch gezieltes Nachfragen und eine sich anschließende körperliche Untersuchung sowie ggf. weitere Untersuchungen, wie z.B. Laboranalysen, die Aussage weiter abgeklärt werden. Zunächst bitte ich daher die Patientin mir zu erläutern, was Sie mit „nicht mehr rund laufen“ meint.

Die Patientin erklärt Ihnen, dass sie in den letzten 3–4 Monaten zunehmend bemerkt habe, dass sie müde sei, auch wenn sie ausreichend geschlafen habe. Zunächst sei sie nicht in Sorge gewesen, da ja bei der Gesundheitsuntersuchung alles in Ordnung gewesen war, jetzt aber mache sie sich langsam Gedanken. Völlig gegen ihre Gewohnheiten würde sie sich sogar nach dem Mittagessen eine längere Pause gönnen und teilweise auch bis zu einer Stunde schlafen.

Welche Differenzialdiagnosen fallen Ihnen zu der geschilderten Müdigkeit ein und haben Sie noch weitere Fragen an die Patientin?

Bei dem Symptom Müdigkeit sollte zunächst geklärt werden, ob diese Beschwerden schon einmal aufgetreten sind. Auch die Frage „Haben Sie eine Idee, wo Ihre Beschwerden herkommen?“, liefert oft brauchbare Aussagen. Erhalte ich keine Antworten, die mir weiterhelfen, sollte sowohl an psychische Erkrankungen – wie eine Depression, eine Belastungssituation oder eine Angststörung – als auch an organische Erkrankungen gedacht werden. Hierzu zählen u.a. die Anämie, eine Leberfunktionsstörung, ein anhaltender Infekt oder ein Z.n. Infekt, eine Hypothyreose und ein Diabetes mellitus. Ich frage die Patientin deshalb noch gezielt nach Gewichtsverlust, Fieber und Nachtschweiß, Schnarchen, Herzrhythmusstörungen sowie psychischen Beeinträchtigungen.

Die Patientin berichtet, dass sie eine derartige Müdigkeit nicht kenne und auch keine Idee habe, warum sie jetzt so müde sei. Die von Ihnen genannten Symptome verneint die Patientin. Laut Aussage ihres Mannes schnarche sie auch nicht und sie habe keine „Aussetzer“ beim Herzschlag festgestellt. Psychisch gehe es ihr sehr gut. Sie helfe ihrem Mann, der einen Handwerksbetrieb hat, immer noch bei der Buchhaltung und habe viel Freude mit den Enkelkindern und dem Garten.



Publication History

Article published online:
21 November 2023

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