Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-2408-5812
Palliativmedizin in der Gastroenterologie - Schwerpunkt Schmerzen und Ernährung
Authors

Gerade in der Gastroenterologie sind palliative Situationen oft mit einer hohen Symptomlast verbunden. Häufig ist die Umsetzung einer suffizienten medikamentösen Therapie zur Symptomlinderung durch krankheitsbedingte körperliche Veränderungen erschwert. Fragen zur Ernährung spielen gerade im fortgeschrittenem Krankheitsverlauf eine große Rolle. Diese Fortbildung soll Behandlungsoptionen in der Palliativsituation mit dem Schwerpunkt auf Schmerzen und Ernährung vermitteln und Möglichkeiten einer differenzierten Symptomkontrolle aufzeigen.
-
An die Einbindung palliativmedizinischer Aspekte sollte rechtzeitig gedacht werden („timely integration“), dabei ändert sich der Fokus von einer krankheits- auf eine symptombezogene Behandlung und eine bestmögliche Lebensqualität. Probleme können entsprechend dem „Total Pain“-Konzept im physischen, psychischen, sozialen und spirituellen Bereich liegen.
-
Nicht-maligne lebenslimitierende Erkrankungen wie z. B. die Leberzirrhose haben variablere Krankheitsverläufe, damit ist die Prognose oft schwieriger. Zur Indikationsstellung einer Palliativversorgung können Tools wie die „Surprise Question“ oder SPICT-DE helfen.
-
Die Symptomlast bei gastroenterologischen Erkrankungen ist oft erheblich: Hierunter fallen beispielsweise Nausea und Emesis, Hämatemesis, Miserere, therapierefraktärer Aszites, Infektkomplikationen, Peritonealkarzinose, maligne intestinale Obstruktion, postoperative Komplikationen (z. B. Anastomoseninsuffizienz oder „Platzbauch“), hepatische Enzephalopathie und Delir.
-
Grundlage einer differenzierten Schmerztherapie ist die Schmerzanamnese. Ursache, Charakter und Intensität sollten erfasst und unter Behandlung reevaluiert werden. An besondere Schmerzformen wie den Leberkapselschmerz sollte gedacht werden.
-
In der Schmerztherapie sollten bevorzugt retardierte Präparate zu festen Einnahmezeiten eingesetzt und die Nierenfunktion bei der Auswahl hochpotenter Opioide berücksichtigt werden. Eine individuelle Dosistitration und die Anwendung von Koanalgetika, z. B. Kortikosteroide bei Leberkapselschmerz, sollte beachtet werden. Eine Bedarfsmedikation (⅙ – ¹⁄₁₀ der Tagesdosis) für Durchbruchschmerzen und eine dauerhafte stuhlregulierende Begleitmedikation sollte verordnet werden.
-
Bei Beeinträchtigung der Magen-Darm-Passage, z. B. bei inkompletter oder kompletter maligner intestinaler Obstruktion (MIO) sollte parenteral eine suffiziente Analgesie eingeleitet werden. Hierfür können Portsysteme oder u. U. die Subkutangabe genutzt werden. Auch ambulant ist eine Versorgung mittels Schmerzpumpe (Patient-controlled Analgesia, PCA) z. B. über Dienstleister und/oder SAPV notwendig.
-
In der Palliativsituation sollte „Essen“ und „Ernährung“ gedanklich differenziert betrachtet werden. Essen ist biografisch geprägt und bedeutet für viele Menschen Lebensqualität und soziales Miteinander. Häufig gibt es gerade bei Tumorpatienten Erfahrungen mit medizinischer Ernährungstherapie. Eine Deeskalation erfordert gute Kommunikationsfähigkeiten, um Ängsten („Verhungern“) zu begegnen.
-
Durstgefühl kann sehr belastend sein, Mundbefeuchtung oder das Anreichen geringer Flüssigkeitsmengen bei erhaltener Schluckfähigkeit sollte regelmäßig erfolgen. Mundpflege ist essenziell in der Sterbebegleitung und häufig in Patientenverfügungen erwähnt, Angehörige können angeleitet und persönliche Vorlieben (z. B. Cola oder auch Sekt) beachtet werden.
-
Das Anorexie-Kachexie-Syndrom wird auf paraneoplastische systemische Inflammationsprozesse im Rahmen der Tumorerkrankung und eine katabole Stoffwechsellage zurückgeführt. Führend sind eine progrediente Gewichtsreduktion (> 5 %/6 Monaten), BMI ≤ 20 und reduzierte Nahrungsaufnahme durch Appetitverlust, wodurch die Schwere der Erkrankungssituation für alle Beteiligten oft schmerzhaft deutlich und sichtbar wird.
-
Bei maligner intestinaler Obstruktion (MIO) sollte eine parenterale Ernährung entsprechend dem Hungergefühl erfolgen. Durch Anlage einer Ablaufsonde können mit der angepassten peroralen Trink- und Nahrungsaufnahme eine gewisse Normalität und das Geschmackserlebnis erhalten bleiben sowie Durstgefühle gelindert werden.
Publication History
Article published online:
29 September 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
-
Literatur
- 1 Leitlinienprogramm Onkologie (Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Krebshilfe, AWMF). Palliativmedizin für Patienten mit einer nicht-heilbaren Krebserkrankung, Langversion 2.2, AWMF-Registernummer: 128/001OL. 2020 Accessed April 23, 2025 at: https://www.leitlinienprogramm-onkologie.de/leitlinien/palliativmedizin
- 2 Bükki J, Bausewein C. Palliativmedizin bei nicht malignen Erkrankungen: Herzinsuffizienz, COPD, Leberversagen, terminale Niereninsuffizienz. Z Palliativmed 2013; 14: 257-267
- 3 Welsch K, Gottschling S. Wünsche und Bedürfnisse am Lebensende. Dtsch Arztebl Int 2021; 118: 303-312
- 4 Afshar K, Feichtner A, Boyd K. et al. Systematic development and adjustment of the German version of the Supportive and Palliative Care Indicators Tool (SPICT-DE). BMC Palliat Care 2018; 17: 27
- 5 Hallek M, Lehnert H, Voltz R. Was ist Palliativmedizin?. Internist 2011; 52: 5-6
- 6 Heller A, Heimerl K. Wenn nichts mehr zu machen ist, ist noch viel zu tun: Wie alte Menschen würdig sterben können. 3. Freiburg: Lambertus-Verlag; 2007
- 7 Baile WF, Buckman R, Lenzi R. et al. SPIKES-A six-step protocol for delivering bad news: application to the patient with cancer. Oncologist 2000; 5: 302-311
- 8 Raja SN, Carr DB, Cohen M. et al. The revised International Association for the Study of Pain definition of pain: concepts, challenges, and compromises. Pain 2020; 161: 1976-1982
- 9 Saunders C. The evolution of palliative care. J R Soc Med 2001; 94: 430-432
- 10 Redwine HM, Ganti L. Dame Cicely Saunders: Pioneering Palliative Care and the Evolution of Hospice Services. Cureus 2024; 16: e75176
- 11 Bausewein C, Roller S, Voltz R. Leitfaden Palliative Care: Palliativmedizin und Hospizbegleitung. 6. München: Elsevier; 2018
- 12 Bausewein C, Rémi C, Twycross R, Wilcock A. Arzneimitteltherapie in der Palliativmedizin. München: Urban & Fischer; 2005
- 13 World Health Organization. WHO Guidelines for the Pharmacological and Radiotherapeutic Management of Cancer Pain in Adults and Adolescents. Geneva: World Health Organization; 2018. Accessed April 23, 2025 at: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK537492/
- 14 Dasch B, Wedding U, Villalobos M. et al. SOP – Schmerztherapie bei Patienten mit einer Tumorerkrankung in Palliativsituation. Onkologie 2023; 29: 991-1003
- 15 Hense J, Przyborek M, Rosenbruch J. et al. SOP – Subkutane Medikamentengabe und Infusionen in der erwachsenen Palliativmedizin Version II. Onkologie 2023; 29: 1088-1096
- 16 Plauth M. Ernährung in der Palliativmedizin. Gastroenterologe 2011; 6: 380-386
- 17 Schneider A, Dölle M. Stellenwert der enteralen und parenteralen Ernährung in der Palliativmedizin. Gastroenterologe 2022; 17: 166-173
- 18 Bundesärztekammer. Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung. 2011 Accessed April 23, 2025 at: https://www.bundesaerztekammer.de/themen/medizin-und-ethik/sterbebegleitung
- 19 DGP Sektion Pflege. Leitlinien der DGP Sektion Pflege: Mundpflege in der letzten Lebensphase. Mundpflege in der letzten Lebensphase. Accessed April 23, 2025 at: https://www.dgpalliativmedizin.de/images/stories/Leitlinie_Mundpflege_in_der_letzten_Lebensphase_end.pdf
- 20 Häusermann S. Palliativmedizin in der Praxis: Essen ist Leben – Leben ist Essen, Ernährung in der Palliative Care. Ars medici 2016; 17: 762-765