physioscience 2025; 21(03): 143-145
DOI: 10.1055/a-2566-8585
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Leitlinie der Extracorporeal Life Support Organization zur frühen Rehabilitation bzw. Mobilisation erwachsener Patient*innen unter extrakorporaler Membranoxygenierung

Extracorporeal Life Support Organization 2024 Guideline for Early Rehabilitation or Mobilization of Adult Patients on Extracorporeal Membrane OxygenationContributor(s):
Frauke Johannes
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Zusammenfassung

Hintergrund

Zahlreiche Fachgesellschaften empfehlen eine Frührehabilitation oder -mobilisation für kritisch kranke Patient*innen [1] [2], diese kann mit einer Reduktion der Intensive Care Unit-Aquired Weakness (ICU-AW), verbesserten kognitiven und funktionellen Erholung sowie gesteigerter Muskelkraft einhergehen [3]. Patient*innen mit extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO) stellen aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung eine besondere Herausforderung dar: Bei dieser besonders vulnerablen Gruppe von Patient*innen ist die sorgfältige Abwägung von Risiken und potenziellem Nutzen einer Frührehabilitation bzw. -mobilisation eine anspruchsvolle, aber entscheidende Aufgabe. Trotz begrenzter Studienlage zeigen aktuelle Daten, dass eine Mobilisation unter ECMO möglich und sicher ist, insbesondere bei geeigneter Auswahl der Patient*innen und interprofessioneller Zusammenarbeit [4] [5].


Ziel

Ziel der Arbeit von Ramsey et al. war es, eine evidenzbasierte und praxiserprobte Empfehlung für die Frührehabilitation bzw. -mobilisation von erwachsenen Patient*innen mit ECMO bereitzustellen. Die Leitlinie wurde im Auftrag der Extracorporeal Life Support Organization (ELSO) entwickelt, richtet sich an interprofessionelle Teams und soll helfen, strukturierte, risikominimierende Konzepte umzusetzen.


Methode

Zur Erarbeitung von Empfehlungen zur Frührehabilitation bzw. -mobilisation von Patient*innen mit ECMO wurde eine Literaturrecherche in den Datenbanken MEDLINE, SCOPUS und EMBASE zwischen Januar 2009 und August 2024 durchgeführt. Die daraus abgeleiteten Empfehlungen basieren auf einer evidenzbasierten Zusammenfassung und wurden unter Einbezug relevanter Fachgruppen sowie einer überlebenden Patientin mit ECMO entwickelt.


Ergebnisse

Interprofessionelles Team

Die Frührehabilitation bzw. -mobilisation erfordert ein geschultes und erfahrenes interprofessionelles Team, das aus Physiotherapie/Rehabilitationsexpert*innen, Intensivpflegefachpersonen, ECMO-Spezialist*innen, Ärzt*innen und Atemtherapeut*innen bestehen kann. Jede Person bringt ihr spezifisches Fachwissen ein und muss mit der ECMO-Therapie vertraut sein. Vor Mobilisationen sind interdisziplinäre Besprechungen notwendig, um Sicherheitsaspekte und Ablauf zu klären und um Verantwortlichkeiten klar zu definieren.


Stufenweise Mobilisation

Rehabilitationsmaßnahmen erfolgen gestuft und reichen von passiven Bewegungsübungen im Bett bis hin zur aktiven Mobilisation und Gehtraining. Der Fortschritt hängt von der Toleranz und Stabilität der behandelten Person ab, jede Aktivität muss kontinuierlich überwacht werden.

  • Stufe 1: Passive/assistierte Bewegungen im Bett

  • Stufe 2: Aufsetzen am Bettrand

  • Stufe 3: Transfer in den Stuhl

  • Stufe 4: Stehen, Marschieren am Platz, ggf. Gehen mit Hilfsmitteln


Beurteilung der Patient*innen

Bereits vor oder unmittelbar nach der ECMO-Kanülierung kann das interprofessionelle Team den klinischen Zustand der behandelten Person beurteilen, um potenzielle Hindernisse für eine Frührehabilitation bzw. -mobilisation zu identifizieren. Die Bewertung sollte den ECMO-Kreislauf, die medizinische Vorgeschichte, relevante Bildgebung, hämodynamische und andere Vitalparameter sowie Medikamente umfassen.

Vor der Intervention:

Die Kontrolle von Kanülenlage, Vitalparameter, Neurostatus und ECMO-Funktion sind vor jeder Intervention zwingend erforderlich. Weitere vorbereitende Maßnahmen umfassen:

  • Zugang prüfen: Bei Leistenzugang Hüftbeugung zur Stabilitätskontrolle, auch für Patient*innen mit distalen Perfusionskathetern (DPC), bei Kanülierung am Hals gute Fixierung und Überwachung.

  • ECMO-Spezialist*in muss verfügbar sein.

  • Neurokognitive Einschätzung, bei eingeschränkter Mitarbeit passive Mobilisation wie Kipptisch möglich.

  • ECMO-Werte prüfen, ggf. Unterstützung anpassen.

Während der Intervention:

Eine Fachperson übernimmt die Koordination, Aufgabenverteilung und Kommunikation mit der behandelten Person. Es wird nach Protokoll vorgegangen:

  • Mobilisation erfolgt stufenweise gemäß festgelegtem Schema.

  • Kanülenstabilität, Kreislaufparameter und Durchblutung (v. a. bei DPCs) werden regelmäßig geprüft.

  • Patient*innen sollten bis zur höchstmöglichen sicher tolerierbaren Mobilitätsstufe gefördert werden. Ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Reha-Dosis und Verträglichkeit ist essenziell; Umfang und Dauer sollten interprofessionell abgestimmt werden.

Nach der Intervention:

Nach der Intervention müssen alle wichtigen Funktionen erneut geprüft (Kanülen, Kreislauf, Durchblutung) und die ECMO-Werte auf die Ausgangseinstellungen zurückgestellt werden, wenn es sicher ist. Die Reaktion und Belastbarkeit der Patient*innen sollten dokumentiert werden, bei gutem Verlauf von Sitz und Transfer kann ein längeres Sitzen außerhalb des Bettes geprüft und entsprechende Hilfsmittel bereitgestellt werden.

Sicherheit und Toleranz:

Die Frührehabilitation bzw. -mobilisation muss stets individuell angepasst und risikoadaptiert erfolgen. Eine sehr frühe und zu intensive Mobilisation kann zu Arrhythmien, Hypotonie oder Hypoxie führen [4]. Die Dosierung muss mit dem interprofessionellen Team abgestimmt werden. Ggf. ist die Unterstützung des ECMO-Settings anzupassen.


Weitere ECMO-Konfigurationen und mechanische Kreislaufunterstützungssysteme

Auch bei zentralen oder hybriden ECMO-Konfigurationen (z. B. VA-ECMO, V-VA) ist ein interprofessionelles Vorgehen essenziell. Dual-Lumen-Katheter können Mobilisationen erleichtern, bergen aber Risiken wie Dislokation. Vorgehensweisen sollten im Team vor der Mobilisation abgestimmt werden. Bei zusätzlichen mechanischen Kreislaufunterstützungssysteme (z. B. intraaortale Ballonpumpe, perkutane VADs) muss der Rehabilitationsplan individuell angepasst werden. Mobilisation gilt dabei als risikobehaftet, ist aber z. B. mit Kipptisch in Einzelfällen möglich.


Abbruchkriterien (Stopp-Protokoll)

Vor Beginn muss ein Abbruchprotokoll definiert sein, das bei Instabilität oder Komplikationen aktiviert werden kann. Jeder im Team kann den Abbruch einleiten. Aufgaben und Zuständigkeiten müssen klar geregelt sein.


Schulung & Governance

Zentren sollten standardisierte Schulungen inkl. Simulationen zur Mobilisation, Notfallreaktionen und Stopp-Protokollen durchführen. Das Monitoring durch Leistungsindikatoren wie Mobilisationserfolg, Komplikationsrate, Mobilitätsniveau (z. B. ICU Mobility Scale) sowie Rückmeldungen von Patient*innen wird empfohlen.



Schlussfolgerungen

Die Leitlinie empfiehlt die Frührehabilitation bzw. -mobilisation von Patient*innen mit ECMO, wenn deren Zustand es zulässt und ausreichend Ressourcen sowie ein gut geschultes Team vorhanden sind. Obwohl Komplikationen selten sind, sollten präventive Maßnahmen wie eine Mobilitäts-Checkliste, ein Notfallstoppprotokoll und die Befähigung des Personals erfolgen. ECMO-Zentren sollten entsprechende Schulungen und Risikomanagementstrategien umsetzen, um eine sichere Rehabilitation zu gewährleisten.




Publication History

Article published online:
14 August 2025

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