physioscience 2023; 19(04): 192-193
DOI: 10.1055/a-2132-3693
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Die Verwendung von mobilen Apps für therapeutische Übungen bei muskuloskelettalen Schmerzerkrankungen kann dazu beitragen, die Schmerzintensität zu verbessern und die selbstberichtete körperliche Funktion zu steigern: eine systematische Übersichtsarbeit

Mobile app use to support therapeutic exercise for musculoskeletal pain conditions may help improve pain intensity and self-reported physical function: a systematic review

Zusammenfassung

Hintergrund

Muskuloskelettale Erkrankungen betreffen weltweit etwa 1,7 Milliarden Menschen. Sie können Schmerzen verursachen, die körperliche Funktion beeinträchtigen, das psychische Wohlbefinden reduzieren und die soziale und wirtschaftliche Teilhabe einschränken. Bewegungsprogramme und gezielte körperliche Aktivität sind als kosteneffektive Interventionen zur Verbesserung von Symptomen und funktionellen Outcomes bei muskuloskelettalen Beschwerdebildern bekannt, sofern eine ausreichende Adhärenz gegeben ist. Eine Verbesserung der Adhärenz kann durch Interventionen zur Verhaltensänderung erreicht werden. Mithilfe von digitalen Lösungen, insbesondere Apps, könnten solche Interventionen einfach und niederschwellig angeboten werden.


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Ziel

Untersuchung des Effekts von therapeutischen Bewegungsprogrammen oder gezielter körperlicher Aktivität, die mithilfe einer Smartphone-App vermittelt werden (im Vergleich zu Programmen, die auf andere Weise durchgeführt werden), bei Personen mit muskuloskelettalen Schmerzen. Zusätzlich wurde mithilfe des „Behaviour Change Wheels“ von Michie et al. [1] erhoben, welche der 9 beschriebenen Interventionsfunktionen zur Verhaltensänderung in den Apps umgesetzt wurden.


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Methode

Es handelt sich um ein systematisches Review von randomisierten, kontrollierten Studien mit Metaanalyse. Eingeschlossen wurden Studien zu App-basierten Interventionen, die durch Fachpersonen verschriebene Heimübungen oder körperliche Aktivität im Heim- oder Communitysetting beinhalten. Zielgruppe waren Personen mit akuten, subakuten oder persistierenden muskuloskelettalen Schmerzerkrankungen jeden Alters. Weiteres Einschlusskriterium war eine vorhandene Kontrollgruppe mit äquivalentem Aktivitätsprogramm ohne App-basierte Vermittlung. Das Titel- und Abstract sowie Volltext-Screening wurde von je 2 von 3 Reviewer*innen unabhängig durchgeführt. Die Qualität der Studien und Vertrauenswürdigkeit der Evidenz wurde mithilfe der zweiten Version des Cochrane Risk of Bias Tools (ROB2) [2] bzw. der GRADE-Methodik [3] beurteilt.


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Ergebnisse

Von 7978 identifizierten Studien wurden 11 Artikel (10 Studien) mit insgesamt 845 Teilnehmenden eingeschlossen. Das Alter der Studienteilnehmenden betrug zwischen 27 und 63 Jahren. Die Übungsprogramme unterschieden sich in ihrem therapeutischen Fokus, wobei Muskelkräftigungsübungen am häufigsten vorkamen, gefolgt von Stretching. Metanalysen ergaben eine begrenzte Evidenz dafür, dass App-gestützte Übungsprogramme dazu beitragen, die Schmerzintensität zu reduzieren (SMD: -0,60; 95 %-KI: 0,93 bis -0,27), sowie die selbstberichtete körperliche Funktion signifikant zu verbessern (SMD: -0,92; 95 %-KI: -1,57 bis -0,27). Obwohl auch der Effekt des Einsatzes von Apps auf die Beeinträchtigung durch Schmerzen als vorteilhaft geschätzt wurde (SMD: -0,66), war diese Schätzung mit erheblicher Unsicherheit verbunden (95 %-KI: -1,52 bis 0,19), sodass der Effekt unklar bleibt. Für die übrigen Outcomes ergaben sich aufgrund methodologischer Mängel der Studien entweder unklare Resultate (Adhärenz, gesundheitsbezogene Lebensqualität) oder es konnte kein Nutzen nachgewiesen werden (Vermeidung von Ängsten, Zeit bis zur Wiederaufnahme der Berufstätigkeit). Die häufigsten Funktionen zur Verhaltensänderung, die von den Apps adressiert wurden, waren Training (alle Apps), Ermächtigung (8 Apps) und Umweltumgestaltung (5 Apps). Edukation, Überzeugung und Anreize wurden in je einer Studie eingesetzt.


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Schlussfolgerungen

App-basierte Übungs- oder Aktivitätsprogramme können zur Reduktion der Schmerzintensität und Verbesserung der körperlichen Funktion bei muskuloskelettalen Erkrankungen beitragen. Die Apps nutzen dabei jedoch nur eine begrenzte Bandbreite an Funktionen zur Verhaltensänderung.


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Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
22. November 2023

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