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DOI: 10.1055/a-2435-2421
Phytotherapie und Lebensstil
Ein naturheilkundliches Behandlungskonzept bei gutartiger ProstatavergrößerungAuch gegen die gutartige Prostatavergrößerung ist ein Kraut gewachsen – genau genommen sogar mehrere. Doch neben diesen Pflanzen ist die Mitarbeit des Betroffenen außerordentlich wichtig. Wie sich diese mit Phytotherapie kombinieren lässt, erklärt Heilpraktiker Andreas Brieschke.


Heilpflanzen sind der wichtigste Baustein in meinem Behandlungskonzept. Sie wirken sanft, haben kaum Nebenwirkungen und sind laut einigen Studien der schulmedizinischen medikamentösen Therapie bei vielen Symptomen nahezu ebenbürtig, insbesondere zu Beginn der Erkrankung. So haben die folgenden Pflanzen auch Eingang in die S2e-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Benignen Prostatasyndroms (BPS)“ der urologischen Fachgesellschaften vom Februar 2023 gefunden [DGU, 2023]. Genannt werden die Sägepalme (Sabal serrulata bzw. Serenoa repens), die Brennnessel (Urtica dioica), der Pollen des Roggens (Secale cereale), Kürbissamen (Cucurbita pepo) und Extrakte aus der Rinde des Afrikanischen Pflaumenbaumes (Pygeum africanum). Letztere setze ich allerdings in meiner Praxis nicht ein. Das von mir verwendete Weidenröschen (Epilobium parviflorum) zeigt zwar in einigen präklinischen Studien eine antientzündliche und wachstumshemmende Wirkung auf das Prostatagewebe, wird aber in der Leitlinie nicht erwähnt.
Generell lässt sich auch sagen, dass die meisten Aussagen zur Wirksamkeit auf Laboruntersuchungen beruhen, es sich also um wohlbegründete Hinweise handelt. Klinische Studien im größeren Umfang stehen aber noch aus. Daneben gibt es auch schon einzelne klinische Forschung, deren Aussagekraft laut der Leitlinie jedoch noch limitiert ist.
Eine positive Wirkung spricht die Leitlinie Extrakten aus Sägepalmenfrüchten (Sabalis serrulatae fructus) und Brennnesselwurzeln (Urticae radix) zu, was sich mit meiner Praxiserfahrung deckt. Es sind gut eingeführte Kombinationspräparate verfügbar. Die Sägepalme hemmt – wie der folgende Beitrag von Sebastian Vigl (siehe S. 24) veranschaulicht – die Aktivität des Hormons 5α-Reduktase. Dadurch wird Testosteron nicht in das wachstumsfördernde Dihydrotestosteron umgewandelt.
Die Wirksamkeit der verschiedenen Pflanzen wird im Wesentlichen über drei Inhaltsstoffgruppen erklärt: Phytosterole, Fettsäuren und Antioxidanzien. Dahinter verbirgt sich wiederum eine Vielzahl von Substanzen. Die genauen Wirkprinzipien sind weiterhin Gegenstand der Forschung, aber es dürfte sich auch hier mehr um ein Zusammenspiel vieler Stoffe als um einen einzelnen Wirkstoff handeln. Solch eine bessere Wirkung des Gesamtextrakts einer Heilpflanze ist in anderem Kontext auch von Johanniskraut und Weißdorn bekannt.
Für die genannten Pflanzenextrakte aus Sägepalmenfrüchten und Brennnesselwurzeln gibt es verschiedene Wirkmechanismen auf die BPH, hierbei greifen die unterschiedlichen Inhaltsstoffe synergistisch ineinander:
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hormonelle Effekte durch Hemmung der Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron (DHT) (Hemmung des Enzyms 5α-Reduktase)
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wachstumshemmende (antiproliferative) Effekte
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Entzündungshemmung
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abschwellende Wirkung (antiödematös)
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antikongestive Wirkung
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Verringerung des Restharnvolumens


Phytotherapeutische Praxis
In meiner Praxis verwende ich langjährig erprobte Präparate etablierter Hersteller von pflanzlichen Arzneimitteln. Hinzu kommen individuell kombinierte Teemischungen und Tinkturen. Die Wirksamkeit vieler überwiegend als Nahrungsergänzungsmittel im Internet vertriebener Präparate ist dagegen zumindest fraglich.
Die Individualisierung der phytotherapeutischen Rezeptur ermöglicht es, auf Komorbiditäten einzugehen. So sind beispielsweise Bitterstoffe aus der Wurzel des Gelben Enzians (Gentiana lutea) sehr gut geeignet, um den Appetit zu regulieren, insbesondere das Verlangen nach Süßem – ein Effekt, der bei der häufig notwendigen Gewichtsreduktion sehr vorteilhaft ist. Zudem fördern Bitterstoffe die Ausscheidung von Stoffwechselendprodukten über Leber und Galle. Diese eher allgemeinen Effekte fördern spürbar das Wohlbefinden und die allgemeine Leistungsfähigkeit. Sie verbessern deshalb nach meiner Erfahrung die Motivation der Patienten, am Ball zu bleiben. Dieser Aspekt ist für den Therapieerfolg eminent wichtig, da es sich ja um eine Langzeitbehandlung handelt.
Des Weiteren ist ein Ansprechen des Leberstoffwechsels, beispielsweise durch Mariendistel (Silybum marianum), Artischocke (Cynara scolymus) oder Löwenzahn (Taraxacum sect. Ruderalia), wichtig. Diese Pflanzen können unter anderem zu einer Senkung von erhöhten Blutcholesterinwerten beitragen. Übermäßiges Cholesterin kann das Prostatawachstum begünstigen, da es Entzündungen fördert und die Produktion des für die Prostatagesundheit wichtigen Hormons Testosteron (wird aus Cholesterin gebildet) stören kann.
Generell sollte das oft vorhandene metabolische Syndrom unbedingt mitbehandelt werden. Die Liste dieser adjuvanten Ansätze ließe sich fortsetzen, insbesondere wenn – wie in der Naturheilkunde üblich – konstitutionelle Aspekte berücksichtigt werden, sie mag aber an dieser Stelle beispielhaft genügen. Die vorgetragenen Ansätze sind Erfahrungsheilkunde, deren Berechtigung zunehmend durch unvoreingenommene Forschung bestätigt wird.
Therapieplan
Hier ein beispielhafter Therapieplan, der die oben beschriebenen Prinzipien konkretisiert. Die entsprechenden Maßnahmen werden dann schrittweise intensiviert. Das vorrangige Ziel ist die Verbesserung der Symptome. Hinzu kommen eine Gewichtsreduktion, eine positive Veränderung der Lebensführung und eine Senkung der häufig erhöhten Blutfettwerte, um den Cholesterinstoffwechsel im Sinne der Prostatagesundheit zu beeinflussen:
Lebensführung
Ich erarbeite mit meinen Patienten machbare Pläne zu den Themen Stressabbau, freudvolle Bewegung, Gewichtsreduktion und vernünftige Ernährung. Diese Gespräche thematisieren den möglichen Gewinn an Lebensqualität, Vitalität und Gesundheit, anstatt über leidige Hausaufgaben und Verzicht zu sprechen:
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abendliche Spaziergänge von mindestens 45 Minuten drei- bis fünfmal die Woche; später ergänzt durch sportliche Betätigung oder Tanzkurse
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zunächst 3 Tage die Woche Verzicht auf Zucker und Weißmehl. Dieser Prozess braucht Zeit und Disziplin. Die Anzahl der zuckerfreien Tage pro Woche sollte jeden Monat um einen weiteren Tag gesteigert werden. Schließlich sollte beides aus der allgemeinen Ernährung eliminiert werden. Ausnahmen sind dann lediglich bei besonderen Anlässen erlaubt (zum Beispiel Geburtstagskuchen).
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generell zunehmend ballaststoffreiche Ernährung (Gemüse, Hülsenfrüchte, soweit verträglich)
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ersetzen von fettigen Wurstwaren durch Fisch
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mehrere vegetarische Tage, abgelöst durch gelegentlichen mageren „Sonntagsbraten“ oder Ähnliches
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mehrmals wöchentlich Kürbiskerne essen
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dreimal die Woche Anhören einer 15-minütigen Entspannungsanleitung
Nahrungsergänzungsmittel
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Omega-3-Fettsäuren EPA und DHA in Kapseln (Tagesdosis zwischen 1500 und 2000 mg); jeweils 3 Wochen einnehmen, dann eine Woche pausieren. Ein hochwertiges Leinöl kann ebenfalls eine Quelle von Omega-3-Fettsäuren sein. Da die α -Linolensäure (ALA) aber nur schwer in die aktiven Omega-3-Fettsäuren DHA und EHA umgewandelt wird, ist eine Dosis von 2– 4 EL pro Tag nötig.
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ein Zinkpräparat (2 Tabletten à 50 mg täglich, nach jeweils 2 Wochen für 1 Woche pausieren)
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Roggenpollenextrakt (ca. 100 mg täglich in Kapseln, auf morgens und abends aufgeteilt) nach jeweils 4 Wochen für 1 Woche pausieren)
Die rhythmische Einnahme dieser Mittel hat sich bewährt, sie vermeidet Gewöhnungseffekte, potenzielle Nebenwirkungen und spart zudem Geld. So kann die Anwendung über lange Zeit fortgeführt werden.
Pflanzenheilkunde
Zentraler Bestandteil der Therapie sind phytotherapeutische Standardpräparate, mit denen ich in der Praxis gute Erfahrungen gemacht habe und deren Wirkung mit Studien belegt wurde:
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täglich 2 Kapseln Extrakt aus Sägepalmenfrüchten (160 mg) und Brennnesselwurzel (120 mg) („Prostagutt duo“) – ein bewährtes Präparat, dessen Wirksamkeit in Studien belegt werden konnte
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täglich 2 Kapseln Dickextrakt aus Kürbissamen (500 mg) („Granufink prosta forte“) – ebenfalls ein bewährtes Präparat mit in Studien belegter Wirksamkeit
Nach Wirkeintritt (etwa nach 6 Wochen) können die Präparate dann im wöchentlichen Wechsel genommen werden. Auch hier gilt: Da es sich um eine Dauertherapie handelt, vermeidet dieses Vorgehen Gewöhnungseffekte und schont den Geldbeutel. Wird die Behandlung dagegen länger unterbrochen, schreitet die Erkrankung weiter fort.
Individuelle Teemischung
Die vorgeschlagene Teerezeptur (siehe S. 22) begleitet und unterstützt die Therapie mit Standardpräparaten. Die Zusammenstellung geht von meinen Erfahrungen, grundsätzlichen Überlegungen und allgemeinen Hinweisen aus Studien über Wirkungen der jeweiligen Heilpflanzen aus. Hinzu kommen allgemein positive Effekte einer Teetherapie wie Flüssigkeitszufuhr durch ein basisches Getränk und Stressabbau durch Rhythmisierung des Alltags (dreimal täglich Tee zubereiten).








Wirkungen
Als krankheitsspezifische Pflanzen mit direkter Wirkung auf die Symptome kommen kardinal Brennnesselwurzeln (Urticae dioicae radix) und Weidenröschenkraut (Epilobii herba) in den Tee. Auch bei Letzterem gibt es zumindest Hinweise auf eine antiinflammatorische und wachstumshemmende Wirkung auf die Prostata.
Zur Beeinflussung eventueller erhöhter Blutfettwerte, zur Leberunterstützung sowie als appetitregulierende Bitterstoffdroge kommen Artischockenblätter (Cynarae folium) dazu. Artischocke unterstützt die vermehrte Ausscheidung von Cholesterin, erhöht den Cholesterinverbrauch zur Gallensäuresynthese und hemmt die Neubildung von Cholesterin in den Leberzellen. Das Schachtelhalmkraut (Equiseti herba) hat eine gewisse entzündungshemmende Wirkung und fördert die Tätigkeit der Nieren. Es erleichtert außerdem die Harnausscheidung, ein nach meiner Erfahrung im frühen Stadium hilfreicher Effekt. Als Schmuckdroge kommen die ebenfalls leberunterstützend wirkenden Sandstrohblumenblüten dazu.
Zubereitung/Dosierung
Von der Teemischung sollten 3 Tassen täglich vor den Mahlzeiten getrunken werden. Damit der Nachtschlaf nicht gestört wird, sollte bei BPH nach 18 Uhr möglichst keine Flüssigkeitsaufnahme mehr erfolgen. Für die Zubereitung des Tees sollte 1 gestrichener EL der Mischung überbrüht und etwa 20 Minuten ziehen gelassen werden. Medizinische Tees sollten ungesüßt getrunken werden. An den bitteren Geschmack gewöhnt man sich nach einigen Tagen, meist wird das Bittere dann als wohltuend erlebt.
Die Teerezeptur reicht etwa 4 Wochen und wird dann in meiner Praxis im Therapieverlauf bezüglich der adjuvanten Bestandteile immer wieder modifiziert. Es ist aber auch möglich, die Mischung über längere Zeit zu trinken. Dann sollte aber nach jeder Packung eine zweiwöchige Pause eingelegt werden, um Gewöhnungseffekte zu vermeiden.
Die Teemischung hat einen wachstumshemmenden Effekt bei BPH, wirkt entzündungshemmend und regulierend auf den Cholesterinstoffwechsel.
Zutaten
15 g Sandstrohblumenblüten (Helichrysi flos)
25 g Schachtelhalmkraut (Equiseti herba)
25 g Artischockenblätter (Cynarae folium)
35 g Weidenröschenkraut (Epilobii herba)
50 g Brennnesselwurzel (Urticae dioicae radix)
Ergänzende Tinktur
Zusätzlich zum Tee verordne ich eine Tinkturenmischung, die dieselben Hauptpflanzen wie die Standardpräparate enthält, ergänzt durch den Gelben Enzian, eine wunderbare Bitterstoffpflanze.
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Brennnesselwurzeltinktur (Urticae radicis tinctura), 20 ml und
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Sägepalmenfrüchtetinktur (Sabalis serrulatae tinctura), 25 ml als erkrankungsspezifische Pflanzen ergänzt mit
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Enzianwurzeltinktur (Gentianae tinctura), 5 ml als appetitregulierende Bitterstoffpflanze, die vor allem Süßhunger und Essattacken zurückgehen lässt und so zur Gewichtsregulation beiträgt.
Die regelmäßige Anpassung einer phytotherapeutischen Rezeptur hilft dabei, einen Patienten langfristig individuell betreuen zu können. Sie fördert durch veränderliche Reize die Ansprechbarkeit des Organismus und die Compliance des Patienten.
Dosierung/Anwendung
Von der Mischung dreimal täglich 20 Tropfen verdünnt in Wasser oder Tee einnehmen. Wegen des Alkoholgehaltes nicht bei trockenen Alkoholikern oder Menschen mit Leberschäden anwenden! Die starke Bitterkeit wird nach einigen Tagen zur Gewohnheit und später in ihrer Wirkung als wohltuend erlebt. Wie den Tee modifiziere ich in meiner Praxis auch die Tinktur immer wieder. Sie kann aber selbstverständlich auch über längere Zeit eingenommen werden. Wie bei der obigen Teemischung sollten dann Pausen eingelegt werden. Die verordnete Menge reicht etwa 6 Wochen, danach empfiehlt sich eine Pause von 2 Wochen, danach wird die Anwendung im gleichen Rhythmus wiederholt.
Wie jede Wissenschaft ist die Heilpflanzenkunde ständigen Entwicklungen unterworfen. Soweit in der Zeitschrift medizinische Sachverhalte, Anwendungen und Rezepturen beschrieben werden, handelt es sich naturgemäß um allgemeine Darstellungen, die eine individuelle Beratung, Diagnose und Behandlung durch einen Arzt oder Apotheker nicht ersetzen können. Jeder Nutzer ist für die etwaige Anwendung und vorherige sorgfältige Prüfung von Dosierungen, Applikationen oder sonstigen Angaben selbst verantwortlich. Autoren, Herausgeber und Verlag haben große Sorgfalt darauf verwendet, dass diese Angaben bei ihrer Veröffentlichung dem aktuellen Wissensstand entsprechen. Eine Haftung für Schäden oder andere Nachteile ist jedoch ausgeschlossen.
Autor


Andreas Brieschke
Andreas Brieschke ist seit über 25 Jahren als Heilpraktiker in eigener Praxis tätig. Er ist Vater zweier Söhne, Kleingärtner, Imker und Autor des Buches „Viruserkrankungen ganzheitlich behandeln“ (humboldt Verlag). „Schon als Kind habe ich mich gerne in der Natur aufgehalten und im Garten gearbeitet. Die Begegnung mit meinem Lehrer Klaus Krämer in der Heilpraktikerausbildung entfachte dann meine Begeisterung für die Heilpflanzen. Die Verbindung von Wesensbetrachtungen, Märchen und Mythen mit Botanik, Phytopharmazie und Pathophysiologie hat meine Liebe und mein Verständnis nachhaltig geprägt. Eine Pflanzenheilkunde mit individuell komponierten Rezepturen ist bis heute die Grundlage meiner Arbeit und stete Quelle von Zufriedenheit meiner großen und kleinen Patientinnen und Patienten.“
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Literatur
- 1 Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. S2e-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Benignen Prostatasyndroms (BPS), Langversion 5.0, 2023, AWMF-Registernummer: 043-034. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/043-034
Publication History
Article published online:
14 March 2025
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Literatur
- 1 Deutsche Gesellschaft für Urologie e.V. S2e-Leitlinie Diagnostik und Therapie des Benignen Prostatasyndroms (BPS), Langversion 5.0, 2023, AWMF-Registernummer: 043-034. https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/043-034













