Handchir Mikrochir Plast Chir 2024; 56(02): 128-134
DOI: 10.1055/a-2264-6866
Originalarbeit

Roboter-assistierte Mikrochirurgie in der Rekonstruktion der unteren Extremität

Robot-assisted Microsurgery in Lower Extremity Reconstruction

Authors

  • Felix Strübing*

    1   Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum, Klinik für Plastische Chirurgie der Universität Heidelberg, BG Unfallklinik Ludwigshafen, Ludwigshafen, Germany
  • Arne Böcker*

    1   Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum, Klinik für Plastische Chirurgie der Universität Heidelberg, BG Unfallklinik Ludwigshafen, Ludwigshafen, Germany
  • Amir K. Bigdeli

    1   Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum, Klinik für Plastische Chirurgie der Universität Heidelberg, BG Unfallklinik Ludwigshafen, Ludwigshafen, Germany
  • Emre Gazyakan

    1   Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum, Klinik für Plastische Chirurgie der Universität Heidelberg, BG Unfallklinik Ludwigshafen, Ludwigshafen, Germany
  • Julian Vogelpohl

    1   Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum, Klinik für Plastische Chirurgie der Universität Heidelberg, BG Unfallklinik Ludwigshafen, Ludwigshafen, Germany
  • Jonathan Weigel

    1   Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum, Klinik für Plastische Chirurgie der Universität Heidelberg, BG Unfallklinik Ludwigshafen, Ludwigshafen, Germany
  • Ulrich Kneser

    1   Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum, Klinik für Plastische Chirurgie der Universität Heidelberg, BG Unfallklinik Ludwigshafen, Ludwigshafen, Germany
  • Felix H. Vollbach

    1   Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Schwerbrandverletztenzentrum, Klinik für Plastische Chirurgie der Universität Heidelberg, BG Unfallklinik Ludwigshafen, Ludwigshafen, Germany
    2   Abteilung für Handchirurgie, Plastische Chirurgie Ästhetische Chirurgie, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität, München, Deutschland
 

Zusammenfassung

Hintergrund In den letzten Jahren wurden verschiedene Robotersysteme entwickelt und zugelassen, welche spezifisch für die Mikrochirurgie konzipiert wurden. Bisher gibt es zu diesen Systemen nur wenig Evidenz. In unserer Studie untersuchen wir den Einsatz robotisch assistierter Mikrochirurgie in der mikrochirurgischen Rekonstruktion der unteren Extremität.

Patienten/Material und Methoden Die Daten wurden prospektiv zwischen Februar und November 2023 erfasst. Das Symani-Robotersystem wurde bei 42 mikrochirurgische Eingriffe an der unteren Extremität verwendet und die Ergebnisse ausgewertet.

Ergebnisse Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 57±18 Jahre. Es wurden insgesamt 39 freie Lappenplastiken (95%), ein lymphchirurgischer Eingriff (3%) und zwei Nerventransfers (5%) durchgeführt. Insgesamt wurden 46 Anastomosen und Nervenkoaptationen durchgeführt. Hierbei wurden sechs arterielle End-zu-End-Anastomosen (11%), sieben arterielle End-zu-Seit Anastomosen (13%), 36 venöse End-zu-End-Anastomosen (65%), zwei lymphovenöse Anastomosen (4%) und fünf epineurale Koaptationen im Rahmen von Nerventransfers (9%) durchgeführt. Arterielle End-zu-End-Anastomosen dauerten durchschnittlich 26±12 Minuten und arterielle End-zu-Seit-Anastomosen benötigten 42±21 Minuten. Die venösen Anastomosen dauerten im Durchschnitt 33±12 Minuten. Die Nervenkoaptation benötigten im Mittel 24±13 Minuten. In keinem Eingriff war eine Konversion auf die konventionelle Handnaht notwendig. Es kam zu zwei arteriellen Thrombosen (5%). In einem Fall konnte eine erfolgreiche Revision die Lappenplastik retten. Es gab einen totalen Lappenverlust, jedoch keine partiellen Lappenverluste.

Schlussfolgerung Wir konnten unter Verwendung des Symani-Robotersystems in der mikrochirurgischen Rekonstruktion der unteren Extremität Ergebnisse aufzeigen, welche mit der konventionellen Mikrochirurgie vergleichbar sind.


Abstract

Background In recent years, various robotic systems specifically designed for microsurgical tasks have been developed and approved. There is not much evidence for these systems to date. In our study, we examined the use of robot-assisted microsurgery in the reconstruction of the lower extremity.

Patients/Material and Methods Data was prospectively collected between February and November 2023. The Symani robotic system was used in 42 robot-assisted microsurgical procedures on the lower extremity, and the results were evaluated and documented.

Results The average age of the patients was 57±18 years. A total of 39 free flap reconstructions (95%), one lymphatic surgical procedure (3%) and two nerve transfers (5%) were performed. In total, 46 anastomoses and coaptations were carried out. This included six arterial end-to-end anastomoses (11%), seven arterial end-to-side anastomoses (13%), 36 venous end-to-end anastomoses (65%), two lymphovenous anastomoses (4%), and five epineural coaptations in the context of nerve transfers (9%). Arterial end-to-end anastomoses took an average of 26±12 minutes, and arterial end-to-side anastomoses took 42±21 minutes. The venous anastomoses took an average of 33±12 minutes. Epineural coaptations took an average of 24±13 minutes. In no procedure was there a need for a conversion to conventional hand suturing. There were two arterial thromboses (5%), one of which was successfully revised to save the flap. One total flap loss occurred, but there were no partial flap losses.

Conclusion Using the Symani robotic system for microsurgical reconstruction of the lower extremity, we were able to demonstrate results that are comparable to conventional microsurgery.


Einleitung

Roboter-assistierte Chirurgie wird in vielen chirurgischen Fachbereichen bereits seit geraumer Zeit eingesetzt. Der erste Roboter-assistierte Eingriff wurde bereits 1985 durchgeführt [1]. Die erste roboter-assistierte Cholezystektomie erfolgte 1997 [2]. Eine breitere Applikation erfolgte jedoch erst mit der Zulassung des DaVinci-System im Jahr 2000 durch die Federal Drug Administration (FDA) in der Vereinigten Staaten[3]. In der Plastischen Chirurgie und Mikrochirurgie wurden robotische Assistenzverfahren erst später eingesetzt. Die DaVinci Plattform wurde 2007 erstmals erfolgreich von Hulst et al. klinisch für eine Mikroanastomose genutzt [4]. Das DaVinci-System bietet jedoch keine spezifischen Mikroinstrumente und die Verwendung der integrierten laparoskopischen Instrumente voraussetzt, konnte es sich in der mikrochirurgischen Anwendung nicht durchsetzen. In den letzten Jahren wurden zwei dezidierte mikrochirurgische Robotersystem entwickelt und für die klinische Anwendung zugelassen. Das Musa System (Microsure, Eindhoven, Niederlande) verwendet konventionelle Mikroinstrumente in Verbindung mit Roboterarmen, welche am OP-Tisch montiert sind und schnell herein und herausgefahren werden können [5]. Das Symani-Robotersystem (Medical Microinstruments Inc., Wilmington, DE, USA) hingegen basiert auf telemetrisch bedienbaren Roboterarmen, welche mobil im OP-Saal platziert werden können. Es können Einmalinstrumente für Mikrochirurgie und Supermikrochirurgie mit sieben Freiheitsgraden verwendet werden, die die Funktionen von Pinzette, Nadelhalter, Dilatator und Schere kombinieren. Für Gefäßanastomosen mit einem Durchmesser von weniger als 1 mm sind auch feinere Supermikroinstrumente erhältlich. Die Bewegungen des Operateurs werden durch frei bewegliche Joysticks, welche chirurgischen Pinzetten ähneln, telemetrisch an den Roboter übertragen und können. Der Umfang der Bewegung kann an die jeweilige Situation angepasst und entsprechend zwischen 7–20 fach skaliert werden . In Kombination mit einem Exoskop und der Visualisierung des OP-Felds auf einem 3D-Monitor, kann der Operateur so unabhängig vom OP-Tisch den Roboter steuern, was sich positiv auf die Ergonomie auswirken kann.

Die Deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft für Mikrochirurgie der peripheren Nerven und Gefäße (DAM) erstellte 2022 ein Konsenspapier, in dem sie eine möglichst rasche Identifizierung von Patientengruppen fordert, welche von den neuen technologischen Möglichkeiten profitieren könnten [6]. Wir haben eine Analyse sämtlicher Patienten im Zeitraum von Februar bis November 2023 mit Roboter-assistierten, mikrochirugischen Eingriffen an der unteren Extremität, durchgeführt.

Die vorgestellte Studie untersucht, ob der Einsatz des Symani-Robotersystems in diesem spezifischen Bereich der plastischen Chirurgie praktikabel ist. Besonders wichtig sind uns die Sicherheit, Durchführbarkeit und Komplikationsrate bei der Einführung dieser neuen Technologie gewesen.


Patienten/Material and Methoden

Datenerfassung

An der BG Unfallklinik Ludwigshafen wird im Rahmen einer prospektiven Studie eine Datenbank sämtlicher Roboter-assistierten Eingriffe geführt. Zwischen Februar und November 2023 wurden 42 Patienten mit Roboter-assistierten mikrochirurgischen Prozeduren an der unteren Extremität identifiziert.

Relevante Patientencharakteristika (Alter, Geschlecht, BMI, Nebendiagnosen und Risikofaktoren) und OP-Parameter (Art des Eingriffs, Lappenplastik, OP-Dauer, Anzahl der Stiche, Anastomosenzeiten, intra- und postoperative Komplikationen sowie mikrochirurgisches Outcome) wurden erfasst. Zur Abschätzung des Gefäßdurchmessers unter maximaler Dilatation wurde eine intraoperative Messung unter optischer Vergrößerung mit einem feinen Lineal vorgenommen. Die Unterscheidung in Minor- und Majorkomplikationen wurde anhand der Dindo-Clavien Klassifikation unternommen [7]. Die Studie wurde im Einklang mit der Erklärung von Helsinki durchgeführt und von der lokalen Ethikkommission genehmigt (Ethikkommission der Ärztekammer Rheinland-Pfalz, Mainz; Antragsnummer: 2023–16997).


Trainingsprotokoll

Alle beteiligten Operateure (acht erfahrene Mikrochirurgen) absolvierten ein ausführliches Trainingsprogramm (min. 12 Stunden). Dieses beinhaltet die Benutzung, Handhabung und Trouble-Shooting des Symani Robotersystems. Im Rahmen des Trainingsprogramms wurden mindestens acht End-zu-End Mikroanastomosen (0,5 bis 2 mm Gefäßdurchmesser) pro Operateur durchgeführt. Auch Size-Mismatch- und End-zu-Seit Anastomosen wurden ergänzend trainiert. Die mikrochirurgische Gefäßnaht in beengten und schwer zugänglichen räumlichen Verhältnissen wurde in dreidimensionalen Trainingsmodellen geübt.


Perioperatives Management

Sämtliche freie Lappenplastiken wurden in üblicher und bereits beschriebener Technik gehoben [8]. Die Gefäßanastomosen bei freien Lappenplastiken wurden mit den Mikroinstrumenten des Symani Robotersystems durchgeführt, die Supermikroinstrumente kamen im Rahmen dieser Studie bei den lymphovenösen Anastomosen zum Einsatz. Zur optischen Vergrößerung wurde ein konventionelles Mikroskop (Mitaka MM51, Mitaka Kohki Ltd., Tokyo, Japan) oder ein digitales Exoskop mit 3D-Bildschirmen mit 4K-Auflösung verwendet (Orbeye, Olympus, Tokyo, Japan).

Die freien Lappenplastiken wurden postoperativ für fünf Tage stündlich überwacht (klinische Beurteilung der Rekapillarisation, des Kolorits und/oder implantierbare Doppler Ultraschall Sonden). Es erfolgte eine Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin (2x30mg täglich für fünf Tage, danach 40 mg täglich). Eine umgehende operative Revision wurde unternommen, wenn eine Minderperfusion einer freien Lappenplastik vermutet wurde.


Statistische Auswertung

Kontinuierliche Variable werden mit Mittelwert und Standardabweichung (SD) oder Median und Interquartilsabstand (IQR) angegeben. Kategorische Variablen werden mit Häufigkeit und prozentualer Verteilung angegeben. Die gesamte Datenauswertung und -darstellung wurde mit Graphpad Prism durchgeführt (Version 9.0.2, GraphPad Software, San Diego, CA, USA).



Ergebnisse

Patientencharakteristika

Es wurden insgesamt 42 Patienten identifiziert. Das Durchschnittsalter betrug 57±18 Jahre. In der Kohorte befanden sich 32 Männer (76%) und 10 Frauen (25%). Die Hälfte der Patienten litt an arterieller Hypertonie (n=21; 50%). Ein Nikotinkonsum lag in 15 Fällen vor (36%). Zwölf Patienten litten an Diabetes mellitus (26%) und in sieben Fällen (17%) bestand eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK). Der Median der American Society of Anaesthesiologists (ASA) lag bei 3 (Interquartilsabstand 1). [Tab. 1] gibt eine Übersicht über die Patientencharakteristika.

Tab. 1 Grundlegende Patientenmerkmale

Parameter

n=42

Alter, Mittelwert in Jahren±SD

56±18

Männliches Geschlecht

32 (76)

ASA-Klassifizierung, Median±IQR

3±1

Risikofaktoren

Bluthochdruck

21 (50)

Nikotinkonsum

15 (36)

Diabetes

12 (26)

Adipositas (BMI≥30 kg/m 2 )

10 (24)

PAVK

7 (17)

Z.n. Thrombose/Embolie

1 (2)

Angegeben als n (%), sofern nicht anders vermerkt.

In 14 Fällen war der Weichteildefekt am Fuß lokalisiert 35%). In elf Fällen lag ein Weichteildefekt am Unterschenkel vor (28%). In weiteren zehn Fällen waren sowohl Unterschenkel als auch Fuß involviert (25%). Je ein Weichteildefekt war am Knie und Oberschenkel lokalisiert (je 3%). In einem Fall wurden bei sekundärem Lymphödem lymphovenöse Anastomosen auf mehreren Höhen an der unteren Extremität vorgenommen (3%). [Abb. 1] stellt die Indikationen zu den durchgeführten mikrochirurgischen Eingriffen dar. [Abb. 2] zeigt eine Übersicht über die Verteilung der Weichteildefekte an der unteren Extremität.

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Abb. 1 Verteilung der Indikationen der mikrochirurgischen Eingriffe.
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Abb. 2 Exakte Lokalisation der Weichteildefekte an der unteren Extremität.

OP-Details

Es wurden insgesamt 39 freie Lappenplastiken (93%), eine lymphovenöse Anastomose (3%) und zwei Nerventransfers (5%) durchgeführt. Am häufigsten wurden Anterolatere Oberschenkel Lappenplastiken (ALT; n=23, 59%) und Latissimus dorsi Lappenplastiken (n=6, 15%) verwendet. [Tab. 2] zeigt eine Übersicht der Eingriffe und verwendeten Lappenplastiken sowie der Anschlussgefäße. Die durchschnittliche OP-Zeit betrug 337±111 Minuten.

Tab. 2 Verteilung der Eingriffe und Anschlussgefäße

Eingriffsart

n=42

Nerventransfer

2 (5)

Lymphovenöse Anastomose

1 (3)

Freie Lappenplastiken

39 (93)

ALT

23 (55)

Latissimus dorsi

6 (14)

Gracilis

5 (13)

Paraskapular

2 (5)

DIEP

2 (5)

MSAP

1 (2)

Anschlussgefäß

A. tibialis anterior (ATA)

19 (49)

A. tibialis posterior (ATP)

18 (46)

A. femoralis superf. (AFS)

1 (3)

A. dorsalis pedis (ADP)

1 (3)

Angegeben als n (%), sofern nicht anders vermerkt. ALT: Anterolateral thigh flap; DIEP: Deep inferior epigastric artery perforator flap; MSAP: Medial sural artery perforator flap.

Die freien Lappenplastiken wurden überwiegend an die A. tibialis anterior und posterior angeschlossen (n=19, bzw. n=18 und 51%, bzw. 49%). Je eine weitere Lappenplastik wurde an die A. femoralis superficialis und A. dorsalis pedis angeschlossen (jeweils n=1/39; 3%). In vier Fällen wurden freie Lappenplastiken an Seitenäste der Unterschenkelgefäße angeschlossen (jeweils zwei Latissimus dorsi und Gracilis Lappenplastiken).

Insgesamt wurden 56 Anastomosen und Nervenkoaptationen durchgeführt. Hierbei wurden sechs arterielle End-zu-End-Anastomosen (11%), sieben arterielle End-zu-Seit Anastomosen (13%), 36 venöse End-zu-End-Anastomosen (65%), zwei lymphovenöse Anastomosen (4%) und fünf epineurale Koaptationen im Rahmen von zwei Nerventransfers und drei neurotisierten Lappenplastiken (9%) durchgeführt. Arterielle End-zu-End-Anastomosen dauerten durchschnittlich 26±12 Minuten und arterielle End-zu-Seit-Anastomosen benötigten 42±21 Minuten. Die venösen Anastomosen dauerten im Durchschnitt 33±12 Minuten. Epineurale Koaptationen benötigten im Mittel 24±13 Minuten. Die beiden lymphovenösen Anastomosen dauerten 52 und 28 Minuten. Bei drei arteriellen Anastomosen (n=3/13, 23%) und drei venösen Anastomose (n=3/36, 8%) war intraoperativ ein Nachstich unter Verwendung des Robotersystems notwendig, um eine geringfügige Leckage zu korrigieren. Im Median (±IQR) waren für die arteriellen End-zu-End-Anastomosen 7±0 Stiche pro Anastomose notwendig, während End-zu-Seit Anastomosen 12±2,25 Stiche brauchten. Bei venösen Anastomosen betrug der Median (±IQR) 7±1 Stiche. Die [Tab. 3] liefert einen Überblick über die Anastomosen und intraoperativen Details. [Abb. 3] stellt eine Übersicht über die verwendeten Anschlussgefäße dar. [Abb. 4] zeigt die Verteilung der Stichanzahlen pro Anastomose/Koaptation. In keinem Eingriff war eine Konversion auf die konventionelle Handnaht notwendig. Es traten intraoperativ keine technischen Defekte oder Komplikationen in Bezug auf die Verwendung des Robotersystems auf. [Abb. 5] zeigt das intraoperative Setting unter Verwendung eines Mikroskops sowie eines Exoskops.

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Abb. 3 Anschlussgefäße der freien Lappenplastiken.
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Abb. 4 Verteilung der notwendigen Stiche für die Anastomosen und epineuralen Koaptationen. E/E: End-zu-End Anastomose, E/S: End-zu-Seit Anastomose.
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Abb. 5 a,b Intraoperatives Setting bei Weichteilrekonstruktionen an der oberen und unteren Extremität. a Weichteilrekonstruktion mittels freier ALT-Lappenplastik zum Handrücken unter Verwendung des konventionellen Lichtmikroskops. b Weichteilrekonstruktion des Unterschenkels mittels freier Gracilis Lappenplastik unter Verwendung des digitalen Exoskops und zwei 4 K 3D Bildschirmen.

Tab. 3 Anastomosentypen

Technik

Anastomosen (n=56)

Durchmesser mm±SD

Stichanzahl Median±IQR

Arterie End-zu-End

6 (11)

1,6±0,7

7±0

Arterie End-zu-Seit

7 (13)

2,6±0,4

12±2,25

Vene End-zu-End

36 (65)

2,1±0,5

7±1

Lymphovenös

2 (4)

0,5±0,2

3,5±1,5

Nervenkoaptation

5 (9)

4,8±3,1

7±2

Angegeben als n (%), sofern nicht anders vermerkt.


Komplikationen

Es kam in 7 Fällen zu Majorkomplikationen (17%) und in vier Fällen zu mikrochirurgischen Komplikationen mit Minderperfusion (10%). In einem Fall war es zu einer arteriellen Thrombose gekommen. Hier war bei einem 32-jährigen, ansonsten gesunden Patienten, ein traumatischer Weichteildefekt am distalen Oberschenkel mit einer freien Latissimus dorsi Lappenplastik rekonstruiert worden. Mittels Neuanlage der Anastomose (in konventioneller Technik) konnte die Lappenplastik gerettet werden. In den beiden anderen Fällen war es zur Kompression des Lappenstiels gekommen (durch ein postoperatives Hämatom in einem Fall und durch stark angeschwollene Unterschenkelmuskulatur in einem anderen Fall). Durch eine umgehende Revision konnten beide Lappenplastiken gerettet werden. Es kam zu einem Lappenverlust (3%). Es wurden vier Minorkomplikationen beobachtet (10%). In allen vier Fällen war es zu Wundheilungsstörungen an der Empfängerstelle gekommen, welche konservativ behandelt werden konnten. [Tab. 4] zeigt eine Übersicht der Komplikationen.

Tab. 4 Komplikationen

n=42

Major

7 (17)

Hämatom an Empfängerstelle

2 (5)

Arterielle Durchblutungsstörung

2 (5)

Kompletter Lappenverlust

1 (2)

Venöse Durchblutungsstörung

1 (2)

Wundheilungsstörung an der Hebestelle

1 (2)

Minor

4 (10)

Wundheilungsstörung an der Empfängerstelle

4 (10)

Angegeben als n (%).



Diskussion

Wir haben in einem Zeitraum von 9 Monaten mehr als 40 roboter-assistierte, mikrochirurgische Eingriffe an der unteren Extremität durchgeführt. Im Rahmen dieser Eingriffe kam es bei 3 von 39 freien Lappenplastiken zu mikrovaskulären Komplikationen (7,7%), hiervon lag in einem Fall eine Thrombose einer (arteriellen) Anastomose vor (2,6%) und in zwei Fällen war es zu Druck auf den Pedikel gekommen. Stranix und Kollegen fanden in einer Analyse der Weichteilrekonstruktion unterhalb des Kniegelenkes über einen Untersuchungszeitraum von 40 Jahren eine Komplikationsrate von 39,7% mit einer Lappenverlustrate von 7,7% [9]. In einer großen Meta-Analyse von 1397 mikrochirurgischer Rekonstruktionen der unteren Extremität fanden Xiong et al. eine Lappenverlustrate von 6,0% mit einer Thromboserate von 4,0% [10]. Auch eine Analyse von 1142 freier Lappenplastiken am Chang Gung Memorial Hospital von Chen et al. zeigte eine Revisionsrate von 9,9% mit einer Lappenverlustrate von 1,6% [11]. Insgesamt sind die im Rahmen unserer Studie demonstrierten Komplikationsraten bei der Roboter-assistierten Mikrochirurgie mit jenen der konventionellen Mikrochirurgie aus der wissenschaftlichen Literatur vergleichbar.

Bisher gibt es nur sehr begrenzte Daten zur Roboter-assistierten Mikrochirurgie, insbesondere fehlen Studien mit einem Fokus auf die Rekonstruktion der unteren Extremität. Mit dem Symani Robotersystem haben bisher Barbon und Kollegen ihre Erfahrungen mit der Lernkurve, insbesondere bei lymphovenösen Anastomosen, geschildert [12]. Sie berichten von einer sehr steilen Lernkurve bei der Verwendung des Robotersystems, jedoch auch von deutlich längeren Anastomosenzeiten (25 min mit dem Roboter vs. 14 min Handnaht). Innocenti et al. haben 2023 einen Fallbericht zur ersten freien Lappenplastik unter Verwendung des Symani Robotersystems veröffentlicht [13]. Auch Wessel et al. zeigten eine steile Lernkurve in ihrer Auswertung von 47 Roboter-assistierten Anastomosen [14]. Lindenblatt et al. schilderten ihre Erfahrungen aus fünf lymphovenösen Anastomosen und zwei vaskularisierten Lymphknotentransfers [15]. Beier und Kollegen berichteten ebenfalls von einer interdisziplinären Serie von 23 mikrovaskulären Rekonstruktionen aus den Abteilungen für HNO-, MKG- und plastischer Chirurgie [16]. Sie beschreiben eine arterielle Revision (4%), Nachstiche in 4 Fällen (18%) und einen Lappenverlust in ihrer Serie (4%). Beier et al. bemerkten verlängerte OP-Zeiten und berichteten von Schwierigkeiten bei der Platzierung des Roboters im OP-Saal bei zwei Kopf-Hals-Rekonstruktionen. In unserem eigenen Kollektiv hatten wir bei den arteriellen Anastomosen eine höhere Rate an Nachstichen, was an der höheren Rate an End-zu-Seit-Anastomosen liegen könnte. 1

Es gibt auch eine Serie von Studien zum Musa Robotersystem. Van Mulken und Kollegen führten eine prospektive, randomisierte Studie zu lymphovenösen Anastomosen unter Verwendung des Musa Robotersystem oder konventioneller Handnaht in 20 Patientinnen mit sekundärem Lymphödem durch [17]. Auch hier fielen längere OP-Zeiten in der Roboter-assistierten Gruppe auf, jedoch mit einer deutlichen Verkürzung der Zeiten im Rahmen der Lernkurve (33 min auf 16 min nach 10 Eingriffen).

Eine Herausforderung dieser neuen Technik sind die vergleichsweise hohen Kosten, welche zum aktuellen Zeitpunkt in Deutschland nicht vergütet werden. Mithilfe Roboter-assistierter Mikrochirurgie könnte die Supermikrochirurgie und damit auch die Perforator-zu-Perforator Mikrochirurgie einen großen Vortrieb erfahren. Zu ihren potentiellen Vorteilen zählen eine Minderung der Morbidität durch die weniger weitreichende Dissektion und eine Reduktion der OP-Dauer, durch eine Verkürzung der Lappenhebung. Hierdurch ließen sich möglicherweise die Verlängerung der OP-Zeiten und die zusätzlichen Kosten in der Roboter-assistierten Mikrochirurgie zumindest teilweise kompensieren. In unserer eigenen Serie wurden vier freie Lappenplastiken an kleinen Seitenästen der Unterschenkelarterien angeschlossen. Insgesamt sehen wir auf dem Gebiet der Supermikrochirurgie den größten potentiellen Nutzen der Roboter-assistierten Mikrochirurgie. In einer Internet-basierten, weltweiten Umfrage konnten Boys et al. 2016 zeigen, dass medizinische Laien eine hohe Wertschätzung von Roboter-assistierter Chirurgie haben [18]. Krankenhäuser, welche ein Robotersystem zur Verfügung haben, wurden von einer Mehrheit der Befragten als besser eingeschätzt als Krankenhäuser ohne Roboterverfügbarkeit.

Anhand der erhöhten Kosten und verlängerten OP-Zeiten ist die Identifikation der optimalen Patientenkohorten für die Anwendung der Roboter-assistierten Mikrochirurgie ein wichtiges Unterfangen für zukünftige Studien. In der hier vorgestellten Arbeit wurde die Roboter-assistierte Mikrochirurgie bewusst sehr breit angewendet, um in der Einführungsphase rasch einen Erfahrungsschatz aufzubauen und die internen Prozesse zu optimieren. Insbesondere supermikrochirurgische Anwendungen wie lymphovenöse Anastomosen und Anastomosen auf Perforansgefäße haben sich in unserer eigenen Erfahrung als besonders vielversprechend erwiesen. Die erhöhte Präzision und Reduktion des physiologischen Tremors ermöglichenAnastomosen von Gefäßen mit Lumina von unter 0,5 mm.

Auch die in immer mehr Lebens- und Fachbereichen zum Einsatz kommende künstliche Intelligenz könnte sich gewinnbringend mit der Roboter-assistierten Mikrochirurgie verbinden lassen [19]. Ebenso könnte die räumliche Entkoppelung von Operateur und mikrochirurgischem Instrumentarium zu einer Verbesserung der Ergonomie und Reduktion der muskuloskeletalen Belastung führen. Wessel und Kollegen konnten in einer Auswertung vom präklinischen Training unter Verwendung des Symani Robotersystems eine signifikante Verbesserung der Werte im Rapid Entire Body Assessment (REBA) als Maß für die Ergonomie im Vergleich zur konventionellen Handnaht zeigen [14].

Einen weiteren Vorteil bemerkten wir bei mikrochirurgischen Eingriffen in sehr beengten OP-Gebieten durch die zusätzlichen, weit distal installierten Freiheitsgrade des Symani Robotersystems. Hier konnten wir subjektiv deutlich einfacher operieren. Lindenblatt und Kollegen berichten in einer Publikation aus 2023 von ähnlichen Erfahrungen [20]. Insgesamt sollte dieser Aspekt jedoch zukünftig im Rahmen vergleichender Studien weiteruntersucht werden.

Die vorgelegte Studie untersuchte als eine der ersten Pionierarbeiten die technische Durchführbarkeit der Roboter-assistierten Mikrochirurgie in der Extremitätenrekonstruktion. Sie unterliegt daher einigen Limitationen. Zwar wurden die Daten prospektiv erhoben, es gibt jedoch leider keine Vergleichsgruppe. Auch sind verschiedene Operateure an der Studie beteiligt, so dass ein Performance-Bias nicht auszuschließen ist. In der Zukunft sind sicherlich weitere, prospektive, randomisierte Studien notwendig, um zunächst eine Nichtunterlegenheit und dann auch die möglichen Vorteile der Roboter-assistierten Mikrochirurgie zu validieren.


Schlussfolgerung

Wir konnten unter Verwendung des Symani-Robotersystems in der mikrochirurgischen Rekonstruktion der unteren Extremität Ergebnisse aufzeigen, welche mit der konventionellen Mikrochirurgie vergleichbar sind.



Autorinnen/Autoren

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Dr. med. Felix Strübing
FEBOPRAS Geboren 30.03.1991 in Filderstadt. 2010–2017 Studium der Humanmedizin an der Universität Heidelberg. Seit 2017 arbeitet Felix Strübing an der Klinik für Hand, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie der BG Klinik Ludwigshafen. 2023 legte er die Facharzt- sowie EBOPRAS-Prüfungen ab. Aktuell forscht Felix Strübing zu Gefäßanomalien, rekonstruktiver Mikrochirurgie und der Etablierung der Roboter-assistierten Mikrochirurgie.

Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

* Geteilte Erstautorenschaft



Korrespondenzadresse

Dr. Felix Vollbach
Abteilung für Handchirurgie, Plastische
Chirurgie Ästhetische Chirurgie
Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München
Deutschland   

Publication History

Received: 01 December 2023

Accepted: 13 January 2024

Article published online:
22 March 2024

© 2024. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


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Dr. med. Felix Strübing
FEBOPRAS Geboren 30.03.1991 in Filderstadt. 2010–2017 Studium der Humanmedizin an der Universität Heidelberg. Seit 2017 arbeitet Felix Strübing an der Klinik für Hand, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie der BG Klinik Ludwigshafen. 2023 legte er die Facharzt- sowie EBOPRAS-Prüfungen ab. Aktuell forscht Felix Strübing zu Gefäßanomalien, rekonstruktiver Mikrochirurgie und der Etablierung der Roboter-assistierten Mikrochirurgie.
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Abb. 1 Verteilung der Indikationen der mikrochirurgischen Eingriffe.
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Abb. 2 Exakte Lokalisation der Weichteildefekte an der unteren Extremität.
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Abb. 3 Anschlussgefäße der freien Lappenplastiken.
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Abb. 4 Verteilung der notwendigen Stiche für die Anastomosen und epineuralen Koaptationen. E/E: End-zu-End Anastomose, E/S: End-zu-Seit Anastomose.
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Abb. 5 a,b Intraoperatives Setting bei Weichteilrekonstruktionen an der oberen und unteren Extremität. a Weichteilrekonstruktion mittels freier ALT-Lappenplastik zum Handrücken unter Verwendung des konventionellen Lichtmikroskops. b Weichteilrekonstruktion des Unterschenkels mittels freier Gracilis Lappenplastik unter Verwendung des digitalen Exoskops und zwei 4 K 3D Bildschirmen.