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DOI: 10.1055/a-2159-6426
Abstracts der Frankfurter Dermatologentagung 2023
01. November 2023, Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsklinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am MainAnnual Frankfurt Dermatology MeetingNovember 1st 2023, Dept. of Dermatology, Venerology and Allergology, University Hospital, Goethe-University Frankfurt am Main
Erworbene Epidermodysplasie verruciformis – totale Remissio durch Retinoide
T. Funk
Anamnese Der 69-jährige Patient wurde in unserer Hochschulambulanz vorstellig aufgrund sich seit Jahren progredient an allen Extremitäten, im Dekolleté sowie am Rücken zunehmend verrukös entwickelnder, gelegentlich juckender Papeln ([ Abb. 1 ]). Als im Herbst 2022 die zweite m-RNA-Impfung gegen COVID-19 erfolgte, kam es einige Wochen später zu einer deutlichen Verschlechterung der bestehenden Effloreszenzen. Anamnestisch relevant war eine über 15 Jahre bestehende immunsuppressive Therapie mit Azathioprin aufgrund einer Colitis ulcerosa. Die Therapie mit Azathioprin war zum Zeitpunkt der Vorstellung aufgrund einer Remission jedoch seit Jahren pausiert gewesen.


Untersuchungsbefund An den Extremitäten zeigten sich distal betont multiple, disseminiert verteilte, nach distal in der Anzahl zunehmende und dann teilweise beetartig-aggregierende, hellrot flache bis gelbweiß hyperkeratotisch-verruköse Papeln mit leichtem Juckreiz.
Histologie Das Gewebe zeigt eine deutlich papillomatöse Umstrukturierung mit elongierten Papillen und einer tief gebuchteten, verbreiterten Hornschicht. Oberhalb der Papillenspitzen sieht man eine säulenförmige Hyperkeratose mit Imprägnierung von Hämorrhagien ([ Abb. 2 ]).


Diagnose In Zusammenschau von Klinik und histologischem Befund stellten wir die Diagnose einer erworbenen Epidermodysplasie verruciformis (EV).
Verlauf Zunächst erfolgte eine Lokaltherapie mit Imiquimod 5 %, welches 3 × pro Woche über 4 Wochen angewendet wurde. Da hierunter keine Befundverbesserung erreicht werden konnte, leiteten wir eine Systemtherapie mit Acitretin 25 mg täglich ein, das im Verlauf bei guter Verträglichkeit auf eine Dosis von 35 mg täglich gesteigert wurde. Zudem wurden einzelne, stark hyperkeratotische Papeln mittels Kryotherapie behandelt. Unter den genannten Therapiemaßnahmen kam es zu einem Abflachen und Verschwinden der meisten Läsionen im Verlauf von 6 Monaten, sodass bei einem geringen Restbefund von wenigen Papeln auf Wunsch des Patienten die Therapie mit Acitretin beendet wurde ([ Abb. 3 ]). Eine weitere Verlaufskontrolle innerhalb der Therapiepause war nicht mehr möglich, da der Patient leider aufgrund anderer Begleiterkrankungen wenige Wochen nach Absetzen der Systemtherapie verstarb.


Kommentar Bei der Epidermodysplasie verruciformis handelt es sich um eine häufig therapierefraktäre Dermatose, bei der es zu einer generalisierten Aussaat von kutanen Verrucae kommt, für die eine Infektion mit speziellen humanen Papillomaviren (HPV) vornehmlich der Gattung Betapapillomaviren ursächlich ist. Man unterscheidet eine hereditäre und eine erworbene Variante der EV. Bei der hereditären Variante liegen klassischerweise Mutationen der Gene TMC6 (= Transmembrane channel-like Protein) oder TMC8 vor, welche die Suszeptibilität der Zellen für eine Infektion mit HPV erhöhen. In der Folge kann es daher schon in den ersten Lebensjahrzehnten zu einem generalisierten Auftreten kutaner Warzen kommen, insbesondere in sonnenexponierten Arealen. Bei der erworbenen Variante liegt dagegen in den meisten Fällen eine Immunsuppression vor (z. B. HIV oder iatrogen). Histologisch zeigen sich klassisch vergrößerte Keratinozyten im Stratum granulosum mit pathognomisch blau-grauem Zytoplasma und vielen Keratohyalin-Granula. Im Gewebe können insbesondere HPV-5 und HPV-8 nachgewiesen werden. Die Therapie ist nicht standardisiert und häufig frustran. Topische Behandlungserfolge wurden in Einzelfällen mit Cidofovir und Glykolsäure beschrieben, Imiquimod zeigte hingegen ein variables Ansprechen. Systemisch kommen niedrigdosierte Retinoide sowie Interferon alpha zum Einsatz, jedoch auch hier mit unterschiedlichen Erfolgen und hohem Rezidivrisiko nach Absetzen. Es existieren zudem Einzelfallberichte über eine erfolgreiche Behandlung durch HPV-Impfung oder nach photodynamischer Therapie. Zudem scheint bei iatrogener Immunsuppression eine Umstellung von Azathioprin oder Calcineurin-Inhibitoren auf z. B. Mycophenolat-Mofetil oder mTOR-Inhibitioren sinnvoll zu sein. In unserem Fall erfolgte eine jahrezehntelange Immunsuppression mit Azathioprin, welche das Auftreten einer erworbenen Epidermodysplasie verruciformis begünstigt haben könnte. Interessanterweise war diese Therapie bei Vorstellung aufgrund einer Remission der Colitis ulcerosa jedoch schon seit Jahren pausiert. In den meisten Fallberichten iatrogener Immunsuppression traten die verrukösen Veränderungen dagegen unter laufender Immunsuppression auf. Bemerkenswert ist daher die Exazerbation nach der zweiten Impfung gegen COVID-19. Ein immunmodulierender Effekt der Impfung, der sich auf den Verlauf der Epidermodysplasie verruciformis ausgewirkt haben könnte, scheint damit denkbar. In der Literatur ist ein solcher Fall bislang nicht beschrieben.
Literatur
1 Moore S, Rady P, Tyring S. Acquired epidermodysplasia verruciformis: clinical presentation and treatment update. Int J Dermatol 2022; 61: 1325–1335
2 Zampetti A, Giurdanella F, Manco S et al. Acquired epidermodysplasia verruciformis: a comprehensive review and a proposal for treatment. Dermatol Surg 2013; 39: 974–980
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Publication History
Article published online:
19 October 2023
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