PSYCH up2date 2025; 19(04): 281-296
DOI: 10.1055/a-2336-5189
Organische psychische Störungen

Psychische Störungen nach erworbenen Hirnschädigungen

Patrizia Thoma
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Während sprachliche und motorische Beeinträchtigungen nach erworbener Hirnschädigung in der klinischen Praxis meist hinreichend im Fokus stehen, belasten psychische Veränderungen in den Bereichen Kognition, Befinden, Selbstwahrnehmung, Belastbarkeit, Antrieb sowie soziale Interaktion und Kommunikation Betroffene und Angehörige häufig noch stärker. Der Beitrag behandelt die wichtigsten Syndrome und deren klinische Relevanz.

Kernaussagen
  • Zu den wichtigsten und häufigsten Störungen des Erlebens und Verhaltens nach Hirnschädigung gehören eine veränderte Selbstwahrnehmung/Awareness, Depressionen und Angststörungen, eine reduzierte Belastbarkeit, apathisches oder disinhibiertes Verhalten, (sozio-)kognitive Beeinträchtigungen sowie ein beeinträchtigtes Kommunikationsverhalten.

  • Die Behandlung setzt eine differenzierte Analyse der Symptomatik und ihrer Interdependenzen, aber auch der auslösenden Situationen, Kognitionen und Konsequenzen voraus. Dies soll eine Identifikation der Bedingungen ermöglichen, unter denen das problematische Erleben und/oder Verhalten auftritt, ebenso wie die Verstärker, die es aufrechterhalten.

  • Neben der klinischen Verhaltensbeobachtung sowie des Einsatzes von Fragebögen und Testverfahren, ist im Rahmen der Diagnostik eine Fremdeinschätzung, möglichst gestützt durch schriftlich fixierte Beobachtungen aus dem Alltag, hilfreich und häufig unabdingbar.

  • Die Behandlung setzt bei (sozio-)kognitiven Defiziten gezielt an den beeinträchtigten Subkomponenten an. Bei Verhaltensstörungen stehen die situativen Trigger, die aufrechterhaltenden Bedingungen und evtl. problematische Kognitionen im Fokus.

  • Angehörige müssen in die Behandlung einbezogen, aber auch entlastet werden.

  • Die Angehörigen und das sonstige klinische Umfeld müssen darüber aufgeklärt werden, dass die meisten Hirnschädigungsfolgen kein „Nichtwollen“ (z.B. ein Gleichsetzen von Fatigue oder Apathie mit Faulheit), sondern ein „Nichtkönnen“ reflektieren.

  • Die Aufklärung kann häufig auftretendes Erleben von Ärger und Frustration im Umgang mit dem veränderten Verhalten der betroffenen Familienmitglieder abmindern und erlauben, den Blick auf adaptivere Strategien im Umgang zu lenken.

  • Die Behandlung psychischer Folgen einer Hirnschädigung setzt i.d.R. neuropsychologisch-psychotherapeutische Expertise voraus.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
18. Juli 2025

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