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Empathie statt Spritze
Universität Ulm
Bei psychiatrischen Notfällen sind die individuellen Behandlungsspielräume – anders als etwa bei einem Herzinfarkt oder Schlaganfall – deutlich größer. Eine Studie von Wissenschaftler*innen des Universitätsklinikums Ulm (DOI: 10.1186/s12873-024-01118-3) hat untersucht, ob Notärzte und Notärztinnen diesen Spielraum unterschiedlich nutzen.
Dazu wurden insgesamt 2882 Protokolle von Notarzteinsätzen mit psychiatrischer Indikation der drei Ulmer Notarztstandorte analysiert. Die Einsätze wurden kategorisiert und quantifiziert: Rund 47 Prozent der Fälle waren auf eine Intoxikation mit Alkohol oder anderen Drogen zurückzuführen, 17 Prozent auf suizidales Verhalten, 10 Prozent befanden sich in einer psychischen Ausnahmesituation, neun Prozent der Fälle zeigten Anzeichen einer motorischen Hyperaktivität (Agitation), ebenfalls neun Prozent die einer Angst- oder Panikstörung und rund acht Prozent der Fälle fielen unter „sonstige psychiatrische Erkrankungen“. Insgesamt 68 Prozent der Notfallpatient*innen wurden nach der notärztlichen Intervention stationär aufgenommen, und von diesen kam ein Fünftel direkt in die psychiatrische Akutbehandlung. Durchschnittlich 24 Ärztinnen und 31 Ärzte leiteten pro Untersuchungsjahr die Notfalleinsätze.
Die notärztliche Intervention wurde nach Geschlechtern analysiert und die Behandlungsprotokolle wurden systematisch nach dokumentierten Behandlungsschritten ausgewertet. Dabei zeigte sich, dass Notärzte mehr als doppelt so häufig intravenöse Hypnotika verabreicht hatten als ihre Kolleginnen. Gerade bei Angst- oder Panikstörungen gelang es den Notärztinnen signifikant häufiger, auf weniger invasive Maßnahmen zurückzugreifen. Während die Notärzte also eher auf die Wirkung einer Spritze setzten, legten Notärztinnen den Fokus mehr auf eine empathische Ansprache der Patient*innen.
Die Ergebnisse der Studie stützen bereits bekannte Befunde, nach denen es Ärztinnen im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen durch aktives Zuhören und positiven Zuspruch besser gelingt, eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung auf Augenhöhe aufzubauen und seltener eine Interventionseskalation zu riskieren.
Publication History
Article published online:
24 March 2025
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