Senologie - Zeitschrift für Mammadiagnostik und -therapie 2024; 21(01): 5
DOI: 10.1055/a-2170-9574
Editorial

Immer am Ball bleiben!

 

Liebe Leserin, lieber Leser,

die endokrine Therapie des Mammakarzinoms bleibt spannend! Nachdem Studien gezeigt haben, dass eine Verlängerung der Therapiedauer die Langzeit-Prognose verbessert, stehen z. B. die langfristigen Auswirkungen auf die Lebensqualität der Patientinnen noch einmal besonders im Vordergrund; diese müssen wir kennen und adressieren: denn die Adhärenz sinkt! Und die Patientinnen, die die empfohlene Dauer nicht „durchhalten“, haben ggf. eine höhere Rezidivrate.


#

Nabieva et al. (S. 51 ff.) präsentieren eine Bestandsaufnahme der endokrinen Therapie bei frühen Mammakarzinomen mit HR+/HER2-. Knapp 62 % der prämenopausalen Patientinnen erhielten ausschließlich Tamoxifen, obwohl zumindest für jene mit hohem Rezidivrisiko eine Kombitherapie (Tamoxifen + GnRH-Analogon oder Aromatasehemmer + GnRH-Analogon) empfohlen wird.

Müller et al. (S. 61 ff.) weisen darauf hin, dass die Grenze zwischen niedrigem und hohem Risiko nicht genau definiert ist. Das macht die Entscheidung, welche Therapie wir empfehlen sollen, oft schwierig. Neue Tools wie die Multigentests können helfen, das Rezidivrisiko differenzierter einzuschätzen. Die Kolleg*innen erinnern aber auch daran, dass viele Betroffene gerade die endokrine Therapie frühzeitig beenden, und mahnen an, Nutzen und Nebenwirkungen sorgfältig abzuwägen, gerade wenn es um den Verzicht auf eine Chemotherapie zugunsten einer (länger einzunehmenden) endokrinen Therapie geht.

Wollen wir unsere Patientinnen motivieren, bei der endokrinen Therapie am Ball zu bleiben, müssen wir im Gespräch bleiben – nicht ermahnen, sondern zuhören, informieren, Beschwerden ernst nehmen, ggf. Alternativen erwägen. Im durchgetakteten Alltag in einem Brustkrebszentrum oder einer gynäkologischen Praxis ist das nicht immer einfach, für den Therapieerfolg aber immens wichtig.

Dass die Brustkrebstherapie so riesige Fortschritte verzeichnet, liegt auch daran, dass die Erkrankung heute oft in sehr frühen Stadien diagnostiziert wird – ein Erfolg nicht zuletzt des Mammografie-Screenings. Wie bei vielen Krebsfrüherkennungsprogrammen gab es während der Corona-Pandemie Lücken; 2020 wurden zeitweilig keine Frauen zum Screening eingeladen. Die Kooperationsgemeinschaft Mammographie berichtet nun (S. 15), dass die Verzögerungen kompensiert werden konnten und die Stadienverteilung der entdeckten Karzinome im Jahr 2021 mit der der Vorjahre vergleichbar war.

Damit die bildgebende Diagnostik das hohe Niveau hält, ist eine gute Weiterbildung unerlässlich. Weil die Mammadiagnostik sich zunehmend in spezialisierte Zentren verlagert hat, ist es für radiologische Kolleginnen und Kollegen in Weiterbildung oft gar nicht so einfach, ausreichend Erfahrung zu sammeln. Ein Whitepaper mehrerer radiologischer Abteilungen und Praxen (S. 24 ff.) plädiert für eine engere interdisziplinäre Zusammenarbeit und neue Weiterbildungskonzepte wie die Integration von Hospitationen und zertifizierten Fallsammlungen.

Neue Erkenntnisse und Entwicklungen sind oft großartig. Sie stellen uns aber auch vor neue Herausforderungen. Gehen wir sie mit Energie und Kreativität an!

Zoom Image
Abb. 1

Ihre

Prof. Dr. Sara Y. Brucker

Zoom Image
Prof. Dr. Sara Y. Brucker

#

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
22. März 2024

© 2024. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


Zoom Image
Abb. 1
Zoom Image
Prof. Dr. Sara Y. Brucker