Nephrologie aktuell 2025; 29(01): 1
DOI: 10.1055/a-2435-8459
Editorial

Impfen bei Nierenerkrankungen

Matthias Girndt

Impfungen gehören zu den wirksamsten und auch faszinierendsten Wegen, den Organismus gegen Infektionen zu schützen. Gezielt die Abwehr stärken, damit Bakterien oder Viren gar nicht erst die Möglichkeit finden, eine Erkrankung auszulösen, ist konzeptionell besser als jede heilende Therapie. Menschen mit chronischen Nierenkrankheiten sind in vielerlei Hinsicht infektionsgefährdet. Ihr Immunsystem ist geschwächt, sie leiden unter zahlreichen Komorbiditäten, sie haben oftmals (regelmäßigen) Kontakt mit Einrichtungen des Gesundheitswesens. Auch die veränderte Zusammensetzung des intestinalen Mikrobioms aufgrund der Niereninsuffizienz könnte für die Infektionsanfälligkeit eine Rolle spielen. Gerade für diese Menschen ist eine vorbeugende Infektionsprävention besonders wichtig, um schwere Krankheitsverläufe und häufige Antibiotikatherapien zu vermeiden.

Gleichzeitig behindert der Immundefekt, der bei chronischer Nierenkrankheit entsteht, die Wirksamkeit von Impfmaßnahmen. Hoher logistischer Aufwand, beginnend von der Impfstoffbeschaffung über die Aufklärung bis hin zur Dokumentation und Abrechnung lassen nicht nur Impfkritiker darüber nachdenken, ob sich Impfungen für Nierenkranke überhaupt lohnen. Und der kostspielige Impfschutz gegen Hepatitis B, verbunden mit komplexen Regimen zur serologischen Nachverfolgung und Nachimpfung, ist das überhaupt noch zeitgemäß?

Vor dem Hintergrund solcher Fragen ist es sinnvoll, einmal systematisch über die wichtigsten Impfungen, ihre Wirksamkeit bei Nierenkranken und die besten Anwendungsschemata nachzudenken. Insbesondere zu den regelmäßig wiederkehrenden Impfungen gegen respiratorische Infektionen und zum Hepatitis-B-Schutz ergibt sich, wie die Arbeiten in diesem Heft zeigen, eine klare Position: Sie sind den Aufwand wert!

Nicht vergessen darf man in diesem Zusammenhang die therapeutische Immunsuppression, die bei vielen Nierenkrankheiten, vor allem aber nach Nierentransplantation angewandt wird. Sie hat regelhaft einen noch deutlich stärkeren Einfluss auf die Ergebnisse von Impfungen als der intrinsische Immundefekt. Daher verdient das Impfen nach Transplantation eine eigene Betrachtung, die aber auch hier zu einer differenzierten Empfehlung führt.

Auch bei dauerhafter Dialysepflicht geht das Leben weiter, Urlaube und Reisen inklusive. Es gibt nur etwas mehr zu beachten und vorzubereiten. Neben Reiseimpfungen gehören dazu auch ganz praktische Erwägungen, z. B. wie und wo die Dialyse erfolgen kann, oder welche Dokumente man bei Auslandsreisen mit sich führen sollte. Wer wüsste das besser als jemand, der das Leben als Dialysepatient seit Jahrzehnten am eigenen Leibe verspürt – und so wunderbar davon berichten kann wie Martin G. Müller. Es ist eine besondere Freude, dass unsere kleine Artikelserie in diesem Heft mit einer Innenansicht aus der Perspektive eines Betroffenen in der Rubrik „Magazin“ abgerundet wird. Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre!



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
11. Februar 2025

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