Kinder- und Jugendmedizin 2025; 25(S 01): S19-S24
DOI: 10.1055/a-2377-2860
Übersicht

Endlich daheim – gelungener Übergang vom stationären in den ambulanten Sektor

Article in several languages: deutsch | English

Authors

  • Julia Seifried

    1   KEKS e. V., Stuttgart, Deutschland
  • Laura Lang

    2   Abteilung für Kinderchirurgie, ST. ELISABETH GRUPPE GmbH, Marien Hospital Witten, Deutschland
  • Annika Bürkle

    1   KEKS e. V., Stuttgart, Deutschland
  • Jochen Hubertus

    2   Abteilung für Kinderchirurgie, ST. ELISABETH GRUPPE GmbH, Marien Hospital Witten, Deutschland
 

Zusammenfassung

Kinder mit seltenen Fehlbildungen und ihre Familien erleben häufig Versorgungsbrüche an der Schnittstelle zwischen dem stationären und ambulanten Sektor. Sie benötigen eine verlässliche und koordinierte Versorgung – über die Klinik hinaus. Der Artikel zeigt auf, in welchen Bereichen Überschneidungen mit der niedergelassenen Kinder- und Jugendmedizin existieren. Zudem werden mögliche Unterstützungssysteme und ein Best-Practice-Beispiel illustriert. Für einen bestmöglichen Verlauf ist es essenziell, dass eine multidisziplinäre Versorgung in allen Sektoren und an allen Schnittstellen gewährleistet ist.


Hintergrund

Insbesondere Menschen mit chronischen Erkrankungen sind von der Fragmentierung des deutschen Gesundheitssystems betroffen. Der Übergang von der stationären in die ambulante Therapie kann zu einer diskontinuierlichen Behandlung mit Therapieunterbrechungen und Informationsverlusten führen [1].

In der Literatur zeigt sich, dass Eltern von Kindern mit seltenen Erkrankungen die Fragmentierung des Gesundheitssystems besonders stark erleben und diese häufig selbst überwinden müssen [2]. Zudem berichten Eltern von Kindern, die im Säuglingsalter eine stationäre Versorgung benötigen, über eine unzureichende Unterstützung bei und nach der Entlassung aus dem Krankenhaus [3], [4]. Eltern von Kindern mit einer Ösophagusatresie (ÖA) weisen erhöhte Angstlevel, verstärkte Stresssymptome und einen niedrigeren Quality-of-Life-Index (QoL) im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung auf [6], [7], [8]. Diese Werte korrelierten u. a. mit subjektiv erlebter fehlender Unterstützung während des Übergangs aus dem stationären in den ambulanten Bereich [7], [8].

Mit der Entlassung des Kindes aus der operierenden Klinik nach Hause endet die stationäre Versorgung durch ein professionelles Team und es beginnt die ambulante Behandlung. Besonders in der ersten Zeit nach der Entlassung stellt eine unzureichende krankheitsspezifische Expertise seitens der ambulanten Leistungserbringer ein Problem dar, um Unterstützungsbedürfnissen der Eltern adäquat zu begegnen. Dies ist eine spezifische Herausforderung seltener Erkrankungen und kann auch von der kinderärztlichen ambulanten Versorgung nicht erwartet werden. Vielmehr bedarf es einer engmaschigen Unterstützung der Eltern und der Kinderärzte durch die Expertenklinik, um auf spezifische Fragen angemessen reagieren zu können.

KEKS e. V. hat im Jahr 2023 25 Eltern(-paare) zu ihren Erfahrungen während und nach der ersten Entlassung aus dem Krankenhaus befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass sich Eltern oftmals nicht ausreichend auf die Entlassung vorbereitet fühlen und besonders im ambulanten Bereich die Versorgung ihres Kindes selbst organisieren und steuern müssen [9]. Hier hat sich gezeigt, dass Eltern im Gegensatz zum stationären im ambulanten Bereich mehr Steuerungsmöglichkeiten haben und eher gemeinsam mit therapeutischem und kinderärztlichem Personal Entscheidungen fällen [9]. Andererseits verlassen sich die Therapeut:innen und Kinderärzt:innen auch mehr auf das Erfahrungswissen der Eltern. Diese Verantwortung haben die Befragten als belastend empfunden und nicht zuletzt kommt es häufiger zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Eltern und dem Gesundheitsfachpersonal hinsichtlich spezifischer Fragestellungen [9]. In der Literatur zeigt sich, dass Eltern individuell in den Versorgungsprozess einbezogen werden wollen, besonders in Form von Shared-Decision-Making [10], [11]. Dabei müssen die betreffenden Personen allerdings klare Informationen über das medizinische Problem sowie die verfügbaren Optionen erhalten [12], [13]. Gleichzeitig möchten die Eltern aber nicht die Hauptlast der Verantwortung für Entscheidungen spüren [10]. Hierbei kann sich die hohe emotionale Belastung negativ auf die Motivation der Eltern zur Beteiligung an den Prozessen auswirken [10].

Erschwerend kommt hinzu, dass Eltern anfangs oft selbst nicht genau erklären/wissen können, welche Behandlung ihr Kind benötigt und es somit auch nicht an nachsorgende und unterstützende Leistungserbringende weitergeben können [14]. Allgemein sind Betroffene von seltenen Erkrankungen unzufrieden mit der Koordinierung der Versorgung im ambulanten Bereich. Dies könnte damit erklärt werden, dass koordinierende Aufgaben und eine bessere interprofessionelle Vernetzung aktuell nicht vergütet werden [15].

In der Befragung von KEKS e. V. äußerten die meisten Eltern den Wunsch, eine Ansprechperson zu haben, die sie von Beginn an begleitet und zusammen mit ihnen im Blick behält, welche Symptome einer weiteren Abklärung bedürfen und welche Therapien und Untersuchungen notwendig sind [9].


Konzepte der Unterstützung

Um den Übergang zwischen stationären und ambulanten Versorgungsbereichen zu erleichtern und die Weiterbehandlung zu sichern, gibt es überleitende Strukturen, wie das Entlass- und Case Management [16], [17].

Entlassmanagement

Betroffene mit einem komplexen Leistungsbedarf sind besonders vulnerabel, beim Übergang vom stationären in den ambulanten Sektor Versorgungsbrüche zu erleben [1]. Um die Kontinuität der Versorgung zu gewährleisten, hat die professionelle Planung der Entlassung eine besondere Bedeutung [1]. Krankenhäuser sind nach § 39 Absatz 1a des SGB V dazu verpflichtet, Patienten und Patientinnen effektiv beim Übergang in die nächste Versorgungsform zu unterstützen [16]. Seit 2017 müssen sich Krankenhäuser an die Vorgaben im Rahmenvertrag Entlassmanagement halten [16]. In diesem sind die Ziele sowie Mindestanforderungen an das Entlassmanagement festgehalten [18].

Ziel des Entlassmanagements ist die Sicherstellung der Behandlungskontinuität nach einem Klinikaufenthalt. Hierfür muss der individuelle Bedarf anhand eines entsprechenden Assessments erhoben und diesem mittels eines Entlassungsplans strukturiert begegnet werden [18]. Alle zur Begegnung des festgestellten Leistungsbedarfs notwendigen Maßnahmen sollten so früh wie möglich vom Krankenhaus eingeleitet werden [18]. Das Krankenhaus muss so frühzeitig wie möglich Kontakt zu den weiterbehandelnden Leistungserbringenden aufnehmen, um eine gesicherte Überleitung zu gewährleisten. Hierunter zählt auch die Informationsweitergabe an den einweisenden Arzt bzw. Hausarzt. Die weiterbehandelnden Strukturen sind u. a. über den bevorstehenden Entlassungstermin zu informieren [18]. Allerdings endet der Aufgabenbereich des Entlassmanagements, sobald diese Aufgaben erfüllt und der Patient/die Patientin in den ambulanten Bereich übergegangen ist. Für Probleme, die sich anschließend ergeben, ist das Entlassmanagement nicht mehr zuständig.


Case Management

Eine weitere Form der Unterstützung von Personen mit komplexen Erkrankungen ist das Case Management (CM). Hierbei handelt es sich um einen Handlungsansatz aus dem Sozial- und Gesundheitswesen, der die „bedarfsorientierte Steuerung einer Fallsituation zur Bewältigung einer personenbezogenen Problematik“ [17] beinhaltet.

Ziel ist die einzelfallbezogene Integration und Koordination der Versorgungsprozesse besonders an Schnittstellen [20]. Neben der objektiven Erhebung der Bedarfe nimmt die Berücksichtigung individueller und subjektiver Bedürfnisse eine wichtige Rolle ein. Diese gilt es, im regionalen Versorgungsgefüge effektiv und effizient zu organisieren [17].

Charakteristisch für CM ist die Übernahme mehrerer Rollen. Personen, die im CM tätig sind, übernehmen eine Gatekeeping-Position, indem sie für den Fall zielgerichtet Dienste vermitteln. Weiterhin begleiten sie die Personen durch den Versorgungsprozess sowie das Leistungssystem. Das CM vertritt die Interessen der zu versorgenden Person und initiiert verfügbare Leistungen und setzt sich für die entsprechende Qualität und Bedarfserfüllung ein [20].

Die Voraussetzung für ein funktionierendes CM ist das Care Management. Darunter wird die Organisation und Vernetzung von Leistungstragenden (z. B. Krankenkasse), Leistungserbringenden (z. B. Pflegedienst) und Leistungsnehmenden (z. B. zu versorgende Person) in der lokalen Versorgungslandschaft verstanden. Ziel ist, eine individuell auf den Fall passende und sektorenübergreifend kontinuierliche Versorgung anbieten zu können [20]. Beispiele hierfür sind Pflegestützpunkte nach § 92c SGB XI, Disease-Management-Programme nach § 137 f SGB V und im pädiatrischen Bereich das Nachsorgemodell „Bunter Kreis e. V.“, der für schwer und chronisch erkrankte Kinder und deren Familien medizinische, pflegerische und soziale Leistungen organisiert [20], [21].

Eine speziell für vulnerable Personengruppen im medizinischen Bereich eingesetzte Form des CM sind Patientenlotsen [22]. Diese werden bislang in Modellprojekten erprobt. Die Deutsche Gesellschaft für Case und Care Management (DGCC) definiert Patientenlotsen als „Care und Case Manager:innen für Menschen in komplexen Lebens- und Versorgungslagen mit einer oder mehreren medizinischen Indikationen“ [19]. Es gibt allerdings aktuell noch keine einheitliche Definition der Aufgabengebiete und benötigten Kompetenzen [22].

Ein Projekt des Zentralklinikums Augsburg zeigte bereits 2008, dass die strukturierte Begleitung von Eltern mit Frühgeborenen mit Beginn in der Klinik bis in die Häuslichkeit zu einer verminderten Stressbelastung der Mutter führen kann [23].

Es gibt bereits im internationalen Kontext Strukturen, in denen spezialisierte, in Kliniken angestellte Pflegefachkräfte Familien mit Kindern mit angeborenen Fehlbildungen vom ersten Aufenthalt bis in die Nachsorge und Transition begleiten (Family Liaison Nurses). Sie sind Ansprechpartner:innen für die Familien und Kinder, aber auch für ambulante Fachkräfte, Kindertagesstätten und Schulen. In Deutschland gibt es im Rahmen eines Pilotprojekts seit November 2024 eine an der Family Liaison Nurse angelehnte Bezugspflege für Familien mit Kindern mit angeborenen Fehlbildungen. Daneben gibt es weitere Modelle der Liaison Nurses in Deutschland, wie z. B. die Psychosomatik-Liaison-Nurse, die onkologische Patient:innen, Angehörige und Pflegepersonal vor Ort begleitet und berät [24]. In einer Evaluation konnte gezeigt werden, dass Pflegende und ärztliches Personal die Liaison Nurse als entlastend wahrgenommen haben [24].



Optimierung des Übergangs in die ambulante Versorgung: wichtige Aspekte für eine gelungene Nachsorge

Wie im vorherigen Kapitel dargestellt, bestehen vielfältige Möglichkeiten, Familien beim Übergang ihres Kindes aus der stationären in die ambulante Versorgung zu unterstützen und diesen Übergang so reibungslos und effektiv wie möglich zu gestalten.

Eine zentrale Rolle spielt hierbei die Kinderärztin bzw. der Kinderarzt. In ihrer Funktion als erste Ansprechperson nach der Entlassung aus der Klinik sind sie häufig die wichtigste Instanz für Fragen zur weiteren Genesung, Therapie und allgemeinen Versorgung des Kindes.

Im Folgenden werden zentrale Elemente beschrieben, die ambulanten Leistungserbringenden helfen sollen, den individuellen Unterstützungsbedarf zu erkennen und die Versorgung der Patient:innen sowie ihrer Familien nachhaltig zu verbessern:

Strukturierte Nachsorge: koordinierte Versorgung und verbindliche Leitlinien

Für eine kontinuierliche, qualitativ hochwertige Versorgung nach dem stationären Aufenthalt ist eine strukturierte Nachsorge essenziell. Dies umfasst verbindliche Vorgaben und Leitlinien, an denen sich sowohl Familien als auch Fachkräfte orientieren können – etwa durch den KEKS-Gesundheitsordner oder spezifische internationale Nachsorgeempfehlungen. Hinweise zum KEKS-Gesundheitsordner finden sich im Artikel „Der KEKS-Gesundheitsordner und das KEKS-Portal“ in diesem Supplement [25].

Ziel ist eine sektorenübergreifende, ganzheitliche und langfristig angelegte Betreuung. Dazu gehört insbesondere die koordinierte Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen und unterstützender Systeme. Die Einbindung relevanter Informationen und Befunde zum Zeitpunkt des ambulanten Arztkontakts ist ebenso wichtig wie die gezielte Kommunikation mit der entlassenden Klinik, um Behandlungsbrüche zu vermeiden.


Vollständige Informationsweitergabe: relevante medizinische Dokumente verfügbar

Dem weiterbehandelnden Kinderarzt bzw. der Kinderärztin sollten alle relevanten medizinischen Unterlagen – insbesondere Entlassberichte, Operationsberichte sowie Befunde – vollständig und rechtzeitig vorliegen. Nur so kann eine fundierte medizinische Anschlussversorgung gewährleistet werden.


Feste Ansprechpersonen: klare Kommunikationswege für alle Beteiligten

Es sollte eine eindeutige Ansprechperson in der entlassenden Klinik benannt sein, an die sich sowohl der Kinderarzt/die Kinderärztin als auch die Familie bei Rückfragen wenden können. Diese muss nicht zwingend ärztlich sein, sondern kann z. B. eine Bezugspflegekraft oder eine andere qualifizierte Fachperson sein.

Zudem werden die Eltern bereits vor der Entlassung darüber informiert, wie sie sich im Notfall verhalten sollen und welche Kontaktmöglichkeiten bzw. Vorstellungsoptionen außerhalb der regulären Erreichbarkeit bestehen. Wenn die Eltern diese Informationen nicht erhalten haben, sollten die Eltern ermuntert werden, sich diese aktiv einzufordern.

Dies kann helfen, unnötige oder notfallmäßige stationäre Wiedereinweisungen zu vermeiden.


Schulungen für Familien: Stärkung der Handlungskompetenz

Idealerweise erhalten Familien bereits während des initialen Krankenhausaufenthaltes Schulungen zu Notfallmaßnahmen (z. B. Reanimation, Umgang mit Bolusereignissen, Erste Hilfe bei Aspiration). Der Kinderarzt bzw. die Kinderärztin sollte im Rahmen der Nachsorge aktiv erfragen, ob diese Schulungen stattgefunden haben und ggf. Auffrischungen anregen.

Auch in sozialpädagogischen Kontexten wie der Eingewöhnung in Kindertagesstätten besteht häufig ein erhöhter Informations- und Unterstützungsbedarf – sowohl bei Familien als auch bei den Betreuungseinrichtungen. Eine enge Kooperation und Aufklärung über die Erkrankung des Kindes kann helfen, Ängste abzubauen und eine adäquate Integration sicherzustellen.


Vernetzung mit Selbsthilfe- und Unterstützungsangeboten

Familien sollten aktiv über bestehende Unterstützungsangebote durch Selbsthilfeorganisationen – wie KEKS e. V. – informiert werden. Falls dies nicht bereits im stationären Rahmen erfolgt ist, sollte die Empfehlung zur Kontaktaufnahme durch die ambulant betreuende Fachkraft explizit ausgesprochen werden.

Patientenorganisationen bieten betroffenen Familien wertvolle Informationen, Beratung sowie emotionale Entlastung.


Psychosoziale Unterstützung und mentale Gesundheit der Eltern

Kinderärzt:innen sollten sich der emotionalen und psychischen Belastung der Eltern bewusst sein und mit geeigneten, ggf. standardisierten Instrumenten den Unterstützungsbedarf erfassen. Falls erforderlich, ist eine Weiterleitung an psychosoziale oder psychotherapeutische Einrichtungen ratsam. Mehr Informationen erhalten sie in dem Artikel „ÖA als Familiendiagnose“ in diesem Supplement [26].


Einbindung des Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ)

Das Sozialpädiatrische Zentrum bietet als multiprofessionelle, ambulante Einrichtung eine wertvolle Ergänzung bei der Betreuung chronisch kranker Kinder. Kinderärzt:innen sollten eruieren, ob bereits ein Kontakt mit dem regionalen SPZ besteht, und – falls nicht – die Anbindung anregen.

Ein Vorstellungstermin im SPZ kann insbesondere für Kinder mit komplexen oder seltenen Erkrankungen (z. B. Ösophagusatresie) eine wertvolle Erweiterung der Versorgung darstellen und eine ganzheitliche Therapie fördern.


Komplikationen der Ösophagusatresie

Die Ösophagusatresie ist eine seltene, angeborene Fehlbildung mit hohem medizinischem Versorgungsbedarf. Aufgrund der Komplexität der Erkrankung und der individuellen anatomischen sowie funktionellen Unterschiede bei den betroffenen Kindern zeigt sich das klinische Bild äußerst heterogen. Deshalb ist eine differenzierte, kontinuierliche Beobachtung im ambulanten wie auch stationären Bereich essenziell.

Selbst geringfügige Veränderungen im Allgemeinzustand des Kindes können Hinweise auf ernstzunehmende Komplikationen sein und sollten deshalb nicht bagatellisiert, sondern stets ärztlich abgeklärt werden. Frühzeitige Diagnostik und Intervention kann schwerwiegende Verläufe verhindern oder abmildern. Gut informierte und aufgeklärte Eltern können dabei als eine wichtige und kompetente Ressource dienen.

Zu den häufigsten und relevantesten Komplikationen im Langzeitverlauf zählen:

  • Rezidivfisteln: Ein Wiederauftreten der Fistel zwischen Trachea und Ösophagus kann sich durch vermehrtes Husten, Verschlucken, Gedeihstörungen oder wiederkehrende Atemwegsinfekte äußern.

  • Stenosen (Verengungen der Anastomose): Diese führen häufig zu Schluckbeschwerden, Würgereiz oder Nahrungsverweigerung und erfordern gegebenenfalls eine wiederholte Dilatationsbehandlung.

  • Gastroösophageale(r) Reflux(krankheit) (GÖRK): Ein ausgeprägter Reflux ist bei Kindern mit ÖA häufig und kann zu Entzündungen, Schmerzen beim Essen oder Nahrungsverweigerung führen. Unbehandelt kann GÖRK langfristig zu einer Refluxösophagitis, Aspirationen oder einer Barrett-Ösophagitis führen.

  • Dumping-Syndrom: Eine seltenere, aber relevante Komplikation nach Mageneingriffen. Symptome können rascher Stuhlgang nach dem Essen, Unruhe, Blässe, Hypoglykämie oder Kreislaufprobleme sein. Das frühzeitige Erkennen und Ernährungsanpassungen spielen hier eine zentrale Rolle.


Best-Practice-Beispiel – Wie das Problem an den Schnittstellen gelöst werden kann

Eine qualitativ hochwertige und gut koordinierte ambulante Versorgung ist essenziell für den langfristigen Verlauf der Erkrankung.

Um die Versorgung der Kinder weiter zu professionalisieren, wurde das Pilotprojekt der Familienbezugspflege am Marien Hospital in Witten in Zusammenarbeit mit KEKS e. V. im November 2024 etabliert.

Das Konzept beruht auf dem Bezugspflegemodell, angelehnt an das bereits in den 60er-Jahren durch Marie Manthey implementierte „Primary Nursing“ [27]. Die Familienbezugspflege im Marien Hospital Witten stellt ein niederschwelliges Angebot in beratender und unterstützender Funktion für Betroffene mit seltenen, angeborenen Fehlbildungen und deren Familien dar. Da sie die Patient:innen und deren Eltern während ihres Klinikaufenthalts engmaschig begleitet und zu einem multidisziplinären Team gehört, ist sie als aktive Ansprechperson des Behandlungsablaufes für die Eltern zu sehen. Nach dem Klinikaufenthalt ist eine konsequente Nachsorge der Betroffenen für den weiteren Behandlungsablauf unerlässlich. Um die Behandlungskontinuität besonders in der Nachsorge zu gewährleisten, ist die Koordinierung der verschiedenen Fachbereiche, aber auch Hilfssysteme wichtig. Diese Aufgabe wird durch die Familienbezugspflege übernommen und dient somit als Schnittstellenkoordination für niedergelassene Kinderärzt:innen.

Der Fokus liegt somit auf einer ganzheitlichen, langfristigen Betreuung der Patient:innen über das klinische Setting hinaus. Das Pilotprojekt ist so konzipiert, dass es sich auf weitere Expertenkliniken erweitern lässt. Unterstützt durch KEKS e. V. soll das Konzept in den nächsten Jahren an weiteren Kliniken etabliert werden. Die ausführliche Beschreibung des Konzeptes finden Sie hier.

Zoom


Möglichkeiten der Unterstützung für kinderärztliche Praxen

Wie bereits in der Einführung dieses Textes erwähnt, ist eine Versorgung in einem Expertenzentrum von zentraler Bedeutung. Dies ergibt sich aus der sog. indirekten Evidenz, wie sie für vergleichbare Erkrankungen der Erwachsenenmedizin bereits gezeigt werden konnte. KEKS e. V. zertifiziert seit 2021 Kliniken in Deutschland für die Versorgung von Menschen mit Ösophagusatresie und ihren Angehörigen. Die Zertifizierung orientiert sich an den ERNICA (Europäisches Referenznetz für seltene erbliche und angeborene gastrointestinale Fehlbildungen und Erkrankungen) Konsensusempfehlungen [28], [29] sowie anderen nationalen und internationalen Empfehlungen [5], [30]. Demnach sollten Betroffene mit seltenen angeborenen Fehlbildungen Zugang zu Kliniken mit einer besonderen Expertise ermöglicht bekommen [28], [29]. Hierzu bietet sich das Prinzip der Zweitmeinung an, durch die die Patientensicherheit im Krankheitsverlauf erhöht werden kann. KEKS e. V. unterstützt bei der Suche nach geeigneten Ansprechpartner:innen. Eine Liste mit den bisher von KEKS e. V. zertifizierten Kliniken kann auf der Website von KEKS e. V. eingesehen werden. Die primäre Verantwortung einer adäquaten Nachsorge liegt zunächst bei der Einrichtung, in der die operative Versorgung erfolgte bzw. erfolgt. Demnach ist zu fordern, dass eine entsprechende fachliche Expertise und die für alle Aspekte der Erkrankung notwendigen Ressourcen vorhanden sind. Dazu gehört auch die Bereitstellung von strukturierten Nachsorgeplänen und konkreten Handlungsempfehlungen für häufig auftretende Probleme im Alltag der betroffenen Familien. Eine gute Versorgung dieser Kinder setzt eine enge Zusammenarbeit aller beteiligten Fachdisziplinen voraus. Kliniken, die eine qualitativ hochwertige Nachsorge gewährleisten/sicherstellen wollen, sollten für Rückfragen oder Absprachen jederzeit offen und erreichbar sein. Ein wesentlicher Teil dieser Erreichbarkeit kann durch eine Familienbezugspflege realisiert werden.


Zusammenfassung

Kinder mit seltenen Fehlbildungen und ihre Familien benötigen verlässliche, koordinierte Versorgung – über die Klinik hinaus. Die Familienbezugspflege zeigt, wie individuelle Begleitung und professionelle Koordination als Ergänzung zu bereits bestehenden Strukturen, wie dem Entlass- und Case Management, Sicherheit geben und Versorgungslücken schließen kann.

Die Rolle der Kinderärztin bzw. des Kinderarztes als erste Ansprechperson bei Sorgen der Eltern rund um die Entwicklung ihres Kindes nach der Entlassung aus der Klinik, kann für die weitere Genesung, Therapie und allgemeine Versorgung des Kindes nicht hoch genug eingeschätzt werden. KEKS steht dabei sowohl den Kinderärzt:innen als auch den Familien als weitere Unterstützungsquelle zur Verfügung.



Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.


Korrespondenzadresse/Correspondence

Julia Seifried
KEKS e. V.
Sommerrainstraße 61
70374 Stuttgart
Deutschland   

Publication History

Article published online:
10 October 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany


Zoom
Zoom