Laryngorhinootologie 2025; 104(05): 304-310
DOI: 10.1055/a-2545-3341
Originalarbeit

Die Aufnahme einer Rehabilitationsmaßnahme in den Katalog der Anschlussrehabilitation (AHB) am Beispiel der Cochlea-Implantat-Folgetherapie

Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch
Stefanie Bruschke
1   Goethe-Universität Frankfurt, Universitätsmedizin Frankfurt, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Frankfurt a. M., Deutschland
,
Roland Zeh
2   MEDIAN Kaiserberg-Klinik, Bad Nauheim, Deutschland
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Uwe Baumann
1   Goethe-Universität Frankfurt, Universitätsmedizin Frankfurt, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Frankfurt a. M., Deutschland
,
Silke Helbig
1   Goethe-Universität Frankfurt, Universitätsmedizin Frankfurt, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Frankfurt a. M., Deutschland
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Timo Stöver
1   Goethe-Universität Frankfurt, Universitätsmedizin Frankfurt, Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Frankfurt a. M., Deutschland
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Zusammenfassung

Im Rahmen einer medizinischen Behandlung oder eines chirurgischen Eingriffs kann eine Rehabilitationsmaßnahme angeschlossen werden. Diese Rehabilitation kann auch als sogenannte Anschlussheilbehandlung (AHB) durchgeführt werden. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hat über einen Indikationskatalog definiert, nach welchen medizinischen Eingriffen eine AHB angeschlossen werden kann. Dieser Katalog wird regelmäßig überarbeitet und, falls erforderlich, erweitert. In dieser Arbeit wird der Prozess der Aufnahme der Cochlea-Implantat (CI)-Folgetherapie in den AHB-Indikationskatalog dargestellt. Dieser Prozess kann beispielhaft für andere rehabilitative Verfahren betrachtet werden.

Zunächst galt es, den Prozess der CI-Versorgung so zu gestalten, dass die formalen Voraussetzungen für eine AHB erfüllt wurden. Wesentliche Vorgabe war, dass die Rehabilitationsmaßnahme innerhalb von 14 Tagen nach Entlassung aus der Klinik begonnen wird. Um dies zu gewährleisten, muss zuvor die Erstanpassung des CI-Prozessors (als Teil der Basistherapie) erfolgt sein. Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie wurde das Konzept der frühen Anpassung des CI-Prozessors (innerhalb von 2–3 Tagen nach OP) erfolgreich bestätigt. In einem anschließenden Pilotprojekt konnten ebenfalls die Machbarkeit und Sicherheit einer frühen Rehabilitation nach CI-Versorgung nachgewiesen werden. Damit war der prinzipielle Nachweis der Durchführbarkeit dieser Maßnahme als AHB erbracht. Nach Prüfung der Ergebnisse der Pilotstudie durch den Medizinischen Dienst wurde die Rehabilitation nach CI-Operation im September 2024 in den AHB-Indikationskatalog der DRV aufgenommen.


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Einleitung

Eine Rehabilitation im Anschluss an einen chirurgischen Eingriff ist in vielen medizinischen Bereichen ein essenzieller Bestandteil der Behandlung, um einen optimalen Versorgungserfolg zu erzielen. Eine Rehabilitation ist beispielsweise im Rahmen der Cochlea-Implantat (CI)-Versorgung vorgesehen, um das Sprachverstehen und die Lebensqualität im Alltag optimal zu verbessern [1] [2] [3].

Es gibt eine Vielzahl von Rehabilitationsverfahren, die individuell durch die behandelnde Klinik eingeleitet werden können. Für einige medizinische Behandlungen ist es möglich, die Rehabilitation als Anschlussheilbehandlung (AHB) innerhalb von 14 Tagen nach Beendigung des stationären Aufenthalts zu beginnen. Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hat hierzu einen Indikationskatalog für die AHB erstellt [4]. Dieser regelt, für welche medizinischen Eingriffe eine AHB durchgeführt werden kann und welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Nicht für alle medizinischen Eingriffe ist eine AHB vorgesehen. Der AHB-Indikationskatalog wird regelmäßig überarbeitet und ggf. ergänzt.

Im Folgenden sollen die Schritte des Verfahrens zur Aufnahme einer bisher nur als Heilverfahren möglichen Rehabilitationsmaßnahme in den AHB-Indikationskatalog am Beispiel der Hörrehabilitation nach CI-Operation (CI-Rehabilitation) erläutert werden.

Die Versorgung von Patienten mit einer hochgradigen Schwerhörigkeit oder Taubheit mit einem CI ist in Deutschland mittlerweile ein standardisierter Prozess. Mit der 2020 aktualisierten „Leitlinie Cochlea-Implantat-Versorgung“ (017–071; AWMF) [1] wurde die Grundlage für die Erstellung des „Weißbuchs Cochlea-Implantat-Versorgung Deutschland“ der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie (DGHNO-KHC) [3] geschaffen. Beide Dokumente dienen als Basis für die Einführung des „Deutschen Cochlea-Implantat-Registers“ (DCIR) [5] [6] und des Zertifizierungsprogramms zur „Cochlea-Implantat-versorgenden Einrichtung“ (CIVE) [7].

Die Entwicklung von qualitätsgesicherten Diagnose- und Therapiestandards umfasst auch die kontinuierliche Einbeziehung neuer Entwicklungen und Fortschritte. Dies schließt insbesondere auch Verfahrensänderungen ein, die sich aus Verbesserungen der Behandlungsabläufe ergeben. Ein Beispiel hierfür ist die Weiterentwicklung der chirurgischen Zugänge im Rahmen der CI-Operation. Durch die fortschreitende Minimierung des chirurgischen Zugangs und der daraus resultierenden Beschleunigung der postoperativen Heilungszeit ergeben sich potenzielle Veränderungen in den nachfolgenden Behandlungsschritten. Am Beispiel des CI ergibt sich aus der deutlich geringeren postoperativen Schwellung die Möglichkeit einer früheren Anpassung des CI-Prozessors und damit auch eines früheren Beginns der Basis- und Folgetherapie sowie der CI-Rehabilitation. Bisher war es gängige klinische Praxis, etwa 4–6 Wochen nach der CI-Operation mit der Basistherapie zu beginnen. Durch die Optimierung der Implantationstechnik ist es nun möglich, bereits wenige Tage nach dem chirurgischen Eingriff mit der Basistherapie zu beginnen. In vorangegangenen Studien konnten die Autoren daraus das Konzept des „early fitting“ (Frühanpassung) ableiten und auch bereits Langzeitdaten zu diesem Konzept publizieren [8] [9] [10].

Im Hinblick auf die in der AWMF-Leitlinie und im CI-Weißbuch hinterlegten Prozessabläufe existieren derzeit keine präzisen zeitlichen Vorgaben in Bezug auf den Beginn der Basis- und Folgetherapie. Eine Veränderung des Zeitpunkts dieser Maßnahmen ist damit formal leitlinien- und Weißbuch-konform.

Durch die frühzeitige Anpassung des CI-Prozessors, d. h. den Beginn der Basistherapie bereits wenige Tage nach der Implantation, ergibt sich die Möglichkeit, auch die Rehabilitation zu einem früheren Zeitpunkt zu beginnen und dadurch eine AHB formal überhaupt erst möglich zu machen. Bisher war eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme nur als Heilverfahren möglich, die der Kostenzusage durch den zuständigen Kostenträger unterliegt und mit einem aufwendigen Genehmigungsverfahren verbunden ist. Die Beantragung einer stationären Rehabilitation war daher oft mit einem hohen administrativen Zeitaufwand sowohl für den Antragsteller als auch für den Kostenträger und zudem mit Unsicherheiten hinsichtlich des Bewilligungsergebnisses verbunden. Mit der Einführung der Frühanpassung (Beginn der Basistherapie in den ersten Tagen nach der Operation) eröffnete sich die Möglichkeit für die Folgetherapie, die nachfolgende Hörrehabilitation nicht als klassisches stationäres Heilverfahren, sondern als AHB zu konzipieren. Eine AHB ist definiert als eine Rehabilitationsmaßnahme, die unmittelbar oder zumindest in einem sehr engen zeitlichen und damit ursächlichen Zusammenhang mit einer stationären Krankenhausbehandlung steht. Dabei ist ein Zeitraum von maximal 14 Tagen nach Entlassung aus dem Krankenhaus bis zum Beginn der Rehabilitationsmaßnahme obligatorisch. Eine AHB kann grundsätzlich stationär oder ganztägig ambulant in einer von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) dafür zugelassenen Rehabilitationseinrichtung durchgeführt werden [4]. Anforderungen an eine AHB-Rehaeinrichtung finden sich im Anforderungsprofil für stationäre Einrichtungen zur medizinischen Rehabilitation mit Zulassung zum AHB-Verfahren der DRV [11].

Um die prinzipielle Machbarkeit einer vorgezogenen Folgetherapie zu überprüfen, wurde 2019 in Zusammenarbeit mit der MEDIAN Kaiserberg-Klinik Bad Nauheim, der DRV Bund und DRV Hessen, der Knappschaft Bahn/See sowie der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) eine Pilotstudie initiiert. Patienten, die in der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde der Universitätsmedizin Frankfurt mit einem CI versorgt wurden und dort eine Frühanpassung erhalten hatten, wurden innerhalb von 14 Tagen nach Entlassung aus der stationären Therapie einer weiterführenden Behandlung im Rahmen der stationären CI-Rehabilitation in der Kaiserberg-Klinik in Bad Nauheim zugeführt. Dieser Ablauf sollte modellhaft den Prozess einer AHB simulieren. Insgesamt wurden 75 Patienten in die Studie eingeschlossen. 54 Patienten wurden innerhalb von 14 Tagen, analog zu einer AHB, zur stationären Rehabilitation aufgenommen. Die übrigen Patienten wurden als Kontrollgruppe nach Durchlaufen des bisher üblichen Antragsverfahrens und hierdurch bedingter zeitlicher Verzögerung einer stationären Rehabilitation zugeführt. Die hierzu erhobenen Daten wurden inzwischen ebenfalls publiziert [12].

Aufgrund der oben beschriebenen Vorarbeiten erfolgte im September 2024 die Aufnahme der CI-Rehabilitation in den bundesweit gültigen AHB-Katalog. Durch diese Aufnahme ist es den HNO-Kliniken nun möglich, über den Sozialdienst der klinischen Einrichtung innerhalb von 2 Wochen nach der Implantation eine stationäre AHB einzuleiten. Die Aufnahme in den AHB-Katalog wird in Zukunft zu einer erheblichen Verbesserung der Verfahrensabläufe durch eine entsprechende Entbürokratisierung des Antragsverfahrens führen. Darüber hinaus wird eine Rechtssicherheit für die betroffenen Patienten erreicht, da nach Aufnahme in den AHB-Katalog sowohl bei gesetzlich als auch bei privat Versicherten – vorbehaltlich der gegebenen medizinischen Voraussetzungen – nur noch die sozialversicherungsrechtlichen Voraussetzungen geprüft werden. Ein individueller Antrag auf Kostenübernahme muss damit nicht mehr gestellt werden. Die Aufnahme der CI-Rehabilitation in den AHB-Katalog stellt somit einen echten Meilenstein in der Folgetherapie zur Verbesserung der Prozessabläufe für alle zukünftig mit einem CI versorgten Patienten in Deutschland dar. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollen die dafür notwendigen Vorarbeiten und der formale Ablauf dargestellt werden, da diese modellhaft auch auf andere Bereiche der HNO-Heilkunde übertragen werden können.


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Definition einer Anschlussheilbehandlung

Bei einer AHB handelt es sich um eine Rehabilitationsmaßnahme, die unmittelbar oder in einem engen medizinischen und zeitlichen Zusammenhang an eine stationäre Krankenhausbehandlung eingeleitet wird. Dabei ist ein Zeitraum von maximal 14 Tagen nach der Krankenhausentlassung bis zum Beginn der Rehabilitationsmaßnahme einzuhalten. Eine AHB kann stationär oder ganztägig ambulant an einer hierfür geeigneten Rehabilitationseinrichtung durchgeführt werden [4]. Über den AHB-Indikationskatalog der Deutschen Rentenversicherung (DRV) ist definiert, an welche medizinischen Behandlungen eine Rehabilitation als AHB angeschlossen werden kann und welche Voraussetzungen erfüllt werden müssen.

Vor Einleitung einer AHB muss der behandelnde Arzt in der Klinik die Eignung des Patienten für eine AHB prüfen. Sind die Voraussetzungen erfüllt, dann erfolgt die Antragstellung über den Sozialdienst der Klinik (AHB-Antrag, Formular G0250) [4]. Wichtig ist auch eine frühzeitige Kontaktaufnahme mit der Rehaklinik, am besten noch vor der Operation, damit dort zeitgerecht ein Platz reserviert werden kann.


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Etablierung einer AHB am Beispiel der CI-Versorgung

Im Folgenden sollen die Schritte und Vorarbeiten dargestellt werden, die zur Aufnahme der CI-Rehabilitationsmaßnahme in den AHB-Indikationskatalog geführt haben.

Prozess der CI-Versorgung

Das CI ist eine etablierte Behandlungsmethode für hochgradig schwerhörige bzw. gehörlose Patienten [13]. Um ein einheitliches Vorgehen für die CI-Versorgung sicherzustellen, wurde der Versorgungsprozess in Form einer Leitlinie beschrieben [1] [3]. Ziel ist es hierbei, bundesweit ein einheitlich hohes Qualitätsniveau für alle mit CI versorgten Patienten zu erreichen.

Der CI-Versorgungsprozess gemäß der Leitlinie „CI-Versorgung“ [1] [3] wurde bereits an anderer Stelle ausführlich beschrieben [14]. Nach der Indikationsstellung erfolgt die CI-Operation, gefolgt von der Basistherapie. Diese umfasst die Erstaktivierung des CI-Prozessors sowie die Einleitung audiologischer, hör- und sprachtherapeutischer Maßnahmen und medizinischer Kontrollen. Ziel der anschließenden Folgetherapie ist die vollumfängliche Nutzung des Implantatsystems. Sie beinhaltet ebenfalls audiologische, hör- und sprachtherapeutische Maßnahmen sowie medizinische Kontrollen. Nach Abschluss der Folgetherapie erfolgt eine lebenslange Nachsorge, um die bestmögliche Nutzung der CI-Versorgung dauerhaft zu gewährleisten. Die technische Nachsorge kann durch die CI-versorgende Einrichtung an kooperierende Einrichtungen delegiert werden. Laut der 2020 aktualisierten CI-Leitlinie wird eine Rehabilitationsmaßnahme empfohlen, die Teil der Basis- oder Folgetherapie sein kann [3].


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Rehabilitation im Rahmen einer CI-Versorgung

Gemäß der Leitlinie „CI-Versorgung“ [3] ist die Durchführung einer CI-Rehabilitation Teil des Standardvorgehens. Der hör- und sprachtherapeutische Anteil der Folgetherapie kann unter HNO-ärztlicher Leitung an der CI-versorgenden Einrichtung (HNO-Klinik) oder auch an einer kooperierenden Rehabilitationseinrichtung erfolgen. Das Ziel einer Rehabilitationsmaßnahme bei Erwachsenen ist neben der vollumfänglichen Nutzung des CI besonders auch die berufliche und gesellschaftliche Inklusion auf Grundlage der mit dem CI verbesserten lautsprachlichen Kommunikation [3].

In einer vorausgegangenen Arbeit von Zeh & Baumann (2015) [15] wurde der Effekt einer stationären Rehabilitationsmaßnahme quantitativ untersucht. Hierzu wurden retrospektiv audiometrische Daten standardisierter Hörtests von 1355 CI-Trägern ausgewertet. Die Daten wurden bei Aufnahme und Entlassung der 3–5-wöchigen stationären Hörtherapie verglichen. Die Ergebnisse zeigten, dass Patienten infolge der Rehabilitationsmaßnahme im Durchschnitt eine Verbesserung ihres Sprachverstehens um 20 Prozentpunkte erreichten. Dieser Effekt war unabhängig vom Alter der Patienten. Die Studienergebnisse konnten zeigen, dass alle Patienten auch unabhängig von der Dauer der Taubheit oder der CI-Nutzungsdauer von einer stationären Rehabilitationsmaßnahme profitierten. Die (stationäre) CI-Rehabilitation ist somit ein wissenschaftlich validierter Teil der CI-Versorgung, der wesentlich zur optimalen Nutzung des CI-Systems beiträgt. Derzeit gibt es allerdings kein einheitliches Konzept zur Struktur der Rehabilitation nach einer CI-Versorgung, sodass die Rehabilitation stationär, ambulant, teilstationär oder in Blockwochen erfolgt. Wissenschaftliche Daten mit größeren Patientenkohorten liegen in Deutschland derzeit allerdings nur für die stationären Rehabilitationsmaßnahmen nach CI-Versorgung vor. Über andere Rehabilitationskonzepte, z. B. über die vielerorts durchgeführten Rehamaßnahmen im Rahmen von mehreren kurzen Blöcken, liegen keine vergleichbaren Daten zur Effizienz vor.

Bisher musste eine stationäre Rehabilitation als Heilverfahren durchgeführt werden, und dafür war ein individueller Antrag (Formular G100) beim Kostenträger notwendig. Je nach Bundesland und Fachkenntnis des Sachbearbeiters variierte die Ablehnungsrate, besonders bei erwachsenen Patienten, erheblich. Häufig waren Widersprüche, Gutachten oder sogar Gerichtsverfahren nötig, um eine Genehmigung zu erhalten. Dies führte zu langen Wartezeiten und hohem Aufwand für die Patienten [16].


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Voraussetzungen für die Etablierung einer CI-AHB

Damit die CI-Rehabilitation in den AHB-Katalog aufgenommen werden konnte, mussten zunächst die notwendigen Voraussetzungen zur Durchführung einer Frührehabilitation geschaffen werden. Dazu wurden Versorgungsprozesse und -strukturen angepasst bzw. neu etabliert.

Frühe Anpassung des CI-Prozessors als Voraussetzung für die Durchführung einer CI-Rehabilitation als AHB

Bislang wurde die Basistherapie, die die Erstaktivierung des CI-Systems einschließt, ca. 4–6 Wochen nach der CI-Operation durchgeführt, um zu gewährleisten, dass der Einheilungsprozess des Implantats und die Wundheilung abgeschlossen sind [17] [18]. Somit konnte die Rehabilitation bisher nicht innerhalb von 2 Wochen nach dem stationären Aufenthalt zur Operation begonnen werden. Dies ist jedoch unabdingbare Voraussetzung für die Durchführung einer Rehabilitationsmaßnahme als AHB.

Durch Verbesserungen der Operationstechniken (z. B. Small-Incision-Technik [19]) konnten die operativen Zugänge verkleinert werden, was wiederum zu einer Reduktion der postoperativen Schwellung führte. Durch kleinere und damit schneller verheilende Wunden wurde erst die deutlich frühere Aktivierung des CI-Prozessors, schon bereits wenige Tage nach der CI-Operation, ermöglicht.

Die grundsätzliche Machbarkeit einer Frühaktivierung des CI-Prozessors und deren Sicherheit wurden bereits im Rahmen von früheren Untersuchungen belegt [8] [9] [10]. Es konnte damit gezeigt werden, dass die Wartezeit zwischen CI-Operation und Erstaktivierung des CI-Prozessors durch die frühe Anpassung innerhalb von 3 Tagen (Median) nach OP im Vergleich zur Aktivierung nach der Standardeinheilungszeit (28 Tage, Median) deutlich verkürzt werden konnte. Es wurden keine Wundheilungsstörungen oder schweren Komplikationen beobachtet. Es konnte gezeigt werden, dass die Frühanpassung keinen medizinischen oder hörtherapeutischen Nachteil für Patienten bietet, aber im Gegenteil einen früheren Beginn der CI-Rehabilitation ermöglicht.

Es ist allerdings notwendig, dass die Erstaktivierung des CI-Systems als Teil der Basistherapie in der CI-versorgenden Einrichtung (HNO-Klinik) durchgeführt wird. Nicht jeder Patient ist automatisch geeignet für eine frühe Aktivierung des CI-Prozessors. Vor Erstaktivierung sind eine medizinische Beurteilung (u. a. ausreichende Wundheilung) sowie eine audiologische Prüfung der Machbarkeit (u. a. ausreichende Kopplung zwischen CI-Prozessor und Implantat) daher zwingend notwendig.

Die frühe Aktivierung des CI-Systems wenige Tage nach der Operation ermöglicht den Übergang von der Basistherapie (Erstanpassungsphase) zur Folgetherapie innerhalb von 2 Wochen nach dem stationären Aufenthalt zur CI-Operation. Dadurch kann auch der Beginn der CI-Rehabilitation bereits innerhalb von 2 Wochen nach Entlassung aus dem stationären Aufenthalt erreicht werden. Die frühe Aktivierung des CI-Systems legt somit den Grundstein zur Durchführung einer CI-Rehabilitation als eine Anschlussrehabilitation (AHB).


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Untersuchung der Machbarkeit einer CI-Rehabilitation als AHB

Im nächsten Schritt wurden die Machbarkeit und Sicherheit einer CI-Frührehabilitation als AHB in einem Pilotprojekt [12] untersucht. Ermöglicht wurde dies durch eine Kooperation zwischen der HNO-Universitätsklinik Frankfurt, der MEDIAN Kaiserberg-Klinik Bad Nauheim und verschiedenen Kostenträgern (Deutsche Rentenversicherung [DRV] Bund, DRV Hessen, Knappschaft Bahn/See, Deutsche Angestellten-Krankenkasse [DAK]). Durch eine wesentliche Vereinfachung des Beantragungsprozesses für eine CI-Rehabilitation konnte die Wartezeit für die Aufnahme in die Rehaeinrichtung deutlich verkürzt werden.

Im Rahmen der Studie wurde gezeigt, dass die Wartezeit auf den Rehabilitationsbeginn durch die sehr früh eingeleitete Rehabilitationsmaßnahme auf im Mittel 14 Tage (Min. 8/Max. 23 Tage) verkürzt werden konnte, während die Patienten nach dem bisherigen Beantragungsverfahren im Mittel 106 Tage (Min. 35/Max. 520 Tage) auf den Beginn der Rehabilitation warten mussten. In [Abb. 1] sind die CI-Basistherapie und der Rehabilitationsprozess für beide Studiengruppen schematisch dargestellt.

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Abb. 1 Schematische Darstellung der CI-Basistherapie und des Rehabilitationsprozesses. Oben: Stationäre Frührehabilitation im Anschluss an die Erstanpassungsphase (Interventionsgruppe). Unten: Stationäre Rehabilitation nach Standardbeantragungsprozedere (Kontrollgruppe).

92,6 % der Patienten konnten die sehr frühe CI-Rehabilitation innerhalb von 14 Tagen antreten. Diese Patienten haben die Rehabilitationsmaßnahme im Durchschnitt 7 Wochen nach der CI-Operation abgeschlossen. Der Rehabilitationsaufwand war dabei vergleichbar zum bisherigen Rehabilitationsverfahren. Weiterhin konnte eine vergleichbare Entwicklung des Sprachverstehens nach sehr frühem Rehabilitationsbeginn und nach Standardprozedere gezeigt werden.

Mit der Pilotstudie zum Konzept einer stationären CI-Frührehabilitation konnte gezeigt werden, dass diese als Anschlussrehabilitation (AHB) machbar und sicher ist. Der entscheidende Vorteil dieses Rehabilitationskonzepts ist, dass es eine deutliche Verkürzung der Wartezeit auf den Rehabilitationsbeginn ermöglicht. Dies führt zu einer zeitnahen Verbesserung des Sprachverstehens und zu einer früheren Wiedereingliederung in Arbeit und Alltag des Patienten.


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Einführung der CI-Rehabilitation als AHB

Im September 2024 wurde nach Prüfung der Ergebnisse der Pilotstudie durch den Medizinischen Dienst die CI-Rehabilitation in den Indikationskatalog der AHB aufgenommen [4]. Dadurch kann das Genehmigungsverfahren jetzt deutlich vereinfacht und beschleunigt werden.

Voraussetzung für die Durchführung einer AHB ist eine Prüfung der Eignung des CI-Patienten für ein solches Rehabilitationsverfahren durch den behandelnden Arzt. Die wesentliche Grundlage hierfür ist die HNO-fachärztliche Beurteilung der Operationswunde, des Implantatlagers in Bezug auf die postoperative Schwellung der Kopfhaut sowie des Vorliegens von Komplikationen, wie z. B. neurootologischen Beeinträchtigungen (Schwindel, Tinnitus oder Verlust des Restgehörs), Hirnnervenfunktionsstörungen (Fazialisparese) oder anderen kraniozervikalen Funktionsstörungen. Weitergehend ist auch die kognitive und psychosoziale Rehabilitationsfähigkeit zu überprüfen. Diese „Freigabe“ zur Rehabilitation erfolgt durch den CI-spezialisierten HNO-Facharzt der CIVE im Rahmen der CI-Basistherapie. Diese für die Gewährleistung der Versorgungsqualität relevante und nicht delegierbare Aufgabe der CIVE ist bereits seit 2020 Inhalt der geltenden CI-Leitlinie der AWMF [1]. Weiterhin muss vor Beginn der AHB-Maßnahme die Erstanpassung des CI-Prozessors als Teil der Basistherapie in der CIVE erfolgt sein [4].

Die CI-Frührehabilitation als AHB kann als Schnell- beziehungsweise Direkteinleitungsverfahren über den Sozialdienst der implantierenden Klinik beantragt werden. Dies erfolgt während des stationären Aufenthalts nach CI-OP. Übersendet werden der AHB-Antrag (Formular G0250) und der ärztliche Teil des Befundberichts (Formular G0260).

Der Sozialdienst wählt auch die Rehabilitationsklinik aus, in der die AHB durchgeführt werden soll. Damit dort zeitgerecht ein Platz innerhalb der 14 Tage reserviert werden kann, sollte bereits vor der Implantation, am besten bei Festlegung des OP-Termins, mit den Patienten besprochen werden, ob eine AHB gewünscht wird. Wenn dies der Fall ist, sollte die Rehaklinik unmittelbar informiert werden, damit gewährleistet werden kann, dass innerhalb von 14 Tagen nach Entlassung auch tatsächlich ein Platz zur Verfügung steht.

Der entscheidende Vorteil der Durchführung der CI-Rehabilitation als AHB unmittelbar nach erfolgter Basistherapie ist die deutliche Verkürzung der Wartezeit zwischen CI-OP und Rehabilitationsmaßname. Dies ermöglicht Patienten eine deutlich frühere Verbesserung ihres Hörvermögens und ihres Sprachverstehens. Neben diesen offensichtlichen Vorteilen für Patienten ist auch der positive gesundheitsökonomische Effekt zu berücksichtigen. Die frühere Hörverbesserung durch die zeitnahe AHB ermöglicht ebenfalls eine frühere Wiedereingliederung in eine berufliche Tätigkeit. Zudem ist das Beantragungsverfahren bzw. die Einleitung einer CI-Rehabilitation als AHB durch das Direkteinleitungsverfahren im Vergleich zum bisherigen Beantragungsprozess administrativ deutlich einfacher. Hierdurch werden zeitliche Ressourcen und damit Kosten bei allen Beteiligten eingespart.

Die Aufnahme der CI-Rehabilitation in den AHB-Katalog zielt nicht darauf ab, die bisherigen Rehabilitationskonzepte zu ersetzen, sondern diese zu ergänzen. Dieses Konzept ermöglicht zwar prinzipiell jedem Patienten eine frühe CI-Rehabilitation in Abhängigkeit von individuellen Voraussetzungen, es gilt aber zu beachten, dass nicht jeder Patient für eine AHB geeignet ist. Beispielsweise kann es infolge der CI-Operation zu ausgeprägten postoperativen Schwellungen kommen, die eine technische Anpassung des CI-Prozessors stark beeinträchtigen oder sogar die Integrität des Implantats und die Gesundheit des Patienten gefährden (z. B. Hautnekrose, Infektion oder Gefahr des Implantatverlusts). In einigen Fällen kann es durchaus mehrere Wochen dauern, bis die Schwellung ausreichend abgeklungen ist, bevor der CI-Prozessor aktiviert und angepasst werden kann. Die individuelle Eignung eines Patienten für eine CI-AHB muss daher zwingend durch den HNO-Arzt der CIVE im Rahmen der Basistherapie (Erstanpassung) geprüft werden. Die Erstaktivierung des CI-Systems und die Beurteilung zur Einleitung der geeigneten Rehabilitationsmaßnahme sind zentraler Anteil der Basistherapie und daher eine nicht delegierbare Aufgabe der CIVE.


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Ausblick

Die Umsetzung einer CI-Rehabilitation als AHB erfordert eine Reihe struktureller Voraussetzungen. Zum einen muss die Rehabilitationseinrichtung dem Anforderungsprofil der DRV genügen und eine CI-Rehabilitation als stationäres oder ganztägig ambulantes Konzept anbieten können. Zum anderen muss eine entsprechende Zulassung der DRV zur Durchführung der Rehabilitation als AHB gemäß des Anforderungsprofils vorliegen [11]. Des Weiteren sind sowohl Anpassungen im Prozess der Einleitung der Rehabilitationsmaßnahme seitens der CIVE notwendig (z. B. Kontaktaufnahme mit der Rehaklinik und Vormerkung eines Aufnahmetermins bereits vor der OP, Einschalten des Sozialdienstes der Klinik während des stationären Aufenthaltes zum Ausfüllen des AHB-Formulars) als auch in den Rehabilitationseinrichtungen. Hierzu müssen beispielsweise sehr kurzfristig Rehabilitationsplätze für geeignete Patienten von der Rehaeinrichtung zur Verfügung gestellt werden können.

Bislang existiert eine Kostensicherung für die Durchführung einer AHB nur für Versicherte, bei denen die DRV Kostenträger für die Rehamaßnahme ist. In der Regel schließen sich aber die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und Unfallversicherungen sowie die Beihilfestellen dem AHB-Katalog der DRV an. In Einzelfällen (wenn z. B. unklar ist, wer Kostenträger ist) kann eine Rücksprache mit dem Kostenträger aber sinnvoll sein.

Ein besonderer Vorteil ist die AHB für privat Krankenversicherte: Stationäre Rehamaßnahmen, die nicht im AHB-Katalog der DRV gelistet sind, werden von privaten Krankenversicherungen (PKV) oft als „Sanatoriumsbehandlung“ bewertet, und die Kostenübernahme wird abgelehnt. Wenn die Rehamaßnahme aber im AHB-Katalog gelistet ist, wird die Rehamaßnahme als „Krankenhausbehandlung“ angesehen, und die PKV übernimmt i. d. R. die Kosten. Ausnahmen können hier aufgrund von individuellen Vertragsgestaltungen (z. B. Ausschlussklauseln) für einige PKV-Versicherte bestehen.

Zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels ist damit eine CI-Rehabilitation als AHB für alle Patienten gesichert, bei denen die DRV Kostenträger ist. Bei anderen Kostenträgern ist die Kostenübernahme der AHB zwar formal noch nicht gesichert, aber eine Ablehnung ist i. d. R. nicht zu erwarten, da es als Konsens gilt, dass der AHB-Indikationskatalog von allen Rehaträgern übernommen wird.

Die Strukturveränderung befindet sich damit aktuell in einer Übergangsphase, bis die notwendigen organisatorischen und strukturellen Prozesse bei allen im Prozess Beteiligten, d. h. insbesondere den Kostenträgern, vollständig angepasst sind. Dies wird die unabdingbare Voraussetzung dafür sein, dass die Vorteile des AHB-Verfahrens tatsächlich allen Patienten, unabhängig vom individuellen Kostenträger, zugutekommen.

Perspektivisch sollte die Aufnahme der CI-Rehabilitation in den Katalog der AHB, und damit das Konzept einer frühen CI-Rehabilitation, auch Eingang in die zukünftige Überarbeitung der CI-Leitlinie und des CI-Weißbuchs finden. Zudem sollte in weiterführenden Studien eine wissenschaftliche Auswertung der psychosozialen und ökonomischen Effekte erfolgen, wie beispielsweise Auswirkungen auf die Lebensqualität oder die Berufsfähigkeit.

Das Konzept der AHB könnte zukünftig auch auf andere Bereiche der HNO, wie Rehabilitationsmaßnahmen nach Hörsturz oder Schwindel, Anwendung finden. Hierzu sind, wie in diesem Beitrag gezeigt, allerdings umfangreiche wissenschaftliche Vorarbeiten erforderlich.

Durch die Aufnahme der CI-Rehabilitation in den AHB-Katalog ergeben sich für neu mit einem CI versorgte Patienten oder für Patienten nach einer Revisionsoperation erhebliche Vorteile. Bei gegebener medizinischer und audiologischer Indikation wird durch die Kombination mit einer Frühanpassung eine erhebliche Beschleunigung des Versorgungsprozesses erreicht. Dies bedingt eine Vereinfachung der erforderlichen administrativen Abläufe. In Summe stellt die Aufnahme der CI-Rehabilitation in den AHB-Katalog daher sowohl für die Kostenträger, die CI-versorgenden Einrichtungen (HNO-Kliniken), die Rehabilitationseinrichtungen, aber besonders für die Patienten eine erhebliche Verbesserung der mit einer CI-Versorgung einhergehenden Prozesse dar.


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Zusammenfassung

  • CI-Rehabilitation als AHB seit 09/2024 nach jeder CI-Operation möglich.

  • Voraussetzung:

    • CI-Rehabilitation kann innerhalb von 14 Tagen nach stationärem Klinikaufenthalt begonnen werden,

    • (frühe) Anpassung des CI-Prozessors ist erfolgt und

    • Eignung des Patienten zur AHB ärztlicherseits (CIVE) bestätigt.

  • Eine AHB wird über den Sozialdienst der CIVE eingeleitet.

  • Die Rehaeinrichtung muss über Organisationsstrukturen verfügen, die eine CI-Rehabilitation als AHB ermöglichen:

    • stationär oder ganztägig ambulantes Konzept.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Wir danken der DRV Bund und der DRV Hessen sowie der Knappschaft Bahn/See und der Deutschen Angestellten Kasse (DAK) für die Unterstützung des Pilotprojekts zum „Frankfurter Konzept einer stationären Cochlea-Implantat-Frührehabilitation“. Weiterhin bedanken wir uns bei allen Patienten für die Studienteilnahme.


Correspondence

Dr. rer. med. Stefanie Bruschke
Goethe-Universität Frankfurt
Universitätsmedizin Frankfurt
Klinik für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde
Theodor-Stern-Kai 7
60590 Frankfurt am Main
Deutschland   

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
05. Mai 2025

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Fig. 1 Schematic representation of basic CI therapy and the rehabilitation process; top: inpatient early rehabilitation following the initial adaptation phase (intervention group); bottom: inpatient rehabilitation following the standard application procedure (control group).
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Abb. 1 Schematische Darstellung der CI-Basistherapie und des Rehabilitationsprozesses. Oben: Stationäre Frührehabilitation im Anschluss an die Erstanpassungsphase (Interventionsgruppe). Unten: Stationäre Rehabilitation nach Standardbeantragungsprozedere (Kontrollgruppe).