Schlüsselwörter
schwere Demenz - Pflegeheim - psychosoziale Intervention - Manualtreue - Covid-19
MmsD Mensch(en) mit schwerer Demenz
Hintergrund und Fragestellung
Hintergrund und Fragestellung
Menschen mit schwerer Demenz in Pflegeheimen
Demenz ist eine chronisch fortschreitende Erkrankung des Gehirns mit
Störung vieler höherer kortikaler Funktionen (ICD-10). In
Deutschland liegt die Prävalenzrate von Demenzerkrankungen in der
über 65-jährigen Bevölkerung bei 8,5% [1]. In Pflegeheimen dagegen leiden
68,6% der Bewohner*innen an einer Demenz und ein Drittel an
einer schweren Demenz [2]. Schwere
Demenz bedeutet, dass bei diesen Personen die kognitiven
Beeinträchtigungen bereits so weit fortgeschritten sind, dass die
Sprache auf wenige Worte begrenzt ist und selbst grundlegende Alltagshandlungen
nicht mehr (selbstständig) durchgeführt werden können.
Häufig sind diese Personen nicht mehr in der Lage, sich
selbständig zu bewegen und zu essen. Zusätzlich sind bei einem
Großteil der Personen veränderte Verhaltensweisen wie
abweichendes motorisches Verhalten (z. B. nesteln, aus- und
einräumen, umherwandern), Aggression oder Apathie zu beobachten [3], die die Pflegenden vor
große Herausforderungen im Pflegealltag stellen.
Qualitätsdimensionen in der gesundheitlichen Versorgung
Nach Donabedian [4]
[5] können in der
gesundheitlichen Versorgung drei Dimensionen unterschieden werden: Struktur-,
Prozess- und Ergebnisqualität. Die Strukturqualität umfasst
dabei materielle und personelle Ressourcen, organisatorische Strukturen und
finanzielle Rahmenbedingungen. Die Prozessqualität stellt die
Ausführung einer Maßnahme dar, während die
Ergebnisqualität die Wirkung beschreibt. Im Falle einer psychosozialen
Intervention in Pflegeheimen werden zur Strukturqualität die
räumlichen Voraussetzungen, die materielle Ausstattung und die
Qualifikation der Mitarbeitenden gezählt. Mit der
Prozessqualität wird die ordnungsgemäße
Durchführung der Intervention, d. h. die Einhaltung der
zeitlichen und inhaltlichen Vorgaben erfasst. Die Ergebnisqualität
spiegelt sich in der Zufriedenheit oder auch im Zugewinn an Ressourcen der
Teilnehmenden wider.
Psychosoziale Interventionen für Menschen mit schwerer Demenz
Unter psychosozialen Interventionen werden Verfahren subsummiert, die
alltagspraktische, kognitive, soziale oder verhaltensbezogene Fertigkeiten
fördern und somit die Betroffenen dazu befähigen, ihr Leben
möglichst selbstständig zu gestalten [6]. Für Menschen mit Demenz
wird eine Vielzahl von psychosozialen Interventionen angeboten.
Überblicksarbeiten und Metaanalysen belegen mehrheitlich
günstige Wirkungen dieser Therapien auf Kognition,
Alltagsfähigkeiten oder Verhaltenssymptome bei Menschen mit Demenz
unterschiedlicher Schweregrade [7]
[8]. Dabei scheinen für
Menschen mit schwerer Demenz (MmsD) eher nonverbale Angebote, wie basale
Stimulation, Aromatherapie, Lichttherapie oder Musiktherapie geeignet [9]. Allerdings gibt es kaum Analysen zu
psychosozialen Interventionen speziell für MmsD. Die bisher einzige
Metaanalyse, die hauptsächlich MmsD mit einbezog, zeigte eine
Verbesserung der Alltagsaktivitäten und eine Verminderung von
depressiven Symptomen bei den MmsD durch Interventionen wie, Musiktherapie,
körperliche Übungen oder Massage [10]. Speziell auf die
Bedürfnisse und Fähigkeiten von MmsD abgestimmt, wurde die
Mehrkomponenten-Intervention MAKS-s (M otorisch, A
lltagspraktisch, K ognitiv, S ozial für Menschen mit
s chwerer Demenz) entwickelt, die in Kleingruppen von 3 bis 6
Personen durchgeführt wird [11]. Bei MAKS-s werden die vier Komponenten während der
einstündigen Intervention in der Reihenfolge S-M-K-A von geschulten
Therapeut*innen durchgeführt. In der während der
Covid-19 Pandemie durchgeführten randomisiert-kontrollierten Studie in
deutschen Pflegeheimen wurde MAKS-s standardisiert in Pflegeheimen untersucht.
Die Zielgrößen Lebensqualität sowie psychische und
Verhaltenssymptome wurden mittels Fremdbeurteilungsverfahrenen durch darin
geschultes Pflegepersonal, das nicht in die Intervention involviert war,
erhoben. Im Rahmen der Studie war jedoch keine signifikante Wirkung auf
Lebensqualität, Verhaltenssymptome oder Alltagsfähigkeiten der
MmsD im Vergleich zur Kontrollgruppe feststellbar [12].
Manualtreue
In der DeTaMAKS-Studie, in der Menschen mit leichter oder mittlerer Demenz in der
Tagespflege untersucht wurden, zeigte sich in der offenen Studienphase, in der
die Intervention nicht mehr unter kontrollierten Bedingungen
durchgeführt wurde (alle Einrichtungen waren geschult, die Anwendung der
Intervention war freigestellt), eine geringere Effektstärke als
während der kontrollierten Phase [13]
[14]. Auch andere Studien zeigten,
dass die Wirksamkeit einer Intervention substanziell von der
„ordnungsgemäßen“ Durchführung der
Maßnahme beeinflusst wird [15]. Manualtreue, das heißt, dass eine Intervention exakt nach
Vorgabe des Manuals durchgeführt wird, scheint somit einen nicht
unerheblichen Einfluss auf die Wirkung einer Intervention zu haben.
Fragestellung
Da für die MAKS-s Intervention während der RCT-Phase keine
Wirksamkeit bezüglich der Lebensqualität sowie der psychischen
und Verhaltenssymptome nachgewiesen werden konnte, stellt sich die Frage, ob die
fehlende Wirksamkeit möglicherweise einen Zusammenhang mit einer
fehlenden Manualtreue während der Covid-19 Pandemie aufweist oder ob
andere Faktoren für die fehlende Wirksamkeit verantwortlich sind.
Deshalb untersucht die vorliegende Studie folgende Fragestellungen: 1) Hatte die
Manualtreue als Prädiktor einen Einfluss auf den Benefit (den sozialen,
alltagspraktischen und emotionalen Zugewinn) der Menschen mit schwerer Demenz?;
2) Welche Prädiktoren beeinflussten die Prozessqualität?
Methodik
Design und Stichprobe
Die Ausgangsstudie MAKS-s [11]
[12] war eine zweiarmige,
cluster-randomisierte, kontrollierte Interventionsstudie im
Wartekontrollgruppen-Design. Die Studie wurde in 26 Pflegeheimen (13
Interventions-, 13 Kontrollgruppen) in verschiedenen Bundesländern in
Deutschland durchgeführt. Die Interventionsphase dauerte 6 Monate (Juni
bis Dezember 2020). Bei der Intervention handelte es sich um eine psychosoziale
Gruppenintervention, die drei Mal pro Woche für jeweils eine Stunde mit
den vier Komponenten M otorische Aktivierung, A lltagspraktisches
Training, K ognitive Stimulation und einer S ozialen Einstimmung
von den zuvor geschulten MAKS-s Therapeut*innen durchgeführt
wurde. In die Ausgangsstudie wurden 144 Personen mit schwerer Demenz
aufgenommen. Die schwere Demenz wurde definiert als ein Mini-Mental Status Test
Wert von<10. Die vollstände Beschreibung der Intervention und
der Methoden findet sich im international veröffentlichten und frei
zugänglichen Studienprotokoll [11]. Nach Ende der kontrollierten Phase wurden gemäß
Studienprotokoll (Warte-Kontrollgruppen-Design) auch die Pflege- und
Betreuungskräfte der Kontrollgruppen in der Durchführung der
MAKS-s Intervention geschult, sodass danach alle 26 Pflegeheime in der Lage
waren, MAKS-s durchzuführen. Ab diesem Zeitpunkt – in der
sogenannten offenen Phase der Studie – konnten alle beteiligten
Pflegeheime selbst entscheiden, ob und wie oft sie MAKS-s durchführen
wollten. Um zusätzliche Informationen über mögliche
Auswirkungen von MAKS-s zu erhalten, wurde 6 Monate nach Ende der RCT-Phase
allen geschulten MAKS-s Therapeut*innen ein Fragebogen per Post
zugesendet. Die Studienkoordinator*innen in den Pflegeheimen teilten die
Fragebögen an die ausgebildeten MAKS-s Therapeut*innen aus und
sammelten diese wieder ein. Zur MAKS-s Therapeut*in ausgebildet wurden
in jedem Pflegeheim vier Personen, die einer der folgenden Berufsgruppen
angehörten: Betreuungskraft nach § 53b, Leitung der sozialen
Betreuung, Pflegefachkraft oder Ergo- bzw. Physiotherapeut*in.
Instrument
Zur Einschätzung der Qualitätsdimensionen und der Auswirkungen
der Covid-19 Pandemie konnte leider nicht auf validierte Instrumente
zurückgegriffen werden. Zum Zeitpunkt der Erhebung gab es keine
geeigneten und validierten Skalen, um die Belastungen durch die Covid-19
Pandemie abbilden zu können. Die Qualitätskriterien nach
Donabedian müssen immer individuell an das Setting angepasst werden,
weshalb es auch hierfür keine vorgefertigten Skalen gibt. Bei der
Entwicklung des Fragebogens wurde konzeptgestützt vorgegangen. Die 38
Items beinhalteten die drei Qualitätsdimensionen der gesundheitlichen
Versorgung nach Donabedian [4]
[5]: Strukturqualität (3
Items); Prozessqualität (2 Items); Ergebnisqualität (10 Items).
Zusätzlich wurden die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie (19 Items) und
die Bewertung der Intervention (4 Items) erhoben. Jedes Item konnte mit einer
5-stufigen Likert-Skala bewertet werden (Fragebogen siehe Additional
Material).
Die Strukturqualität wurde mit Items wie „Wie bewerten Sie Ihre
räumlichen und materiellen Voraussetzungen“ erhoben. Die
Prozessqualität setzte sich aus den beiden Items „Wie
häufig pro Woche fand die MAKS-s Intervention statt?“ und
„Konnten Sie die Intervention nach Vorgabe umsetzen?“ zusammen.
Die Prozessqualität wurde aus diesen beiden Items dichotom definiert als
Manualtreue oder Manualabweichung. Unter manualtreu wurden die Therapeutinnen
zusammengefasst, die die MAKS-s Intervention mindestens zwei Mal pro Woche, ohne
Änderungen der Reihenfolge oder der Dauer der Module
durchführten. Die Ergebnisqualität wurde in die beiden Bereichen
Benefit der MmsD (5 Items) und Benefit der Therapeutinnen (5 Items)
untergliedert. Nach Donabedian fallen hierunter die Zufriedenheit und der
Zugewinn der Teilnehmenden. Die Zufriedenheit der MmsD wurde nach Clarke mit den
für das Wohlbefinden relevanten Domänen, wie positive Emotionen,
soziale Teilhabe und soziale Beziehungen erhoben [16]. Ein beispielhaftes Item
hierfür ist „Die Teilnehmer*innen zeigten positive
Emotionen“. Unter „Benefit der Therapeutin“ fielen Items
wie, „Seit ich die MAKS-s Intervention durchführe, bin ich
zufriedener mit meiner beruflichen Tätigkeit“. Die Auswirkungen
der Covid-19 Pandemie wurden mit Items wie „Aufgrund der Pandemie
mussten Abstandregeln während der Gruppenangebote eingehalten
werden“ oder „Seit der Pandemie fühle ich mich
stärker psychisch belastet“ erfasst. Die Bewertung der
Intervention wurde mit Items wie „Ich werde MAKS-s
weiterempfehlen“ durchgeführt.
Statistische Analysen
Zunächst wurden die Zustimmungsraten zu jedem Item ermittelt und
deskriptiv dargestellt. Für sämtliche statistische Berechnungen
wurde das Programm IBM SPSS Version 28 verwendet.
Hauptkomponentenanalyse zur Aufbereitung der Daten
Für eine empirisch gestützte Bildung der Summenwerte wurden
zunächst die Domänen Strukturqualität, Benefit der MmsD,
Benefit der Therapeutinnen, Einfluss der Covid-19 Pandemie und Bewertung der
Intervention einer Hauptkomponentenanalyse (PCA) mit orthogonaler Rotation
(VARIMAX) für jede Domäne unterzogen. Das Kaiser-Meyer-Olkin
Kriterium wurde angewendet, um die Voraussetzungen für eine
Hauptkomponentenanalyse zu prüfen. Items, die nicht klar auf einen
Faktor luden, bzw. eine Faktorladung<0,50 aufwiesen, wurden entfernt. Um
die interne Konsistenz jeder Domäne zu bestimmen, wurde
anschließend für jede Domäne Cronbach´s alpha
bestimmt. Auf Itemebene wurde jeweils die Trennschärfe und
Cronbach´s alpha „wenn Item weggelassen“ berechnet.
Items, die eine Trennschärfe<0,5 aufwiesen und Items, bei denen
sich Cronbach´s alpha verbesserte, wenn sie weggelassen wurden, wurden
aus der Skala entfernt.
Lineare Regression zur Bestimmung der Einflussfaktoren auf die
Ergebnisqualität
Um die Vorhersagekraft der potenziellen Prädiktoren Bewertung der
Intervention, Benefit der Therapeutin, Strukturqualität, Normative
Einflüsse und psychosoziale Belastungen durch die Covid-19 Pandemie und
die Prozessqualität (Manualtreue) auf die Ergebnisqualität
(Benefit der MmsD) zu ermitteln, wurde eine hierarchische lineare Regression
berechnet und alle Variablen auf Multikollinearität
(r≥0,70) überprüft. Dabei wurden im ersten
Schritt die beiden potenziellen Biasvariablen Benefit der Therapeutin und
Bewertung der Intervention in das Regressionsmodell aufgenommen. Im
nächsten Schritt wurden die Auswirkungen der Covid-19 Pandemie und die
Strukturqualität hinzugefügt und im letzten Schritt die
manualgetreue Durchführung eingefügt.
Binär-logistische Regression zur Bestimmung der Einflussfaktoren auf
die Prozessqualität
Zur Bestimmung der Faktoren, die einen möglichen Einfluss auf die
Prozessqualität haben könnten, wurden zunächst die
Gruppenunterschiede zwischen Manualtreue und Manualabweichungen für alle
potenziellen Prädiktoren mit einem t-Test für unverbundene
Stichproben berechnet. Die unabhängigen Variablen, für die
hinsichtlich der Prozessqualität signifikante Gruppenunterschiede
(p<0,05) bestanden, wurden auf Multikollinearität
überprüft. Bei Multikollinearität
(r≥0,70) zwischen zwei Variablen wurde die Variable mit dem
geringeren Zusammenhang mit der Zielgröße nicht in die
Regressionsanalyse aufgenommen.
Die verbleibenden Variablen wurden als Prädiktoren in eine
binär-logistische Regression mit der Prozessqualität
(Manualtreue) als abhängiger Variable aufgenommen.
Ergebnisse
Von den 26 ursprünglich an der Studie teilnehmenden Pflegeheimen waren 18
bereit, an der Nachbefragung zum Zeitpunkt 12 Monate nach Studienbeginn und 6 Monate
nach Beginn der offenen Studienphase (t12) teilzunehmen. In 14 dieser 18 Pflegeheime
wurde die MAKS-s Intervention in der offenen Phase zwischen t6 und t12
durchgeführt. Sie gehörten zu gleichen Teilen der ehemaligen
Interventions- und Kontrollgruppe an. Von den 104 ausgebildeten MAKS-Therapeutinnen
beantworteten 58 den Fragebogen, was einer Responderrate von 56% entspricht.
Durchschnittlich antworteten 3 aus jedem Haus (M=3,22, SD=0,73).
Bezüglich der Ergebnisqualität (Benefit der MmsD) ergab sich eine
Zustimmungsrate („stimme voll und ganz zu“, „stimme eher
zu“) von 71% über alle 5 Items. Das Item mit der
höchsten Zustimmung war „Die teilnehmenden MmsD zeigten positive
Emotionen während der MAKS-s Intervention“ mit 84% ([Abb. 1]).
Abb. 1 Benefit der an MAKS-s teilnehmenden MmsD aus Sicht der MAKS-s
Therapeut*innen (n=51).
Hauptkomponentenanalysen: Aufbereitung der Daten
Die Hauptkomponentenanalysen (siehe Additional Material) zeigten in den
Dimensionen Strukturqualität, Benefit der MmsD und Bewertung der
Intervention jeweils einen Faktor, alle Items zeigten eine Ladung
von>0,7 und konnten somit beibehalten werden. Die Dimension Benefit der
Therapeutin zeigte ebenfalls nur einen Faktor, musste aber wegen fehlender
Ladung um ein Item („Seit ich die MAKS-s Intervention
durchführe, fühle ich mich stärker belastet.“)
reduziert werden. Das Screeplot des Ergebnisses der Hauptkomponentenanalyse zu
„Auswirkungen der Covid-19 Pandemie“ mit insgesamt 19 Items
offenbarte zwei unterschiedliche Faktoren: „Normative Einflüsse
durch Covid-19 Bestimmungen“ (12 Items) und „psychosoziale
Auswirkungen der Covid-19 Pandemie“ (7 Items). Die interne Konsistenz
der einzelnen Skalen lag mit Ausnahme der Strukturqualität über
0,80, was als hoch zu bewerten ist. Der Wert der Strukturqualität lag
mit Cronbach´s alpha=0,784 im akzeptablen Bereich. Auf Itemebene
wurden bei allen Items Trennschärfen>0,50 erzielt mit einer
Ausnahme: „Die Anwendung von MAKS-s erleichtert mir den
Arbeitsablauf“ (Cronbach´s alpha=0,329), dieses Item
wurde aus der Skala „Benefit Therapeutin“ entfernt.
Darüber hinaus musste noch ein Item aus der Skala „Bewertung der
MAKS-s Intervention“ entfernt werden, da es sowohl eine geringe
Trennschärfe als auch einen ungünstigen Cronbach´s alpha
Wert „wenn Item weggelassen“ aufwies.
Nachdem alle Dimensionen mittels Hauptkomponentenanalyse
überprüft worden waren, wurde für jede Dimension ein
Summenwert durch Aufaddieren der jeweiligen Itemwerte gebildet. Die Dimension
Strukturqualität reichte von 0–12 Punkten, im Bereich
Ergebnisqualität hatte der Benefit für die MmsD eine Spannweite
von 0–20 Punkten, der Benefit der Therapeutinnen von 0–12, die
Bewertung der Intervention reichte von 0–12, die psychosozialen
Belastungen durch Covid-19 von 0–28, die normativen Einflüsse
durch Covid-19 von 0–48. Mittelwerte und Standardabweichungen der
Gesamtstichprobe können [Tab.
1] entnommen werden.
Tab. 1 Mittelwertvergleiche Durchführung der
Intervention maualtreu oder mit Manualabweichungen.
Variable
|
maualtreu
|
Manual-abweichung
|
gesamt
|
p
|
Strukturqualität (range 0–12)
M
(
SD)
; (n=51)
|
10,2
|
(1,4)
|
8,8
|
(1,8)
|
9,4
|
(1,8)
|
0,004
|
Benefit MmsD (range 0–20),
M
(
SD
); (n=51)
|
16,9
|
(3,3)
|
13,5
|
(4,0)
|
15,0
|
(4,0)
|
0,002
|
Benefit Therapeutin (range 0–12),
M (SD);
(n=50)
|
9,3
|
(2,4)
|
7,52
|
(2,4)
|
8,3
|
(2,5)
|
0,013
|
Bewertung der Intervention (range 0–12),
M (SD);
(n=48)
|
11,1
|
(1,2)
|
9,6
|
(2,6)
|
10,27
|
(2,2)
|
0,011
|
Normative Einflüsse durch Covid-19 Bestimmungen
(range 0–48),
M
(
SD
); (n=42)
|
17,9
|
(10,7)
|
29,8
|
(11,0)
|
25,3
|
(12,2)
|
0,002
|
Psychosoziale Auswirkungen der Covid-19 Pandemie (range
0–28),
M (SD); (n=55)
|
11,2
|
(5,9)
|
13,9
|
(6,3)
|
15,2
|
(7,0)
|
0,164
|
Lineare Regression: Einflussfaktoren auf die Ergebnisqualität
Die Regressionsanalyse zeigte, dass die Manualtreue einen signifikanten Einfluss
auf den Benefit, also den sozialen, alltagspraktischen und emotionalen Zugewinn
der MmsD hatte (siehe [Tab. 2]). Von
den im ersten Schritt der hierarchischen Regression eingefügten
potenziellen Bias-Variablen erwies sich der „Benefit der
Therapeutin“ als signifikanter Prädiktor
(β=0,46, p<0,001), beide Variablen klärten
zusammen 42,6% der Varianz auf. Die im nächsten Schritt
zugefügten Variablen konnten keine signifikante Änderung der
Varianzaufklärung herbeiführen. Die im letzten Schritt
zugefügte Manualtreue zeigte einen signifikanten Effekt
(β=0,45, p=0,019) und klärte zusätzlich
9,3% der Varianz auf. Das finale Modell erklärte 59,5%
der Varianz und war statistisch signifikant, F(6,27)=6,61,
p<0,001 ([Tab. 2]).
Tab. 2 Hierarchische lineare Regression für die
Variablen zur Vorhersage des Benefits der MmsD; Modell: ENTER.
|
|
B
|
SE(B)
|
β
|
p
|
ΔR
2
|
Schritt 1
|
|
0,426, p<0,001
|
Benefit Therapeutin
|
0,628
|
0,232
|
0,455
|
0,007
|
|
Bewertung von MAKS-s
|
0,322
|
0,242
|
0,223
|
0,099
|
Schritt 2
|
|
0,076, p=0,257
|
Benefit Therapeutin
|
0,444
|
0,259
|
0,322
|
0,038
|
|
Bewertung von MAKS-s
|
0,442
|
0,242
|
0,307
|
0,078
|
Strukturqualität
|
− 0,060
|
0,402
|
− 0,024
|
0,846
|
Normative Einflüsse durch Covid-19 Bestimmungen
|
− 0,038
|
0,063
|
− 0,096
|
0,570
|
Psychosoziale Auswirkungen der Covid-19 Pandemie
|
0,259
|
0,121
|
0,366
|
0,064
|
Schritt 3
|
|
0,093, p=0,019
|
Benefit Therapeutin
|
0,461
|
0,238
|
0,334
|
0,027
|
|
Bewertung von MAKS-s
|
0,306
|
0,228
|
0,213
|
0,176
|
Strukturqualität
|
− 0,407
|
0,394
|
− 0,164
|
0,286
|
Normative Einflüsse durch Covid-19 Bestimmungen
|
0,061
|
0,070
|
0,155
|
0,390
|
Psychosoziale Auswirkungen der Covid-19 Pandemie
|
0,105
|
0,127
|
0,149
|
0,479
|
Manualtreue
|
3,831
|
1,528
|
0,447
|
0,019
|
Gesamt R2
|
|
0,595
|
a dichotomisierte Variable Manualtreue: ja=1;
nein=0 B=unstandardisierter B-Koeffizient,
SE(B)=Standardfehler unstandardisierter Koeffizient;
β=standardisierter Koeffizient, p=Signifikanz,
R2=multipler Determinationskoeffizient,
ΔR
2
=Änderung in R2
.
Binär-logistische Regression: Einflussfaktoren auf die
Prozessqualität
Der T-Test zeigte signifikante Unterschiede in fast allen Dimensionen zwischen
den Gruppen Manualtreue und Manualabweichung, in dem Sinne, dass die manualtreue
Gruppe signifikant bessere Werte erzielte ([Tab. 1]). Die psychosozialen Auswirkungen der Pandemie waren nicht
signifikant unterschiedlich und wurden deshalb nicht mit in das
Regressionsmodell aufgenommen. Zwischen den Variablen „Benefit
MmsD“ und „Bewertung von MAKS-s“ lag eine hohe
Multikollinearität (r=0,72) vor, weshalb die Variable
„Bewertung von MAKS-s“ aus der Regression ausgeschlossen wurde.
Das binär-logistische Regressionsmodell war statistisch signifikant,
χ²(4)=34,25, p<0,001. Es besitzt eine
hohe Varianzaufklärung von Nagelkerkes R²=.834,
das heißt, die untersuchten Prädiktoren konnten 83,4%
der Varianz der Manualtreue erklären ([Tab. 3]). Signifikante
Prädiktoren waren die „normativen Einschränkungen durch
die Covid-19 Bestimmungen“ und der „Benefit
Teilnehmende“. Für jeden Punkt mehr in der Skala für
normative Einschränkungen durch die Covid-Pandemie verringert sich die
Manualtreue (d. h. die Wahrscheinlichkeit, dass die MAKS-s Intervention
nach Vorgabe durchgeführt wird) um 42%. Für jeden Punkt
mehr auf der Skala „Benefit der Teilnehmenden“ erhöhte
sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Intervention nach Manual
durchgeführt wurde um das Vierfache.
Tab. 3 Binär logistische Regression mit Manualtreue
(Prozessqualität) als abhängiger Variable
(1=Manualtreue, 0=Manualabweichungen).
|
95% KI für Odds Ratio
|
|
B
|
SE
|
Wald
|
p
|
Odds Ratio
|
Unterer Wert
|
Oberer Wert
|
Strukturqualität
|
0,72
|
0,75
|
0,91
|
0,341
|
2,04
|
0,47
|
8,91
|
Benefit Therapeutin
|
0,23
|
0,42
|
0,30
|
0,585
|
1,26
|
0,55
|
2,90
|
Benefit MmsD
|
1,14
|
0,64
|
5,36
|
0,021
|
4,42
|
1,26
|
15,71
|
Normative Einflüsse durch Covid-19 Bestimmungen
|
− 0,54
|
0,26
|
4,28
|
0,039
|
0,58
|
0,35
|
0,97
|
B=Regressionskoeffizient B; SE=Standardfehler;
Wald=Waldkoeffizient; p=Signifikanz;
KI=Konfidenzintervall.
Diskussion
Ziel der vorliegenden Arbeit war es herauszufinden, ob die manualgetreue
Durchführung einen Einfluss darauf hatte, dass MmsD von der psychosozialen
Mehrkomponenten-Intervention MAKS-s in der offene Phase nach Beendigung des RCT
profitieren konnten. Zusätzlich sollten die Prädiktoren ermittelt
werden, die einen Einfluss darauf hatten, ob eine Pflegeeinrichtung die MAKS-s
Intervention in der offenen Phase nach Manual durchgeführt hatte oder
nicht.
Mit dieser Analyse werden zusätzlich Ergebnisse bereitgestellt, die die
Ergebnisse der RCT ergänzen. Die RCT konnte keine Wirksamkeit
bezüglich Lebensqualität oder psychischen und Verhaltenssymptomen
feststellen. In der Nachbefragung der Therapeut*innen 6 Monate nach
Beendigung der RCT zeigten sich dagegen positive Auswirkungen der Intervention auf
die MmsD.
Ergebnisqualität
Während der offenen Phase der MAKS-s Studie beobachteten fast drei
Viertel der Therapeut*innen positive Auswirkungen der MAKS-s
Intervention auf die MmsD. Insbesondere dem Entstehen positiver Emotionen im
Verlauf der Durchführung der MAKS-s Intervention stimmten 84%
der befragten Therapeut*innen zu. Die Analyse zeigte, dass die
manualgetreue Durchführung (mindestens zwei Mal pro Woche, alle vier
Module in der vorgegebenen Reihenfolge, ohne zeitliche Kürzungen) einen
signifikanten Einfluss darauf hatte, ob MmsD von MAKS-s profitierten oder nicht.
Dieses Ergebnis deckt sich mit Erkenntnissen aus anderen Studien, die ebenfalls
nur dann einen positiven Effekt erzielten, wenn die Intervention in der
geforderten Intensität durchgeführt wurde [17]
[18]. Während der
randomisiert-kontrollierten Phase der MAKS-s Studie könnte es aufgrund
der Einschränkungen durch die Covid-19 Pandemie dazu gekommen sein, dass
Elemente der MAKS-s Intervention nicht manualtreu durchgeführt wurden.
Bedauerlicherweise konnte die Manualtreue auch wegen der aus der Pandemie
resultierenden Einschränkungen nicht ausreichend
überprüft werden – es waren z. B. keine
Monitoringbesuche möglich. Eine mögliche geringe Manualtreue
könnte also ein Grund dafür sei, weshalb bei Kratzer, Diehl
[19] während der
kontrollierten Phase keine signifikanten Effekte auf die Lebensqualität
und Verhaltenssymptome der MmsD beobachtet wurden.
Die Tatsache, dass während der Intervention positive Auswirkungen auf die
MmsD beobachtet werden konnten, steht im Gegensatz zu der Einschätzung
der Pflegenden, die während der kontrollierten Phase der MAKS-s Studie
keine positiven Veränderungen wahrnahmen [19]. Wie lassen sich diese Unterschiede
in den Ergebnissen erklären? Die Erhebungstechnik (Fremdbeurteilung) war
in beiden Fällen die gleiche. Möglicherweise sind für
die beobachtete Diskrepanz die unterschiedlichen Beobachtungszeitpunkte durch
unterschiedliche Beobachter verantwortlich. Während der RCT-Phase
beurteilten die Bezugspflegekräfte, die nicht in die MAKS-s Intervention
involviert waren, das alltägliche Verhalten der MmsD retrospektiv
über einen Zeitraum von mehreren Tagen hinweg. Während der
offenen Phase dagegen beurteilten die MAKS-s Therapeut*innen, die die
Intervention selbst durchführten, ihre unmittelbaren Wahrnehmungen
während der Intervention. Es wurden also die kurzfristigen Auswirkungen
der Intervention bewertet. Diese kurzfristigen und direkt beobachtbaren
Auswirkungen wurden überwiegend positiv beurteilt, was für eine
positive Wirkung der MAKS-s Intervention auf das aktuelle Wohlbefinden der MmsD
spricht. Es scheint, dass bei MmsD keine langfristigen Veränderungen der
Lebensqualität mehr möglich sind, wofür sich auch in
anderen Interventionsstudien bei MmsD Belege finden [10]. Dies könnte die fehlenden
Veränderungen der längerfristigen Lebensqualität
während der RCT-Phase der MAKS-s Studie ebenfalls erklären.
Prozessqualität
Im zweiten Schritt wurde untersucht, welche Faktoren dazu beigetragen haben, ob
die Intervention nach Manual durchgeführt wurde oder substanzielle
Änderungen am Manual vorgenommen wurden. Je mehr positive Auswirkungen
der MAKS-s Intervention die Therapeut*innen bei den MmsD wahrnahmen,
desto größer war die Wahrscheinlichkeit, dass sie die
Intervention nach Manual durchführten. Zusätzlich zeigte sich
aber auch ein Zusammenhang zwischen den normativen Einschränkungen durch
die Covid-19 Bestimmungen und der manualgetreuen Durchführung. Das
heißt, je mehr Vorschriften es in einem Pflegeheim gab,
Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln einzuhalten oder bestimmte
gemeinschaftliche Aktivitäten zu unterlassen, desto
größer war die Wahrscheinlichkeit, dass die MAKS-s Intervention
nicht nach Manual durchgeführt wurde. Dies deckt sich mit einer
Feststellung des Pflegereports 2021: Maßnahmen wie Abstandsgebote,
Kontaktbeschränkungen sowie Verbote sozialer Gruppenaktivitäten,
die vor einer Ansteckung mit Covid-19 schützen sollten, haben im
Umkehrschluss zu Einschnitten in der gesundheitlichen Versorgung der
Pflegebedürftigen geführt [20].
Zusammenfassend lässt sich hieraus schließen, dass die normativen
Bestimmungen der Covid-19 Pandemie die Art und Weise der Durchführung
der psychosozialen Intervention MAKS-s erheblich beeinflusst haben und damit
dazu geführt haben, dass MmsD, bei denen sehr strenge normative
Bestimmungen vorlagen, in einigen Pflegeheimen zeitweise nicht an der
Intervention teilnehmen durften und daher auch nicht von möglichen
positiven Effekten profitieren konnten.
Limitationen und Stärken
Die Fragen des Assessmentinstruments wurden für die Befragung neu
entwickelt; Hauptgründe waren, um auf die aktuelle Situation
(Covid-19-Pandemie) mit gezielten Fragen reagieren zu können und um den
Befragungsaufwand (Anzahl der Fragen) so gering wie möglich zu halten.
Um zumindest die Anforderungen der inhaltlichen Validität zu
erfüllen, wurde dabei konzeptgestützt vorgegangen: Dimensionen
der Qualität nach Donabedian; Domänen des Wohlbefindens nach
Clarke. Außerdem wurden alle Konstrukte mit der Hauptkomponentenanalyse
auf innere Konsistenz untersucht, damit die Bildung von Summenwerten empirisch
untermauert ist. Obwohl alle Pflegeheime und alle geschulten
Therapeut*innen eingeladen worden waren, an der Befragung 12 Monate nach
Beginn teilzunehmen, liegt der vorliegenden Studie keine Totalerhebung zugrunde.
Bei den Pflegeheimen lag die Response-Quote bei knapp 70%. Es kann
angenommen werden, dass Selektionsfaktoren, wie aktuelle personelle Ausstattung,
persönliche Einstellung zur MAKS-s Intervention etc., die Teilnahme
beeinflusst haben. Um diesen Bias zu verringern, wurde die Bewertung der MAKS-s
Intervention und der Benefit der Therapeut*in als Kontrollvariable im
ersten Schritt des hierarchischen Regressionsmodells aufgenommen. Generell gilt,
dass alle Angaben subjektive Wahrnehmungen einzelner Personengruppe waren
(MAKS-s Therapeut*innen), die diese Angaben retrospektiv machten. Zudem
sind die für eine Befragungsstudie üblichen Hawthorne-, Recall-
und Social Desirability-Biases nicht vollumfänglich
auszuschließen. Allerdings darf davon ausgegangen werden, dass ein
möglicher Hawthorne-Effekt durch die Kontrolle der Variablen
„Bewertung der Intervention“ und „Benefit der
Therapeut*in“ reduziert wurde. Ein möglicher Recall-Bias
kann sowohl in positiver wie negativer Richtung wirken, weshalb davon
ausgegangen werden kann, dass sich eventuelle Effekte ausgemittelt haben
sollten. Darüber hinaus kann durch die vollständig anonyme
Befragung ein Social-Desirability-Bias zwar nicht vollständig, aber doch
minimiert werden.
Die Stärke der vorliegenden Studie liegt grundsätzlich darin,
dass die Ergebnisse die Versorgungsrealität nach Beendigung der
„starren“ Vorgaben einer RCT wiedergeben.
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Die Manualtreue scheint ein entscheidender Faktor dafür zu
sein, ob Menschen mit schwerer Demenz von der psychosozialen MAKS-s
Intervention profitieren. Deshalb empfiehlt es sich, das MAKS-s
Manual ohne Kürzungen und Veränderungen
umzusetzen.
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Zukünftige randomisiert-kontrollierte Studien zu Wirkungen
psychosozialer Interventionen sollten die Manualtreue als
Mediatorvariable einbeziehen.
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Um die Wirkung einer psychosozialen Intervention bei MmsD zu
überprüfen, sollte in Zukunft nicht in erster Linie
nach nachhaltigen Effekten gesucht werden, sondern vielmehr die
kurzfristigen, direkt zu beobachtenden Auswirkungen in den Fokus der
Untersuchung genommen werden. Kontaktbeschränkungen,
Abstandgebote und Verbote bestimmter sozialer Aktivitäten
führten dazu, dass die psychosoziale Gruppenintervention
MAKS-s häufig nicht manualgetreu durchgeführt werden
konnte. Da soziale Kontakte – insbesondere für
Menschen mit schwerer Demenz – ein zentrales Element zur
Kontaktaufnahme mit der Umwelt sind, reduzieren sozial
einschränkende Maßnahmen den potenziellen Nutzen
einer psychosozialen Intervention.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der
zuständigen Ethik-Kommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie
gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen,
überarbeiteten Fassung) durchgeführt (Ref.295_19B). Von allen
beteiligten Personen liegt eine Einverständniserklärung vor.
Fördermittel
GKV-Spitzenverband, Deutschland —