Arthritis und Rheuma 2025; 45(02): 130-132
DOI: 10.1055/a-2506-1661
Kasuistik Kinderrheumatologie

Pelvine Pyomyositis im Kindesalter

Alexander Mezger
Klinik für Kinder und Jugendmedizin, SLK-Kliniken Heilbronn
,
Carlotta Beichert
Klinik für Kinder und Jugendmedizin, SLK-Kliniken Heilbronn
,
Hermann Full
Klinik für Kinder und Jugendmedizin, SLK-Kliniken Heilbronn
,
Gunther Lemm
Klinik für Radiologie, SLK-Kliniken Heilbronn
› Institutsangaben
 

Fallbericht

In unserer Kinderklinik stellte sich ein 5 Jahre altes Mädchen mit Fieber, Erbrechen und Gehverweigerung vor. Vom Kinderarzt wurde das Mädchen mit Verdacht auf eine Koxitis eingewiesen.

Die Eltern berichteten, dass sie bereits seit 3 Tagen Fieber habe, welches schlecht senkbar sei. Sie wollte nicht mehr laufen, da sie starke Schmerzen im Bereich des rechten Oberschenkels und der rechten Hüfte hatte. Auch Sitzen sei nicht mehr möglich, da in dieser Position ebenfalls starke Schmerzen auftraten. Im Liegen seien die Schmerzen einigermaßen erträglich. Die Miktion sei unauffällig, kein Durchfall.

Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol hätten keinen Effekt gehabt. Als Vorerkrankung hatte die Patientin einen Glucose-6-Phosphat-Dehydrogenase-Mangel. Eine Dauermedikation bestand nicht. Ein Trauma in den Tagen zuvor wurde von den Eltern glaubhaft verneint.


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Klinik

Das 5 Jahre alte Mädchen lag flach auf der Untersuchungsliege. Eine passive Bewegung des rechten Beines war aufgrund von Schmerzen nur sehr eingeschränkt möglich. Selbst beim minimalen Anheben des Beines von der Liege schrie die Patientin schmerzgeplagt auf. Maximaler Druckschmerz bestand im Leistenbereich rechts und über dem Trochanter major rechts lokalisiert. Sitzen war auch nach Gabe einer suffizienten Analgesie nicht möglich. Die restlichen Gelenke stellten sich unauffällig dar.

Die Haut am gesamten rechten Bein war intakt, es zeigte sich kein Hinweis auf eine bakterielle Eintrittspforte.


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Diagnostik

Labor

Im Labor zeigte sich ein unauffälliges Blutbild, erhöhte Entzündungswerte (CRP 9,1 mg/dl, BSG 77 mm/h). CK und LDH waren normwertig. Urinstatus ohne pathologischen Befund. Die abgenommenen Blutkulturen blieben ohne Wachstum.


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Bildgebung

Im Ultraschall der Hüfte konnte kein Gelenkerguss festgestellt werden. Eine Abdomensonografie blieb ebenfalls ohne hinweisenden Befund.

Röntgenologisch ergab sich kein Hinweis auf eine Fraktur oder eine Epiphyseolysis capitis femoris. Bei initialem Verdacht auf eine Osteomyelitis führten wir eine MRT-Untersuchung der unteren Extremitäten durch.

Im MRT zeigte sich eine ausgeprägte Myositis des Musculus iliacus dexter mit koronar fast 4 cm messendem Abszess im dorsomedialen Muskelanteil und diskreter Sakroiliitis, sowie eine Osteitis der parasakralen Darmbeinschaufel.

Als weiteren diagnostischen Schritt wurde der Abszess in Analgosedierung CT-gesteuert punktiert. In der mikrobiologischen Kultur aus Abszessmaterial gelang der Nachweis eines multisensiblen Streptococcus pyogenes.

Histologisch war im Biopsat ein Infiltrat aus reifen Lymphozyten und neutrophilen Granulozyten sowie Nekrosen im Weichgewebe als auch innerhalb der Muskulatur, passend zu einer kräftigen floriden Myositis, nachweisbar.


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Diagnose

In Zusammenschau der Befunde konnten wir die Diagnose einer pelvinen Pyomyositis des Musculus iliacus dexter durch Streptococcus pyogenes stellen.


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Therapie und Verlauf

Nach erfolgter Abszess-Punktion begannen wir eine empirische intravenöse antibiotische Therapie mit Ampicillin/Sulbactam, welche wir nach Erhalt der mikrobiologischen Befunde und des Antibiogramms auf Penicillin G intravenös umstellten. Hierunter kam es zu einer schnellen Entfieberung der Patientin und zu einem raschen Rückgang der Entzündungswerte. Bei unauffälligen Entzündungswerten und Fieberfreiheit konnten wir die antibiotische Therapie nach 10 Tagen auf Clindamycin per os umstellen.

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Abb. 1 MRT, T2 STIR coronar: ausgeprägte Myositis des M. iliacus dexter.
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Abb. 2 MRT, T1 coronar: 4 cm messender Abszess im dorsomedialen Muskelanteil.

Die Mobilisation war jedoch deutlich erschwert, auch unter fester Analgesie konnte die Patientin erst nach 2 Wochen mit Unterarmgehstützen wenige Schritte schmerzfrei gehen.

Die Entlassung der Patientin erfolgte mit einer oralen antibiotischen Therapie mit Clindamycin sowie einer festen analgetischen und antiphlogistischen Therapie mit Nurofen, einer physiotherapeutischen Anbindung, sowie Unterarmgehstützen.

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Abb. 3 MRT, T2 STIR, coronar: periartikuläres Knochenmarksödem im Bereich des rechten ISG

Auch nach 4 Wochen Therapie zeigte die Patientin weiterhin ein auffälliges Gangbild mit positivem Trendelenburg-Zeichen, das Gehen war weiterhin nur mit Unterstützung durch Unterarmgehstützen möglich. Im Verlaufs-MRT war eine Rückbildung der umschriebenen Abszedierung im Bereich des Musculus iliacus dexter zu sehen. Es zeigte sich jedoch ein zunehmendes Knochenmarködem im Bereich des rechten Iliosakralgelenkes, mit auch hier kräftigen Kontrastmittel-Enhancement, passend zu einer Sakroiliitis.

Aufgrund der zunehmenden knöchernen Beteiligung wurde die antibiotische Therapie mit Clindamycin weitergeführt. Insgesamt erfolgte eine antibiotische Therapie über 6 Wochen.

Im weiteren Verlauf kam es zu einer stetigen Besserung der Beschwerden sowie zu einer Normalisierung des Gangbildes. Im Verlaufs-MRT nach 6 Monaten sah man rückläufige Befunde der osteomyelitischen Veränderungen und eine vollständige Normalisierung der inflammatorischen Veränderungen des Musculus iliacus dexter.


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Diskussion

Die Pyomyositis ist eine spontane bakterielle Entzündung des Skelettmuskels. Sie kommt im Kindesalter sehr selten vor. Meist sind Muskelgruppen des Beckens oder der unteren Extremität betroffen, in vielen Fällen bestehen multifokale Herde. Häufigster Erreger der Pyomyositis ist Staphylococcus aureus [1], [2], [3]. Eine Pymoyositis, welche durch Streptococcus pyogenes verursacht wird, kommt selten vor [4].

Die Erkrankung präsentiert sich mit den Symptomen Fieber, Schmerz und gelegentlich Schwellung [2]. Spezifische Laborwerte für eine Pyomyositis existieren nicht, Entzündungswerte sind in der Regel jedoch deutlich erhöht. Eine CK-Erhöhung wird bei der Pyomyositis nicht beobachtet.

Die Diagnosestellung ist häufig anspruchsvoll, vor allem wenn tiefe Muskelgruppen beteiligt sind und die Symptome sehr unspezifisch sind. Zur Diagnosesicherung dient als bildgebendes Verfahren das MRT.

Eine alleinige antibiotische Behandlung kann erfolgreich sein, häufig wird jedoch eine chirurgische Drainage des Abszesses benötigt. Invasive Infektionen durch Streptokokken, wie in unserem Fall, sollten zusätzlich zur Therapie mit Betalaktam-Antibiotika parallel über 3–5 Tage mit Clindamycin behandelt werden [5], [6]. Bei früher Diagnose und entsprechender Therapie ist die Prognose der Pyomyositis sehr gut [1], [3].

Gerade bei Fieber, ausgeprägter Schmerzsymptomatik und fehlender Belastbarkeit der unteren Extremität sollte nach Ausschluss einer septischen Arthritis an eine pelvine Pyomyositis gedacht werden.

ZUSAMMENFASSUNG

Bei einem 5-jährigen Mädchen wurde bei einer hochfieberhaften Erkrankung mit stärksten Hüftschmerzen eine pelvine Pyomyositis mittels MRT diagnostiziert. Wir führten zur Erregergewinnung eine CT-gesteuerte Punktion des Abszesses durch. Als Erreger konnten wir einen multisensiblen Streptococcus pyogenes isolieren. Es erfolgte eine antibiotische Therapie über insgesamt 6 Wochen. Als Komplikation zeigte sich in unserem Fall die Entwicklung einer Sakroiliitis rechts. Die Sakroiliitis sahen wir am ehesten als Streuherd der pelvinen Pyomyositis an. Weiterhin wäre es möglich, dass es sich um eine reaktive Genese der Arthritis handelt, auch wenn die Lokalisation am Iliosakralgelenk für eine reaktive Arthritis sehr untypisch ist und nur sehr wenige Fälle einer reaktiven Sakroiliitis beschrieben sind [6], [7], [8]. In unserem Fall genügte eine konservative Therapie, ohne chirurgische Intervention, auch wenn sich Schonhaltung und Schmerzen der Patientin nur langsam besserten.

FAZIT

Die pelvine Pyomyositis stellt eine seltene Differenzialdiagnose bei hohem Fieber und Hüftschmerzen dar. Eine Erregergewinnung sollte in jedem Fall angestrebt werden. Eine konservative antibiotische Therapie kann ausreichend sein, bei fehlendem Ansprechen sollte jedoch eine Drainage des Abszesses durchgeführt werden. Die Dauer der antibiotischen Therapie wird in der Literatur weiterhin diskutiert.


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Alexander Mezger


Klinik für Kinder und Jugendmedizin SLK-Kliniken Heilbronn

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Carlotta Beichert

Klinik für Kinder und Jugendmedizin SLK-Kliniken Heilbronn

Hermann Full

Klinik für Kinder und Jugendmedizin SLK-Kliniken Heilbronn

Gunther Lemm

Klinik für Radiologie SLK-Kliniken Heilbronn

Interessenkonflikt

Der korrespondierende Autor gibt an, dass keine Interessenkonflikte bestehen.

  • Literatur

  • 1 Elzohairy MM. Primary pyomyositis in children. Orthop Traumatol Surg Res 2018; 104 (3) 397-403
  • 2 Vij N, Ranade AS, Kang P. et al. Primary Bacterial Pyomyositis in Children: A Systematic Review. J Pediatr Orthop 2021; 41 (9) e849-e854
  • 3 Abbati G, Abu Rumeileh S, Perrone A. et al. Pelvic Pyomyositis in Childhood: Clinical and Radiological Findings in a Tertiary Pediatric Center. Children (Basel) 2022; 9 (5) 685
  • 4 Barchi L, Fastiggi M, Bassoli I. et al. Pyomyositis associated with abscess formation caused by streptococcus pneumoniae in children: a case report and review of literature. Ital J Pediatr 2023; 49 (1) 73
  • 5 Effectiveness of adjunctive clindamycin in β-lactam antibiotic-treated patients with invasive β-haemolytic streptococcal infections in US hospitals: a retrospective multicentre cohort study
  • 6 Walker MJ, Barnett TC, McArthur JD. et al. Disease manifestations and pathogenic mechanisms of Group A Streptococcus. Clin Microbiol Rev 2014; 27 (2) 264-301 PMID: 24696436; PMCID: PMC3993104
  • 7 Zeidler H, Hudson AP. Reactive Arthritis Update: Spotlight on New and Rare Infectious Agents Implicated as Pathogens. Curr Rheumatol Rep 2021; 23 (7) 53 PMID: 34196842; PMCID: PMC8247622
  • 8 Singh Sangha M, Wright ML, Ciurtin C. Strongly positive anti-CCP antibodies in patients with sacroiliitis or reactive arthritis post-E. coli infection: A mini case-series based review. Int J Rheum Dis 2018; 21: 315-321

Korrespondenzadresse

Dr. Alexander Mezger
Oberarzt der Kinderklinik
SLK-Kliniken Heilbronn GmbH
Am Gesundbrunnen 20–26
74078 Heilbronn
Deutschland   

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
15. April 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany

  • Literatur

  • 1 Elzohairy MM. Primary pyomyositis in children. Orthop Traumatol Surg Res 2018; 104 (3) 397-403
  • 2 Vij N, Ranade AS, Kang P. et al. Primary Bacterial Pyomyositis in Children: A Systematic Review. J Pediatr Orthop 2021; 41 (9) e849-e854
  • 3 Abbati G, Abu Rumeileh S, Perrone A. et al. Pelvic Pyomyositis in Childhood: Clinical and Radiological Findings in a Tertiary Pediatric Center. Children (Basel) 2022; 9 (5) 685
  • 4 Barchi L, Fastiggi M, Bassoli I. et al. Pyomyositis associated with abscess formation caused by streptococcus pneumoniae in children: a case report and review of literature. Ital J Pediatr 2023; 49 (1) 73
  • 5 Effectiveness of adjunctive clindamycin in β-lactam antibiotic-treated patients with invasive β-haemolytic streptococcal infections in US hospitals: a retrospective multicentre cohort study
  • 6 Walker MJ, Barnett TC, McArthur JD. et al. Disease manifestations and pathogenic mechanisms of Group A Streptococcus. Clin Microbiol Rev 2014; 27 (2) 264-301 PMID: 24696436; PMCID: PMC3993104
  • 7 Zeidler H, Hudson AP. Reactive Arthritis Update: Spotlight on New and Rare Infectious Agents Implicated as Pathogens. Curr Rheumatol Rep 2021; 23 (7) 53 PMID: 34196842; PMCID: PMC8247622
  • 8 Singh Sangha M, Wright ML, Ciurtin C. Strongly positive anti-CCP antibodies in patients with sacroiliitis or reactive arthritis post-E. coli infection: A mini case-series based review. Int J Rheum Dis 2018; 21: 315-321

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Abb. 1 MRT, T2 STIR coronar: ausgeprägte Myositis des M. iliacus dexter.
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Abb. 2 MRT, T1 coronar: 4 cm messender Abszess im dorsomedialen Muskelanteil.
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Abb. 3 MRT, T2 STIR, coronar: periartikuläres Knochenmarksödem im Bereich des rechten ISG