Laryngorhinootologie 2025; 104(07): 470-472
DOI: 10.1055/a-2541-5786
OP-Techniken

Eingriffe an Hals, Ösophagus und Mediastinum

J. A. Werner
,
J. P. Windfuhr

Eingriffe an den Lymphknoten

Modifizierte radikale Neck Dissection

OP-Prinzip

Resektion des lymphknotenhaltigen Fettgewebes der Level I–V unter Erhalt mindestens einer der nichtlymphatischen Strukturen (N. accessorius und/oder V. jugularis interna und/oder M. sternocleidomastoideus).


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Indikation

  • Lymphknotenmetastasierung in den Leveln I–V mit Infiltration von 1–2 der nichtlymphatischen Strukturen

  • Einzelfallentscheidung


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Kontraindikation

Wie bei radikaler Neck Dissection (S. 278).


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Anästhesie

Wie bei radikaler Neck Dissection (S. 278).


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OP-Technik

Wie bei radikaler Neck Dissection (S. 278). Durch die Schonung mindestens einer der 3 nichtlymphatischen Strukturen ergeben sich jedoch besondere Aspekte, die nachfolgend im Einzelnen dargestellt werden sollen.

  • Präparation der Faszie des M. sternocleidomastoideus: Während der M. sternocleidomastoideus in der Regel erhalten bleibt, wird die Faszie desselben in das Neck-Dissection-Präparat einbezogen ([Abb. 1]). Die Präparation der Faszie beginnt an der Außenfläche des Muskels an seinem Hinterrand und wird nach anterior fortgeführt. Die Präparation erfolgt in der Regel scharf mit Skalpell oder Schere.

  • Schonung des N. accessorius: Der N. accessorius zieht von ventrokraniomedial nach dorsokaudolateral durch den kranialen Anteil des M. sternocleidomastoideus ([Abb. 2]). Sichtidentifikation des N. accessorius durch stumpfes Spreizen des den Nerv bedeckenden Fettgewebes mit einer Schere. Dies erfolgt an der medialen Seite im Bereich des kranialen Drittels des M. sternocleidomastoideus unter vorsichtigem Hakenzug nach lateral. Bei Vorliegen großer Metastasen muss der Nerv kaudal des Foramen jugulare lateral der V. jugularis interna identifiziert und sukzessive zwischen Foramen jugulare und Eintritt in den M. sternocleidomastoideus kaudal des Venter posterior des M. digastricus freigelegt werden.

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Abb. 1 Modifizierte radikale Neck Dissection. Der M. sternocleidomastoideus wird von seiner Faszie abpräpariert, die in das Neck-Dissection-Präparat einbezogen wird.
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Abb. 2 Modifizierte radikale Neck Dissection.
  • Präparation des Recessus submuscularis: Erst im Anschluss an die Identifikation des N. accessorius darf mit der Entfernung des lymphknotenhaltigen Fettgewebes des Levels IIB begonnen werden. Bei Anwendung von bipolarer Koagulation ist unbedingt auf die Schonung des Nervs zu achten, ggf. muss die bipolare Koagulation unter Kühlung mit physiologischer Kochsalzlösung vorgenommen werden. Maximal kraniolaterales Weghalten des M. sternocleidomastoideus. Durch einen weiteren Haken wird der dorsale Bauch des M. digastricus nach kranial gehalten. Absetzen des zwischen M. sternocleidomastoideus und Schädelbasis lokalisierten Fettgewebes. Dieses wird unter dem N. accessorius nach kaudal hindurchgeschlungen. Hierzu Durchtrennung des Weichteilgewebes an der Grenze zwischen Level IIA und B. Fortführung der Präparation nach kaudal. Hierbei müssen die identifizierbaren kutanen Äste des Plexus cervicalis durchtrennt und die Nervenendigungen koaguliert werden, um einer Neurombildung vorzubeugen. Präparation von Level I und Glandula submandibularis wie bei radikaler Neck Dissection.

  • Präparation der Gefäß-Nerven-Scheide sowie der Level II–IV: Der M. sternocleidomastoideus wird nach lateral gehalten. Ablösung des lymphknotenhaltigen Fettgewebes von der Gefäß-Nerven-Scheide von kranial nach kaudal ([Abb. 3]). Eine Präparation medial der Gefäß-Nerven-Scheide ist zur Vermeidung einer akzidentellen Verletzung des Truncus sympathicus zu vermeiden! Eine horizontale Linie in Höhe des Unterrands des Ringknorpels trennt Level III und IV voneinander. Etwa auf dieser Höhe kreuzt der M. omohyoideus die V. jugularis interna, der durchtrennt und in das resezierte Neck-Dissection-Präparat aufgenommen werden kann. Der M. omohyoideus kann geschont werden, sofern dessen Verbindung zur V. jugularis interna erhalten blieb, da dieser dann als Kapselspanner dienen und zu deren Durchgängigkeit beitragen kann. Der kaudale Absetzungsrand wird über Klemmen mit anschließender Ligatur en bloc reseziert, um einer Chylusfistel links oder Lymphfistel rechts vorzubeugen.

  • Präparation des Levels V: Vollständige Darstellung des bereits kraniomedial freigelegten N. accessorius im Bereich des posterioren Dreiecks durch stumpfes, gelegentlich scharfes Präparieren ([Abb. 4]). Mobilisation des lymphknotenhaltigen Fettgewebes in Richtung Vorderrand des M. trapezius. Der dorsale Resektionsrand wird abermals mittels Klemmen und Ligatur abgesetzt. Es ist zu beachten, dass durch die Präparation des Levels V und die hiermit verbundene Eröffnung des dorsalen Blattes der Faszie des posterioren Dreiecks die Verletzung der Äste des Plexus brachialis, des N. phrenicus und der A. transversa colli möglich ist. Wundverschluss erfolgt in vorbeschriebener Weise. Welche der nichtlymphatischen Strukturen reseziert wird, bestimmt der intraoperative Befund.

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Abb. 3 Modifizierte radikale Neck Dissection. Zustand nach Ausräumung der Level I–IV mit Resektion des N. accessorius.
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Abb. 4 Modifizierte radikale Neck Dissection. Blick auf das ausgeräumte Level V.
Risiken und Komplikationen

Wie bei radikaler Neck Dissection (S. 281).


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Nachbehandlung

Wie bei radikaler Neck Dissection (S. 281).


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Selektive Neck Dissection

OP-Prinzip

Je nach Primärtumorlokalisation erfolgt die Resektion nur bestimmter Halslymphknotenlevel unter Erhalt des M. sternocleidomastoideus, der V. jugularis interna und des N. accessorius. Dementsprechend Modifikation der Schnittführung.


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Indikation

  • kein Hinweis auf Infiltration der nichtlymphatischen Strukturen

  • Einzelfallentscheidung bei N0-/N+-Hals


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Kontraindikation

  • fehlende onkochirurgische Sicherheit


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OP-Technik

  • Selektive Neck Dissection I–III (IV): Schnittführung wie in [Abb. 3] dargestellt. Hautlappen sowie Präparation des Recessus submuscularis und Darstellung des N. accessorius wie bei modifiziert radikaler Neck Dissection (S. 281). Weitere Mobilisation des lymphknotenhaltigen Fettgewebes von kranial nach kaudal bis an die Grenze zu Level IV (gedachte Horizontallinie in Höhe des Ringknorpelunterrands). Präparation von Level I wie bei radikaler Neck Dissection vorbeschrieben, wobei die Glandula submandibularis in der Regel nicht exstirpiert wird. Wundverschluss wie weiter oben beschrieben. Die zusätzliche Einbeziehung des Levels IV kann unproblematisch vorgenommen werden.

  • Selektive Neck Dissection II–IV (V): Schnittführung von der Mastoidspitze entlang des Vorderrands des M. sternocleidomastoideus bis zu seinem klavikulären Ansatz. Wenn Level V mit ausgeräumt werden soll, kann die Hautinzision dorsal des M. sternocleidomastoideus geführt werden, ohne Beginn/Ende der Inzision ändern zu müssen. Hautlappen- und Recessus-submuscularis-Präparation mit Darstellung des N. accessorius wie zuvor beschrieben. Präparation des lymphknotenhaltigen Fettgewebes nach Mobilisation des M. sternocleidomastoideus unter Erhalt der V. jugularis interna und Schonung nervaler Strukturen wie zuvor beschrieben. Der M. omohyoideus kann erhalten bleiben. Wundverschluss wie zuvor beschrieben. Wird zusätzlich Level V ausgeräumt, ist der vorbeschriebenen Schonung nach Sichtidentifikation des N. accessorius höchste Aufmerksamkeit beizumessen.

Risiken und Komplikationen

Wie bei radikaler Neck Dissection (S. 281).


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Nachbehandlung

Wie bei radikaler Neck Dissection (S. 281).


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Alternativen

Die intensitätsmodulierte Radiochemotherapie erlaubt über die Definition exakt berechneter „Target Volumes“ die hochdosierte Bestrahlung bestimmter Lymphknotenlevel unter Schonung des umgebenden Gewebes. So bietet diese Technologie in der Zukunft möglicherweise eine zu diskutierende Alternative zur klassischen Strahlentherapie. Dies setzt aber den histologischen Nachweis von metastatisch befallenen Lymphknoten in den einzelnen Levels voraus.

Zitierweise für diesen Artikel

Rettinger G, Hosemann W, Hüttenbrink KW, Werner JA (Hrsg.). HNO-Operationslehre – Mit allen wichtigen Eingriffen. Stuttgart: Thieme 5., vollständig überarbeitete Auflage 2017. doi:10.1055/b-004–140 287

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Publication History

Article published online:
01 July 2025

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