Geburtshilfe Frauenheilkd 2025; 85(08): 810-850
DOI: 10.1055/a-2522-2347
GebFra Science
Guideline/Leitlinie

Hypertensive Erkrankungen in der Schwangerschaft (HES): Diagnostik und Therapie. Leitlinie der DGGG, OEGGG und SGGG (S2k-Level, AWMF-Registernummer 015/018, Juni 2024)

Article in several languages: English | deutsch

Authors

  • Ulrich Pecks

    1   Frauenklinik und Poliklinik, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
    2   Institut für Hebammenwissenschaft, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Marc Baumann

    3   Department für Geburtshilfe, Inselspital Bern, Bern, Switzerland
  • Julia Binder

    4   Universitätsklinik für Frauenheilkunde, Abteilung für Geburtshilfe und feto-maternale Medizin, Wien, Austria
  • Christine Contini

    5   Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg, Germany
  • Anne Dathan-Stumpf

    6   Klinik für Geburtshilfe, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Germany
  • Ralf Dechend

    7   Charité Campus Buch und HELIOS Klinikum Berlin Buch, Abteilung für Kardiologie und Nephrologie, Berlin, Germany
  • Birgit Enna-Kirchmair

    8   Universitätsklinik für Anästhesie und Intensivmedizin, Tirol Kliniken und Medizinische Universität Innsbruck, Innsbruck, Austria
  • Thorsten Fischer

    9   Universitätsklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe der Paracelsus Medizinischen Universität Salzburg, Salzburg, Austria
  • Thierry Girard

    10   Anästhesiologie – UniversitätsSpital Basel, Basel, Switzerland
  • Susanne Greve

    11   Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany
  • Tanja Groten

    12   Klinik für Geburtsmedizin, Universitätsklinikum Jena, Jena, Germany
  • Andreas Hartung

    13   Praxis Dr. Hartung, Fulda, Germany
  • Sven Kehl

    14   Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Germany
  • Maria Koch

    15   Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e. V., Peine, Germany
  • Andrea Köbke

    16   Deutscher Hebammenverband e. V., Berlin, Germany
  • Peter Kranke

    17   Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Schmerztherapie, Universitätsklinikum Würzburg, Würzburg, Germany
  • Olav Lapaire

    18   Frauenklinik, Geburtshilfe und Schwangerschaftsmedizin, UniversitätsSpital Basel, Basel, Switzerland
  • Silke Mader

    19   European Foundation for the Care of Newborn Infants, München, Germany
  • Lars Christian Rump

    20   Klinik für Nephrologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Düsseldorf, Germany
  • Alexandra Sperling

    21   Die Filderklinik GmbH, Filderstadt, Germany
  • Holger Stepan

    6   Klinik für Geburtshilfe, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Germany
  • Sylvia Stracke

    22   Klinik und Poliklinik für Innere Medizin A, Abt. für Nephrologie und Hypertensiologie, Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Germany
  • Stefan Verlohren

    23   Klinik für Geburtshilfe und Pränatalmedizin, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany
  • Frauke von Versen-Höynck

    24   Gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin, Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Medizinische Hochschule Hannover, Hannover, Germany
  • Karl Winkler

    5   Institut für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin, Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität, Freiburg, Germany
  • Michael Zemlin

    25   Klinik für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie, Universitätsklinikum des Saarlandes und Medizinische Fakultät der Universität des Saarlandes, Homburg/Saar, Germany
  • Dietmar Schlembach

    26   Klinik für Geburtsmedizin, Vivantes Klinikum Neukölln, Berlin, Germany
 

Zusammenfassung

Ziel Diese S2k-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) enthält konsensbasierte Empfehlungen zur Betreuung und Behandlung von Frauen mit Hypertonie in der Schwangerschaft. Sie dient allen in der Betreuung schwangerer Frauen beteiligten Professionen als Orientierung und soll so die interprofessionelle und interdisziplinäre Zusammenarbeit verbessern. Ein Schwerpunkt wurde dabei neu auf die Langzeitgesundheit über das Wochenbett hinaus gelegt.

Methoden Es wurde die bestehende S2k-Leitlinie überarbeitet und die entsprechende Literatur gesichtet. Wo sich neue Fragestellungen ergaben, wurden diese im PICO-Format formuliert und ausgearbeitet. Eine gezielte systematische Literaturrecherche mit Pubmed wurde durchgeführt. Ergänzend wurde auf andere internationale Leitlinien zurückgegriffen. Nach Zusammenfassung und Darstellung der zur Verfügung stehenden Daten wurden Empfehlungen und Statements in der Leitliniengruppe herausgearbeitet, diskutiert und abgestimmt.

Empfehlungen Empfehlungen umfassen unter anderem die Prädiktion, Prävention, Diagnose und das Management bei Feststellung hypertensiver Erkrankungen in der Schwangerschaft und über die Geburt hinaus in Wochenbett und Stillzeit. Eine wesentliche Änderung im Vergleich zur Vorgängerversion der Leitlinie besteht in der Senkung der in der Schwangerschaft zu erzielenden Blutdruckwerte. Es werden Vorschläge für das Vorgehen in Bezug auf die Langzeitgesundheit von Mutter und Kind getätigt, die im deutschen Gesundheitswesen aktuell in den Augen der Leitliniengruppe ungenügend geregelt ist.


I  Leitlinieninformationen

Leitlinienprogramm der DGGG, OEGGG und SGGG

Informationen hierzu finden Sie am Ende der Leitlinie.


Zitierweise

Hypertensive Disorders in Pregnancy (HDP): Diagnostics and Therapy. Guideline of the DGGG, OEGGG and SGGG (S2k-Level, AWMF Registry No. 015/018, June 2024). Geburtsh Frauenheilk 2025. DOI: 10.1055/a-2522-2347


Leitliniendokumente

Die vollständige deutsche Langfassung und eine Diaversion dieser Leitlinien sowie eine Aufstellung der Interessenkonflikte aller Autoren befinden sich auf der Homepage der AWMF: http://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-018.html


Leitliniengruppe

Siehe [Tab. 1] und [2].

Tab. 1 Federführender und/oder koordinierender Leitlinienautor.

Autor

AWMF-Fachgesellschaft

Prof. Dr. med. Ulrich Pecks

Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG)

Tab. 2 Beteiligte Leitlinienautor*innen.

Autor*in

Mandatsträger*in

DGGG-Arbeitsgemeinschaft (AG)/AWMF/Nicht-AWMF-Fachgesellschaft/Organisation/Verein

Prof. Dr. med. Marc Baumann

SGGG

Prof. Dr. med. Julia Binder

OEGGG

Prof. Dr. med. Ralf Dechend

DHL

Dr. Birgit Enna-Kirchmair

OEGARI

Prof. Dr. med. Thorsten Fischer

OEGGG

Prof. Dr. med. Thierry Girard

SSAPM

Dr. med. Susanne Greve

DGAI

Prof. Dr. med. Tanja Groten

DGGG

Dr. med. Andreas Hartung

BVF

Prof. Dr. med. Sven Kehl

DEGUM

Maria Koch

DGHWI

Andrea Köbke

DHV

Prof. Dr. med. Peter Kranke

DGAI

Prof. Dr. med. Olav Lapaire

SGGG

Silke Mader

EFCNI

Prof. Dr. med. Ulrich Pecks

DGGG, DGPM

Prof. Dr. med. Lars Christian Rump

DGfN

PD Dr. med. Dietmar Schlembach

DGGG, DGPGM

Alexandra Sperling

DHV

Prof. Dr. med. Holger Stepan

DGPM

Prof. Dr. med. Sylvia Stracke

DGfN

Prof. Dr. med. Stefan Verlohren

DGPGM

Prof. Dr. med. Frauke von Versen-Höynck

DGRM

Prof. Dr. med. Karl Winkler

DGKL

Prof. Dr. med. Michael Zemlin

GNPI

Die folgenden Fachgesellschaften/Arbeitsgemeinschaften/Organisationen/Vereine haben Interesse an der Mitwirkung bei der Erstellung des Leitlinientextes und der Teilnahme an der Konsensuskonferenz bekundet und Vertreter dafür benannt.


Verwendete Abkürzungen

AFLP: akute Schwangerschafts-Fettleber
aHUS: atypisches hämolytisch-urämisches Syndrom
ASS: Acetylsalicylsäure
AZ: Allgemeinzustand
BMI: Body-Mass-Index
CT: Computertomografie
CTG: Kardiotokogramm
DIG: disseminierte intravasale Gerinnungsstörung
EPDS: Edinburgh-Postnatal-Depressions-Skala
FGR: fetale Wachstumsrestriktion
FMF: Fetal Medicine Foundation
GFR: glomeruläre Filtrationsrate
GOT: Glutamat-Oxalacetat-Transaminase
GPT: Glutamat-Pyruvat-Transaminase
HDL: High-Density-Lipoprotein
HES: hypertensive Erkrankung in der Schwangerschaft
HZV: Herz-Zeit-Volumen
i. v.: intravenös
ICP: intrahepatische Schwangerschaftscholestease
IUFT: intrauteriner Fruchttod
LDH: Lactat-Dehydrogenase
LDL: Low-Density Lipoprotein
LGA: Large for Gestational Age
MEOWS: Modified Early Obstetric Warning Score
MgSO4 : Magnesiumsulfat
MRT: Magnetresonanztomografie
NIBD: nichtinvasive Blutdruckmessung
PETN: Pentaerythrityltetranitrat
PI: Pulsatilitätsindex
PKR: Protein-Kreatinin-Ratio
PlGF: Placental Growth Factor
PRES: posteriores reversibles Enzephalopathie-Syndrom
sFlt-1: Soluble Fms-like Tyrosine Kinase-1
SGA: Small for Gestational Age
SSW: Schwangerschaftswoche
TG: Triglyceride
TTP: thrombotisch thrombozytopenische Purpura
VTE: venöse Thromboembolie
 



II  Leitlinienverwendung

Patientinnenzielgruppe

Schwangere, Patientinnen mit Zustand nach HES, Frauen mit (präexistenter) Hochdruckerkrankung


Fragestellung und Ziele

  • Erstellen einer Leitlinie für die Anwendung in der täglichen Arbeit

  • Überarbeitung der bisherigen Definition, Diagnostik und Entscheidungshilfe

  • Verbesserung der Diagnostik und der Therapie

  • Verbesserung der Nachsorge/Nachbetreuung mit Fokus Interdisziplinarität


Versorgungsbereich

  • ambulant

  • Teilstation

  • stationär

  • poststationär


Anwenderzielgruppe/Adressaten

Diese Leitlinie richtet sich an folgende Personenkreise:

  • Ärztinnen und Ärzte der Gynäkologie in der Niederlassung

  • Ärztinnen und Ärzte der Gynäkologie mit Klinikanstellung

  • Hebammen

  • Ärztinnen und Ärzte der Pädiatrie bzw. Neonatologie

  • Ärztinnen und Ärzte der Anästhesie und Intensivmedizin

  • Ärztinnen und Ärzte der Allgemeinmedizin

  • Ärztinnen und Ärzte der Labormedizin

  • Ärztinnen und Ärzte anderer Fachrichtungen mit Assoziation zu HES, z. B. Kardiologie und Nephrologie

  • Patientinnenverbände

Weitere Adressaten sind (zur Information):

  • Pflegekräfte

  • Sozialdienste

  • psychologische Professionen


Verabschiedung und Gültigkeitsdauer

Die Gültigkeit dieser Leitlinie wurde durch die Vorstände/Verantwortlichen der beteiligten Fachgesellschaften/Arbeitsgemeinschaften/Organisationen/Vereine sowie durch den Vorstand der DGGG und der DGGG-Leitlinienkommission sowie der SGGG und OEGGG im April 2024 bestätigt und damit in seinem gesamten Inhalt genehmigt. Diese Leitlinie besitzt eine Gültigkeitsdauer von 01.06.2024 bis 30.05.2029. Diese Dauer ist aufgrund der inhaltlichen Zusammenhänge geschätzt. Bei dringendem Bedarf kann eine Leitlinie früher aktualisiert werden, bei weiterhin aktuellem Wissensstand kann ebenso die Dauer verlängert werden.



III  Methodik

Grundlagen

Die Methodik zur Erstellung dieser Leitlinie wird durch die Vergabe der Stufenklassifikation vorgegeben. Das AWMF-Regelwerk (Version 1.0) gibt entsprechende Regelungen vor. Es wird zwischen der niedrigsten Stufe (S1), der mittleren Stufe (S2) und der höchsten Stufe (S3) unterschieden. Die niedrigste Klasse definiert sich durch eine Zusammenstellung von Handlungsempfehlungen, erstellt durch eine nicht repräsentative Expertengruppe. Im Jahr 2004 wurde die Stufe S2 in die systematische evidenzrecherchebasierte (S2e) oder strukturelle konsensbasierte Unterstufe (S2k) gegliedert. In der höchsten Stufe S3 vereinigen sich beide Verfahren.

Diese Leitlinie entspricht der Stufe: S2k


Empfehlungsgraduierung

Die Evidenzgraduierung nach systematischer Recherche, Selektion, Bewertung und Synthese der Evidenzgrundlage und eine daraus resultierende Empfehlungsgraduierung einer Leitlinie auf S2k-Niveau ist nicht vorgesehen. Es werden die einzelnen Statements und Empfehlungen nur sprachlich – nicht symbolisch – unterschieden (siehe [Tab. 3]).

Tab. 3 Graduierung von Empfehlungen (deutschsprachig).

Beschreibung der Verbindlichkeit

Ausdruck

starke Empfehlung mit hoher Verbindlichkeit

soll/soll nicht

einfache Empfehlung mit mittlerer Verbindlichkeit

sollte/sollte nicht

offene Empfehlung mit geringer Verbindlichkeit

kann/kann nicht


Statements

Sollten fachliche Aussagen nicht als Handlungsempfehlungen, sondern als einfache Darlegung Bestandteil dieser Leitlinie sein, werden diese als „Statements“ bezeichnet. Bei diesen Statements ist die Angabe von Evidenzgraden nicht möglich.


Konsensusfindung und Konsensusstärke

Im Rahmen einer strukturierten Konsenskonferenz nach dem NIH-Typ (S2k/S3-Niveau) stimmen die berechtigten Teilnehmer der Sitzung die ausformulierten Statements und Empfehlungen ab. Der Ablauf war wie folgt: Vorstellung der Empfehlung, inhaltliche Nachfragen, Vorbringen von Änderungsvorschlägen, Abstimmung aller Änderungsvorschläge. Bei Nichterreichen eines Konsensus (> 75% der Stimmen) Diskussion und erneute Abstimmung. Abschließend wird abhängig von der Anzahl der Teilnehmer die Stärke des Konsensus ermittelt (siehe [Tab. 4]).

Tab. 4 Einteilung zur Zustimmung der Konsensusbildung.

Symbolik

Konsensusstärke

prozentuale Übereinstimmung

+++

starker Konsens

Zustimmung von > 95% der Teilnehmer

++

Konsens

Zustimmung von > 75 – 95% der Teilnehmer

+

mehrheitliche Zustimmung

Zustimmung von > 50 – 75% der Teilnehmer

kein Konsens

Zustimmung von < 51% der Teilnehmer


Expertenkonsens

Wie der Name bereits ausdrückt, sind hier Konsensusentscheidungen speziell für Empfehlungen/Statements ohne vorige systemische Literaturrecherche (S2k) oder aufgrund von fehlenden Evidenzen (S2e/S3) gemeint. Der zu benutzende Expertenkonsens (EK) ist gleichbedeutend mit den Begrifflichkeiten aus anderen Leitlinien wie „Good Clinical Practice“ (GCP) oder „klinischer Konsensuspunkt“ (KKP). Die Empfehlungsstärke graduiert sich gleichermaßen wie bereits im Kapitel Empfehlungsgraduierung beschrieben ohne die Benutzung der aufgezeigten Symbolik, sondern rein semantisch („soll“/„soll nicht“ bzw. „sollte“/„sollte nicht“ oder „kann“/„kann nicht“).



IV  Leitlinie

Hypertensive Erkrankungen treten in 6 – 8% aller Schwangerschaften auf, tragen zu 20 – 25% der perinatalen Mortalität bei und stehen in den Industrieländern an führender Stelle der mütterlichen Todesursachen.

Die Präeklampsie als schwerwiegende Form ist eine Multisystemerkrankung, von der typischerweise 2 – 5% der schwangeren Frauen betroffen sind und die eine der Hauptursachen für mütterliche und perinatale Morbidität und Mortalität darstellt, insbesondere, wenn die Erkrankung früh einsetzt. Weltweit sterben jedes Jahr 76 000 Frauen und 500 000 Babys an dieser Störung. Darüber hinaus birgt die Erkrankung ein lebenslanges Risiko für die kardiovaskuläre Gesundheit, die eine strukturierte Nachsorge erforderlich macht.

Vorhersage und Prävention sind nach wie vor nur bedingt möglich. Durch eine entsprechende Evaluation im ersten Schwangerschaftstrimester können Frauen mit einem hohen Risiko identifiziert werden, sodass Maßnahmen zur Prophylaxe frühzeitig initiiert werden können. Die Identifizierung einer „Risikogruppe“ ermöglicht außerdem eine individualisierte Schwangerschaftsüberwachung, um das Auftreten von Komplikationen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Im klinischen Alltag gibt es eine deutliche Schnittmenge mit anderen bzw. ähnlichen klinischen Manifestationsformen einer plazentaren Dysfunktion z. B. der fetalen Wachstumsrestriktion (FGR). Beim derzeitigen Fehlen einer kausalen Therapie richtet sich der Schwerpunkt auf die Senkung der maternalen und kindlichen Morbidität und Mortalität. Das Management dieser Schwangerschaftspathologie sollte so weit wie möglich evidenzbasiert, interdisziplinär und in einer Klinik der richtigen Versorgungsstufe erfolgen. Aus diesem Grund adressiert diese Leitlinie auch alle medizinischen Professionen und Disziplinen, die in die Betreuung hypertensiver Schwangerschaften einbezogen sind.

Für eine ausführliche Betrachtung mit Hintergrund und Literaturangaben wird auf die Langversion der Leitlinie verwiesen [1].

1  Klassifizierung und Definition

Konsensbasiertes Statement 1.S1

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Chronische Hypertonie: Präkonzeptionell oder im ersten Trimester diagnostizierte Hypertonie (entsprechend den Kriterien der Nationalen Versorgungsleitlinie Hypertonie).

Konsensbasiertes Statement 1.S2

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Gestationshypertonie: Im Verlauf der Schwangerschaft neu auftretende Blutdruckwerte systolisch ≥ 140 und/oder diastolisch ≥ 90 mmHg bei einer zuvor normotensiven Schwangeren ohne zusätzliche Kriterien, die eine Präeklampsie definieren.

Konsensbasiertes Statement 1.S3

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Präeklampsie: Eine chronische oder Gestationshypertonie mit mindestens einer in der Schwangerschaft neu auftretenden Organmanifestation, welche keiner anderen Ursache zugeordnet werden kann. Zu den typisch betroffenen Organsystemen zählen insbesondere Plazenta (fetale Wachstumsrestriktion), Niere, zentrales Nervensystem, Leber, hämatologisches System, Lunge.

Eine neu auftretende Symptomatik ist insbesondere dann im Zusammenhang mit einer Präeklampsie zu sehen, wenn sie persistiert, in ihrer Ursache unerklärt bleibt und therapieresistent ist. Eine Übersicht typischer Symptome und Befunde bietet [Tab. 5].

Tab. 5 Bei Präeklampsie beteiligten Organsysteme mit Symptomen/Befunden.

Organsysteme

Symptom/Befund

1 Typische Laborparameter sind in [Tab. 8], Kapitel 4.2 dargestellt.

ZNS und Sinnesorgane

Kopfschmerz

Tics, Kloni

Sehstörung, Hörstörung

generalisierter Krampfanfall

Apoplexie

Leber

Oberbauchschmerz (rechtsbetont)

epigastrische Schmerzen

retrosternale Schmerzen

Leberwerterhöhung1

Lunge

Dyspnoe mit oder ohne Abfall der Sauerstoffsättigung SpO2 < 96%

Niere

Oligo- bis Anurie

Proteinurie1

Erhöhung der Retentionsparameter1

gastrointestinal

Nausea, Emesis, Diarrhö

hämatopoetisches System

Thrombozytopenie1

Hämolyse1

Plazenta

SGA/FGR

angiogene Faktoren1

sFlt-1, PlGF

Konsensbasiertes Statement 1.S4

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

HELLP-Syndrom: Typische in der Schwangerschaft auftretende Laborkonstellation aus Hämolyse, erhöhten Transaminasen und Thrombozytopenie < 100 G/l, häufig assoziiert mit einer Präeklampsie.

Konsensbasiertes Statement 1.S5

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Eklampsie: Im Rahmen einer Schwangerschaft auftretende tonisch-klonische Krampfanfälle (häufig assoziiert mit Präeklampsie), die keiner anderen neurologischen Ursache (z. B. Epilepsie) zugeordnet werden können.

Konsensbasiertes Statement 1.S6

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Es wird nicht zwischen einer milden und schweren Präeklampsie unterschieden, da sich die klinische Dynamik und Ausprägung ändern können.

Konsensbasiertes Statement 1.S7

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Eine schwere Hypertonie liegt bei einem wiederholt gemessenen Blutdruckwert von systolisch ≥ 160 und/oder diastolisch ≥ 110 mmHg vor. Bei diesen Blutdruckwerten erhöht sich das Risiko für Komplikationen, wie Schlaganfall und Tod.

Konsensbasiertes Statement 1.S8

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei Vorliegen Präeklampsie-typischer Merkmale und Symptome schließt ein Blutdruck < 140 mmHg systolisch bzw. < 90 mmHg diastolisch ein Risiko für ungünstige maternale und perinatale Ereignisse bzw. Präeklampsie-typische Komplikationen nicht aus.

Konsensbasiertes Statement 1.S9

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Anhand des zeitlichen Auftretens der Symptome im Schwangerschaftsverlauf wird zwischen einer Early-onset (< 34 + 0 SSW) und einer Late-onset (≥ 34 + 0 SSW) Präeklampsie unterschieden.

Der Unterteilung in Early-Onset- vs. Late-Onset-Präeklampsie wird zurzeit im akuten Management keine klinisch relevante Bedeutung zugesprochen. Zukünftige phenotypbasierte Präventions- und Therapiestrategien sind vielversprechend.


2  Risikofaktoren, Prädiktion und Screening

Konsensbasiertes Statement 2.S10

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die frühe Erkennung eines erhöhten Präeklampsie-Risikos erlaubt eine risikoadaptierte Überwachung sowie die gezielte Initiierung prophylaktischer Maßnahmen ([Tab. 6]).

Tab. 6 Risikofaktoren für eine Präeklampsie (A-priori-Risiken).

Parameter

höheres maternales Alter

höherer maternaler BMI

Ethnizität (kaukasisch < afrikanisch < südasiatisch)

positive Familienanamnese; Mutter mit Präeklampsie

Primiparität (gegenüber Multiparität ohne vorangegangene Präeklampsie)

vorangegangene Schwangerschaft mit Präeklampsie (gegenüber Primigravität)

Konzeption (assistierte Reproduktion, insbesondere Kryo-Zyklus und Eizellspende)

Mehrlingsschwangerschaft

chronische Hypertonie

Diabetes mellitus (Typ I/Typ II)

systemischer Lupus erythematodes

Antiphospholipid-Antikörpersyndrom

Nikotingebrauch

2.1  Risikofaktoren, Prädiktion, Screening im 1. Trimenon

Konsensbasierte Empfehlung 2.E1

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Alle Schwangeren sollen im 1. Trimenon über die Möglichkeit eines Präeklampsie-Screenings informiert werden.

Konsensbasierte Empfehlung 2.E2

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Wenn ein Präeklampsie-Screening im 1. Trimenon durchgeführt wird, soll dies nach FMF-Algorithmus erfolgen.

Der FMF-Algorithmus steht als Tool kostenfrei auf der Website der FMF zur Verfügung.

Ein erhöhtes Risiko und die damit verbundene Indikation zur Prophylaxe mit ASS wird bei einer Risikoberechnung von 1 : 100 gesehen, kann nach regionaler Validierung jedoch unterschiedlich ausfallen.


2.2  Risikofaktoren, Prädiktion, Screening: 2./3. Trimenon

Konsensbasiertes Statement 2.S11

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Ein über die Erhebung des Blutdrucks und ggf. der Proteinurie entsprechend den Mutterschaftsrichtlinien hinausgehendes Screening auf Präeklampsie im 2. und 3. Trimenon ist nicht sinnvoll.

Konsensbasiertes Statement 2.S12

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Zur Risikoabschätzung einer Präeklampsie im Sinne der Prädiktion ist die Doppler-Sonografie der Aa. uterinae im 2. Trimenon ein geeignetes Verfahren. Hierbei sind die Widerstandsindices ausschlaggebend. Die Darstellung der postsystolischen Inzisur (Notching) der Aa. uterinae ist nicht geeignet.

Die Bestimmung des mittleren Pulsatilitäts-Indexes (PI) gilt im 2. Trimenon als bester Marker für die Prädiktion einer Präeklampsie. Die Risikoermittlung erfolgt typischerweise zwischen 19 + 0 und 24 + 6 SSW. Als Referenzwerte werden die Daten von Gomez et al. 2005 genutzt, deren 95. Perzentilen in [Tab. 7] wiedergegeben sind.

Tab. 7 Referenzwerte des Pulsatilitätsindexes der Aa. uterinae.

SSW

Aa. uterinae PI 95. Perz.

18

1,79

19

1,70

20

1,61

21

1,54

22

1,47

23

1,41

24

1,35

25

1,30



3  Prävention der Präeklampsie

Konsensbasierte Empfehlung 3.E3

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei Frauen mit anamnestischem Risiko und/oder einem hohen Risiko-Wert im Präeklampsie-Screening (nach FMF) soll ab der Frühschwangerschaft (spätestens vor 16 + 0 SSW) mit der oralen Einnahme von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure (ASS) 100 – 150 mg/Tag vorzugsweise abends eingenommen begonnen werden.

Konsensbasiertes Statement 3.S13

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Ein präventiver Effekt ist hinsichtlich einer Präeklampsie durch Magnesium, Selen, Vitamine, Kalzium, NO-Donatoren oder Fischöl nach aktueller Studienlage nicht gezeigt.

Konsensbasiertes Statement 3.S14

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Der präventive Effekt von niedermolekularem Heparin ist nicht erwiesen.

Gezielte körperliche Aktivität und Bewegungsprogramme können das Risiko der Entwicklung einer HES reduzieren, wenn sie in der Frühschwangerschaft oder bereits vor der Schwangerschaft begonnen werden. Anaerobes Training bzw. Krafttraining oder Yoga erschienen dabei effektiver als aerobes Training.


4  Diagnostik

4.1  Blutdruckmessung und -interpretation

Konsensbasierte Empfehlung 4.E4

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Der Blutdruck soll als standardisierter Praxisblutdruck manuell oder mit einem für die Schwangerschaft validierten automatisierten Nicht-invasiven-Blutdruck-(NIBD-)Messgerät gemessen werden.

Alle therapeutischen Entscheidungen und Empfehlungen dieser Leitlinie beruhen auf adäquat gemessenen Blutdruckwerten. Die Messung eines standardisierten Praxisblutdrucks erfolgt nach Empfehlung der Nationalen Versorgungsleitlinie Hypertonie, auf die an dieser Stelle explizit hingewiesen wird. Eine Liste in der Schwangerschaft validierter NIBD-Geräte findet sich unter www.stridebp.org

Konsensbasierte Empfehlung 4.E5

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Zum Ausschluss einer Seitendifferenz (> 20 mmHg) sollte primär die Messung an beiden Armen erfolgen.

Es sollte an dem Arm weiter gemessen werden, an dem der höhere Blutdruck gemessen wurde.

Konsensbasiertes Statement 4.S15

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die 24-Stunden-Blutdruckmessung (ABDM) ist eine geeignete Methode, um einen Bluthochdruck in der Schwangerschaft weiter differenzialdiagnostisch abzuklären (Ausschluss „white coat hypertension“, Verlust des zirkadianen Rhythmus als prognostisch ungünstiges Zeichen) und um den Erfolg antihypertensiver Maßnahmen zu überprüfen.

Konsensbasierte Empfehlung 4.E6

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Für die weitere ambulante Betreuung der Schwangeren soll eine Heimblutdruckmessung (HBDM) mittels Oberarmmessgerät oder einer anderen hinreichend validierten Messmethode und die Erstellung eines Blutdruckprofils durchgeführt werden.

Es soll bei der Interpretation der Blutdruckdaten berücksichtigt werden, dass ambulante NIBD-Geräte in der Schwangerschaft i. d. R. nicht validiert sind. Die Frequenz der Blutdruckmessung soll individuell mit der Patientin besprochen und festgelegt werden.

Wann gilt eine HBDM als auffällig?

Die Cut-off-Werte der HBDM für die Diagnose der Hypertonie liegen bei ≥ 135 systolisch bzw. ≥ 85 mmHg. Der Blutdruck gilt bei einem Anteil von ≥ 25% von Blutdruckwerten über einem definierten Schwellenwert als pathologisch; sowohl als diagnostische Schwelle für Bluthochdruck wie als Zielblutdruck.


Wie häufig soll der Blutdruck in der HBDM gemessen werden?

Bei gut eingestellter chronischer Hypertonie wird an mindestens 2 – 3 Tagen pro Woche gemessen. An den Überwachungstagen erfolgt die Messung mindestens 1-mal morgens. Zu den Faktoren, welche die Überwachungsfrequenz individuell beeinflussen sollten, zählen die Art der hypertensiven Erkrankung, das Risiko einer Präeklampsie, die aktuelle Blutdruckeinstellung und die Verwendung blutdrucksenkender Medikamente.


Wann sollte gemessen werden?

Der Zeitpunkt der Blutdruckmessung wird von Patientenfaktoren (z. B. Tagesablauf) und dem Zeitpunkt der Einnahme blutdrucksenkender Medikamente beeinflusst. In Bezug auf den Messzeitpunkt in Abhängigkeit von der Medikamenteneinnahme bestehen sowohl Argumente für die Messung vor als auch nach der Medikamenteneinnahme, ohne dass sich hieraus eine klare Präferenz formulieren lässt.



4.2  Labordiagnostik und -Bewertung

Siehe [Tab. 8].

Tab. 8 Erkrankungstypische laborchemische Veränderungen.

Parameter

PKQ = Protein-zu-Kreatinin-Quotient

Hämoglobin

> 13 g/dl oder > 8,0 mmol/l

Hämatokrit

> 38%

Thrombozyten

< 100 Gpt/l

Ein progredienter Abfall der Thrombozyten muss auch im Normwertbereich innerhalb weniger Stunden kontrolliert werden (Cave: HELLP-Syndrom, DIG).

GPT (ALT)

Anstieg ≥ 2-Fache des Referenzbereichs

GOT (AST)

Anstieg ≥ 2-Fache des Referenzbereichs

LDH

Anstieg ≥ 2-Fache des Referenzbereichs

Bilirubin (indirekt)

> 1,2 mg/dl oder > 20,5 µmol/l

Harnsäure

> 5,9 mg/dl oder > 350 µmol/l

Kreatinin

≥ 0,9 mg/dl oder ≥ 79,56 µmol/l

Proteinurie bzw. PKR

≥ 300 mg/dl (≙ PKQ 30 mg/mmol = ca. 0,3 g/g)

Haptoglobin

Abfall unter Referenzbereich

andere Blutgerinnungsteste

z. B. rapider D-Dimer-Anstieg (Hinweis für DIG), Verlaufsbeobachtung

sFlt-1 und PlGF bzw. der Quotient

siehe [Tab. 9]

4.2.1  Proteinurie

Konsensbasierte Empfehlung 4.E7

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Der Nachweis von ≥ 1+ Eiweiß im Urin-Streifentest soll quantifiziert werden.

Konsensbasierte Empfehlung 4.E8

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Zur Proteinurie-Quantifizierung sollte vorzugsweise der Protein-Kreatinin-Quotient (aus Spontanurin) verwendet werden. Werte ≥ 30 mg/mmol (dies entspricht ca. 300 mg/g bzw. 0,3 g/g) zeigen eine signifikante Proteinurie an und korrelieren mit einer Proteinausscheidung ≥ 300 mg/d.

Konsensbasiertes Statement 4.S16

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei nachgewiesen signifikanter Proteinurie sind wiederholte Messungen zur Abschätzung der Prognose bzw. Verlaufskontrolle der Präeklampsie nicht sinnvoll, weil die Höhe der Proteinurie keine prädiktive Aussagekraft hat.


4.2.2  Hämolyse

Konsensbasiertes Statement 4.S17

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Der Nachweis einer Hämolyse erfolgt am besten durch Bestimmung des Haptoglobins.


4.2.3  Angiogene Faktoren sFlt-1 und PlGF

Konsensbasiertes Statement 4.S18

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei Vorliegen schwangerschaftsassoziierter Risikofaktoren oder klinischer Hinweiszeichen für die Entwicklung einer Präeklampsie ist die Bestimmung angiogener Faktoren im Blut geeignet, das Risiko für die Manifestation der Präeklampsie näher einzuschätzen.

Konsensbasierte Empfehlung 4.E9

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Ein Screening mit dem sFlt-1/PlGF-Quotienten bzw. PlGF bei allen Schwangeren soll aufgrund der geringen Prävalenz und der nur sehr geringen Vorhersageraten nicht erfolgen.

Konsensbasierte Empfehlung 4.E10

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei hohem Risiko für eine Präeklampsie kann PlGF alleine oder in Kombination mit sFlt-1 (sFlt-1/PlGF-Quotient) im Blut der Schwangeren gemessen werden, mit dem Ziel, eine Präeklampsie auszuschließen oder die Entwicklung einer Präeklampsie frühzeitig zu erkennen.

Risikokonstellationen in diesem Sinne ergeben sich insbesondere aus Befunden, die im Zusammenhang mit einer Präeklampsie stehen können. Im Rahmen der PROGNOSIS-Studie zählten hierzu:

  • neu aufgetretene Erhöhung des Blutdrucks (nicht zwingend > 140/90 mmHg)

  • Exazerbation einer bestehenden Hypertonie

  • neu aufgetretene Erhöhung der Proteinausscheidung (nicht zwingend > 300 mg/d)

  • Exazerbation einer bestehenden Proteinurie

  • Oberbauchschmerzen

  • Ödeme im Gesicht, Hand oder Füßen

  • Kopfschmerz

  • Sehstörungen

  • starke Gewichtszunahme > 1 kg/Woche im 3. Trimenon

  • erniedrigte Thrombozytenzahl

  • erhöhte Leberwerte

  • Verdacht auf FGR

  • erhöhte Widerstände der Aa. uterinae im 2. Trimenon

Voraussetzungen für die Berechnungsfähigkeit der sFlt-1 und PlGF-Bestimmung in der Gebührenordnung (Bewertungsausschuss des G-BA vom 14. August 2019) sind:

  • ein neu auftretender oder bestehender Hypertonus

  • Präeklampsie-assoziierter organischer Untersuchungsbefund

  • Präeklampsie-assoziierter labordiagnostischer Untersuchungsbefund

  • fetale Wachstumsstörung

  • auffälliger dopplersonografischer Befund der Aa. uterinae

Konsensbasierte Empfehlung 4.E11

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die Bestimmung der angiogenen Faktoren kann unterstützend und ergänzend zur klinischen Untersuchung für die Sicherung und den Ausschluss der Diagnose „Präeklampsie“ verwendet werden oder zur Beurteilung der Progression der Erkrankung.

Konsensbasiertes Statement 4.S19

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei der Bestimmung angiogener Faktoren sind die unterschiedlichen Grenzwerte der verschiedenen Analysemethoden und Schwangerschaftswochen zu beachten.

Konsensbasierte Empfehlung 4.E12

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Eine Indikation zur Entbindung soll nicht aufgrund auffälliger angiogener Marker gestellt werden.




5  Differenzialdiagnostik

5.1  Oberbauch- oder retrosternale Schmerzen

Konsensbasierte Empfehlung 5.E13

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

In der 2. Schwangerschaftshälfte soll bei Oberbauchschmerzen oder retrosternalen Schmerzen ein HELLP-Syndrom ausgeschlossen werden.


5.2  Krampfanfall und schwere neurologische Symptomatik

Konsensbasierte Empfehlung 5.E14

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei Frauen, die sich nicht unmittelbar nach Eklampsie erholen oder die schwerwiegende neurologische Symptome entwickeln, soll unverzüglich ein neurologisches Konsil veranlasst werden. Die Indikation zur Bildgebung (MRT, CT) sollte zum Ausschluss eines intrakraniellen Geschehens (Blutung, PRES) großzügig gestellt werden.


5.3  Präeklampsie-ähnliche Konstellationen

Konsensbasierte Empfehlung 5.E15

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei Auftreten einer Thrombozytopenie, Anämie und/oder eines Nierenversagens spät in der Schwangerschaft oder peripartal soll differenzialdiagnostisch auch an andere Ursachen, wie z. B. thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP), atypisches hämolytisch-urämisches Syndrom (aHUS) oder akute Schwangerschaftsfettleber (AFLP) gedacht werden ([Tab. 10]).

Tab. 9 Grenzwerte der jeweiligen Analysesysteme für PlGF und sFlt-1/PlGF für den Einschluss (Rule-in) oder Ausschluss (Rule-out) einer Präeklampsie.

Parameter

Triage PLGF Test

Elecsys

sFlt-1/PlGF Quotient

DELFIA Xpres PlGF 1 – 2 – 3 Test

BRAHMS

sFlt-1/PlGF plus Quotient

Es gilt zu beachten, dass die verschiedenen Testverfahren nur entsprechend der Indikationsstellung der Hersteller (insbesondere bez. der Schwangerschaftswoche) genutzt/eingesetzt werden sollen.

* Nach persönlicher Kommunikation mit dem Hersteller ändert sich der Grenzwert für BRAHMS Kryptor auf 66. Generell gilt es, bei Anwendung die Herstellerangaben bzw. Referenzbereiche der Laboratorien zu beachten.

Rule-out

≥ 100 pg/ml

≤ 38

≥ 150 pg/ml

< 40*

Rule-in

< 12 pg/ml

< 34 + 0 SSW > 85

≥ 34 + 0 SSW > 110

< 50 pg/ml

> 40*

relevante Studien

PELICAN

PARROT

PROGNOSIS

INSPIRE

COMPARE

PRAECIS

Tab. 10 Differenzialdiagnostische „typische“ Labor- und Befundkonstellationen.

Kriterien

HELLP

AFLP

TTP

aHUS

Virus-Hepatitis

ICP

* sekundär

Hämolyse

++

−/+

+++

+++

Transaminasen-Anstieg

++

++

−/+

−/+

+++

+

Thrombozytopenie

++

+*

+++

+++

Hypertonie

++

+

−/+

+++*

Proteinurie

+++

+

+

++

Leukozytose

+++

++

Niereninsuffizienz

+/+++

+*

+

+++

neurologische Symptome

+/+++

++

+++

+

Ikterus

−/+

+

++

++

+++

++

Bauchschmerzen

+++

++

++

++

−/+

Fieber

+

+

+

Übelkeit/Erbrechen

++

++

++

++

−/+

andere

DIG, sFlt-1/PlGF erhöht

Hypoglykämie, DIG, sFlt-1/PlGF erhöht

ADAMTS-13 Aktivität erniedrigt

ggf. Komplement-Aktivierung C3/C4

Bilirubinanstieg, Virus-Serologie

Pruritus/
Cholestase-Parameter



6  Ambulante Überwachung und Betreuung

Konsensbasierte Empfehlung 6.E16

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Schwangere mit einer HES in der Anamnese oder mit bereits manifestierter Hypertonie in oder vor der Schwangerschaft sind Risikoschwangere und sollen mit der Erstuntersuchung identifiziert werden.

Konsensbasierte Empfehlung 6.E17

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei Risikokonstellationen in diesem Sinne sollen die Schwangere und der Fetus engmaschig kontrolliert und betreut werden.

Konsensbasierte Empfehlung 6.E18

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Neben der Anleitung zur korrekten häuslichen Blutdruckmessung (Blutdruckprotokoll) und der Empfehlung zu regelmäßigen Gewichtskontrollen sollen die Schwangeren für die Erkennung Präeklampsie-typischer Prodromalsymptome wie Kopfschmerzen, Sehstörungen, Oberbauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, thorakale Schmerzen und Dyspnoe sensibilisiert werden.

Konsensbasierte Empfehlung 6.E19

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Maßnahmen zur Reduktion von Stress sollen individuell mit der Schwangeren überprüft werden, um eine Exazerbation hypertensiver Schwangerschaftskomplikationen zu vermeiden.

Konsensbasiertes Statement 6.S20

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Körperliche Schonung und moderate Bewegung kann die mütterliche und fetale Gewichtsentwicklung positiv beeinflussen und erkrankungsbedingte Komplikationen reduzieren.

Konsensbasiertes Statement 6.S21

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Es besteht Konsens in der Leitliniengruppe, dass eine Schwangerschaft mit Hypertonie über die in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehenen allgemeinen Intervalle hinaus überwacht werden sollte. Es kann keine evidenzbasierte Empfehlung zu den Untersuchungsintervallen und den notwendigen Überwachungsmaßnahmen gegeben werden. Sinnvoll erscheint situativ bedingt eine Zustandsbeurteilung der Mutter und des Fetus, z. B. mit Doppler-Sonografie, Fruchtwasserkontrolle, Fetometrie, CTG, Labordiagnostik, klinischer Untersuchung, Symptombefragung.

Bei Feststellung der mit einer HES häufig assoziierten FGR folgt die Überwachung des Fetus der entsprechenden AWMF-Leitlinie Fetale Wachstumsrestriktion.


7  Antihypertensiva in der Schwangerschaft

7.1  Indikation und Ziele der Blutdrucktherapie

Konsensbasiertes Statement 7.S22

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Schwangere mit Blutdruckwerten ≥ 160 mmHg systolisch und/oder ≥ 110 mmHg diastolisch zeigen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung Präeklampsie-assoziierter Komplikationen, Nierenversagen, Schlaganfall und Frühgeburt.

Konsensbasierte Empfehlung 7.E20

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Frauen mit wiederholten Blutdruckwerten von ≥ 140 mmHg systolisch und/oder ≥ 90 mmHg diastolisch sollen medikamentös therapiert werden.

Konsensbasierte Empfehlung 7.E21

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die Zielblutdruckwerte sollen ≤ 135 mmHg systolisch und ≤ 85 mmHg diastolisch betragen.

Die empfohlenen Blutdruckzielwerte sind als Tagesmittelwerte zu verstehen. Die Leitliniengruppe erkennt zudem an, dass in Einzelfällen der Zielblutdruck trotz maximaler Therapieeskalation nicht erreicht wird. Ob hieraus weitere Maßnahmen abzuleiten sind, ist eine Einzelfallentscheidung.

Konsensbasiertes Statement 7.S23

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Zu beachten ist, dass eine drastische Blutdrucksenkung eventuell zur plazentaren Minderperfusion und somit einer akuten fetalen Beeinträchtigung führen kann. Es gilt die Regel „Start low, go slow“ bei der Blutdruckeinstellung.

Konsensbasierte Empfehlung 7.E22

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Unterschreitet der Mittelwert des diastolischen Blutdrucks an aufeinanderfolgenden Tagen den Wert von 80 mmHg, sollte eine Reduktion der bestehenden Medikation erfolgen. Dabei soll die Ursache der Hypertonie (z. B. Präeklampsie versus chronische Hypertonie versus Nierenerkrankung) berücksichtigt werden.

Konsensbasierte Empfehlung 7.E23

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die Einleitung einer medikamentösen Therapie bei Blutdruckwerten ≥ 160 mmHg systolisch und/oder ≥ 110 mmHg diastolisch soll unter stationären Bedingungen erfolgen.

Konsensbasierte Empfehlung 7.E24

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Im hypertensiven Notfall (akute schwere Hypertonie ≥ 160 mmHg systolisch und/oder ≥ 110 mmHg diastolisch über 15 min anhaltend mit vitaler Gefährdung durch Organschäden z. B. hypertensive Enzephalopathie mit Sehstörungen, Schwindel, starke Kopfschmerzen, Bewusstseinstrübung, neurologischen Ausfallerscheinungen oder Lungenödem) soll eine unverzügliche medikamentöse Blutdrucksenkung erfolgen.


7.2  Wahl der Medikation bei milder Hypertonie

Konsensbasierte Empfehlung 7.E25

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Frauen mit Kinderwunsch und chronischer Hypertonie sollen mit Medikamenten behandelt werden, die mit einer Schwangerschaft vereinbar sind.

Konsensbasiertes Statement 7.S24

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

α-Methyldopa, Nifedipin und Labetalol/Metoprolol sind Mittel der ersten Wahl zur antihypertensiven Therapie in der Schwangerschaft ([Tab. 11]).

Tab. 11 Langzeitbehandlung mit oralen Antihypertensiva in der Schwangerschaft.

Medikament

Dosierung

Anmerkungen

* Abseits der antihypertensiven Therapie kann es Indikationen geben, die den Einsatz von Diuretika bei Präeklampsie rechtfertigen können. Wenn ein Diuretikum in der Schwangerschaft erforderlich ist, sollte primär Hydrochiorothiazid in Betracht gezogen werden.

geeignet

α-Methyldopa

250 – 500 mg oral (3 – 4×/d)/max. 2 g/d

Längste Erfahrung zur Einnahme in der Schwangerschaft vorhanden, Cave: auf postpartale Depression achten.

Labetalol (Österreich, Schweiz)

Startdosis 3 × 200 mg/d

max. 4× 300 mg/d

Stärkere antihypertensive Wirkung als α-Methyldopa, kontraindiziert bei schlecht eingestelltem Asthma bronchiale, erhöhtes Risiko neonataler Bradykardien und Hypoglykämien. Erhöhtes Risiko für SGA.

Nifedipin retard

20 – 60 mg ret. oral

max. 120 mg/d

Stärkere antihypertensive Wirkung als α-Methyldopa, kontraindiziert bei maternaler Aortenstenose. Weniger gut untersuchte Alternative aus der Gruppe der Kalziumantagonisten: Amlodipin.

selektive β-1-Rezeptorblocker wie Metoprolol

Dosis

25 – 100 mg (2× tgl.)

Erhöhtes Risiko für SGA, kontraindiziert bei schlecht eingestelltem Asthma bronchiale; Metoprolol erhöht das Risiko neonataler Bradykardien und Hypoglykämien.

nicht geeignet

Diuretika*

Potenzielle Beeinträchtigung der uteroplazentaren Perfusion durch zusätzliche Plasmavolumenreduktion.

ACE-Hemmer

Keine teratogenen Effekte nachgewiesen.

Kontraindiziert im 2./3. Trimenon: akutes Nierenversagen bei Neugeborenen, Oligohydramnion.

Angiotensin AT1-Antagonisten

Oligohydramnion, Schädelknochenhypoplasie, potenziell teratogen und nephrotoxisch für das Neugeborene.

alle anderen Antihypertensiva

Ungenügende Informationen über Anwendung in der Schwangerschaft.

Konsensbasiertes Statement 7.S25

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Für α-Methyldopa besteht die längste klinische Erfahrung. Es wird jedoch diskutiert, dass es im Zusammenhang mit der Entwicklung psychischer Erkrankungen steht oder eine bestehende Erkrankung ungünstig beeinflusst.

Konsensbasiertes Statement 7.S26

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Nifedipin ist in der Vermeidung von schweren Hypertonien α-Methyldopa überlegen. Es zeigt im Vergleich zu anderen Antihypertensiva (α-Methyldopa und Labetalol) eine höhere Effektivität, mit kürzerem Zeitintervall sowie geringerer Anzahl an Dosen den Zielblutdruck bei gleicher fetaler und maternaler Sicherheit zu erreichen. Aus diesem Grund ist der Off-Label-Use gerechtfertigt.

Konsensbasiertes Statement 7.S27

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Labetalol/Metoprolol sind in der Vermeidung von schweren Hypertonien α-Methyldopa überlegen. Labetalol steht in Deutschland nicht zur Verfügung. Betablocker sind mit der Entwicklung einer SGA assoziiert.

Konsensbasiertes Statement 7.S28

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei schwangeren Patientinnen mit chronischer Nierenkrankheit wird auf die Leitlinie AWMF 015/090 Nierenerkrankung und Schwangerschaft verwiesen. Diuretika sind sehr zurückhaltend bei strenger Indikation einzusetzen.

Konsensbasierte Empfehlung 7.E26

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Eine Erweiterung der antihypertensiven Therapie soll vorgenommen werden, wenn der Zielblutdruck mittels Monotherapie nicht erreicht werden kann. Hierbei sollte eine andere Substanzklasse zum Einsatz kommen, wenn die Dosis bis zum mittleren Dosisbereich gesteigert wurde.


7.3  Wahl der Medikation bei schwerer Hypertonie

Konsensbasiertes Statement 7.S29

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Zur initialen Behandlung der schweren Hypertonie in der Schwangerschaft stehen in Deutschland Urapidil, Nifedipin und Dihydralazin zur Verfügung. In Österreich und der Schweiz steht Labetalol i. v. zusätzlich zur Verfügung ([Tab. 12]).

Tab. 12 Antihypertensiva zur Akut-Therapie in der Schwangerschaft.

Medikament

Dosierungsschema

antihypertensive Therapie

Urapidil

i. v.

initial 6,25 mg langsam i. v. (2 min), danach 3 – 24 mg/h (über Perfusor)

Labetalol (Österreich/Schweiz)

i. v.

initial 50 mg (20 – 80 mg) i. v. langsam (1 – 3 min), evtl. Wiederholung nach 10 – 30 min, Perfusor: 120 mg/h

Nifedipin

p. o.

initial 5 mg p. o., ggf. Wdh. nach 20 min

Dihydralazin

i. v.

initial 5 mg i. v. (über 2 min), danach 2 – 20 mg/h (über Perfusor) oder 5 mg alle 20 min

Anmerkung: Wirkeintritt nach 3 – 5 min, z. T. erst nach 20 min, insbesondere bei Bolusgabe (und dann häufig überschießend)

bei Lungenödem/Herzinsuffizienz

Furosemid

i. v.

10 – 20 mg, ggf. Wdh. mit erhöhter Dosis

Nitroglycerin

s. l./i. v.

0,4 – 0,8 mg sublingual, dann 2 – 10 ml/h i. v. (Perfusor 50 mg/50 ml)

antikonvulsive Prophylaxe und Therapie

Magnesiumsulfat (Antidot: Calciumgluconat 1 g i. v.)

i. v.

initial 4 – 6 g (in 50 ml) in 15 – 20 min (als Kurzinfusion oder Perfusor)

Erhaltungsdosis: 1 – 2 g/h

Konsensbasiertes Statement 7.S30

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Dihydralazin ist zur antihypertensiven Therapie in der Schwangerschaft zugelassen, weist aber gegenüber Urapidil signifikant häufiger maternale Nebenwirkungen (vor allem starke Kopfschmerzen, Reflextachykardie) auf, die die differenzialdiagnostische Abgrenzung gegenüber der Progredienz einer Präeklampsie erschweren können.

Konsensbasierte Empfehlung 7.E27

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Vor der Gabe von Dihydralazin sollten zur Risikoreduzierung eines plötzlichen schweren Blutdruckabfalls mit konsekutiver fetaler Gefährdung zunächst bis zu 500 ml intravenöse Elektrolytlösung infundiert werden.



8  Prophylaxe und Therapie der Eklampsie

Eckpfeiler der Therapie der Eklampsie umfassen:

  • Traumaprävention

  • Prävention einer maternalen Hypoxämie

  • antihypertensive Therapie (siehe Kapitel 7)

  • Prävention erneuter Krampfanfälle (siehe Kapitel 8.1)

  • Evaluation der Entbindungsindikation (siehe Kapitel 12.5)

Bei Eklampsie tritt oft eine fetale Bradykardie (ca. 3 – 5 min) während bzw. unmittelbar nach dem Krampfanfall auf. Postiktal zeigt der Fetus eine Tachykardie mit Oszillationsverlust, ggf. transiente Dezelerationen. Erholt sich das fetale Herzfrequenzmuster nicht, muss an eine vorzeitige Plazentalösung gedacht und die Entbindung unverzüglich durchgeführt werden.

8.1  Antikonvulsive Prophylaxe und Therapie

Konsensbasierte Empfehlung 8.E28

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Zur Prophylaxe und Therapie einer Eklampsie soll Magnesiumsulfat (MgSO4) i. v. mit 4 – 6 g über 20 Minuten gefolgt von 1 – 2 g/h als Mittel der Wahl verwendet werden.

Konsensbasierte Empfehlung 8.E29

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die Schwangere (unter Magnesiumtherapie) soll intensiviert überwacht werden: Dabei genügen im Allgemeinen die Kontrollen des Reflexstatus, der Atemfrequenz und der Nierenfunktion. Calciumgluconat sollte zur sofortigen intravenösen Injektion als Antidot bereitliegen (1 Ampulle = 10 ml Calciumgluconat 10%).

Konsensbasiertes Statement 8.S31

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Serum-Magnesiumspiegel-Kontrollen sind bei unauffälligem Verlauf nicht erforderlich.

Konsensbasiertes Statement 8.S32

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die Kombination von Kalziumantagonisten und Magnesium i. v. erhöht die magnesiumbedingten Nebenwirkungen nicht.



9  Andere medikamentöse Behandlungen

9.1  Medikamentöse Behandlung mit Kortikosteroiden

Konsensbasiertes Statement 9.S33

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Derzeit gibt es keine Evidenz für den Nutzen einer Kortikosteroidgabe zur Behandlung bei HELLP-Syndrom und Präeklampsie mit dem Ziel, die Schwangerschaft zu prolongieren.

Unbenommen ist die Kortikoidtherapie zur antenatalen Behandlung des Fetus im Sinne der sogenannten „Lungenreifeinduktion“.

Konsensbasierte Empfehlung 9.E30

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Zur Therapie von Präeklampsie/HELLP sind Kortikoide nicht geeignet und sollen postpartal nicht angewendet werden.


9.2  Antikoagulative Thromboseprophylaxe

Konsensbasierte Empfehlung 9.E31

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei jeder Patientin mit Präeklampsie soll die Notwendigkeit einer Thromboseprophylaxe individuell evaluiert werden.

Im Rahmen der derzeit veröffentlichten Evidenzbasis aus überwiegend retrospektiven Studien wurde die Präeklampsie durchweg als Risikofaktor für postpartale venöse thromboembolische Ereignisse identifiziert. Siehe hierzu Kapitel 14.3.1 Management weiterer postpartaler Komplikationen: Thromboembolie. Der Nachweis eines erhöhten antenatalen Risikos einer Thromboembolie konnte in den einschlägigen Studien jedoch nicht erbracht werden.



10  Einweisung in die Klinik

Konsensbasierte Empfehlung 10.E32

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Eine Vorstellung in der Klinik mit entsprechender Versorgungsstufe (Perinatalzentrum) sollte erfolgen, wenn eine Schwangere eine für eine HES typische Risikokonstellation bietet, die nach Einschätzung des behandelnden Arztes eine Verschlechterung des Zustands anzeigt.

Diese Einschätzung kann selbstverständlich auch von anderen Professionen im Berufsfeld vorgenommen werden. Insbesondere Hebammen kommt diesbezüglich eine besondere Aufgabe und Verantwortung zu.

Konsensbasiertes Statement 10.S34

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die rechtzeitige Vorstellung hat das Ziel, der Schwangeren und der Geburtsklinik ausreichend Zeit zu geben, in einer ruhigen, elektiven Situation das individuelle Risiko der Schwangeren zu erfassen und das weitere Überwachungsprozedere mit der Schwangeren festzulegen.

Konsensbasierte Empfehlung 10.E33

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Wird eine Präeklampsie diagnostiziert, soll eine Klinikeinweisung erfolgen.

Konsensbasierte Empfehlung 10.E34

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei Blutdruckwerten ≥ 160 mmHg systolisch bzw. ≥ 110 mmHg diastolisch soll eine Einweisung in die Klinik erfolgen.

Konsensbasierte Empfehlung 10.E35

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei klinischem oder laborchemischem Verdacht auf HELLP-Syndrom, vor allem persistierende Oberbauchschmerzen, soll eine umgehende Klinikeinweisung erfolgen.

Konsensbasierte Empfehlung 10.E36

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei Eklampsie, Präeklampsie mit schweren neurologischen Prodromal-symptomen, Dyspnoe und/oder hypertensiver Krise mit vitaler Bedrohung soll ein umgehender Transport über das Rettungswesen in die Klinik erfolgen.

Konsensbasiertes Statement 10.S35

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Fetale Indikationen zur Einweisung in die Klinik bestehen unabhängig von der maternalen Situation.


11  Stationäre Überwachung

Konsensbasiertes Statement 11.S36

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Zur Ersteinschätzung der maternalen und fetalen Situation gehört insbesondere die Abklärung eines akuten mütterlichen oder kindlichen Notfalls. Dies erfolgt durch:

  • CTG (ggf. computerisiertes CTG)

  • Blutdruckmessung

  • Anamneseerhebung

  • klinische Untersuchung inklusive orientierend neurologischer Symptome und Erhebung des Reflexstatus (Patellarsehnenreflex)

  • Abklärung einer Proteinurie und ggf. Quantifizierung dieser (Protein-Kreatinin-Quotient)

  • Labor nach Klinikstandard (vgl. [Tab. 8])

  • Ultraschall (Biometrie, Fruchtwassermenge, Plazentabeurteilung)

  • fetoplazentarer und maternaler Doppler

11.1  Maternale Diagnostik

Die stationäre maternale Überwachung bei Frauen mit HES sollte beinhalten:

  • regelmäßige Blutdrucküberwachung (Intervall nach klinischer Symptomatik)

  • Verlaufskontrolle klinischer Symptome: Oberbauchschmerzen, Kopfschmerzen, Sehstörungen, Hyperreflexie, Bewusstseinsstörungen, Dyspnoe, Blutungsneigung

  • tägliche Gewichtsmessung

  • Kontrolle der Urinausscheidung (Oligurie: < 0,5 ml/kg/h)

  • respiratorische Überwachung (z. B. Pulsoxymetrie)

  • Laborkontrollen

Für die maternale klinische Überwachung empfiehlt sich die Implementierung eines standardisierten Bewertungssystems, z. B. Modified Early Obstetric Warning Score (MEOWS, [Tab. 13]). Es ist unklar, wie oft Untersuchungen und Zustandsbeurteilungen routinemäßig durchgeführt werden sollten. Bei Patientinnen mit chronischem Hypertonus sowie Gestationshypertonie ist eine Adaptation der Intervalle an die jeweils führenden klinischen Beschwerden sinnvoll. Zum Ausschluss einer unmittelbaren Bedrohung sind die klinischen und paraklinischen Kontrollen an die individuelle Symptomatik und die Befunde der Patientin anzupassen und ggf. zu intensivieren.

Tab. 13 Modified Early Obstetric Warning Score (MEOWS) nach Donders et al.

MEOW Score

3

2

1

0

1

2

3

SpO2 (%)

≤ 85

86 – 89

90 – 95

≥ 96

Atemfrequenz (/min)

< 10

10 – 14

15 – 20

21 – 29

≥ 30

Puls (/min)

< 40

41 – 50

51 – 100

101 – 110

110 – 129

≥ 130

systolischer BD (mmHg)

≤ 70

71 – 80

81 – 100

101 – 139

140 – 149

150 – 159

≥ 160

diastolischer BD (mmHg)

≤ 49

50 – 89

90 – 99

100 – 109

≥ 110

Diurese (ml/h)

0

≤ 20

≤ 35

35 – 200

≥ 200

Neurologie

agitiert

wach

Reaktion auf verbale Stimuli

Reaktion auf Schmerz

keine Reaktion

Temperatur (°C)

≤ 35

35 – 36

36 – 37,4

37,5 – 38,4

≥ 38,5

MEOWS 0 – 1

normal

MEOWS 2 – 3

stabil

MEOWS 4 – 5

instabil

MEOWS ≥ 6

kritisch

Ebenfalls ist unklar, ob und in welcher Frequenz routinemäßig Laborkontrollen durchgeführt werden sollten. Bei bestehender Präeklampsie wird eine Laborkontrolle (Blutbild, Kreatinin und Transaminasen) mind. 2-mal pro Woche empfohlen.

Konsensbasierte Empfehlung 11.E37

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die regelmäßige Überprüfung des Reflexstatus (vor allem Patellarsehnenreflex) der Schwangeren mit Präeklampsie sollte Bestandteil der täglichen Visiten während der stationären Überwachung sein.

Konsensbasierte Empfehlung 11.E38

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei einem HELLP-Syndrom sollen die laborchemischen Untersuchungen initial in 6 – 8-stündigen Intervallen wiederholt werden, vor allem dann, wenn sie zu Beginn der Erkrankung nur diskret oder aber im Hinblick auf die klassische Trias nur inkomplett verändert sind.


11.2  Fetale Diagnostik

Eine Präeklampsie sowie ein Gestationshypertonus gelten als Risikofaktoren für die Entstehung einer FGR. Im Rahmen des Monitorings einer hypertensiven HES ist daher das Vorliegen einer FGR auszuschließen bzw. zu berücksichtigen. Diesbezüglich wird auf die AWMF-Leitlinie 015–080 FGR verwiesen.



12  Beratung zu Geburt und Entbindung

Die Beendigung der Schwangerschaft stellt bei Gestationshypertonie, Präeklampsie und dem HELLP-Syndrom die einzige kausale Therapie dar. Gründe dafür, eine Entbindung aufzuschieben und die Schwangerschaft zu prolongieren, können in der Vermeidung einer frühen Geburt (kindlicher Vorteil), aber auch in der Vermeidung einer Intervention (als maternaler Vorteil) gesehen werden. Während frühere Leitlinien eine Entbindung bei HES spätestens mit 37 + 0 SSW empfohlen haben, wird heute in internationalem Konsens zumindest bei einfacher Hypertonie auch die Prolongation der Schwangerschaft bis zum ET als Option angesehen.

12.1  Management ab 37 + 0 SSW

Konsensbasierte Empfehlung 12.E39

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Gestationshypertonie: Frauen mit einer Gestationshypertonie kann alternativ zur Schwangerschaftsbeendigung eine Prolongation nach 37 + 0 SSW angeboten werden, wenn der Blutdruck kontrolliert, das fetale Wohlbefinden sichergestellt und eine Präeklampsie ausgeschlossen sind. Von einer Terminüberschreitung sollte abgeraten werden.

Konsensbasierte Empfehlung 12.E40

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Chronische Hypertonie: Frauen mit einer chronischen Hypertonie kann alternativ zur Schwangerschaftsbeendigung eine Prolongation nach 38 + 0 SSW angeboten werden, wenn der Blutdruck kontrolliert, das fetale Wohlbefinden sichergestellt und eine Präeklampsie ausgeschlossen sind. Von einer Terminüberschreitung sollte abgeraten werden.

Konsensbasiertes Statement 12.S37

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei Präeklampsie ist eine Prolongation über 37 + 0 SSW hinaus nicht sinnvoll.

Die Leitliniengruppe erkennt an, dass im Allgemeinen durch eine Prolongation bis 39 + 0 SSW die neonatale Reife gesteigert und so die Morbidität weiter gesenkt werden könnte. Der frühen Geburt muss das nicht eindeutig zu beziffernde Risiko für Mutter und Kind, dass sich aus Komplikationen der Präeklampsie ergeben könnte, gegenübergestellt werden. So könnte in Einzelfällen unter enger Observanz von Mutter und Fetus auch eine Schwangerschaftsprolongation bis zum ET gerechtfertigt sein.


12.2  Management ab 34 + 0 bis 36 + 6 SSW

Konsensbasierte Empfehlung 12.E41

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei Präeklampsie jenseits 34 + 0 SSW soll in Bezug auf die Indikation zur Schwangerschaftsbeendigung auch die erhöhte neonatale Morbidität berücksichtigt werden.

Es sollte daher eine gründliche Nutzen-Risiko-Abwägung in Bezug auf den Entbindungszeitpunkt vorgenommen werden. Späte Frühgeborene zeigen gegenüber reif geborenen Kindern häufiger Frühgeborenenkomplikationen, wie z. B. Atemnotsyndrom und Anpassungsstörung; die Mortalität ist erhöht (3,5 – 5,5-fach); die postnatale Spätmortalität (28 Tage – 12 Monate) ist verdoppelt.

Demgegenüber steht das Risiko eines intrauterinen Fruchttodes, welches am Ende der Schwangerschaft (≥ 36 + 0 SSW) bei 3/1000 Schwangerschaften liegt. Bei schweren Präeklampsien steigt die IUFT-Rate auf 21/1000. Bei Frauen mit Präeklampsie ohne schwere Symptomatik ist die IUFT-Rate deutlich geringer (9/1000). Die neonatale Komplikationsrate steigt zudem mit dem Ausmaß der fetalen Wachstumsrestriktion (besonders < 3. Perzentile). Dies muss aufgrund der häufigen Assoziation der beiden Schwangerschaftskomplikationen im Gesamtkonzept berücksichtigt werden.

Konsensbasierte Empfehlung 12.E42

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Ab der 34 + 0 SSW soll jede Schwangere mit schwerer Verlaufsform der Präeklampsie, d. h. Hinweisen für zentralnervöse Symptome, Lungenödem, kardiale Dekompensation, zunehmende Niereninsuffizienz, therapieresistente Blutdrücke ≥ 160 mmHg systolisch bzw. ≥ 110 mmHg diastolisch, eklamptischen Anfall oder einen persistierenden Oberbauchschmerz möglichst bald, nach Abwägen der mütterlichen und fetalen Risiken, entbunden werden.


12.3  Management ab 24 + 0 bis 33 + 6 SSW

Konsensbasierte Empfehlung 12.E43

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei Präeklampsie in der 24 + 0 SSW bis zur 33 + 6 SSW sollte in Abhängigkeit vom Schweregrad der Präeklampsie in Abstimmung mit der Mutter ein primär konservatives Vorgehen erwogen werden. Wenn unter kontinuierlicher Überwachung kaum schwerwiegende Auswirkungen auf die Mutter, aber klare Vorteile für das Kind zu erwarten sind, ist ein konservatives Vorgehen vorzugswürdig. Ein grundsätzlich ähnliches Vorgehen erscheint beim HELLP-Syndrom vertretbar.


12.4  Management vor 24 + 0 SSW

Konsensbasierte Empfehlung 12.E44

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei Präeklampsie vor 24 + 0 SSW steht die mütterliche Situation im Vordergrund. Eine Beratung sollte vor dem Hintergrund der AWMF-Leitlinie 024 – 019 „Frühgeborene an der Grenze der Lebensfähigkeit“ in einem Perinatalzentrum Level I erfolgen.


12.5  Präeklampsie mit schweren Komplikationen

Konsensbasiertes Statement 12.S38

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Neben fetalen Indikationen bestehen folgende maternale Indikationen zur Entbindung, wobei in jedem Einzelfall der Wert des Abschlusses der ANS (antenatale Kortikosteroidtherapie) gegen die Dringlichkeit der Schwangerschaftsbeendigung aus maternaler Indikation abzuwägen ist:

  • therapierefraktäre schwere Hypertonie

  • zunehmende Niereninsuffizienz/akutes Nierenversagen

  • maternale Pulsoxymetrie < 90%

  • kardiale Dekompensation

  • akutes Lungenödem

  • disseminierte intravasale Gerinnung

  • progrediente Thrombozytopenie oder Plättchenwerte < 50 G/l

  • vorzeitige Plazentalösung

  • intrauteriner Fruchttod

  • persistierende schwere Oberbauchschmerzen

  • neu aufgetretene schwere zentral-nervöse Symptome

  • Eklampsie

Konsensbasiertes Statement 12.S39

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Eine FGR stellt allein keine Indikation zur Entbindung bei Präeklampsie vor der 34 + 0 SSW dar, solange die spezifischen Entbindungskriterien der FGR (AWMF-Leitlinie 015 – 080) nicht gegeben sind.


12.6  Geburtsmodus

Konsensbasierte Empfehlung 12.E45

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die Geburt kann bei stabilem maternalen und fetalen Zustand auf vaginalem Weg erfolgen, da bei optimaler Überwachung kein erhöhtes kindliches Risiko besteht.



13  Anästhesie

13.1  Analgetische und anästhetische Verfahren bei Geburt

Konsensbasierte Empfehlung 13.E46

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei schwerer Hypertonie soll bei Einleitung einer operativen Therapie eine antihypertensive Therapie initiiert oder angepasst werden mit dem Ziel, einen weiteren Blutdruckanstieg zu verhindern.

Konsensbasierte Empfehlung 13.E47

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Im Rahmen einer Allgemeinanästhesie zur Sectio caesarea bei Schwangeren mit HES soll der Blutdruckanstieg unter der Laryngoskopie mit einem intravenösen Opioid und/oder Antihypertensivum verhindert werden.

Konsensbasierte Empfehlung 13.E48

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Im Rahmen einer vaginalen Geburt kann auch bei Schwangeren mit Präeklampsie unter Berücksichtigung der allgemeinen Nutzen-Risiko-Abwägung ein neuraxiales Regionalanästhesieverfahren durchgeführt werden.

Konsensbasierte Empfehlung 13.E49

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Im Rahmen einer Sectio caesarea bei Schwangeren mit HES sollte unter individueller Nutzen-Risiko-Abwägung, solange zeitlich vertretbar, ein neuraxiales Regionalanästhesieverfahren gegenüber der Allgemeinanästhesie bevorzugt werden.

Konsensbasierte Empfehlung 13.E50

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Zur Therapie einer Spinalanästhesie-induzierten Hypotension können Phenylephrin, Ephedrin, Noradrenalin oder Theoadrenalin/Cafedrin verwendet werden.

Konsensbasierte Empfehlung 13.E51

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Im Rahmen einer Spinalanästhesie zur Sectio caesarea bei Schwangeren mit HES soll eine Kombination aus niedrigdosiertem Lokalanästhetikum plus einem lipophilen Opioid (Sufentanil, Fentanyl) verwendet werden. Zur postoperativen Analgesie kann zusätzlich Morphin neuraxial verabreicht werden.


13.2  Monitoring, intensive Überwachung und Behandlung

Konsensbasierte Empfehlung 13.E52

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die Anwendung von Pulskonturanalyse-Verfahren kann bei Schwangeren mit (Prä-)Eklampsie im Rahmen von Regional- oder Allgemeinanästhesien zur zielgerichteten hämodynamischen Optimierung (GDT) mittels Volumen und/oder Katecholaminen erfolgen.

Konsensbasierte Empfehlung 13.E53

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei Präeklampsie kann eine perioperative Echokardiografie zur Planung der weiteren hämodynamischen Therapie hilfreich sein.

Konsensbasierte Empfehlung 13.E54

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei Präeklampsie mit assoziierten Komplikationen des kardiopulmonalen Systems (Lungenödem, Pleuraergüsse, Verdacht auf reduziertes HZV) sollte eine Echokardiografie durchgeführt werden, um eine peripartale Kardiomyopathie auszuschließen.



14  Postpartales Management

Die Empfehlungen zum postpartalen Management beziehen sich auf den Zeitraum, der mit der Geburt beginnt und mit der Entlassung der Frau aus dem stationären Bereich endet. Grundsätzlich gilt bei allen Frauen mit HES, dass ein Risiko für eine Exazerbation der Erkrankung bis zu 7 Tage postpartal besteht. In Anbetracht des syndromalen Charakters des Krankheitsbildes (Präeklampsie) sind zu jedem Zeitpunkt differenzialdiagnostische Überlegungen anzustellen und bei Bedarf sind weitere Disziplinen hinzuzuziehen; dies bezieht sich in besonderer Weise auch auf die postpartale Phase.

14.1  Blutdrucküberwachung und antihypertensive Therapie

Konsensbasierte Empfehlung 14.E55

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

In der unmittelbaren postpartalen Periode soll jede Patientin mit Präeklampsie unter Verwendung eines kontinuierlichen Monitorings mindestens 4 h bis zur Stabilisierung überwacht werden. Regelmäßige Kontrollen von Blutdruck, Puls und Temperatur, Flüssigkeitsbilanzierung, Atmung, Sauerstoffsättigung und Labor sollen durchgeführt werden. Die Frequenz und die Überwachungsintervalle ergeben sich aus der klinischen Symptomatik.

Konsensbasierte Empfehlung 14.E56

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Postpartal sollen regelmäßig intensivierte Blutdruckkontrollen durchgeführt werden.

  • Gestationshypertonie: tägliche Blutdruckmessung für mind. 2 Tage postpartal und länger nach klinischer Notwendigkeit

  • Präeklampsie: Blutdruckmessung (≥ 4×/Tag) bis zur Entlassung

Konsensbasierte Empfehlung 14.E57

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei HES soll postpartal für mindestens 12 Wochen eine Blutdrucküberwachung erfolgen.

Konsensbasierte Empfehlung 14.E58

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Eine präpartal bestehende Blutdruckmedikation soll postpartal blutdruckadaptiert fortgesetzt werden. Gegebenenfalls kann die Medikation oralisiert werden.

Konsensbasierte Empfehlung 14.E59

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Postpartal sollte der Blutdruck auf Zielwerte von < 135/85 mmHg eingestellt werden.

Konsensbasierte Empfehlung 14.E60

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Eine in der Schwangerschaft bestehende Medikation mit α-Methyldopa kann wegen der besseren Pharmakodynamik und Anwenderinnenfreundlichkeit nach der Geburt auf andere mit dem Stillen vereinbare Medikamente umgesetzt werden.

Konsensbasierte Empfehlung 14.E61

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Besteht nach der Geburt erstmalig die Notwendigkeit einer Blutdruckmedikation, sollte nicht mit α-Methyldopa begonnen werden.

Wegen des erwiesenen Nebenwirkungsprofils von α-Methyldopa mit Verdacht auf ein gesteigertes Risiko für die Entwicklung von depressiven Erkrankungen, der geringen Wirksamkeit und der Einnahme-Compliance bei täglich mehreren Dosen bestehen bessere Alternativen in Kalziumantagonisten und ACE-Hemmern.

Die in der Stillzeit verträglichen oralen Antihypertensiva sind in [Tab. 14] aufgeführt. Zu Angiotensin-Rezeptor-Blockern und Stillverträglichkeit gibt es aktuell keine Daten (Details siehe auch www.embryotox.de, toxnet.nlm.nih.gov oder Drugs and Lactation Database [LactMed®] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK501922/#IX-E).

Tab. 14 Mögliche Antihypertensiva im Wochenbett.

Name

Substanzgruppe

Stillen

Nebenwirkungen

Kontraindikationen

Dosierung*

* Für Dosierungen wird auf die entsprechenden Fachinfos verwiesen.

Amlodipin

Kalziumkanal-Blocker

kein Nachweis von Schaden

Kopfschmerz

5 mg/d bis max. 10 mg/d

Captopril

ACE-Hemmer

kein Nachweis von Schaden

Husten

mit 1 × 12,5 mg beginnen bis max. 3× pro Tag

Enalapril

ACE-Hemmer

kein Nachweis von Schaden

Husten

mit 1 × 2,5 mg beginnen bis max. 2 × 10 mg/d

Labetalol

kombinierter α- und β-Blocker

kein Nachweis von Schaden

Bradykardie

Asthma

beginnend 3 × 100 mg bis max. 1600 mg/d

Methyldopa

α-2-Agonist

kein Nachweis von Schaden

Depression, Methyldopa-Hepatitis

psychische Erkrankungen

bis zu 4 × 500 mg

Metoprolol

β-Blocker

neonatale Hypoglykämie

Bradykardie

Asthma

mit 1 × 47,5 mg beginnen max. 200 mg/d

Nifedipin

Kalziumkanal-Blocker

kein Nachweis von Schaden

Kopfschmerz

2 × 10 oder 20 mg retard bis zu 160 mg/d


14.2  Antikonvulsive Therapie postpartal

Konsensbasierte Empfehlung 14.E62

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Eine präpartal begonnene intravenöse Magnesiumsulfat-Gabe sollte bis zu 48 Stunden postpartal weitergeführt werden.

Konsensbasierte Empfehlung 14.E63

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Bei postpartaler Präeklampsie/Eklampsie sollte eine Therapie mit Magnesiumsulfat (MgSO4) i. v. zur Eklampsie-Prophylaxe/Rezidiv begonnen werden.

Konsensbasierte Empfehlung 14.E64

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Wegen der großen Überlappung der Symptomatik bei zerebrovaskulären Schwangerschaftskomplikationen (Präeklampsie, posteriores reversibles Enzephalopathiesyndrom [PRES] und hämorrhagische oder ischämische Insulte), sollte eine postpartal auftretende neurologische Symptomatik unmittelbar interdisziplinär abgeklärt werden.


14.3  Management weiterer postpartaler Komplikationen

14.3.1  Thromboembolie

Konsensbasiertes Statement 14.S40

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

HES sind ein Risikofaktor für ein postpartales thromboembolisches Ereignis und in die Überlegungen zur Entscheidung für eine prophylaktische Antikoagulation mit einzubeziehen.

Im Rahmen der derzeit veröffentlichten Evidenzbasis aus überwiegend retrospektiven Studien wurde die Präeklampsie durchweg als Risikofaktor für postpartale venöse thromboembolische Ereignisse identifiziert. Das Risiko wird je nach Studie auf das 3- bis 5-Fache gegenüber der Referenzgruppe unkomplizierter Schwangerschaften eingeschätzt; in Kombination mit Kofaktoren erscheint das Risiko noch höher, z. B. bei Vorliegen einer FGR; in diesem Fall wurde eine 7-fache Erhöhung des Risikos festgestellt. Eine präzise Kategorisierung von HES aus prospektiv zusammengestellten Daten der Primär- und Sekundärversorgung im Vereinigten Königreich zeigten ein zunehmendes VTE-Risiko von der chronischen Hypertonie (IRR 1,68 [95%-KI 1,01 – 2,78]) über die Gestationshypertonie (IRR 2,10 [95%-KI 1,28 – 3,43]) zur Präeklampsie (IRR 3,54 [95%-KI 2,05 – 6,11]). Besonders hervorzuheben ist, dass das VTE-Risiko bei Präeklampsie während der gesamten 6 Wochen des Wochenbetts erhöht blieb und sich andeutete, dass dieses auch noch 6 bis 12 Wochen postpartal fortbestehen kann.


14.3.2  Lungenödem

Bis zu 3% der Patientinnen mit Präeklampsie erleiden ein Lungenödem, 70% davon postpartal. Antenatal kann das Auftreten eines Lungenödems die Entbindung notwendig machen. Postpartal sollte sich die Therapie einer Wöchnerin mit Lungenödem nicht von der Therapie anderer Patientinnen mit Lungenödem unterscheiden.


14.3.3  Management der Oligurie/des Nierenversagens postpartal

Eine Oligurie (< 0,5 ml/kg/h) kann in der Postpartalperiode vielfältige Ursachen haben. Neben dem Ausschluss eines postrenalen Nierenversagens richtet sich die weitere Diagnostik und Therapie nach den allgemeinen Richtlinien bei nicht geburtshilflichen Patientinnen.


14.3.4  Peripartale Kardiomyopathie

Patientinnen nach Präeklampsie haben eine 4-fach höhere Prävalenz für peripartale Kardiomyopathien. Bei Auftreten von Symptomen wie Luftnot, Kurzatmigkeit, verlängerte Abgeschlagenheit und akute AZ-Verschlechterung im peripartalen Verlauf sollte deshalb immer auch zeitnah die Durchführung einer Echokardiografie veranlasst werden. Zur weitergehenden Diagnostik und Therapie wird auf die entsprechenden europäischen Leitlinien wie „ESC Clinical Practice Guidelines 2018 on the Management of Cardiovascular Diseases during Pregnancy“ verwiesen.



14.4  Förderung der Mutter-Kind-Bindung und des Stillens

Konsensbasierte Empfehlung 14.E65

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Um die Mutter-Kind-Bindung zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt zu fördern, soll direkt nach Geburt Kontakt zwischen Mutter und Baby ermöglicht werden.

Es soll auch für die Unterstützung beim Bonden, Stillen oder Abpumpen eine optimale Betreuung ermöglicht werden.

Diese Empfehlungen gelten unabhängig von Notfallgeburt oder Intensivaufenthalt.

Die Leitliniengruppe unterstützt daher ausdrücklich aktuelle Positionspapiere und Leitlinien z. B. der WHO oder EFCNI zum Thema Frühgeborenen-Versorgung, Kängurupflege oder Kangaroo Mother Care mit Haut-zu-Haut-Kontakt mindestens 8 Stunden täglich auch bei sehr frühen Frühgeborenen und 24/7 (unbegrenzt) Zugang zum Neugeborenen.

Die präpartale Kolostrumgewinnung kann eine sinnvolle Ergänzung sein.


14.5  Psychosoziale Unterstützung

Konsensbasierte Empfehlung 14.E66

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Im Rahmen der postpartalen Betreuung sollte die psychische Belastungssituation der Wöchnerin evaluiert werden. Hierzu ist die Edinburgh Depression Scale (EPDS) als diagnostisches Hilfsmittel zur Erkennung geeignet.

Die Durchführung der EPDS ist einfach und erlaubt eine Identifizierung von Patientinnen, die unmittelbar einer psychologischen Betreuung zugeführt werden sollten. Der Vorteil des standardisierten und evaluierten Tests ist auch die Möglichkeit, diesen in verschiedenen Sprachen einzusetzen.

Anzeichen einer postpartalen Depression sollten beobachtet, besprochen und gegebenenfalls durch psychologische Unterstützung mittherapiert werden. Der Hebamme kommt in Zusammenarbeit mit dem ärztlichen Dienst dabei eine wichtige Rolle zu. Unabhängig von der Erfassung der psychischen Belastung mittels EPDS ist eine professionelle psychologische Begleitung sinnvoll, gerade im Rahmen von erlebten Grenzsituationen.


14.6  Abschlussgespräch und Gesundheitsberatung

Konsensbasierte Empfehlung 14.E67

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Ein Abschlussgespräch mit der Wöchnerin über die Erkrankung, den individuellen Verlauf und weitere Konsequenzen soll erfolgen. Nach Möglichkeit sollte dies im Beisein des Partners/der Partnerin mit dem Angebot zur erneuten Besprechung z. B. vor Planung/Eintritt einer erneuten Schwangerschaft erfolgen.

Konsensbasierte Empfehlung 14.E68

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Ein Wochenbett-Beratungsgespräch sollte folgende Inhalte umfassen:

  • Informationen über die Fortsetzung der ambulanten Blutdruckmessung und die anzustrebenden Zielwerte

  • Information zum erhöhten thromboembolischen Risiko

  • Beratung der Patientin über erhöhte Risiken für kardiovaskuläre Erkrankungen für Mutter und Kind

  • Beratung zu Maßnahmen der primären Prävention durch Lifestyle-Anpassungen

  • Beratung des Paares über die Wiederholungswahrscheinlichkeiten in Folgeschwangerschaft

  • Information über die Bedeutung und mögliche Inhalte der Nachsorge (siehe Kapitel 15)

  • Angebot zum Beratungsgespräch vor erneuter geplanter Schwangerschaft bzw. unmittelbar nach Eintritt einer Schwangerschaft und Erläuterung der Betreuung in der Schwangerschaft sowie prophylaktischer Maßnahmen

Aufgrund der hohen Evidenz zur Beeinträchtigung der Langzeitgesundheit nach HES und insbesondere der Präeklampsie ist eine umfassende und sensible Beratung der Wöchnerin bei Entlassung von besonderer Bedeutung und Tragweite. Siehe hierzu auch Kapitel 15 zur Nachsorge. Ein Verweis auf Selbsthilfegruppen, z. B. Arbeitsgemeinschaft Gestose-Betroffene e. V., Bundesverband Das Frühgeborene Kind e. V., sowie European Foundation for the Care of Newborn Infants ist besonders hilfreich.

Konsensbasierte Empfehlung 14.E69

Expertenkonsens

Konsensusstärke +++

Die Wöchnerin nach Präeklampsie soll bezüglich ihrer kardiovaskulären Risiken langfristig engmaschig nachbetreut werden. Dies soll 6 Wochen nach der Entbindung beginnen. Ein Vorschlag zum konkreten Vorgehen ist im Kapitel 15 formuliert. Zur Unterstützung und Dokumentation kann ein Nachsorgepass ausgehändigt werden (siehe Anhang der Leitlinie).



15  Nachsorge zur Langzeitgesundheit nach HES

Frauen mit einer Hypertonie in der Schwangerschaft haben ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Langzeitfolgen. Insbesondere das kardiovaskuläre System ist betroffen. Das Risiko für Bluthochdruck und kardiovaskuläre Erkrankungen ist um das 2 – 6-fache erhöht und abhängig von der Schwere und des Zeitpunktes des Auftretens der Erkrankung in der Schwangerschaft, der Anzahl der kompliziert verlaufenden Schwangerschaften im Leben der Mutter, sowie anderen Begleitfaktoren, wie vorbestehenden vaskuläre Erkrankungen der Mutter. Neben dem kardiovaskulären System können weitere Organsysteme betroffen sein. Darüber hinaus besteht ein Wiederholungsrisiko für eine hypertensive Erkrankung in der Folgeschwangerschaft ([Tab. 15]).

Tab. 15 Mögliche mütterliche gesundheitliche Langzeitfolgen.

Langzeitfolgen nach Hypertonie in der Schwangerschaft

Wiederholungsrisiko für HES in der Folgeschwangerschaft.

  • Gestationshypertonie

  • Präeklampsie

  • Eklampsie

  • HELLP-Syndrom

kardiovaskuläre Langzeitrisiken

  • chronische Hypertonie

  • koronare Herzkrankheiten

  • periphere vaskuläre Erkrankungen einschließlich venöser thromboembolischer Ereignisse

  • Herzinsuffizienz

  • Schlaganfall

  • Tod durch Herz-Kreislauf-Erkrankung

neurologische Erkrankungen

  • Epilepsie

  • Demenz

Nierenerkrankung

  • chronische Niereninsuffizienz

metabolische Erkrankungen

  • Diabetes mellitus Typ 2

  • Adipositas

  • Fettstoffwechselstörung, Hypercholesterinämie

  • Mikroalbuminämie

Eine adäquate Blutdruckkontrolle und Nachsorge ist wichtig, um bereits frühzeitig einer Krankheitsprogression vorzubeugen. Dabei sollte die Definition der Zielblutdruckwerte und die Auswahl der medikamentösen Therapie der Blutdruckeinstellung nach Entlassung aus der Klinik explizit den Vorgaben der Nationalen Versorgungsleitlinie Hypertonie folgen.

Da insbesondere für die langfristige Nachsorge nach Präeklampsie in den DACH-Ländern eine einheitliche Empfehlung und eine finanzierte Struktur fehlen, wurde von der Leitliniengruppe in Anlehnung an den hierzu 2023 durch die FIGO publizierten Best Practice Advice ein abgestimmter Vorschlag erarbeitet, der in [Tab. 16] zusammengefasst wurde.

Tab. 16 Vorschlag zur Nachsorge nach HES (in Anlehnung an FIGO 2023).

Wann?

Wo/Wer?

Was?

1 Nach 6 Monaten noch medikamentös behandlungspflichtig, um die Zielwerte nach Nationalen Versorgungsleitlinie Hypertonie dauerhaft zu erreichen.

2 Insbesondere bei bestehender/persistierender Hypercholesterinämie ist das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht. Bei Z. n. schwerer HES und bestehender Hypercholesterinämie, sollte die Indikation zur Statintherapie erwogen werden.

mit 6 Wochen, 6 Monaten, 12 Monaten, dann jährlich

frauenärztliche Praxis

Blutdruck: Ziel entsprechend NVL Hypertonie (120/80 mmHg für die junge Frau mit Risiko)

  • Sicherstellung der häuslichen Blutdruckkontrolle mittels automatisierten Messgeräts und Oberarmmanschette

  • Reduktion der Medikation bei Tagesdurchschnittswerten unterhalb der Zielwerte

  • Bei manifestiertem Bluthochdruck1 ist eine weitere Abklärung der Hypertonie durch Haus- oder Facharzt zu veranlassen.

Gewicht: (Ziel BMI < 25)

  • Lebensstilberatung, Bewegungsförderung oder Programme zur Gesundheitsförderung

  • Nikotinkarenz

Labordiagnostik: Cholesterin2, HDL, LDL, TG, GFR, Proteinurie, Kreatinin, HbA1c

  • Überweisung zum Hausarzt oder Facharzt bei Auffälligkeiten zur weiteren Abklärung und Therapie.

Das Vorsorge-Programm wird jährlich durch Ärztinnen und Ärzten der Frauenheilkunde, Allgemeinmedizin oder Inneren Medizin weitergeführt.

Eine Vorlage für einen Nachsorgepass, wie er von den Betroffenenorganisationen gefordert und durch die FIGO vorgeschlagen wird, kann über folgenden QR-Code erreicht werden ([Abb. 1]).

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Fig. 1 QR-Code Nachsorgepass nach hypertensiver Schwangerschaftserkrankung.
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Interessenkonflikt

Die Interessenkonflikte der Autorinnen und Autoren sind in der Langfassung der Leitlinie aufgelistet.


Correspondence/Korrespondenzadresse

Univ.-Prof. Dr. Ulrich Pecks
Institut für Maternale Gesundheit und Hebammenwissenschaft
Frauenklinik und Poliklinik
Universitätsklinikum Würzburg
Josef-Scheider-Straße 4
97080 Würzburg
Germany   

Publication History

Received: 03 January 2025

Accepted: 08 January 2025

Article published online:
02 June 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany


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Fig. 1 QR code for an aftercare passport after hypertensive disorder of pregnancy.
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Fig. 1 QR-Code Nachsorgepass nach hypertensiver Schwangerschaftserkrankung.
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