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DOI: 10.1055/a-2136-2391
Grundlagen zur Anwendung von Andexanet
Basics for the Use of Andexanet- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Überblick über die pharmakokinetischen und -dynamischen Daten zu Andexanet
- Überblick der ANNEXA-4 Studie
- Bedeutung des Endogenen Thrombin Potentials (ETP)
- Laboranalytische DOAK-Messungen vor und nach Einsatz von Andexanet
- Rationale der Anti-FXa-Aktivitäten-Bestimmungen
- Non-Responder innerhalb der ANNEXA 4-Studie (keine unmittelbare Blutstillung)
- Indikationsstellung zum Einsatz von Andexanet
- Fazit zu Andexanet:
- Literatur
Zusammenfassung
Hintergrund Für lebensbedrohliche oder unkontrollierbare Blutungen steht bei einer Assoziation mit dem Thrombin-Inhibitor Dabigatran das monoklonale Antikörperfragment Idarucizumab und bei einer Assoziation mit den direkten Faktor-Xa-Inhibitoren Rivaroxaban oder Apixaban das modifizierte rekombinante FXa-Protein Andexanet für eine Antagonisierung zur Verfügung. Diese spezifischen Antidote stellen Notfallpräparate dar, die typischerweise nur bei Notwendigkeit einer Antagonisierung neben oder nach der Durchführung leitlinienkonformer multimodaler Maßnahmen eingesetzt werden.
Methoden Eine interdisziplinäre Gruppe erfahrener Experten aus den Bereichen Angiologie, Hämatologie, Innerer Medizin, klinischer Pharmakologie, Labormedizin, Transfusionsmedizin, Anästhesiologie, Intensivmedizin und Hämostaseologie hat auf Basis der aktuellen wissenschaftlichen Datenlage praxisrelevante Informationen und Empfehlungen erarbeitet.
Ergebnisse Eine Antagonisierung oraler Antikoagulanzien sollte in folgenden Situationen erfolgen: (1) lebensbedrohliche Blutungen oder refraktärer hämorrhagischer Schock, (2) intrazerebrale Blutungen, oder (3) gastrointestinale endoskopisch unstillbare Blutungen. Nach erfolgreicher Blutstillung sollte die Antikoagulation (z.B. direktes orales Antikoagulanz, Vitamin-K-Antagonist, Heparin) unter Berücksichtigung des individuellen Blutungs- und Thromboembolierisikos wieder zeitnah fortgeführt werden.
Diskussion Diese Zusammenstellung soll allen beteiligten medizinischen Disziplinen helfen, den Umgang mit Andexanet zu erleichtern und damit eine optimale Versorgung der Patienten mit lebensbedrohlichen oder unkontrollierbaren Blutungen zu gewährleisten.
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Abstract
Background For life-threatening or uncontrollable bleeding in association with the thrombin inhibitor dabigatran, the monoclonal antibody fragment idarucizumab is available, and for bleeding in association with the direct factor Xa inhibitors rivaroxaban or apixaban, the modified recombinant FXa protein andexanet is available for reversal. These antidotes represent emergency drugs that are typically used only after performing guideline-compliant multimodal measures.
Methods An interdisciplinary group of experienced experts in the fields of angiology, hematology, internal medicine, clinical pharmacology, laboratory medicine, transfusion medicine, anesthesiology, intensive care, and hemostaseology developed recommendations relevant to daily clinical practice based on the current scientific evidence.
Results Reversal of oral anticoagulants should be considered for severe bleeding in the following situations: (1) life-threatening bleeding or refractory hemorrhagic shock, (2) intracerebral bleeding, or (3) endoscopically unstoppable gastrointestinal bleeding. After successful hemostasis, anticoagulation (e.g., direct oral anticoagulant, vitamin K antagonist, and heparin) should be resumed promptly, taking into account individual bleeding and thromboembolic risk.
Discussion This article aims to facilitate the management of patients with andexanet by all medical disciplines involved, thereby ensuring optimal care of patients during bleeding episodes.
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Schlüsselwörter
Andexanet - Apixaban - Rivaroxaban - Pharmakokinetik - Pharmakodynamik - ANNEXA-4-Studie - Labormessungen - Blutungsrisiko nach Gabe - IndikationsstellungKeywords
andexanet - apixaban - rivaroxaban - pharmacokinetic - pharmacodynamic - ANNEXA-4 trial - measurements - bleeding risk after use - mode of indicationEinleitung
Mit fortgeschrittenem Alter, mit zunehmender Ko-Morbidität, aber auch mit verbesserter Sicherheit blutverdünnender Medikamente ist der Anteil von Patienten mit dauerhafter medikamentöser Antikoagulation in der Bevölkerung in den letzten Dekaden kontinuierlich gestiegen. Es wird geschätzt, dass aktuell über 10 Millionen Patienten in Deutschland eine orale Antikoagulation erhalten – mit 75% der überwiegende Anteil davon mit den direkten oralen Faktor-Xa-Inhibitoren Apixaban, Edoxaban oder Rivaroxaban.[1] Insofern ist es verständlich, dass Notfallsituationen immer häufiger auch Patienten mit diesen Blutverdünnern betreffen und sich den Akutmedizinern die Frage stellt, ob, wann und wie sie das im Jahr 2019 von der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zugelassene spezifische Antidot Andexanet (Andexanet alfa, AA) für akute lebensbedrohliche Blutungen unter Apixaban und Rivaroxaban einsetzen sollen und worauf nach der Anwendung zu achten ist. Eine Zulassung zur Anwendung von Andexanet bei akuten lebensbedrohlichen Blutungen unter Edoxaban besteht aktuell in Japan, nicht jedoch in Europa. Diese Übersichtsarbeit stellt die wichtigsten Informationen zusammen, die diese Entscheidung erleichtern sollen.
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Überblick über die pharmakokinetischen und -dynamischen Daten zu Andexanet
Andexanet ist ein modifiziertes rekombinantes Protein, dessen Struktur sich vom humanen Gerinnungsfaktor Xa ableitet. Der primäre Wirkmechanismus besteht in der Bindung und Sequestrierung der Faktor-Xa-Inhibitoren Apixaban, Edoxaban oder Rivaroxaban. Eine antagonisierende Wirkung ist auch gegen Enoxaparin und Fondaparinux nachgewiesen worden.[2] Das für einen klinischen Einsatz als Antidot angestrebte Moleküldesign für Andexanet musste drei grundsätzliche Ziele erfüllen:
-
Es musste durch Erhalt der aktiven Bindungsstelle im Andexanet-Molekül eine hohe Affinität zu direkt wirksamen Faktor-Xa-Inhibitoren erreicht werden (<[Tabelle 1] > ). Da die aktive Bindungsstelle im Andexanet-Molekül darüber hinaus mit dem endogenen Faktor Xa um die Bindung von Antithrombin konkurriert, wird auch die gerinnungshemmende Wirkung von Antithrombin-abhängigen Antikoagulanzien wie niedermolekularen Heparinen (NMH) oder Fondaparinux antagonisiert. Die Thrombin-Inhibition durch NMH wird dagegen nicht beeinflusst.[2]
-
Durch den Austausch der Aminosäuren Serin (S419) gegen Alanin (A419) in der katalytischen Domäne des Moleküls wurde sichergestellt, dass das modifizierte Protein nicht zur Konversion von Prothrombin in Thrombin fähig ist, da ansonsten eine dem nativen Faktor Xa vergleichbare prokoagulatorische Wirkung resultieren könnte.[2]
-
Neben der Modifikation an der katalytischen Domäne wurde im Andexanet-Molekül noch die aus 34 Aminosäuren bestehende γ-Carboxyglutaminsäure (Gla)-Domäne in der leichten Polypeptidkette entfernt, um die Bindung an Phospholipid-Membranen auf Thrombozyten zu verhindern. Hintergrund hierfür ist, dass das modifizierte Protein ansonsten noch Faktor Va binden und auf diese Weise mit der Inkorporation von Faktor Xa in den Prothrombinase-Komplex auf der Oberfläche von aktivierten Thrombozyten konkurrieren könnte. Dadurch wäre wiederum eine gerinnungshemmende Wirkung möglich, die die beabsichtigte Verwendung als Antidot für Faktor-Xa-Inhibitoren konterkarieren würde.[2]
Inhibitor |
Andexanet Kd (nM) |
Faktor Xa Ki (nM) |
---|---|---|
Apixaban |
0,58 |
0,100 |
Betrixaban |
0,53 |
0,117 |
Edoxaban[a] |
0,95 |
0,122 |
Rivaroxaban |
1,53 |
0,400 |
a Derzeit keine EU-Zulassung für die Anwendung von Andexanet bei akuten lebensbedrohlichen Blutungen unter Edoxaban, nur in Japan.
Neben der Bindung an Faktor-Xa-Hemmer interagiert Andexanet ähnlich wie endogener Faktor Xa mit dem Tissue Factor Pathway Inhibitor (TFPI) und hemmt dessen Aktivität.[3] Diese Hemmung der Plasma-TFPI-Aktivität wird nach einer Bolusgabe von Andexanet innerhalb von 2 Minuten erreicht, persistiert bis 14,5 Stunden und normalisiert sich innerhalb von 3 Tagen zum Ausgangswert. Die Hemmung der TFPI-Aktivität kann die durch den Gewebefaktor initiierte Thrombinbildung steigern und so eine prokoagulatorische Wirkung hervorrufen. Dieser Mechanismus wurde zur Erklärung der unter Andexanet sowohl im Tierversuch als auch in Phase-I-Studien an Gesunden beobachteten Erhöhung der D-Dimere und/oder Thrombin-Antithrombin-Komplexe herangezogen, wenngleich in diesen Studien keine klinischen oder subklinischen Thrombosen auftraten. Die beschriebene Interaktion zwischen Andexanet und TFPI moduliert hauptsächlich die TF/TFIP-Aktivität in der Initiationsphase des extrinsischen Gerinnungswegs und zeigt nur eine geringe Auswirkung auf die spätere Phase der Reaktion und das gesamte Thrombinbildungspotential.[4] [5] [6] Kontextbezogene Daten für die Anwendung von Andexanet bei akuten DOAK-assoziierten Blutungspatienten liegen aktuell nicht vor, sollten jedoch im Fokus der fortlaufenden Untersuchungen bleiben.
Die durch die Dissoziationskonstante (Kd) charakterisierte Bindungsaffinität von Andexanet an die direkten Faktor-Xa-Inhibitoren wurde in vitro in Humanplasma bestimmt. Andexanet antagonisiert dosisabhängig die inhibitorische Wirkung der untersuchten Arzneistoffe, wobei die Kd-Werte in einem ähnlichen Bereich wie die Werte der Inhibitionskonstanten (Ki ) der Faktor-Xa-inhibitoren gegen endogenen Faktor Xa liegen.
Andexanet wird klinisch als Bolus gefolgt von einer Dauerinfusion verabreicht. Es wird abhängig vom verwendeten Faktor-Xa-Inhibitor, dessen Dosis und dem Zeitabstand zur letzten Einnahme zwischen einem Niedrig-Dosis-Regime (400 mg Bolus mit 30 mg/min über ca. 15 Minuten, 480 mg als Infusion 4 mg/min über 120 Minuten) und einem Hoch-Dosis-Regime (800 mg Bolus mit 30 mg/min über ca. 30 Minuten, 960 mg als Infusion 8 mg/min über 120 Minuten) unterschieden (< [Tabelle 2] > ).
Inhibitor |
Letzte Dosis |
Letzte Einnahme ≤ 8 h |
Letzte Einnahme > 8 h |
---|---|---|---|
Apixaban |
≤ 5 mg |
Niedrige Dosis |
Niedrige Dosis |
> 5 mg |
Hohe Dosis |
Niedrige Dosis |
|
Edoxaban[a] |
≤ 30 mg |
Niedrige Dosis |
Niedrige Dosis |
> 30 mg |
Hohe Dosis |
Niedrige Dosis |
|
Rivaroxaban |
≤ 10 mg |
Niedrige Dosis |
Niedrige Dosis |
> 10 mg |
Hohe Dosis |
Niedrige Dosis |
a Derzeit keine EU-Zulassung für die Anwendung von Andexanet bei akuten lebensbedrohlichen Blutungen unter Edoxaban, nur in Japan.
Das Maximum der Wirkung von Andexanet, beurteilt anhand der Abnahme der Konzentration an freiem, nicht gebundenem Faktor-Xa-Inhibitor, wird innerhalb von zwei Minuten nach dem Ende der Bolusgabe erreicht. Der zeitliche Verlauf der Plasmakonzentration ist biphasisch mit einer terminalen Eliminationshalbwertszeit im Bereich von 5–7 Stunden, wobei die pharmakodynamische Halbwertszeit nur etwa 1 Stunde beträgt.[7] Das Verteilungsvolumen liegt bei etwa 5 Litern und entspricht damit dem Blutvolumen. Die Plasma-Clearance beträgt ca. 4,3 L/h.[6] [8] Die Elimination erfolgt durch Metabolismus über proteolytische Enzyme, eine Elimination über die Niere findet nicht statt oder nur geringfügig statt. Die Pharmakokinetik (Cmax, AUC) ist dosislinear, unabhängig vom Alter und wird von gleichzeitig vorhandenem Apixaban oder Rivaroxaban nicht beeinflusst.[6] [9]
Unter der Behandlung aufgetretene, nicht-neutralisierende Antikörper gegen Andexanet wurden bei etwa 10% der exponierten Personen nachgewiesen. Diese Antikörper lagen generell in niedrigen Titern vor, und es wurden keine klinischen Folgen beobachtet. Neutralisierende Antikörper oder Antikörper gegen Faktor X oder Faktor Xa wurden bisher nicht nachgewiesen.[10]
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Überblick der ANNEXA-4 Studie
ANNEXA-4 war eine prospektive, multizentrische, offene, einarmige Studie zur Wirksamkeit und Sicherheit von Andexanet bei Patienten mit akuter lebensbedrohlicher Blutung unter einem direkten oralen oder indirekten parenteralen Faktor-Xa-Inhibitor.[10] Vor dem Studieneinschluss durfte die letzte Dosis des Antikoagulans nicht länger als 18 Stunden zurückliegen. Damit die pharmakologische und klinische Wirksamkeit von Andexanet exakt beurteilt werden konnte, wurden in der Wirksamkeitsanalyse nur diejenigen Patienten (n = 342) ausgewertet, die zum Zeitpunkt der Andexanet-Gabe eine klinisch relevante Anti-FXa-Aktivität von ≥ 75 ng/mL (Apixaban, Rivaroxaban), > 40 ng/mL (Edoxaban) oder ≥ 0,25 IE/mL (Enoxaparin) aufwiesen und die stringenten Kriterien einer schwerwiegenden Blutungskomplikation erfüllten: potentiell lebensbedrohliche Blutung mit hämodynamischer Beeinträchtigung (z.B. schwere Hypotonie, verminderte Hautdurchblutung, geistige Verwirrung, sonst nicht zu erklärende Abnahme der kardialen Pumpleistung), Blutung mit Hämoglobin (Hb)-Abfall ≥ 2 g/dL oder Hb-Wert ≤ 8 g/dL in Abwesenheit eines Ausgangsbefundes oder Blutung in einer kritischen Lokalisation (z.B. retroperitoneal, intraartikulär, perikardial, epidural, intrakranial, intramuskulär mit Kompartmentsyndrom).
Die Sicherheitsanalyse schloss dagegen alle Studienpatienten mit erfolgter Andexanet-Gabe ein (n = 479).
Nach dem initialen Studienprotokoll erhielten alle Patienten unter Apixaban und alle Patienten unter Rivaroxaban mit letztmaliger Einnahme vor ≥ 8 Stunden 400 mg Andexanet als Bolus über 15 Minuten gefolgt von 480 mg als Infusion über 2 Stunden (=niedrige Dosis). Patienten unter Rivaroxaban mit letztmaliger Einnahme vor < 8 Stunden sowie Patienten unter Edoxaban oder Enoxaparin erhielten 800 mg als Bolus über 30 Minuten gefolgt von 960 mg als Infusion über 2 Stunden (=hohe Dosis).
Primäre Wirksamkeitsendpunkte waren die prozentuale Abnahme der Anti-FXa-Aktivität nach Therapie mit Andexanet und der prozentuale Anteil an Patienten mit guter oder exzellenter hämostatischer Wirksamkeit 12 Stunden nach Beendigung der Andexanet-Infusion. Aufgrund der Tatsache, dass in der Primärpublikation zu Apixaban- und Rivaroxaban-Patienten zu wenig Edoxaban-Patienten auswertbar waren, erfolgte eine verlängerte Rekrutierung dieser Subgruppe mit geringfügiger Modifikation des Andexant-Dosierungsschemas (hohes Andexanet-Dosisregimen bei Einnahme von ≥ 30 mg Edoxaban vor < 8 Stunden).[11] Auf die Patienten unter Enoxaparin wird an dieser Stelle aufgrund der weiterhin geringen Fallzahl (n = 22) nicht näher eingegangen.
Die Wirksamkeitsergebnisse der ANNEXA-4-Studie sind in der folgenden <[Tabelle 3] > zusammengefasst.[10]
a Derzeit keine EU-Zulassung für die Anwendung von Andexanet bei akuten lebensbedrohlichen Blutungen unter Edoxaban, nur in Japan.
Nach der Gabe des Andexanet-Bolus zeigte sich, dass die Anti-FXa-Aktivität jeweils bis zum Ende der zweistündigen Andexanet-Infusion auf niedrigem Niveau stabil blieb, allerdings wurde in den Laborkontrollen 4, 8 und 12 Stunden nach Beendigung der Infusion ein erneuter Anstieg der Anti-FXa-Aktivität gemessen. Gegenüber den jeweiligen Ausgangswerten betrug die Reduktion der Anti-FXa-Aktivität zu diesen Zeitpunkten dann 36–38% für Apixaban, 34–59% für Edoxaban und 43–61% für Rivaroxaban.[10] [11]
In den Wirksamkeits-Publikationen der ANNEXA-4-Studie wurde auch die hämostatische Effektivität nach 12 Stunden berichtet. Diese wurde in der finalen Analyse bei 81% der Rivaroxaban- (95% KI 73–87%) und bei jeweils 79% der Apixaban- (95% KI 72–85%) und Edoxaban-Patienten (95% KI 59–92%) als exzellent oder gut bewertet.[10] Dieses Ergebnis war über verschiedene Subgruppen (Art des Faktor-Xa-Inhibitors, Geschlecht, Blutungslokalisation, Alter, Andexanet-Dosis) konsistent. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen Ausmaß der Reduktion der Anti-FXa-Aktivität und hämostatischer Wirksamkeit wurde für die Patienten mit intrakranialer Blutung ermittelt.[10]
In allen Kohorten wurden während der Nachbeobachtung Thromboembolien beobachtet. In der finalen Publikation[10] traten bei 50 Patienten (10,4%) innerhalb von 30 Tagen insgesamt 58 thromboembolische Ereignisse im arteriellen (n = 36) oder venösen (n = 22) Stromgebiet auf. Diese Ereignisse waren in etwa gleichmäßig über die Zeiträume < 6 Tage, 6–14 Tage und 15–30 Tage nach Andexanet-Gabe verteilt. Die 30-Tage-Mortalität lag bei 15,7%, wobei 58 der 75 Todesfälle auf eine kardiovaskuläre Ursache zurückgeführt wurden.
Bei 16 Patienten (3,3%) trat das thromboembolische Ereignis nach und bei 34 Patienten (7,1%) vor oder ohne Wiederbeginn irgendeiner Antikoagulation (ggf. auch nur prophylaktisch oder subtherapeutisch dosiert) auf. Kein Patient erlitt eine Thromboembolie nach Wiederbeginn einer oralen Antikoagulation.[10] Zwar war die Wiederaufnahme einer Antikoagulation im Beobachtungszeitraum insgesamt mit einem gesteigerten Blutungsrisiko assoziiert; bezüglich der Kombination aus Thromboembolie, Blutung und Tod jeder Ursache fanden sich aber für eine erneute Antikoagulation Hinweise für einen positiven Nettonutzen.[12]
Aktuell ist eine randomisierte kontrollierte Studie zum Einsatz von Andexanet bei Patienten mit intrakraniellen Blutungen (ANNEXA-I) aufgrund einer verbesserten Wirksamkeit des spezifischen Antidots im Vergleich zur standardmäßigen Vergleichstherapie vorzeitig gestoppt worden.[13] Die detaillierte Auswertung steht noch aus.
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Bedeutung des Endogenen Thrombin Potentials (ETP)
als Maß für die Blutstillung
In den Zulassungsstudien zu Andexanet wurde neben dem Messwert Anti-FXa-Aktivität mit dem endogenen Thrombinpotential (ETP) ein weiterer spezieller Gerinnungsparameter erhoben. Dieser zeigt in vitro die Kapazität des Blutes, unter Stimulationsbedingungen Thrombin zu generieren.[14] [15]
Kontextbezogene Daten, wie z.B. D-Dimer- und F 1 + 2 Messungen, für die Anwendung von Andexanet bei akuten DOAK-assoziierten Blutungspatienten liegen aktuell nicht vor, sollten jedoch im Fokus der fortlaufenden Untersuchungen bleiben. Der Parameter ETP beruht auf dem Testverfahren des Thrombingenerierungsassays (TGA).[16] Standardtests wie z.B. aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) oder der Quick-Wert sind in ihrer Aussage zur generellen Gerinnbarkeit des Blutes stark limitiert und können jeweils nur einen bestimmten Ausschnitt aus dem Ablauf der Blutgerinnung darstellen. Demgegenüber kann die kumulativ gemessene Menge an gebildetem Thrombin, als Endstrecke der Gerinnung, einen globalen Parameter zur Beurteilung der Gesamtkapazität des Gerinnungssystems bzw. der zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Balance zwischen Blutungs- und Thromboseneigung abbilden. Die Thrombinbildung ist dabei sowohl von der Menge und Aktivität bzw. Aktivierbarkeit der Gerinnungsfaktoren und deren Inhibitoren als auch von der Anwesenheit von Antikoagulantien bzw. deren Antidota oder prokoagulatorischen Substanzen abhängig. Es handelt sich somit um einen Globaltest der Blutgerinnung, welcher stark vereinfacht als Abbild pro- wie auch antikoagulatorischer Einflüsse zu verstehen ist. Das Prinzip des TGA beruht dabei laborchemisch auf der Zugabe einer geringen Konzentration an Tissue Factor sowie Phospholipiden und Calcium zu Plasma und der darauffolgenden Messung der Menge an gebildetem Thrombin über chromogenes oder flourogenes Substrat, mit der Möglichkeit der Bestimmung in Plasma (plättchenarm/-frei oder plättchenreich) sowie in Vollblut. Die Darstellung des zeitlichen Ablaufs der Thrombinbildung und der damit verbundenen Phasen der Gerinnung (Initiation, Amplifikation und Propagation) erfolgt über ein Diagramm bzw. über die Thrombinbildungskurve, mit u.a. den Parametern „Lag time“, „Peak“ sowie der Fläche unter der Kurve, welches als ETP ein generelles Maß für die Thrombinbildung darstellt (<[Abbildung 1] > ). Für das ursprünglich aus aufwändigen manuellen Ansätzen bestehende und in den 1950er Jahren entwickelte Verfahren stehen mittlerweile Plattformen mehrerer Hersteller zur Verfügung.[17] Zur Abschätzung der Blutungsneigung bzw. des Blutungsrisikos wurde die Methode des TGA in Studien bei unterschiedlichen Kollektiven untersucht, so z.B. bei Patienten mit Hämophilie,[18] [19] kardiochirurgischen Patienten[20] sowie Patienten mit Thrombozytopenie oder hämatoonkologischen Erkrankungen.[21] Für Patienten unter Antikoagulation (größtenteils mit Vitamin-K-Antagonisten) zeigen Studiendaten reduzierte Werte im TGA, weshalb die Methode Anwendung in einer Reihe von Studien zur Untersuchung der Aufhebung einer Antikoagulation mit Fresh Frozen Plasma (FFP), Prothrombinkomplexkonzentrat (PPSB) oder Factor Eight Inhibitor Bypassing Activity (FEIBA) fand.[22] Für DOAK konnten Studiendaten ebenso einen Einfluss auf die Parameter des TGA zeigen.[23] [24] Die Erfahrungen hinsichtlich der Anwendung von TGAs im Kontext mit DOAK und deren Antidota außerhalb von Studien sind jedoch limitiert, der Stellenwert der Methode in diesem Kontext vor allem für die klinische Anwendung ist nicht sicher zu beurteilen. So konnten z.B. Pfrepper et al.[24] bei 380 Proben Korrelationen der Parameter „lag time“ und „time to peak“ mit DOAK-Plasmaspiegeln zeigen, jedoch fand sich keine Relation zum ETP.[24] Auch die Daten anderer Arbeitsgruppen zeigen nur schwache Korrelationen der verschiedenen Parameter der Thrombingenerierung zu DOAK-Spiegeln.[25] Herausforderungen bei einem möglichen zukünftigen klinischen Einsatz der Verfahren sind auch weiterhin die erschwerte Vergleichbarkeit unterschiedlicher Messverfahren bzw. Messsysteme und unterschiedlicher Laboratorien sowie die klare Relation der erhobenen Parameter zum Outcome bzw. zu klinischer Blutungsneigung bzw. Blutstillung.
Erwähnenswert zeigen sich dennoch die Ergebnisse der zweigeteilten, plazebokontrollierten und randomisierten Andexanet Phase III Studie ANNEXA-A (Apixaban)/ANNEXA-R (Rivaroxaban), die das ETP der Probanden als sekundären Endpunkt untersuchte.[14] DOAK-naive Probanden wurden zunächst über einen Zeitraum von vier Tagen durch die kontrollierte Einnahme von 2 × 5 mg Apixaban oder 1 × 20 mg Rivaroxaban täglich in einen bezüglich der Plasmakonzentration stabilen Zustand gebracht. An Tag 4 erfolgte die randomisierte Administration von Andexanet oder Plazebo. Mehrere ETP-Messungen zu vordefinierten Zeitpunkten wurden während der Studiendauer von 5 Tagen erhoben. Die Thrombingenerierung der Probanden wurde als gemittelter ETP-Messwert über den Zeitverlauf dargestellt. Die durch die Einnahme von Apixaban oder Rivaroxaban zunächst verminderten mittleren ETP-Werte erreichten bereits wenige Minuten nach der Andexanet Bolus-Gabe wieder den ETP-Normbereich (mittlerer ETP-Wert vor DOAK-Einnahme +/- zwei Standardabweichung) und persistierten auf diesem Niveau für einige Stunden. Die jeweilige ETP-Differenz zur Plazebo-Gruppe war innerhalb der ersten 12 Stunden nach Andexanet-Administration signifikant (p < 0.001). Auch wenn bisher der Zusammenhang zwischen ETP-Werten und der Hämostase noch nicht vergleichend untersucht wurde und die Studienaussagekraft durch die ETP-Messmethodik der ANNEXA-A/R-Studie (plasmabasierter In Vitro Assay) limitiert zu bewerten sind, zeigen diese Daten einen unmittelbaren Einfluss der Aufhebung der Faktor-Xa-Inhibition durch Andexanet auf die potentielle Thrombingenerierung.[14]
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Laboranalytische DOAK-Messungen vor und nach Einsatz von Andexanet
Hinsichtlich der pharmakokinetischen Interaktionen zwischen DOAK und anderen Medikamenten sind die Enzyme vom Typ Cytochrom-P450 und das Transportprotein P-Glykoprotein (P-gp) von Bedeutung. Eine Hemmung führt zur Wirkverstärkung mit der Folge einer höheren Blutungsneigung.[26] Zu den stärksten Hemmstoffen von CYP3A4 zählen die HIV-Protease-Inhibitoren Indinavir, Nelfinavir, Ritonavir, die Makrolid-Antibiotika Erythromycin und Clarithromycin (auch P-gp) sowie die Antimykotika Ketoconazol (auch P-gp), Fluconazol, Itraconazol (auch P-gp) und Voriconazol.
HIV-Protease-Inhibitoren können die Blutspiegel der Gerinnungshemmer um den Faktor 2,6 ansteigen lassen. Weitere, wenn auch schwächere CYP3A4-Hemmer sind Cimetidin, Verapamil (auch P-gp), die GrapefruitInhaltsstoffe Naringin und Bergamottin, Amiodaron (auch P-gp), Ciclosporin (auch P-gp), Diltiazem, Fluvoxamin und Norfluoxetin, der aktive Metabolit von Fluoxetin. Bei Letzteren besteht eine doppelte Interaktion, da von den SSRI auch die Thrombozytenaggregation gehemmt wird.
Von den Faktor-Xa-Antagonisten hat Edoxaban das geringste Interaktionspotenzial, da es zu weniger als 4 Prozent über Cytochrom-Enzyme abgebaut wird. Bei einigen P-gp-Hemmern wie Ketoconazol gibt es in Kombination mit Edoxaban eine empfohlene Dosisreduktion des DOAK von 60 auf 30 mg.
Zu beachten ist, dass die Induktion meist mehrere Tage bis zur klinisch relevanten Ausprägung benötigt und bis zu sieben Tage nach dem Absetzen des Induktors wirken kann. Induktoren von CYP3A4 sind die Antikonvulsiva Carbamazepin (auch P-gp), Oxcarbazepin, Phenobarbital und Phenytoin sowie Dexamethason, Rifampicin (auch P-gp) und Hyperforin aus Johanniskraut (auch P-gp).[26] Medikamenteninteraktionen, die zu einer Wirkverstärkung von DOAK führen, sollten vor der Labormessung der DOAK-Spiegel geprüft (www.dosing.de oder www.dosing-gmbh.de) und bei der Interpretation der Testergebnisse berücksichtigt werden, insbesondere bei Blutungen und der Entscheidung für eine Reversierungstrategie.
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Wann kann die Bestimmung der Anti-FXa-Aktivität nützlich sein?
VKA, die bis vor etwa 10 Jahren standardmäßig eingesetzt wurden, erforderten eine regelmäßige Überwachung, da die Therapie innerhalb eines engen therapeutischen Bereichs durchgeführt werden muss. Grundsätzlich besteht einer der Vorteile der DOAK darin, dass sie im Gegensatz zu den VKA nicht überwacht werden müssen.
Die Konzentration eines DOAK zu bestimmen, kann in kritischen klinischen Situationen nützlich sein. Dazu gehören z.B. anstehende chirurgische Eingriffe oder Notoperationen, Traumata, akute Schlaganfälle oder andere thromboembolische Ereignisse, Überdosierungen oder Blutungen. Mittlerweile gibt es verschiedene Möglichkeiten, die Konzentration der direkten Faktor-Xa-Inhibitoren im Blut zu bestimmen:
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Welche Messmethoden gibt es aktuell?
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Quantitative Messung der Anti-Faktor-Xa-Aktivität im Citratplasma
Diese Analyse stellt inzwischen die am weitesten verbreitete Methode zur DOAK-Quantifizierung in der klinischen Routine dar. Jedes Labor mit einem Analysengerät, welches in der Lage ist die klassischen Analyten für die Gerinnung (z.B. aPTT, Quick, Fibrinogen, D-Dimere etc.) automatisiert zu messen, kann prinzipiell auch einen kalibrierten Anti-FXa Test zur Verfügung stellen. Die Reagenzien haben mittlerweile eine hohe Anwenderfreundlichkeit und sind zudem sehr stabil. So ist die Stabilität der Anti-FXa Teste in den Analysegeräten bei einigen Anbietern über 3,5 Tage.[27] [28]
Eine weitere Möglichkeit besteht darin diese Analysen mit einer bereits am Labor etablierten NMH -Kalibration durchzuführen.[27] Da die Dosis-Wirkungsbeziehung bei den DOAK allerdings eine andere Charakteristik als die von NMH aufweisen kann, eignet sich dieser Ansatz nur mit Einschränkungen. Die Kenntnis der Übertragbarkeit auf die speziellen Analyten mit dem konkreten Test und dem konkreten Gerät ist grundsätzlich immer notwendig.[27] [28] Der Vorteil einer Messung der Anti-FXa-Aktivität im Citratplasma ist in Notfallsituationen, dass prinzipiell NMH und direkte Faktor-Xa-Hemmer mit dem gleichen Reagenz gemessen werden können (der Unterschied liegt lediglich in der Kalibrierung für jede Substanz). Damit wären zumindest semi-quantitative Abschätzungen der Antikoagulations-intensität möglich, ohne dass eine DOAK-spezifische Kalibration erforderlich ist.
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Quantitative und qualitative DOAK-Messung mit Massenspektrometrie (MS)
Die Massenspektrometrische Analytik der DOAK stellt bis heute den Goldstandard dar. Diese technisch sehr aufwendige Methode ist allerdings nur wenig verfügbar und im Rahmen der Routinediagnostik daher nur bedingt geeignet. Es gibt allerdings inzwischen breit aufgestellte Protokolle, die mittels einer Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC)-MS/MS eine parallele Bestimmung von direkten Faktor-Xa-Hemmern (Apixaban, Edoxaban, Rivaroxaban) und Thrombin-Hemmern (Dabigatran und z.T. auch Argatroban) zu ermöglichen, was vor allem für toxikologisch-forensische Fragestellungen, aber auch bei unklarer Gerinnungsentgleisung mit vermuteter DOAK-Überdosierung von großer Bedeutung sein kann.[29] [30]
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Nicht-spezifische Messung der Anti-FXa-Aktivität mit Viskoelastometrie
Eine weitere Möglichkeit bietet die Abschätzung einer DOAK-Aktivität aus citrathaltigem Vollblut mittels viskoelastischer Messung. Die Verfügbarkeit viskoelastischer Verfahren zur Messung in der Breite ist derzeit nicht gegeben. Zudem existieren unterschiedliche Testsysteme, welche nicht alle zur Bestimmung von DOAK-Spiegeln geeignet sind. Daher sind die Sensitivitäten und Spezifitäten zur Bestimmung von DOAK-Spiegeln sehr unterschiedlich und für die jeweiligen Testverfahren anzugeben.
So wird z.B. über ein Russells Viper Venom (dRVV)-Reagenz der noch vorhandene Faktor X der Probe aktiviert, welcher in der aktivierten Form dann Gerinnung und Gerinnselbildung auslöst. Sensitivität und Spezifität werden für DOAK-Werte ≥ 50 ng/mL und ≥ 100 ng/mL für den ClotPro® angegeben (z.B. für Apixaban ≥ 50 ng/mL und dRVV-Zeit > 136 s: Sensitivität 80% [95% KI 66–89%], Spezifität 88% [95% KI 71–96%])[30] [31] und liegen derzeit noch am höchsten im Vergleich zu anderen viskoelastischen Messverfahren.[32] Inwieweit diese Analysen eine hinreichende Sicherheit und breite klinische Verfügbarkeit bieten, bleibt weiterhin zu diskutieren.
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Ausschluss relevanter DOAK-Konzentration mit Urin-Streifentest
Auch aus Urin kann mittlerweile eine Bestimmung der Konzentration der DOAK erfolgen.[33] [34] Das Prinzip ist eine Messung über Farbindikatoren, nachdem der Chromophor eines Faktor-Xa-spezifischen Peptids durch den Faktor Xa der Probe freigesetzt wird. Letztendlich ist die Bestimmung des DOAK zwar möglich; eine Korrelation zur Blutkonzentration konnte aber bisher nur eingeschränkt gezeigt werden. Erste Anwenderdaten deuten darauf hin, dass ein negatives Testergebnis im Urin-Streifentest klinisch relevante DOAK-Konzentrationen hinreichend sicher ausschließen kann,[35] wenn zudem sicher ist, dass der Patient in den letzten Stunden keine DOAK mehr eingenommen hat. Einschränkungen der Methode bestehen in der Fehleranfälligkeit bei verfärbtem Urin und im häufigen Auftreten einer Anurie bei Notfallpatienten.
Eine Übersicht zu den aktuellen DOAK-Test-Systemen zeigt <[Tabelle 4] > .
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Rationale der Anti-FXa-Aktivitäten-Bestimmungen
Mit all diesen verschiedenen Messmethoden wird im klinischen Alltag versucht, Antworten darauf zu erhalten, ab welcher Konzentration des DOAK im Blut es zu einer Blutungsneigung (positiver prädiktiver Wert [PPV]) in definierten Situationen kommt bzw. wann die Medikation vor einem Eingriff beendet werden sollte, um hämorrhagische Komplikationen zu minimieren. Weitere Studien sind hier wesentlich, um die Patientensicherheit zu erhöhen. Mit der Zulassung von Andexanet kamen zudem drei neue Fragen auf:
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Gibt es für die Indikationsstellung zum Einsatz von Andexanet einen klinisch sinnvollen Cut-off-Wert für die Anti-FXa-Aktivität?
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Werden durch die Gabe von Andexanet andere Laborparameter verfälscht oder Analysen beeinträchtigt?
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Können die Teste für die Anti-FXa-Aktivität eine zuverlässige Information über die Effektivität einer Andexanet-Gabe geben bzw. helfen, eine trotz Andexanet-Gabe fortbestehende Blutungsneigung zu klären?
Zu Frage 1 (Existieren sinnvolle Cut-off-Werte):
Die Cut-off-Werte zum Einsatz von Andexanet sind derzeit durch die ANNEXA-4-Studie mitbestimmt. Die FDA hat für die Auswertung der ANNEXA-4-Studie und für die Durchführung von ANNEXA-I gefordert, dass die Wirksamkeitsanalyse auf Patienten mit DOAK-Spiegeln > 75 ng/mL zu fokussieren ist.[10] [11]
Obwohl es derzeit keine definierten Grenzwerte für eine DOAK-Antagonisierung mit spezifischen Antidots bei Blutungen gibt, empfehlen einzelne Fachgesellschaften wie beispielsweise das International Council for Standardization in Haematology (ICSH) allgemein eine Antagonisierung bei Dabigatran-, Apixaban- und Rivaroxaban-Werten > 50 ng/mL.[36]
Alle diese Fragen sind im Management akuter Notfallpatienten unter einer Therapie mit direkten oralen Faktor-Xa-Hemmern häufig entscheidend – momentan sind die Antworten darauf aber noch limitiert und die folgenden Aspekte sollten daher nicht als endgültig oder vollständig interpretiert werden.
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Zu Frage 2 (Einfluss von Andexanet auf Laborparameter und Testverfahren):
Klinisch bestehen die momentan bekanntesten und bedeutsamsten Interaktionen eines Andexanet-Einsatzes mit anderen Gerinnungstests und der Problematik einer Steuerung von unfraktioniertem Heparin (UFH), z.B. im Rahmen kardiochirurgischer Eingriffe.[37]
Die Fallbeschreibung eines Patienten unter Apixaban-Therapie mit einer kardiochirurgischen Notfall-OP beschreibt die Probleme bei der gleichzeitigen Verwendung von Apixaban, Andexanet und UFH.[37] Die Rolle des Antithrombins für die Einstellung der zielgerichteten Heparin-Konzentration mittels aktivierter Gerinnungszeit (activated clotting time, ACT) steht im Mittelpunkt der Publikation und wird in einem Editorial diskutiert.[38] Auch hier zeigt sich, dass die Wirkung des Andexanet bisher nur in Teilbereichen untersucht ist und damit die Messbarkeit insgesamt erschwert wird.
Ausdrücklich abzuraten ist von einer Bestimmung der Anti-FXa-Aktivität nach erfolgter Andexanet-Gabe. Nachdem Andexanet zunächst das DOAK gebunden hat kommt es bei der Vorbereitung der Blutprobe auf die Analyse zu einer starken Verdünnung der Probe, wodurch es zu einer Dissoziation des Andexanet-DOAK-Komplexes und damit zu einem artifiziellen Anstieg der Anti-FXa-Aktivität in der Blutprobe kommt. Hier können in der Zukunft adaptierte Testverfahren, wie sie auch in der ANNEXA-4- und ANNEXA-I-Studie angewendet wurden, zum Einsatz kommen. Ziel ist bei diesen Testen, die Verdünnungen im Testsystem so weit wie möglich zu reduzieren.[39]
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Zu Frage 3 (Korrelation zwischen gemessenen Anti-FXa-Aktivitätswerten und Therapieeffektivität)
Wie oben ausgeführt erreicht die Andexanet-Gabe bei über 80% der Patienten eine gute klinische Blutstillung und eine ca. 70-90%ige Reduktion der Anti-FXa-Aktivität.[10] [11] Trotzdem wird bei einem Teil der Patienten eine unzureichende Antagonisierung bzw. eine fortbestehende Blutungsneigung beobachtet. Mögliche Risikofaktoren für ein Blutungsrezidiv nach initialer Antagonisierung könnten dabei sehr hohe initiale Anti-FXa-Aktivitäten, verlängerte DOAK-Halbwertszeiten und/oder zugrunde liegende Begleiterkrankungen sein, die die initiale Blutung mitverursacht haben.
Patienten mit hohen initialen Anti-FXa-Aktivitäten in Bezug auf die eingesetzte Andexanet-Dosis wurden in der ANNEXA-4-Studie gesondert ausgewertet: Hohe Spiegel waren definiert als > 300 ng/mL für Apixaban (n = 9 Patienten) und > 210 ng/mL für Rivaroxaban (n = 35) bei einem Einsatz von niedrigdosierten Andexanet, bzw. Anti-FXa-Aktivität > 400 ng/mL für Rivaroxaban (n = 5) bei Verwendung von hochdosierten Andexanet. Trotz der hohen initialen Anti-FXa-Aktivitäten konnte durch Andexanet eine Reduktion der Anti-FXa-Aktivitäten um 94% bzw. 80% und 98% erzielt werden. Die hämostatische Wirksamkeit war dabei in 100% bzw. 74% und 100% exzellent oder gut. Bei adäquater Dosierung von Andexanet scheinen daher auch hohe Ausgangsspiegel von Apixaban und Edoxaban nicht zwingend zu einem klinisch unzureichenden Andexanet-Effekt zu führen.[10]
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Non-Responder innerhalb der ANNEXA 4-Studie (keine unmittelbare Blutstillung)
Analysiert man sogenannte „Non-Responder“ (keine exzellente oder gute Wirksamkeit), so zeigt sich, dass diese Patienten zwar im Mittel etwas höher liegende Anti-FXa-Aktivitäten aufwiesen als in der Gesamtstudie (Apixaban-Non-Responder 179,7 ng/mL [95% Konfidenzintervall KI, 141,9–253,2 ng/mL] versus 149,7 ng/mL im Gesamtergebnis bzw. für die Rivaroxaban-Non-Responder 260,4 ng/mL [95% KI, 154,0–297,1 ng/mL] versus 211,8 ng/mL) [10]. Doch der prozentuale Abfall der Anti-FXa-Aktivitäten war bei den Non-Respondern nicht unterschiedlich zum Gesamtergebnis: Apixaban -93,9 (95% KI,-95,4–-87,3) versus -92 (95% KI,-93–-91) und für Rivaroxaban -89,5 (95% KI,-94,6–-77,5) versus -92 (-94–-88). Damit zeigt sich, dass das so genannte Nicht-Ansprechen nicht durch höhere Baseline-Anti-FXa-Spiegel oder geringere Effekte der Andexanet-Therapie zu erklären ist.[10]
Klinisch plausibel ist dagegen, dass die sehr unterschiedlichen Blutungsursachen, Komorbiditäten und zusätzlichen Notfalltherapiemaßnahmen das Outcome über die alleinige Senkung der Anti-FXa-Aktivitäten hinaus erheblich mitbestimmen. Daher ist in einer receiver operating characteristic (ROC) Analyse auch kein starker Zusammenhang zwischen dem Abfall der Anti-FXa-Aktivitäten und der hämostaseologischen Wirksamkeit bei allen Blutungstypen beobachtet worden.[10] Eine wechselseitige Beziehung zwischen dem Abfall der Anti-FXa-Aktivitäten und der hämostaseologischen Wirksamkeit kann im Alltag durch weitere klinische Einflussfaktoren zusätzlich abgeschwächt werden (<[Tabelle 5] > ).
a Derzeit keine EU-Zulassung für die Anwendung von Andexanet bei akuten lebensbedrohlichen Blutungen unter Edoxaban, nur in Japan.
Daher ist es für das Management von Blutungsnotfällen klinisch bedeutsam, dass auch nach einer erfolgreichen initialen Antagonisierung mit Andexanet eine weitere intensive Überwachung und Therapie erfolgen, um die zahlreichen Folgekomplikationen der Blutung zu beherrschen (Organschädigung, Infektion, thrombotisches Risiko bei der gleichzeitig bestehenden Indikation zur Antikoagulation, Akute-Phase-Reaktion mit Hyperkoagulabilität, Verbrauch von Gerinnungsfaktoren, Verbrauch von Gerinnungsinhibitoren etc.). Gleichzeitig muss in dieser Phase entschieden werden, ob, wann und in welcher Intensität eine klinisch prinzipiell weiterhin indizierte Antikoagulation nach der Blutung wieder eingeleitet werden soll.
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Indikationsstellung zum Einsatz von Andexanet
Wie bereits diskutiert ist die Indikationsstellung zum Einsatz von Andexanet und die Andexanet-Dosierung im Wesentlichen davon abhängig, wie hoch die zu erwartende in vivo Plasmakonzentration des Faktor-Xa-Hemmers zum Zeitpunkt des Notfalls ist. Ausschlaggebende Kriterien (auch in der Andexanet-Fachinformation benannt) sind Art, Dosis und letzter Einnahmezeitpunkt des DOAK. Sind all diese Informationen vorhanden, kann die Abschätzung möglicher DOAK-Spiegel und damit der Indikation zum Einsatz von Andexanet pragmatisch und ohne Zeitverlust vorgenommen werden. Im klinischen Alltag sind diese Informationen jedoch oft unvollständig oder nur unzuverlässig zu erheben (Fremdanamnese, intubierter Patient, Aphasie, Demenz etc.). Idealerweise würde dann eine schnelle Messung der Anti-FXa-Plasmaspiegel helfen, allerdings sind diese nicht in allen Notaufnahmen rund um die Uhr verfügbar und selbst bei Verfügbarkeit kann die Analyse länger dauern als die Entscheidung zum Einsatz von Andexanet in der Notsituation gestattet.
Zu diesem Zweck kann es hilfreich sein, weitere Informationen in die Abschätzung möglicher DOAK-Spiegel einzubeziehen. Dazu können die folgenden Annahmen geeignet sein:
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Relevante DOAK-Plasmaspiegel liegen in den ersten 12–18 Stunden nach der letzten DOAK-Einnahme vor, klingen aber langsam ab[28]
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Besonders hohe DOAK-Plasmaspiegel können aus einer Akkumulation bei eingeschränkter Nierenfunktion resultieren, wodurch sich auch die Abklingdauer der DOAK-Wirkung deutlich verlängern kann[40]
Aus diesen Annahmen ergibt sich, dass einerseits ein relevanter DOAK-Spiegel (und damit ein Beitrag des DOAK zur Blutung) unwahrscheinlich ist, wenn die letzte Einnahme > 18 Stunden zurückliegt und eine geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) > 50 mL/min (Akkumulation unwahrscheinlich) vorliegt. Wesentlich unterstützt wird die Annahme, wenn ein Anti-FXa-Plasmaspiegel gemessen werden kann. Auch wenn dieser auf ein NMH oder UFH kalibriert ist, kann gemeinsam mit dem Labor und je nach Reagenz und Gerät eine Abschätzung über die Restkonzentration des DOAK gemacht werden.
CE-zertifiziert ist auch der oben angeführte Urin-Streifentest. Bei negativem Ergebnis im Urin-Streifentest weisen erste wenige Daten darauf hin, dass bei einem Teil der Proben eine klinisch relevante DOAK-Konzentration ausgeschlossen werden kann und somit eine Andexanet-Gabe unnötig ist.[35]
Erste Daten wurde hierzu auf dem ISTH-Kongress 2022 in London vorgestellt und ein entsprechender Algorithmus befindet sich derzeit in einer multizentrischen Validierung.[41] Die <[Abbildung 2] > versucht Anwendungshinweise für den Gebrauch von Andexanet nach dem derzeitigen Stand zusammenzufassen.
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Fazit zu Andexanet:
Andexanet wirkt schnell und spezifisch bei lebensbedrohlichen oder unkontrollierbaren Blutungen unter Apixaban und Rivaroxaban - Edoxaban ist weiterhin in Prüfung. Das Wiedererlangen einer guten Hämostase gelingt bei über 80% der betroffenen Patienten.
Die Indikationsstellung sollte kritisch erfolgen, da neben dem Thromboembolierisiko der Patienten und den hohen Therapiekosten von Andexanet auch Folgetherapien mit Heparin-Einsatz (wie bspw. kardiochirurgischer Eingriffe und ECMO) zu berücksichtigen sind.
Zur Indikationsstellung sind die Art des DOAK, die Dosis und der letzte Einnahmezeitpunkt als wesentlichste Determinanten zu nennen. Jedoch können auch die eGFR, ein (unspezifischer) Anti-FXa-Spiegel oder der Urin-Streifentest in Einzelfällen einbezogen werden.
Bei der Entscheidung zum Einsatz von Andexanet im Notfallmanagement haben die ärztliche Expertise und die Handlungsdringlichkeit Vorzug gegenüber den labortechnischen Parametern.
Nach dem Einsatz von Andexanet sollten keine Tests zur Kontrolle der Anti-FXa-Aktivität erfolgen, da diese falschhohe Werte aufweisen und nicht sicher interpretierbar sind.
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Interessenkonflikte
Dieses Manuskript fasst die wesentlichen Diskussionspunkte eines interdisziplinären Expertentreffens im August 2022 mit Vertreter*innen aus der Angiologie, Hämatologie, Innerer Medizin, klinischer Pharmakologie, Labormedizin, Transfusionsmedizin Intensivmedizin und Hämostaseologie zusammen, in dem die Bedeutung und die möglichen Einsatzgebiete von spezifischen Antidots zur Antagonisierung der neuen/direkten orale Antikoagulantien (DOAK) bei schweren und lebensbedrohlichen Blutungen diskutiert und herausgearbeitet wurde. Dieses Expertentreffen wurde durch die Fa. AstraZeneca finanziell unterstützt.
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Literatur
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Publikationsverlauf
Eingereicht: 26. Mai 2023
Angenommen: 24. Juli 2023
Artikel online veröffentlicht:
09. Oktober 2023
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