Nervenheilkunde 2025; 44(07/08): 463-468
DOI: 10.1055/a-2569-9671
Schwerpunkt

Zwangsarbeit, Tuberkulose und NS-„Euthanasie“

Die Ermordung von zivilen Zwangsarbeiter:innen in HadamarForced labor, tuberculosis and NS-“euthanasia”The murder of civilian forced laborers in Hadamar
Franziska Schmidt
Gedenkstätte Hadamar
› Author Affiliations
Preview

Zusammenfassung

Der vorliegende Beitrag beleuchtet ein besonderes Kapitel der NS-„Euthanasie“-Verbrechen in den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges. In Hadamar erfolgte durch die Ermordung von tuberkulosekranken Zwangsarbeiter:innen eine bis dato einzigartige Ausweitung der „Euthanasie“-Opfergruppe. Allem voran „rassische Minderwertigkeit“ und „Arbeitsunfähigkeit“ durch körperliche Erkrankungen waren die Gründe für die Ermordung mehrerer Hundert polnischer und sowjetischer Zwangsarbeiter:innen in der ehemaligen Landesheilanstalt Hadamar. An kaum einer anderen Verfolgten- und Opfergruppe wird das tödliche Potenzial der utilitaristischen, rassenhygienischen Gesundheitspolitik des NS-Regimes so deutlich.

Abstract

This article sheds light on a special chapter of Nazi “euthanasia” crimes in the final years of the Second World War. In Hadamar, the murder of forced laborers suffering from tuberculosis led to a hitherto unique expansion of the “euthanasia” victim group. Above all, “racial inferiority” and “inability to work” due to physical illness were the reasons for the murder of several hundred Polish and Soviet forced laborers in the former Hadamar state sanatorium. The deadly potential of the Nazi regime’s utilitarian, racial-hygienic health policy can hardly be seen so clearly in any other group of persecutees and victims.



Publication History

Article published online:
16 July 2025

© 2025. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany

 
  • Literatur

  • 1 George U, Lilienthal G, Roelcke V. et al. Hrsg. Hadamar. Heilstätte, Tötungsanstalt, Therapiezentrum. Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen Quellen und Studien, Bd. 12. Marburg: Jonas; 2006
  • 2 Roer D, Henkel D. Hrsg. Psychiatrie im Faschismus. Die Anstalt Hadamar 1933–1945. 6. Aufl. Frankfurt am Main: Mabuse; 2019
  • 3 Schneider C. Hrsg. Hadamar von innen. Überlebendenzeugnisse und Angehörigenberichte. Berlin: Metropol; 2020
  • 4 Kintner EW. The Hadamar Trial. War Crimes Trials Vol. IV. Edinburgh: William Hodge & Co Ltd; 1949
  • 5 United States Holocaust Memorial Museum. Photo Archives #05484. Courtesy of Rosanne Bass Fulton.
  • 6 Spoerer M. Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz. Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa 1939–1945. Stuttgart, München: Deutsche Verlags-Anstalt; 2001
  • 7 Grewe A. Krankheit als Alltag und Schicksal. Die medizinische Versorgung Zwangsarbeitender in Schleswig-Holstein. In: Danker U, Grewe A, Köhler N. et al. Hrsg. „Wir empfehlen Rückverschickung, da sich der Arbeitseinsatz nicht lohnt“. Zwangsarbeit und Krankheit in Schleswig Holstein 1939–1945. IZRG-Schriftenreihe Band 6. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte; 2001: 43-92
  • 8 Ermittlungen gegen den ehemaligen Präsidenten des Landesarbeitsamtes Hessen, Ernst Kretschmann. Beiakte, HHStA Wi, Abt. 461, Akte 32061, Band 21
  • 9 Kaufmann H, Schulmeyer K. Die polnischen und sowjetischen Zwangsarbeiter in Hadamar. In: Roer D, Henkel D. Hrsg. Psychiatrie im Faschismus. Die Anstalt Hadamar 1933–1945. 6. Aufl.. Frankfurt am Main: Mabuse; 2019: 256-282
  • 10 Hamann M. Die Morde an polnischen und sowjetischen Zwangsarbeitern in deutschen Anstalten. In: Aly G. Hrsg. Aussonderung und Tod. Die klinische Hinrichtung der Unbrauchbaren. Beiträge zur nationalsozialistischen Gesundheits- und Sozialpolitik. Berlin: Rotbuch; 1985: 121-181
  • 11 Jakobczyk M. Das Tuberkuloseproblem bei Zwangsarbeitern in Schleswig-Holstein. In: Danker U, Grewe A, Köhler N. et al. Hrsg. „Wir empfehlen Rückverschickung, da sich der Arbeitseinsatz nicht lohnt“. Zwangsarbeit und Krankheit in Schleswig Holstein 1939–1945. IZRG-Schriftenreihe Band 6. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte; 2001: 243-272
  • 12 Danker U. Einführung ins Thema. Ausgangspunkt, Methode, Fragestellung und Vorgehen. In: Danker U, Grewe A, Köhler N. et al. Hrsg. „Wir empfehlen Rückverschickung, da sich der Arbeitseinsatz nicht lohnt“. Zwangsarbeit und Krankheit in Schleswig Holstein 1939–1945. IZRG-Schriftenreihe Band 6. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte; 2001: 9-26
  • 13 Dahl M. „…werden die Ostarbeiter in Zweifelsfällen erneut auf ihren Arbeitswillen und ihre Arbeitsfähigkeit praktisch überprüft“. Zwangsarbeit und Krankheit aus der Perspektive der staatlichen Behörden sowie der Krankenkassen. In: Danker U, Grewe A, Köhler N. et al. Hrsg. „Wir empfehlen Rückverschickung, da sich der Arbeitseinsatz nicht lohnt“. Zwangsarbeit und Krankheit in Schleswig Holstein 1939–1945. IZRG-Schriftenreihe Band 6. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte; 2001: 102-137
  • 14 Sandner P. Verwaltung des Krankenmordes. Der Bezirksverband Nassau im Nationalsozialismus. Historische Schriftenreihe des Landeswohlfahrtsverbandes Hessen, Hochschulschriften Band 2. Gießen: Psychosozial-Verlag; 2003
  • 15 Hohlmann S. Pfaffenwald. Sterbe- und Geburtenlager 1942–1945. Kassel: Gesamthochschule Kassel Fachbereich 1 und 5; 1984
  • 16 Freiling H. Zwangsarbeit in Kelsterbach 1939 bis 1945. Das Durchgangslager für Zwangsarbeiter aus Osteuropa. 2016
  • 17 Schäfer A. Durchgangs- und Krankensammellager im zweiten Weltkrieg: Schnittstellen zwischen „Arbeit“ und „Vernichtung“ beim Zwangsarbeitseinsatz. In: Frewer A, Siedbürger G. Hrsg. Medizin und Zwangsarbeit im Nationalsozialismus. Einsatz und Behandlung von „Ausländern“ im Gesundheitswesen. Frankfurt am Main: Campus; 2004: 203-230
  • 18 Chroust P, Groß H, Hamann M. et al. Hrsg. „Soll nach Hadamar überführt werden“ Den Opfern der Euthanasiemorde 1939 bis 1945. Katalog der Gedenkausstellung in Hadamar. Frankfurt/Main: Mabuse; 1989
  • 19 Aussagen und Vernehmungen des Personals der Anstalt Hadamar zwischen dem 10. April und 19. September 1945. USA v. Alfons Klein et al., NARA, M1078, Roll I
  • 20 [Anonym]. Przegląd Lekarski 1986; 43, Nr. 1
  • 21 Sterbeverzeichnis-Buch ab 1. April 1944. Hadamar, USA v. Alfons Klein et al., NARA, M1078, Roll II
  • 22 Hauptkrankenbuch 1944. Hadamar, USA v. Alfons Klein et al., NARA, M1078, Roll II
  • 23 Hauptkrankenverzeichnis 01.01.1941–31.03.1943. Dokumentation der Gedenkstätte Hadamar D2/2/1/3 (Kopie)
  • 24 Eintrag im Geburtsregister Hersfeld für Iwan Owtscharuk 619/1944. Arolsen Archives
  • 25 Alphabetisches Verzeichnis Hadamar 1945–1950. LWV-Archiv, B12, Nr. 172
  • 26 Verzeichnis der verliehenen Personal- und Krankenakten Hadamar. LWV-Archiv, B12, Nr. 119
  • 27 Friedrich Diekmann, Bewohnerakte 6659, Bestand Klientenakten, Archiv der Diakonischen Stiftung Wittekindshof
  • 28 Hamann M. Die Ermordung psychisch kranker polnischer und sowjetischer Zwangsarbeiter. In: Aly G. Hrsg. Aktion T4. Die „Euthanasie“-Zentrale in der Tiergartenstraße 4. Berlin: Edition Hentrich; 1987: 161-167
  • 29 Sterbenebenregister Hadamar, HStAM, 912, 8728–8737
  • 30 Zugangsliste ab 1.4.1943, Dokumentation der Gedenkstätte Hadamar D2/2/1/4 (Kopie)
  • 31 Krankenakte von Grigorij Schamrizkij. LWV-Archiv Kassel, K12, Nr. 347
  • 32 Brüchert H. Zwangsarbeit in Wiesbaden. Der Einsatz von Zwangsarbeitskräften in der Wiesbadener Kriegswirtschaft 1939 bis 1945. Wiesbaden: Schriften des Stadtarchivs Wiesbaden; Band 8. 2003