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DOI: 10.1055/a-2578-0268
Jeder Schultag zählt – Schulabsentismus bei psychischen Erkrankungen
- Zusammenfassung
- Einführung
- Definition und Klassifikationen
- Pathogenetische Faktoren
- Diagnostik und Interventionen
- Fazit
- Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
- Literatur
Zusammenfassung
Schüler, die von der Schule fernbleiben, zeigen dieses Verhalten aus verschiedenen Gründen. Diese finden sich in den individuellen Lebensbereichen und in komplexen psychosozialen Faktoren. Schulabsentismus geht nicht selten mit psychischen Störungen einher und ist ein sich entwickelnder Prozess. Deshalb gilt es, eine Chronifizierung durch frühe multidisziplinäre Interventionen zu vermeiden. Ziel ist die Reintegration in die Heimatschule.
Einführung
Am 28.09.1717 wies König Friedrich Wilhelm von Preußen seine Untertanen an, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Damit legte er den Grundstein für die Schulpflicht in Deutschland. Heute ist bekannt, dass mittelbis schwergradiger Schulabsentismus, der oft mit psychischen Störungen einhergeht, mit verschiedenen negativen Outcomes assoziiert ist:
-
Schulabgang ohne Zeugnis (Dropout)
-
niedriges Bildungsniveau
-
Arbeitslosigkeit
-
Delinquenz
-
Gesundheitsrisiken bzw. Risikoverhalten (z. B. Rauchen, Übergewicht etc.) und
-
nicht zuletzt auch psychisches Leiden
Den Oberbegriff Schulabsentismus definiert man allgemein als das Fernbleiben von der Schule [1] und zwar unabhängig von den jeweiligen vielfältigen individuellen Ursachen. Unterschiedliche ursächlich-phänomenologische oder rechtliche Merkmale des Schulabsentismus dienen der weiteren Klassifikation des Begriffs.
Schulabsentismus ist mit dem individuellen Schüler und den komplexen psychosozialen Dimensionen oder Lebensbereichen des Schülers assoziiert: Schule, Lehrer, Peers, Familie etc. Für jeden dieser Bereiche finden sich protektive Faktoren und Risikofaktoren, die den regelmäßigen Schulbesuch beeinflussen. Aus dieser Komplexität entspringt das klinische und wissenschaftliche Interesse verschiedener Disziplinen an dem Thema wie der Psychologie, der Pädagogik, der Soziologie sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. Hieraus resultiert zum einen die Vielzahl von Definitionen und theoretischen Modellen zum Schulabsentismus. Zum anderen erfordert die Tatsache, dass betroffene Schüler der Unterstützung durch verschiedene Berufsgruppen bedürfen, einen multidisziplinären Beratungs- und Therapieansatz auf der Grundlage funktionierender Netzwerke im Hilfesystem.
Definition und Klassifikationen
Schulabsentismus stellt a priori keine psychische Störung dar. Schulabsentismus ist jedoch häufig mit psychischem Leiden und in mittel- bis schwergradigen Fällen auch mit psychischen Störungen assoziiert oder durch eine solche Erkrankung bedingt. Der Oberbegriff Schulabsentismus lässt sich nach Verhalten, Schulrecht, Funktion sowie Fehltagen unterteilen (z. B. [2]).
Klassifikation nach Verhalten
Kategorien, die Schulabsentismus in Hinblick auf Verhalten, aber auch damit einhergehende emotionale Zustände beschreiben, sind Zurückhalten, Schulverweigerung, Schulschwänzen und die gemischte Gruppe.
Zurückhalten (engl.: School Withdrawal)
Fehlzeiten in der Schule können auf der expliziten oder impliziten elterlichen Aufforderung an das Kind beruhen, nicht die Schule zu besuchen. Hier gibt es vielfältige Gründe: religiöse Praktiken, kulturell bedingte negative Haltung gegenüber dem Bildungssystem, Urlaub außerhalb der Ferienzeiten, Verheimlichen von Informationen vor den Mitarbeitenden der Schule (z. B. Kindesmisshandlung oder psychische Erkrankungen), dem Kind übertragene Haushalts-, Pflege- oder sonstige Arbeiten, fehlende elterliche Kontrolle bis hin zur Vernachlässigung. Manchmal wird auch direkt oder indirekt an das Verantwortungsgefühl des Kindes appelliert, z. B. ein psychisch oder somatisch erkranktes Elternteil zuhause nicht alleine zu lassen.
Schulverweigerung (engl.: School Refusal)
Schulverweigerung beschreibt Schüler, die aufgrund von emotionalen Problemen u. a. in Hinblick auf die Schule den Besuch einstellen. Hier stehen internalisierendes, nach „innen“ gerichtetes Verhalten und Emotionen im Vordergrund: Ängste vor Prüfungen, vor sozialen Kontakten, vor Mobbing oder vor der Trennung von den Eltern, psychosomatische Beschwerden, depressive Gefühle, Rückzug etc.
Unter dem Terminus Schulverweigerung subsumiert man außerdem traditionellerweise die Begriffe „Schulangst“ und „Schulphobie“. Schulangst umfasst Prüfungsängste sowie soziale Ängste. Schulphobie beschreibt die Angst der Kinder vor Trennung von den Eltern.
Bei gegebenen Schweregrad der Symptomatik können die entsprechenden psychischen Störungen, z. B. Generalisierte Angststörungen, depressive Störungen, Soziale Phobie etc. diagnostiziert werden. In der Regel wissen die Eltern von der emotionalen Problematik und von dem Fernbleiben aus der Schule und versuchen das Kind zum Schulbesuch zu bewegen. Im häuslichen Rahmen kann es so zu oppositionellem Verhalten kommen, welches in der Regel jedoch nicht außerhalb der Familie gezeigt wird. Einige deutschsprachige Autoren kritisieren den Terminus „Verweigerung“ und ersetzen ihn z. B. durch den Begriff „angstbedingtes Meidungsverhalten“ (z. B. [3]).
Schulschwänzen (engl.: School Truancy)
Unlustbedingtes Fehlen, welches nicht selten mit externalisierendem, nach „außen“ gerichtetem Verhalten und Emotionen einhergeht, wird als Schulschwänzen bezeichnet. Externalisierende Symptome wie oppositionell-regelbrechendes Verhalten, Lügen, Delinquenz, hyperkinetisches Verhalten oder Aggressivität können auftreten. Hyperkinetische Störungen des Sozialverhaltens, Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) oder Anpassungsstörungen mit gestörtem Sozialverhalten sind assoziierte psychiatrische Diagnosen bei mittel- bis schwergradigem Absentismus. Die Eltern wissen in der Regel nichts vom Fernbleiben des Kindes aus der als aversiv empfundenen Schule zugunsten einer angenehmeren Aktivität.
Gemischte Gruppe (engl.: Mixed Group)
In einer großen repräsentativen Studie zu Schulabsentismus und assoziierten Verhaltensauffälligkeiten fanden Egger et al. eine Gruppe von Schülern, die der Schule fernblieben und in- sowie externalisierende Symptome zeigten [4]. Teilweise fehlten die Schüler mit, teilweise ohne das Wissen der Eltern. In der gemischten Gruppe wiesen Egger und Kollegen die höchste Rate an psychischen Störungen nach. Zu den assoziierten Diagnosen gehören z. B. die kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen, Anpassungsstörungen mit Belastungsgefühlen und Problemen im Sozialverhalten.
Diese „holzschnittartige“ Unterteilung des Schulabsentismus in diese 4 Idealtypen findet sich in ähnlicher Art in pädagogischen, soziologischen, psychologischen oder medizinischen Studien zum Thema Schulabsentismus, jedoch mit unterschiedlich nuancierten Definitionen und unterschiedlichen Benennungen [2]. Die Begriffe Schulverweigerung, Schulschwänzen und gemischte Gruppe werden auch unter dem Begriff „Schulvermeidung“ subsumiert.
Zusammenfassend und vereinfachend lässt sich auf der Verhaltensebene von Schulabsentismus bei Zurückhalten, bei internalisierendem Verhalten, bei externalisiertem und gemischt in- und externalisierendem Verhalten sprechen (z. B. [5]).
Die Prävalenz der unentschuldigten Schulvermeidung liegt – je nach untersuchter Stichprobe, Klassifikation und Definition – bei 5–10 % [1].
Klassifikation nach Schulrecht
Vor dem Hintergrund des Schulrechtes unterscheidet man zwischen entschuldigtem und unentschuldigtem Versäumnis. Operationalisierbare Symptome, z. B. eine erhöhte Körpertemperatur, Erbrechen oder Diarrhö, lassen eine relativ klare Einordnung als krankheitsbedingtes und damit entschuldigtes Fehlen zu. Die Einordnung von „Bauchschmerzen“, allgemeiner „Mattheit“ oder „Kopfschmerzen“ kann Eltern jedoch vor Herausforderungen stellen: Somatische oder psychosomatische oder angebliche Erkrankung zur Vermeidung des Schulbesuches? Unabhängig von der Genese beeinflusst hier auch die elterliche Haltung zur Wichtigkeit des Schulbesuches die Entscheidung, eine Entschuldigung auszustellen oder nicht. Auch bei Vorstellung des Kindes beim Haus- oder Kinder- und Jugendarzt können unterschiedliche Bewertungen zu einem Attest führen oder eben nicht.
In der Praxis ist die Differenzierung zwischen illegitimen und legitimen Schulabsentismus nicht trennscharf.
Der Vollständigkeit halber ist des Weiteren der Begriff der Schulsuspendierung zu nennen. Als Disziplinarmaßnahme bedeutet die Suspendierung einen temporären Ausschluss aus der Schule oder vom Unterricht, in der Regel im Rahmen einer Ordnungsmaßnahme.
Aufgrund der Kulturhoheit können sich die Bestimmungen zur Schulpflicht sowie Konsequenzen und Maßnahmen bei Schulabsentismus zwischen den deutschsprachigen Staaten und deutschen Bundesländern unterscheiden. Verstöße gegen die Schulpflicht werden in der Regel als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet. Die praktische Handhabung kann jedoch von Stadt zu Stadt oder Schule zu Schule variieren.
Klassifikation nach Funktion
Kearney fokussiert auf die behaviorale Sicht des Schulabsentismus [6]. Im Rahmen der Entwicklung eines Fragebogens postulieren die Autoren 4 lerntheoretische Funktionen des Fernbleibens von der Schule, die sich aus den positiven bzw. negativen Konsequenzen des Absentismus ergeben:
-
Die erste Funktion bezieht sich auf Schüler, die dem Unterricht fernbleiben, um negativen Affekten (z. B. deprimierte Stimmung, Frustrationen) aus dem Weg zu gehen.
-
Bewertungssituationen in der Schule zu vermeiden, stellt eine andere Funktion dar. Als Beispiel lassen sich hierfür soziale Ängste nennen.
-
Eine weitere Funktion beschreibt die Schüler, denen aufgrund ihres Fernbleibens vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt wird. Zum Beispiel erhalten trennungsängstliche Kinder durch die Eltern oft noch mehr Aufmerksamkeit, wenn sie die Schule nicht mehr besuchen. Auch oppositionelles Verhalten kann einen ähnlichen positiv verstärkenden Effekt haben.
-
Aus Sicht des Schülers attraktivere Aktivitäten außerhalb der Schule wirken ebenfalls verstärkend (4. Funktion).
Kearneys Verdienst ist es, Schulabsentismus unter lerntheoretischer Perspektive zu analysieren und die 4 Funktionen in einem klinisch gut nutzbaren Fragebogen, dem School Refusal Assessment Scale, revidierte Form (SRAS-R; [6]) zusammenzufassen. Eine aktuelle deutschsprachige Version des SRAS-R haben Walter und Kollegen validiert [7].
Im Bestreben eine umfassende Erhebung von mit Schulabsentismus assoziierten Faktoren vorzunehmen entwickelten Knollmann und Kollegen das Inventory of School Attendance Problems (ISAP) [8]. Insgesamt 13 Faktoren reflektieren 8 internalisierende und externalisierende Symptome bzw. Verhaltensweisen sowie 5 Problembereiche. Die Befragten können im Rahmen der Selbstauskunft das allgemeine Vorliegen dieser Faktoren negieren oder bejahen: Depression, soziale Angst, Leistungsangst, Agoraphobie/Panik, Trennungsangst, somatische Beschwerden, Aggression, Schulaversion/attraktive Alternativen, Probleme mit Lehrern, Ablehnung der Heimatschule, Probleme mit den Peers, der Familie, den Eltern. Der ISAP deckt somit alle Verhaltensweisen (ex-, und internalisierend) des individuellen Schülers und seine psychosozialen Lebensbereiche (Schule, Lehrer, Peers, Familie) ab.
Die beiden Instrumente – deutsche Version des SRAS-R und ISAP – zeigen in Bezug auf die interne Konsistenz, die konvergente und diskriminante Validität gute teststatistische Kennwerte. Aufgrund ihrer Praktikabilität finden sie ein weites Anwendungsgebiet.
Klassifikation nach Fehlzeiten: Jeder Schultag zählt!
Der Schweregrad des Schulabsentismus lässt sich durch das Ausmaß der Fehlzeiten operationalisien. Verschiedene Studien aus den USA, Australien oder Europa zeigen, dass eine zunehmende Dauer der Fehlzeiten zu zunehmend schlechteren Schulleistungen führt. Der Befund „jeder Tag zählt“ ist grundsätzlich unabhängig von der Art des Absentismus (legitim/illegitim/Schulexklusion). Jeder Fehltag bedeutet für den Schüler weniger Zeit und Möglichkeiten, sich im psychosozialen Umfeld der Schule zu erproben, sich zu entwickeln und sozial wie akademisch zu lernen. Der Effekt in Hinblick auf die Schulleistung ist bei sozioökonomisch benachteiligten Familien relativ stärker (z. B. [9]). Schüler, die zwischen dem Kindergarten und der 8. Klasse unentschuldigte und/oder entschuldigte Fehlzeiten akkumulierten, berichteten im Alter von 22 bis 23 Jahren häufiger über schlechtere Schulnoten und größere ökonomische Schwierigkeiten [10].
Da sich Fehlzeiten also unabhängig vom Typ akkumulierend auf den späteren schulischen und beruflichen Erfolg auswirken, hat eine Kategorisierung nach Schweregrad-Klassen gemäß Fehlzeitendauer und die damit verbundene Einführung von Klassengrenzen eher praktische als wissenschaftliche Gründe.
Schulen und Schulaufsichtsbehörden in den USA schlagen häufig vor, jegliches Fehlen von mehr als 5–10 Schultagen oder umgerechnet ca. 5 % der Tage pro Schuljahr als Frühwarnzeichen einzustufen. Jegliche Fehlzeiten von 10 % oder mehr Tagen pro Schuljahr gelten als chronischer Schulabsentismus (z. B. [11]). Aus wissenschaftlicher Sicht argumentieren Skedgell und Kearny, dass bei Schülern mit 10 % oder mehr Fehlzeiten die Zahl der negativen Risikofaktoren zunimmt [12]. Zusammenfassend und mit praxisorientiertem Blick lässt sich eine Schweregradeinteilung vornehmen ([ Tab. 1 ]).
Mit dieser Einteilung in 3 Klassen auf Basis einer prozentualen Relation von Fehltagen zu Schultagen lässt sich das Ausmaß des Schulabsentismus auch für den Schüler, die Familie und die Mitglieder des Hilfesystems (Schule, Jugendamt, psychiatrisch-psychotherapeutisches System etc.) anschaulich darstellen. Diese Klasseneinteilung kann außerdem als Indikation für Interventionen, ggf. mit angepassten Grenzwerten, herangezogen werden.
Pathogenetische Faktoren
Schulabsentismus als Prozess und Frühwarnzeichen
Wie dargestellt reduzieren jegliche Abwesenheitszeiten die Möglichkeit des Schülers, positive Erfahrungen zu machen. Besondere Aufmerksamkeit erfordert Absentismus, der mit einem zunehmenden Rückzug des Schülers vom Unterricht und/oder aus sozialen Bindungen in der Schule einhergeht. Knollmann und Kollegen gehen von einer Überforderungssituation des Schülers aus, die je nach Risikofaktoren Stressreaktionen inklusive dysfunktionalem Coping, ex- oder internalisierender Symptomatik und Vermeidungsverhalten auslösen kann [1].
Entsprechende Frühwarnzeichen können auftreten: überdauernde Frustration, schlechte Schulleistungen, Stören im Unterricht, häufiger Wunsch, den Unterrichtsraum zu verlassen, Probleme, an bestimmten Unterrichtsfächern teilzunehmen, soziale Isolation gegenüber Mitschülern, erste angstbedingte psychosomatische Beschwerden vor dem Unterricht oder übermäßige Ausdehnung von Fehlzeiten bei leichten oder Bagatellerkrankungen (z. B. [3]). In der Folge entstehen erste Fehlzeiten durch Zuspätkommen oder Fernbleiben zu den Randstunden.
Risikofaktoren
Je nach Konstellation der individuellen, Schul-, Lehrer-, Peer- und Familien-bedingten Risikofaktoren kommt es zu weiteren Konflikten, reduzierter Schulleistung und Frustrationen. Mit zunehmendem Druck verstärkt sich die psychische Symptomatik, ggf. bis hin zur störungsäquivalenten Ausprägung; die Fehlzeiten nehmen weiter zu.
Ein metaanalytischer Review von Gubbels und Kollegen, basierend auf 75 Studien, zeigt ein breites Spektrum an Risikofaktoren auf, die zur Gefährdung des regelmäßigen Schulbesuches beitragen ([ Tab. 2 ]) [13].
psychosozialer Lebensbereich |
Beispiele (Auswahl) |
r |
individuelle Faktoren |
||
negative Einstellung zur Schule |
Kind lehnt Schule ab, versteht nicht den Sinn der Schule, fühlt sich nicht als Teil der Schule, kann keine schulischen Ziele benennen, Zu-spät-Kommen, fehlende Motivation |
0,503 |
anti-soziales Verhalten/Kognitionen |
aggressives/regelbrechendes/störendes Verhalten, Aufmerksamkeitsprobleme, disziplinarische Probleme, Kind zeigt Wut etc. |
0,428 |
Substanzkonsum |
Rauchen, Drogen- und Alkoholmissbrauch |
0,336–0,311 |
internalisierende Probleme außer Angst/Depression |
geringes Selbstwertgefühl, negative Kognitionen, Rückzug, lebensmüde Gedanken, Z. n. Suizidversuch |
0,307 |
psychische Erkrankungen und Symptome |
Autismus, Ängste, Depressionen, emotionale Instabilität und andere persönlichkeitsassoziierte Probleme |
0,303 |
Zugehörigkeit zu einer sexuellen Minderheit |
Bisexualität, Homosexualität oder Unsicherheit bezüglich der sexuellen Identität |
0,273 |
Depression |
depressives Syndrom, aktuell oder in der Vorgeschichte |
0,237 |
geringes schulisches Leistungsniveau |
schlechter Schulnotendurchschnitt (möglicherweise auch bei ausgeprägtem Medienkonsum), schlechte schulische Vorbildung |
0,232 |
Ausgeprägte sexuelle Aktivität |
früh beginnende Pubertät/sexuelle Aktivität, promiskes Verhalten, ungeschützter Geschlechtsverkehr, Schwangerschaft |
0,229 |
Risikoverhalten |
im Straßenverkehr |
0,226 |
somatische Probleme/Erkrankungen |
chronische Erkrankungen, Insomnie, Kopfschmerzen, Über-/Untergewicht, fehlende/nicht ausreichende sportliche Betätigung etc. |
0,178 |
weitere Faktoren |
delinquentes Verhalten, dysfunktionale Problembewältigungsstrategien, höheres Alter, Ängste, Klassenwiederholung, geringer Intelligenzquotient und Lernschwierigkeiten |
|
schulische und Lehrer-bedingte Faktoren |
||
schlechte Schüler-Lehrer-Beziehung |
Interaktionsstörung Schüler-zu-Lehrer/Lehrer-zu-Schüler |
0,286 |
geringe Qualität der Schule/(Aus-)Bildung |
suboptimales Schul-Management, mangelnde (personelle) Ausstattung der Schule, hohe Schülerzahlen in der Klasse und/oder Schule, wenig engagierte Schulmitarbeiter, unfaire Disziplinarmaßnahmen, „schlechte“ Lehrer aus Perspektive der Schüler, wenig Möglichkeit, sich am Unterricht zu beteiligen etc. |
0,229 |
schlechtes Schul- oder Klassenklima |
Schüler fühlt sich unsicher/bedroht, unklare Verhaltensregeln, kompetitive Atmosphäre, geringes Niveau der schulischen Ordnung und Organisation, diskriminierendes Verhalten etc. |
0,183 |
Peer-Faktoren |
||
Zugehörigkeit zu einer Subkultur |
ist assoziiert mit Schluschwänzen, körperlichen Auseinandersetzungen und geringen schulischen Leistungen |
0,060 |
weitere |
Mobbing, Kontakt zu devianten Peers, Isolation etc. |
|
Familiäre Faktoren |
||
fehlendes elterliches Engagement für die Schule |
keine Unterstützung bei Hausarbeiten, fehlender Kontakt zu den Lehrern, geringe schulische Ansprüche an das Kind, Eltern lesen nicht gemeinsam mit dem Kind etc. |
0,272 |
Vorgeschichte mit Kindesmissbrauch |
physischer/emotionaler/sexueller Missbrauch des Kindes, Kind wurde Zeuge häuslicher Gewalt, Konflikte in der Familie |
0,257 |
gering ausgeprägte Bindung an die Eltern |
bei geringer elterlicher Sensitivität |
0,220 |
Fehlen einer Kernfamilie |
Trennung, Scheidung, alleinerziehendes Elternteil, fehlende familiäre Kohäsion |
0,187 |
psychische/somatische Probleme eines Elternteils |
Suchterkrankungen oder andere |
0,186 |
wenig Unterstützung/Akzeptanz des Kindes |
Eltern zeigen dem Kind gegenüber ablehnendes Verhalten, wenig positive Verstärkung, Autonomie wird nicht gefördert |
0,182 |
Weitere Faktoren |
niedriges elterliches Bildungsniveau/sozioökonomischer Status, ineffektives Familiensystem, fehlende elterliche Kontrolle |
Ein weiterer Risikofaktor, der wesentlich zu Schulabsentismus beitragen kann und der auch bei der Reintegration des Schülers in die Schule berücksichtigt werden sollte, sind Transitionsphasen. Hierzu zählt der Wechsel eines Schülers in eine andere Klasse, Schule oder Schulform. Für Schüler mit mittel- bis schwergradigen Fehlzeiten, die den Weg in die Schule wieder zurückgefunden haben, kann die Rückkehr schon nach kurzen schulfreien Phasen, z. B. (verlängerte) Wochenenden oder Schulferien Stress auslösen. Das Risiko für erneute Fehlzeiten ist damit erhöht.
Transitionsphasen wie Wechsel in eine andere Klasse, Schule oder Schulform stellen einen Risikofaktor für Schulabsentismus dar und sind bei der Reintegration zu berücksichtigen.
Die Unterteilung der Risikofaktoren in auslösende und aufrechterhaltende Faktoren des Absentismus kann unter anderem der Therapieplanung dienen. Zum Beispiel kann eine akute körperliche Erkrankung als Auslöser für Schulabsentismus fungieren, welcher durch überprotektiv-schonendes Verhalten der Eltern oder hohen Medienkonsum perpetuiert wird. Diese von Fall zu Fall inhaltlich unterschiedlichen Faktoren sollten im Störungsmodell aufgenommen und entsprechend bearbeitet werden.
Diagnostik und Interventionen
Allgemeines Rahmenmodell
Die im vorangehenden Kapitel genannten auslösenden oder aufrechterhaltenden Faktoren sind in den verschiedenen psychosozialen Lebensbereichen verwurzelt: Individuum, Schule, Lehrer, Peers, Familie. Verschiedene ätiopathologische Modelle berücksichtigen die o. g. Risikofaktoren und Bereiche und erklären Schulabsentismus aus einer Kombination auslösender und aufrechterhaltender Faktoren, die sich im Verlauf gegenseitig aufschaukeln und zu einer allmählichen Steigerung der Fehlzeiten von einer „inneren Kündigung“ der Beziehung zur Schule, ersten Verspätungen bis zu chronischem Absentismus führen (z. B. [1], [14]). Walter und Döpfner betonen in ihrem Modell als zusätzlichen Faktor gesellschaftlich einwirkende Bedingungen, wie einen allgemeinen (schulischen) Leistungsdruck, der sich ggf. negativ auswirken kann [15].
Bei dysfunktionaler Entwicklung in diesen Lebensbereichen liefern verschiedene wissenschaftliche Fächer Konzepte und Interventionen zur Korrektur. Hierzu zählen z. B.:
-
die Pädagogik für Probleme, die Schule und Lehrer betreffen, z. B. Anti-Bullying-Programme
-
die (Schul-)Sozialarbeit für familiäre Probleme, u. a. Multisystemische Therapie (MST)
-
die (Schul-)Psychologie/Psychiatrie/Psychotherapie, z. B. kognitive Verhaltenstherapie (KVT) MST etc.
-
die Pädiatrie, z. B. das Medical Advice for Sick reported Students (MASS) Programm für Individuen, mit psychischen und/oder körperlichen Auffälligkeiten oder Störungen
Kearney und Kolleginnen schlagen ein allgemeines Rahmenmodell für Schulabsentismus auf der Basis des aus der Pädagogik und der Psychologie bekannten Modells „Multi-tiered, multi-domain system of supports“ (MT-MDSS) vor [14]. Dieses integrative Modell können alle Fachdisziplinen, die mit dem Phänomen Schulabsentismus arbeiten, übergreifend nutzen. Das MT-MDSS besteht aus 3 Hauptelementen:
-
Das Konzept der Response-to-Intervention (RtI) sieht vor, dass die Anwesenheitszeiten der Schüler regelmäßig erfasst werden. Bei Beobachtung von auffälligen Fehlzeiten bei einem individuellen Schüler, einer bestimmten Klasse oder einer bestimmten Schüler-Untergruppe erfolgt eine Intervention mit dem Ziel, die Fehlzeiten zu reduzieren. Der Erfolg wird auf Basis des nachfolgenden kontinuierlichen Fehlzeiten-Monitorings bewertet und die Interventionen ggf. angepasst.
Das Fehlzeiten-Monitoring ist grundlegend im schulischen und im klinischen psychiatrisch-psychotherapeutischen Setting. Ohne eine Rückkoppelung zu den Fehlzeiten und damit zum Erfolg der schulischen oder psychiatrisch-psychotherapeutischen Interventionen lässt sich die Beratung oder auch Therapie nicht sinnvoll steuern.
-
Das zweite Element betrifft den Schweregrad der Fehlzeiten, der als eine wesentliche Indikation für allgemein-präventive, klinische und intensivierte Interventionen genutzt wird (eine entsprechende, für das MT-MDSS allgemein empfohlene Einteilung wurde im vorangegangenen Abschnitt bereits besprochen; siehe [ Tab. 1 ]).
-
Das dritte Element betrifft die eingesetzten Interventionen für das Individuum und seine unterschiedlichen psychosozialen Lebensbereiche oder Dimensionen. In der ursprünglichen Version des MDSS fasste man unter dem Begriff „School-wide positive Behavior and Support“ (SWPBS) Interventionen an und für Schulen zusammen, die eine positive, wertschätzende Schulkultur fördern und herausfordernde Verhaltensweisen, wie ex- oder internalisierendes Verhalten von Schülern reduzieren. Zu den SWPBS-Prinzipien gehören datenbasierte Entscheidungen, der multiprofessionelle Einbezug aller Interessenträger in Interventionen oder die Berücksichtigung des kulturellen Schülerkontextes. Häufig reicht bei Schülern mit mittel- bis schwergradigem Absentismus der Fokus auf die Dimension Schule und sein Verhalten in der Schule nicht aus. Zusätzliche Interventionen in Hinblick auf die Dimensionen psychisches Befinden, familiäre Situation, Peers oder in anderen Bereichen können somit indiziert sein.
Kearney und Kolleginnen versinnbildlichen ihr Modell als Pyramide mit 3 Schweregradstufen und je nach Anzahl der Interventions-Dimensionen, 3, 4 oder mehr Seitenkanten [14]; siehe [ Abb. 1 ]). Im Folgenden orientieren wir uns bei der Darstellung möglicher Interventionen an der Schweregradeinteilung, also den drei „Stufen“ der Pyramide. Dabei wird vorwiegend auf die klinische psychiatrisch-psychotherapeutische Perspektive und entsprechende Interventionen fokussiert. Die Themen der präventiv-pädagogischen Maßnahmen sollen der Vollständigkeit halber im Rahmen dieses Artikels nur kurz angerissen werden.


Das MT-MDSS („Multi-tiered, multi-domain system of supports“) ist ein integratives Rahmenmodell für Schulabsentismus und besteht aus 3 Hauptelementen: Fehlzeiten-Monitoring, Schweregradeinteilung und schulweit-präventive sowie individuelle Interventionen.
Stufe 1 – Diagnostik und Interventionen bei leichtgradigem Schulabsentismus
Die unterste Stufe der Pyramide bildet die Kategorie der Schüler mit keinem oder leichtgradigem Absentismus ab, z. B. mit Fehlzeiten ≤ 5 % des Schulhalbjahres. Diese Schülergruppe zeigt einen relativ zufriedenstellenden Schulbesuch. Abwesenheiten treten in der Regel entschuldigt und krankheitsbedingt auf. Optimalerweise sollte das Ziel angestrebt werden, dass die überwiegende Mehrzahl der Schüler (z. B. ≥ 80 %) in diese „Klasse“ fallen.
Maßnahmen für Schüler mit keinen oder geringen Fehlzeiten sind universell präventiv, vorwiegend in der Schule angesiedelt und werden klassen- oder schulübergreifend angeboten:
-
präventive Maßnahmen zur Verbesserung der somatischen und psychischen Gesundheit: Inhaltlich beziehen diese sich z. B. auf Bewegungsangebote, Stressreduktion, Ernährung, Substanzkonsum und andere Gesundheitsthemen.
-
Verbesserung des Schulklimas: Hierzu zählen die Schaffung einer geordneten Lernumgebung und lernunterstützende Orientierung auf der Basis eines guten Lehrer-Schüler- sowie Schüler-Schüler-Verhältnisses (z. B. SWPBS).
-
Aufbau sozialer Kompetenzen/Schaffung einer sicheren Schulatmosphäre: Dies erfolgt z. B. im Rahmen von Anti-Bullying-Programmen.
-
Einbezug und Involvierung der Eltern in schulische Aktivitäten und das Schulleben: Dies geschieht durch systematischen, kultursensiblen und frühen Einbezug über schulische Planung, Kommunikation und Beziehungsaufbau zu den Eltern.
Basis der schulischen Maßnahmen ist das kontinuierliche Monitoring der Fehlzeiten der Schüler.
Idealerweise erfolgt das Monitoring jeglicher Fehlzeiten (inklusive Zu-spät-Kommens) durch die Lehrer. Elektronische Erfassungssysteme (Apps) mit hohen Datenschutzstandards bieten die Möglichkeit, in Echtzeit zusätzliche Auswertungen vorzunehmen. Eltern, Schüler oder Lehrer können in Hinblick auf die oben genannten weiteren Themen z. B. fragebogengestützt Auskunft über den jeweiligen Status an der Schule geben (z. B. zur Wahrnehmung des Klassenklimas). Diese Informationen lassen sich dann als Indikation für oder zur Verbesserung der jeweiligen Interventionen nutzen. Findet sich z. B. in einer Klassenstufe nur ein geringer Anteil von Schülern in der Kategorie Stufe 1 gepaart mit einem suboptimalen Klassenklima könnten entsprechende Interventionsprogramme das Klassenklima und damit auch die Anwesenheitszeiten verbessern.
Stufe 2 – Diagnostik und Interventionen bei mittelgradigem Schulabsentismus
In der mittleren Stufe der Pyramide findet sich die Kategorie für Schüler mit mittelgradigem Absentismus, z. B. mit Fehlzeiten > 5 % und < 10 % des Schulhalbjahres. Diese Schüler weisen einen beginnenden Absentismus auf. Zu den entschuldigten Abwesenheiten kommen Verspätungen und/oder das Fehlen in Randstunden hinzu. Im Verlauf können auch ganze Fehltage anfallen und ein nicht-regelhafter, intermittierender Schulbesuch entwickelt sich. Unter diese „Klasse“ sollten idealerweise nur relativ wenige Schüler fallen (z. B. ≤ 15 %).
Die Interventionen zur Reduktion des Anteils von Schülern mit mittelgradigem Schulabsentismus zielen auf den individuellen durch das Fehlzeiten-Monitoring identifizierten Schüler ab. Sie sind im pädagogischen, allgemeinmedizinisch-pädiatrischen und psychiatrisch-psychotherapeutischen Feld verortet.
Mittelgradiger Schulabsentismus ist nicht selten mit somatischen, psychosomatischen und/oder psychischen Gesundheitsproblemen assoziiert. Daher empfiehlt sich die Kooperation der Schule mit den entsprechenden Gesundheitsservices. Bei Schülern im Übergang von beginnendem zu chronischem Absentismus sollte zunehmend das erweiterte regionale Netzwerk zur Reduktion von Schulabsentismus einbezogen werden (siehe auch Stufe 3 – Kooperation im Netzwerk).
Im Setting der Schule lassen sich verschiedene Maßnahmen ergreifen, die beginnenden Schulabsentismus adressieren. Auf diese soll hier nur beispielhaft und kursorisch eingegangen werden. Nachfolgend wird ein mögliches Vorgehen bei häufigem Auftreten von entschuldigten Fehlzeiten durch vordergründig somatische Erkrankungen beschrieben, wie es für Lehrer, Eltern oder Mitglieder des professionellen Hilfesystems relevant sein kann. Das Schulabsentismus-spezifische Procedere bei Verdacht auf eine psychische Störung rundet diesen Abschnitt ab.
Pädagogische Diagnostik und Interventionen
Die schulische Basisdiagnostik in dieser wie in allen Stufen besteht in dem kontinuierlichen Monitoring der Fehlzeiten. Bei hohem Anteil von Schülern mit mittelgradigem Absentismus können die oben erwähnten weiterführenden Befragungen von Eltern, Schülern oder Lehrern Aufschluss über schulische Risikofaktoren geben, die zu einem hohen Anteil an Schülern mit mittelgradigem Absentismus führen können.
Bei Verdacht auf eine psychische Symptomatik sollte man eine Vorstellung beim Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie vorschlagen.
Im Folgenden können nur einige pädagogische Interventionen stichwortartig aufgeführt werden. Die Umsetzung erfolgt in der Regel durch Lehrer und/oder Schulsozialarbeit, ggf. mit Unterstützung aus der Schulpsychologie:
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individuelle akademische Förderung der Schüler: Die jeweiligen Schulministerien der Länder fördern die Schüler mit entsprechenden Programmen, die i. d. R. diagnostische Elemente, didaktische Konzepte und kommunikative Ansätze zur Verbesserung der schulischen Leistung beinhalten.
-
Mentoring Programme: Geschulte, ältere Schüler, Studenten oder Lehrer übernehmen die strukturierte Betreuung von Schülern mit Fehlzeiten.
-
Einsatz von lerntheoretisch fundierten Trainings und Verhaltensplänen: Ziel dieser Verfahren ist die Verbesserung der Anwesenheit und des Verhaltens des Schülers in der Klasse durch Verstärkerpläne und damit einhergehenden hochfrequenten Treffen zwischen Lehrer und Schüler während des Schultages.
Die Fortführung des Anwesenheitsmonitorings und der Stufe-1-Prävention im schulischen Setting stellt die Basis der pädagogisch-schulischen Maßnahmen für Stufe-2-Schüler dar.
Allgemeinmedizinisch-pädiatrische Diagnostik und Interventionen
Fällt beim Monitoring des Schulbesuches bei einzelnen oder mehreren Schülern eine hohe Anzahl entschuldigter Fehltage auf, kann die Kooperation der Schule mit einem Pädiater oder Allgemeinmediziner sinnvoll sein. Eltern fällt eine sichere Differenzierung vorgetragener angstbedingter psychosomatischer Beschwerden von somatisch bedingten Symptomen morgens vor Schulbeginn oft nicht leicht. Lehrer können (gemäß Schulgesetz vieler Bundesländer) in begründeten Einzelfällen ein ärztliches Attest einfordern (z. B. häufige durch Krankheit begründete Abwesenheiten, außergewöhnlich lange Fehlzeit bei gegebener Erkrankung). Vanneste und Kolleg*innen schlagen für solche Situationen eine strukturierte Unterstützung von Schülern mit hohen entschuldigten Fehlzeiten durch die enge Kooperation von Schule, Ärzten und den Familien der Betroffenen vor [16]. Das „Medical Advice for Sick reported Students” (MASS) Programm basiert auf verschiedenen Prinzipien: MASS ist Teil der offiziellen Schulstrategie gegen Schulabsentismus und wird schulweit kommuniziert. Basis ist eine gute Kooperation der Schule mit einem Arzt (z. B. Schularzt, Pädiater, Allgemeinmediziner, Kinder- und Jugendpsychiater und -psychotherapeut). Die Interventionen basieren auf einer gemeinsamen Verantwortung aller Beteiligten und gemeinsamen Entscheidungen bei gleichzeitiger fürsorglicher statt kontrollierender Haltung.
Nach Überschreiten einer Fehlzeitenschwelle nehmen die Schulmitarbeiter mit den Eltern und der Schülerin oder dem Schüler Kontakt auf und diskutieren die Problematik. Dabei sprechen sie die Empfehlung einer ärztlichen Konsultation aus. Der Arzt stellt eine Diagnose und analysiert das Problem aus bio-psycho-sozialer Perspektive. Ein Handlungsplan wird gemeinsam mit der Schülerin oder dem Schüler, den Eltern, der Schule und anderen Beteiligten erstellt, z. B. mit der Empfehlung zur weiterführenden Diagnostik oder der Überweisung in eine fachspezifische Behandlung.
Als Triggerschwelle, die den beschriebenen Prozess auslöst, gelten für den Sekundarbereich mehr als 6 aufeinanderfolgende Krankheitsfehltage oder mehr als 3 krankheitsbedingte Fehlzeitenperioden in 12 Schulwochen. Für den Primar-Bereich werden mehr als 9 aufeinanderfolgende Krankheitsfehltage oder mehr als 4 krankheitsbedingte Fehlzeitenperioden in 12 Schulwochen diskutiert. Die AutorInnen konnten in einer niederländischen Studie für den Sekundarbereich nachweisen, dass MASS zu einer deutlichen Reduktion der schulweiten Fehlzeiten führt.
Psychotherapeutisch-psychiatrische Diagnostik und Interventionen
Bei ausgeprägter psychischer Belastung des fehlenden Schülers oder bei Verdacht auf eine psychische Störung ist eine kinder- und jugendpsychiatrische Diagnostik herbeizuführen.
Eine frühzeitige Diagnostik und Therapie ist wesentlich, um eine Chronifizierung des Schulabsentismus zu vermeiden.
Diagnostik
Grundlegend für die Diagnostik ist die Anamneseerhebung mit Kind, Eltern, Schule und ggf. mit weiteren im psychosozialen Umfeld des Schülers angesiedelten Personen. In [ Tab. 3 ] sind spezifische auf den Schulabsentismus zugeschnittene Anamnese-Themen zusammengestellt, die sich an den Kategorien des Schulabsentismus und an den o. g. Risikofaktoren orientieren.
Der Einsatz von testpsychologischen Mitteln (IQ-Testung und weitere Tests je nach Verdachtsdiagnose) und die Abklärung somatischer Störungen inklusive zerebraler Bildgebung bei Ersterkrankung ist allgemeiner medizinischer Standard. Des Weiteren sollten die bereits kurz beschriebenen Schulabsentismus-spezifischen Fragebögen eingesetzt werden.
Therapieplanung und Therapie
In diesem Abschnitt soll zunächst auf die Studienlage zu Interventionen bei Schulabsentismus eingegangen werden, um dann einen Einblick in die therapeutische Praxis zu geben. Zur Studienlage lässt sich grundsätzlich formulieren, dass Psychotherapie, Psychopharmakotherapie und psychosoziale Interventionen in einer Symptomreduktion und in einer Verbesserung des Schulbesuches resultieren.
Weitere Studien zur stationären KVT weisen ebenfalls einen positiven Effekt auf den Schulbesuch nach (z. B. [23]). Die meisten Studien ermitteln – je nach Studienstichprobe – Reintegrationsraten zwischen 60 und 80 %.
In der therapeutischen Praxis fokussiert die Planung und Durchführung der Behandlung gleichzeitig und gleichwertig auf die beiden Schwerpunkte:
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die psychische Störung und
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den Absentismus.
Dies spiegelt sich in der Fallkonzeption wider, in der der Zusammenhang zwischen psychischer Symptomatik und Schulbesuch aufgeschlüsselt wird.
Die Fallkonzeption ist Teil der Therapieplanung und beinhaltet neben den o. g. anamnestischen Informationen differenzialdiagnostische Überlegungen, die Verhaltensanalyse (Makro- und Mikroanalyse), Analyse der Motive und der Motivation des Patienten. In einem nächsten Schritt erfolgt die Erstellung eines multidimensionalen, ggf. multiprofessionellen Problemmodells aus den Vorinformationen. Berücksichtigung finden hier nicht nur die verschiedenen psychosozialen Lebensbereiche des Schülers, sondern auch die Perspektive verschiedener beteiligter Professionen, z. B. Schulsozialarbeit, Lehrer, Sozialdienst des Jugendamtes etc. Eine grafische Darstellung des Modells lässt sich in der Einzel- oder Familientherapie nutzen, um ein gemeinsames Lösungsmodell, welches einen gemeinsamen Therapieplan beinhaltet, zu erstellen ([ Abb. 2 ]).


Datenlage für randomisiert kontrollierte Studien mit Fokus auf Psychotherapie zur Behandlung des Schulabsentismus als primärem Outcome
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Ein Abwarten (z. B. Wartelistenbedingung) führt im Vergleich mit einer verhaltenstherapeutischen Behandlung nicht zu einer Verbesserung des Schulbesuches [17].
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In einer Studie von Last und Kollegen fand sich für einen psychoedukativen Behandlungsansatz sowie für einen kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansatz eine Verbesserung des Schulbesuches, jedoch kein Unterschied zwische
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n den beiden Behandlungsgruppen [18].
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Die Effektivität von KVT nur für Schüler im Vergleich zur ausschließlichen verhaltenstherapeutischen Beratung der Eltern ist ähnlich hoch [19].
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Im Ein-Jahres-Beobachtungszeitraum zeigte die KVT nach Manual [20] – ähnlich wie die Standardbehandlung – signifikante Verbesserung des Schulbesuches für psychisch Erkrankte. Bezüglich der Psychopathologie war die KVT der Standardbehandlung überlegen [21].
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In einer dänischen Schul-Stichprobe erbrachte die Standardbehandlung wie die KVT-Manualbehandlung über den Beobachtungszeitraum von 3 Monaten gleichermaßen eine Reduktion der Fehlzeiten. Unter KVT besserte sich die Psychopathologie und die Selbstwirksamkeitserwartung vergleichsweise ausgeprägter [22].
Limitationen der bisher vorliegenden randomisiertkontrollierten Studien zu Interventionen bei Schulabsentismus: Vorwiegend finden sich Studien mit kleinen Stichproben, zu Schülern mit vorwiegend angstbedingtem Absentismus (Schulverweigerern), im ambulanten Therapiesetting.
Für die Behandlung der psychischen Störung auf Basis des gemeinsamen Lösungsmodells stehen verschiedene störungsspezifische, primär verhaltenstherapeutische Manuale zur Verfügung (z. B. zur Behandlung einer sozialen Phobie, einer Aufmerksamkeits-Hyperaktivitätsstörung etc.).
Bei der Behandlung gilt es, die störungsspezifische Therapie immer wieder in Hinblick auf den Fokus Reintegration in die Schule abzugleichen und anzupassen, z. B. im Rahmen des Expositionstrainings.
Im Folgenden sollen verschiedene übergreifende therapeutische Elemente aufgeführt werden, die die Schulreintegration fördern. Hierzu zählen:
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Ordnungswidrigkeitenverfahren
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Plan A-B-C
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Auswahl der Schule
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Rückkehrszenario
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die Dosierung der Belastung
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weitere Interventionen
Ordnungswidrigkeitenverfahren
Die Schule hat nach erfolgloser Ausschöpfung der pädagogischen Maßnahmen in der Regel die Möglichkeit der Einleitung eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens. Dies soll dem Schüler und manchmal auch den Eltern die Konsequenzen seines Absentismus vor Augen führen. In den Fällen, wo dies nicht gegeben ist, der Leidensdruck des Patienten zur Veränderung sehr gering ist oder bei fehlender Motivation zur Bearbeitung der eigenen Probleme, kann es sinnvoll sein, mit den zuständigen Lehrern der Heimatschule in den Austausch zu gehen und eine solche Maßnahme zu diskutieren.
Bei Verhängung von Geldbußen für die Jugendlichen sollten die Eltern dahingehend beraten werden, diese nicht für ihr jugendliches Kind auszugleichen. Bei Zahlungsunfähigkeit des Jugendlichen ist ggf. die Umwandlung der Geldstrafe in Sozialstunden möglich.
Plan A-B-C
Nicht selten ist die Motivation zu einer (stationären) Therapie – vorwiegend bei Jugendlichen – gering ausgeprägt. In diesen Fällen empfiehlt sich mittels „Plan A-BC“ in Hinblick auf den Schulbesuch, einerseits therapeutische Grenzen zu setzen, andererseits die Autonomiebestrebungen in diesem Alter in die Behandlung mit einzubeziehen.
Indikation: Der Schüler bzw. Patient ist nicht bereit, eine von der Therapeutin als indiziert gesehene, für den Betroffenen hochschwellige Behandlung in Anspruch zu nehmen (z. B. stationäre Therapie).
Vorgehen: Besprechen Sie mit dem Schüler die rechtliche Verpflichtung zum Schulbesuch und versuchen Sie, seine intrinsische Motivation zur Rückkehr zu steigern. Bei Widerstand gegen eine von Ihnen vorgeschlagene hochschwellige Maßnahme vereinbaren Sie mit dem Schüler die Inanspruchnahme niederschwelligerer, für ihn akzeptablerer Hilfen unter der Bedingung, dass er in einem bestimmten Zeitraum die Heimatschule wieder (regelmäßig) aufsucht (Plan A). Hierfür empfiehlt sich auch das Angebot einer Reduzierung der Belastung durch den Schulbesuch, z. B. über ein Attest über vorerst reduzierte Schulstunden und weitere Erleichterungen (siehe unten: Dosierung der Belastung). Bei Nicht-Erreichen dieses Schulbesuchsziels verpflichtet sich der Schüler per Therapievertrag zu Plan B, der Umsetzung einer höherschwelligeren Therapiemaßnahme. Diese ist bei oft erheblichen Wartezeiten für eine (teil-)stationäre Behandlung frühzeitig vorauszuplanen. Grundlegend bei diesem Vorgehen ist das kontinuierliche Fehlzeitenmonitoring durch die Schule und/oder durch die Eltern sowie eine Rückkoppelung zur fallführenden Behandlerin.
Plan A-B-C
Idealziel bei Niklas, einem 13-jährigen Patienten mit deutlicher sozialer Phobie und multiplen familiären und schulischen Problemen, ist eine 80 %ige Anwesenheit in der Heimatschule innerhalb der nächsten 2 und 90 % Anwesenheit innerhalb der nächsten 3 Monate. Niklas hat vor Kurzem eine ambulante Behandlung begonnen. Die Therapeutin hat jedoch den Eindruck, dass diese nicht ausreicht. Ihrer Empfehlung einer stationären Therapie möchte Niklas nicht nachkommen. Sie vereinbart mit ihm und den Eltern vertraglich:
Plan A – Fortführung der ambulanten Behandlung bei gleichzeitigem Besuch der Regelschule (80 %; regelmäßiges Feedback vom Lehrer). Falls Niklas dieses Ziel nach einem Monat nicht erreicht, tritt Plan B in Kraft.
Plan B – Teilstationäre Aufnahme, Besuch der Krankenhausschule, Reintegration in die Heimatschule. Falls das morgendliche pünktliche Erscheinen in der Tagesklinik trotz Hilfestellungen innerhalb von 2 Wochen nicht gelingt, verpflichtet sich Niklas zu Plan C.
Plan C – Vollstationäre Behandlung, Besuch der Krankenhausschule, Rückführung in die Heimatschule.
Da Niklas im weiteren Verlauf mehr als 20 % Fehlzeiten aufweist, bespricht die Therapeutin unter Rückgriff auf den Therapievertag mit ihm und seinen Eltern die teilstationäre Aufnahme. Weil Niklas bereits vorsorglich auf der Warteliste der Tagesklinik angemeldet war, erhält er zeitnah einen Platz.
Eine solche oder ähnliche Rahmenplanung gibt Optionen vor; das übergeordnete Ziel der Schulreintegration bleibt gleichzeitig klar im Fokus. Das Prinzip „Autonome Wahlmöglichkeit innerhalb klarer Grenzen“ kann entsprechend den Bedürfnissen der unterschiedlichen Patienten angepasst werden.
Auswahl der Schule
In den meisten Situationen sollte die Reintegration in die Heimatschule angestrebt werden. Bestimmte Gründe können jedoch zu einem Abweichen von diesem Ziel führen:
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In der Heimatschule erfahrenes massives, mit körperlichen Angriffen einhergehendes Mobbing.
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Vorliegen einer Diskrepanz zwischen der Schulform und dem Leistungs- und Intelligenzniveau des Schülers.
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Mit der Schulform divergierendes soziales und emotionales Verhalten.
Schulersetzende sozialpädagogische Maßnahmen sind als Mittel der letzten Wahl zu beurteilen, z. B. bei überdauerndem, deutlich dissozialem Verhalten oder chronischen affektiven Störungen.
Rückkehrszenario
Der erste Schultag nach längerer Abwesenheit ist aus der subjektiven Sicht des Schülers oft eine große Hürde. Entsprechende Ängste und Sorgen sollten bearbeitet werden: Wie werden die Schüler/Lehrer reagieren? Werde ich als Schulschwänzer runtergemacht? Wie kann ich meine Abwesenheit erklären?
Ab Beginn der Behandlung sollte die Schulrückkehr thematisiert werden und im Lösungsmodell identifizierte, den Schulbesuch beeinflussende Organismus-Variablen bearbeitet werden.
Die genaue Planung dieses ersten Tages für einen Patienten mit internalisierender Störung, z. B. sozialer Phobie, sollte im Rahmen des Expositionstrainings gemeinsam mit dem Schüler und dem Lehrer erfolgen, um Ängste zu reduzieren. Die Interaktionen mit Schülern/Lehrern in der ersten Schulstunde oder in der ersten Pause am ersten Tag können im Rollenspiel eingeübt werden.
Dosierung der Belastung
In der Regel empfiehlt sich eine gestufte Rückführung in die Schule im Rahmen eines Expositionstrainings. Die Belastung lässt sich insbesondere durch die Dauer der Anwesenheit des Schülers in der Schule steuern. Der Steuerung dienen auch „Auszeiten“ vom regulären Unterricht bei Verbleib in der Schule (z. B. zusätzliche Freiarbeit, Auszeit im Büro der Schulsozialarbeiterin). Ein ähnliches Mittel stellen „Joker“-Tage oder -Stunden dar. Der „Joker“ ist eine Erlaubnis, in einem begrenzten Zeitraum für eine begrenzte Zahl von Tagen oder zu speziellen Schulstunden der Schule fernbleiben zu können. Eine Aussetzung der Benotung kann insbesondere bei Leistungsängsten ein Schritt beim Expositionstraining darstellen. Weiterhin haben sich hier bewährt: die Freistellung von angstbesetzten mündlichen Leistungsüberprüfungen (Referate; aufgerufen werden, ohne vorher aufgezeigt zu haben), anderen angstbesetzten schulischen Aktivitäten („Klassiker“: Schwimm- oder Sportunterricht) oder die per Attest festgehaltene Möglichkeit, den Klassenraum bei (psycho-) somatischen Beschwerden kurzzeitig verlassen zu können, ohne sich vorher zu melden, um sich in einem separaten Raum auszuruhen und dann wieder in den Unterricht zurückzukehren.
Die genannten Maßnahmen sind immer im Rahmen des verhaltenstherapeutischen Therapieplanes verortet und sollten bei bestehenden Vermeidungstendenzen gut abgewogen werden.
Die Kommunikation und Kooperation nicht nur mit den Lehrer*innen „auf Augenhöhe“ zu Themen wie Ausfallzeiten, Vorgehen am ersten Schultag nach Absentismus, Monitoring des Schulbesuches etc. erfordert Ressourcen, ist aber wesentlich für den dauerhaften Erfolg der Therapie.
Psychopharmakotherapie
Bei Vorliegen von Schulabsentismus aufgrund einer mittel- bis schwergradigen psychischen Störung und bei Nichtansprechen auf eine psychotherapeutische Behandlung ist oft eine Medikation erforderlich. Die Wahl und Dosierung des Psychopharmakons erfolgt ärztlicherseits entsprechend der jeweiligen Leitlinie zur vorliegenden psychischen Erkrankung. Die Pharmakotherapie erfolgt unabhängig vom Stufenmodell von Kearney und Kolleginnen [14], findet sich aber häufiger bei Schülern, die sich in Stufe 2 oder 3 einordnen lassen.
Während die Effektivität z. B. eines selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmers (SSRI) bei einer gegebenen Störung, z. B. Depression, gut belegt ist, finden sich nur wenige Studien, die den Effekt speziell auf den Schulbesuch untersuchen. In Hinblick auf den Zielparameter Schulabsentismus demonstrieren einige Studien für Patienten mit Angst- bzw. depressiver Störung eine Reduktion des Phänomens durch einerseits die Behandlung durch KVT (plus ggf. Placebo) und anderseits die Kombination von KVT mit Fluoxetin. Ein signifikanter Unterschied zwischen diesen beiden Behandlungsgruppen konnte jedoch nicht gefunden werden. In diesem Zusammenhang verweisen die Autoren auf die geringe Fallzahl dieser Studien, methodologische Probleme und weiteren Forschungsbedarf [24].
Bei einer mit Schulabsentismus einhergehenden psychischen Erkrankung erfolgt die Indikation für eine Medikation gemäß Leitlinien. Eine medikamentöse Behandlung des Schulabsentismus ohne das Vorliegen einer psychischen Störung entbehrt einer medizinischen und wissenschaftlichen Grundlage.
Stufe 3 – Diagnostik und Interventionen bei schwergradigem Schulabsentismus
Die oberste Stufe bzw. Spitze der Pyramide des MT-MDSS-Modells repräsentiert Schüler mit schwergradigem Absentismus, z. B. mit Fehlzeiten ≥ 10 % des Schuljahres. Diese Schüler weisen einen chronischen Schulabsentismus auf, einige von ihnen haben bereits seit Monaten die Schule nicht mehr besucht. Idealerweise sollten nur relativ wenige Schüler (z. B. ≤ 5 %) einer Klasse oder Schule in diese Kategorie fallen.
Man kann davon ausgehen, dass der Hilfebedarf mit zunehmender Dauer des Absentismus zunimmt, und zwar in Hinblick auf die Anzahl der betroffenen psychosozialen Dimensionen und in Hinblick auf den Schweregrad der zum Absentismus beitragenden Probleme. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass der überwiegende Anteil der Schüler mit schwergradigem Schulabsentismus unter einer psychischen Störung leidet und zusätzlich in den weiteren Dimensionen (Schule, Lehrer, Peers, Familie) deutliche Probleme auftreten. Entsprechend werden alleinige schulische Interventionen nicht zum Erfolg führen.
Spätestens mit Beginn eines chronischen Schulabsentismus (Stufe 3) sind folgende Strategien zusätzlich zu den bisherigen individuellen Stufe-2-Interventionen von Relevanz:
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Fortführung der Stufe-2-Maßnahmen
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Kooperation im Netzwerk durch Berücksichtigung aller und weiterer Interessenträger (z. B. Gerichtsbarkeit, Job-Center etc.)
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Kooperative Arbeit im multiprofessionellen Team inklusive Case-Management
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Kooperative Abstimmung zusätzlicher multimodaler Maßnahmen, z. B. schulersetzende Maßnahmen
Zurück in der Heimatschule – der erste Tag
Niklas bereitet sich in der zweiten Hälfte der stationären Therapie auf die Schulrückführung vor. Beim sozialen Kompetenztraining hat er gute Fortschritte gemacht. Er besucht regelmäßig die Krankenhausschule. Seine Therapeutin spricht mit ihm darüber, wie er sich den ersten Schultag in der Heimatschule wünscht. Niklas möchte von der Therapeutin der Station bis kurz vor das Schultor morgens unauffällig begleitet werden. Ankunft in der Schule 3 Minuten vor Beginn der Schulstunde. Mit der Klassenlehrerin soll besprochen werden, dass er neben seinem besten Freund sitzen kann. Er traut sich zu, dass die Lehrerin ihn kurz explizit begrüßt und dass er 3 Sätze zu seinem Wiedererscheinen in der Klasse spricht. Dann soll der Unterricht direkt beginnen. Die Lehrerin ist mit dem Vorgehen einverstanden. In der großen Pause will Niklas bei seinem Freund stehen. Im Rollenspiel wird mit MitpatientInnen sowohl die Situation in der Pause als auch der Beginn der ersten Schulstunde eingeübt („Worst“- bis „Best-Case“-Szenarien). Niklas soll mindestens 4 Stunden in der Schule verbringen. Der erste Schultag ist so gelegt, dass in der Klasse keine Leistungsüberprüfungen stattfinden.
An den Folgetagen wird die Belastung für Niklas – je nach Verlauf – sukzessive angepasst. Möglichkeiten ergeben sich hier bezüglich der Dauer der Schulwegbegleitung, der Zeit in der Schule, bezüglich Leistungsüberprüfungen oder der Anzahl und Art der von Niklas initiierten Sozialkontakte.
Kooperation im Netzwerk
Das Netzwerk der Hilfesysteme, welches zur Unterstützung des Betroffenen herangezogen wird, richtet sich nach der individuellen Problematik. Zu den relevanten Akteuren gehören Jugendamt, Gesundheitsamt, Jurisdiktion, Schule, Schulpsychologie, Dolmetscherdienste, Kulturvermittler, ambulante und stationäre Einrichtungen der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie sowie ggf. weitere Institutionen. Viele Gemeinden haben solche Netzwerke definiert. Sie veröffentlichen im Internet entsprechende Leitfäden für Betroffene, Familien und Fachkräfte. Der Austausch und das Wissen über regionale oder überregionale Hilfeangebote für die Betroffenen ermöglichen die Planung über die psychiatrisch-psychotherapeutischen Bedürfnisse des Patienten hinaus.
Eine multiperspektivisch-multiprofessionelle Perspektive auf die Problematik des Schülers (und der Familie) bereitet den Boden für ein gemeinsames Fallverständnis, die strategische Hilfeplanung sowie -umsetzung.
Koordinierung im Netzwerk: Multisystemische Therapie als evidenzbasiertes Beispiel eines Case-Managements
Um bei gegebener Komplexität zielgerichtet handeln zu können, bedarf es eines Case-Managements. Dieses kann unterschiedliche Formen annehmen. Beispielhaft für ein wissenschaftlich evaluiertes Case-Management-Konzept zur erfolgreichen Reduktion von ex- oder internalisierendem Verhalten sowie – im Sinne eines sekundären Outcomes – von Schulabsentismus steht die Multisystemische Therapie (MST) [25]. Diese aus den USA stammende Therapieform bezieht das gesamte soziale Umfeld des Patienten in die familienfokussierte Behandlung mit ein und koordiniert die unterschiedlichen Hilfesysteme. Das gesamte Umfeld des Jugendlichen, d. h. Familie, Freunde, Schule, Nachbarschaft, stellt den MST-„Klienten“ dar. Die Eltern und Betroffenen sollen befähigt werden, gegenwärtige und zukünftige Probleme zu lösen. Grundannahme ist, dass Familien das Beste für ihre Kinder wollen und prinzipiell ihr Leben erfolgreich alleine führen können. Daraus ergibt sich, dass Unterstützungsleistungen durch die Hilfesysteme sukzessive wieder abgebaut werden sollen. [ Tab. 4 ] zeigt die 9 Prinzipien der MST.
Eine hochstrukturierte, klinische Supervision und Qualitätssicherungsprozesse sichern das Vorgehen nach MST ab.
Die Wirksamkeit in Hinblick auf Schulabsentismus ist in US-amerikanischen Studienpopulationen gut belegt. Kinder- und Jugendpsychiatrische Behandlungskonzepte berücksichtigen häufig die MST-Prinzipien.
Schulersetzende Maßnahmen
Schulersetzende Maßnahmen sind außerschulische Angebote, oft für Jugendliche im letzten Schulpflichtjahr. Sie zeichnen sich durch eine Kombination aus berufsorientiertem Schulunterreicht und sozialpädagogischer Betreuung aus. Die Maßnahmen finden außerhalb des Lernortes Schule statt. Schulersetzende Maßnahmen sollten das Mittel der letzten Wahl darstellen. Bei dieser Intervention besteht die Gefahr, dass sie den Betroffenen im verhaltenstherapeutischen Sinn die Möglichkeit zur Vermeidung aversiver Situationen und Reize bietet, wodurch sich dysfunktionales Verhalten verstetigt. Ein ähnliches Phänomen tritt u. U. beim sogenannten „Home-Schooling“, dem Unterricht zu Hause durch die Eltern auf, weshalb dieses nicht befürwortet werden kann.
Wenn der Besuch der Stammschule und die Symptomatik sich über den Zeitraum von mehreren Monaten stabilisiert, kann man die Psychotherapie ausschleichen und beenden.
Im Vorfeld der Beendigung empfiehlt es sich, ein Nachsorgekonzept zu entwickeln. Dieses benennt aus der Kenntnis der Fallkonzeption und des Therapieverlaufes „Frühwarnzeichen“ und Risikokonstellationen für ein erneutes Einsetzen des Absentismus. Dieses Konzept wird mit dem Patienten, Familienmitgliedern und Lehrer erarbeitet bzw. besprochen und basiert auf einem kontinuierlichen Monitoring des Schulbesuches.
Ein Rückfall in dysfunktionales Verhalten indiziert eine zeitnahe Wiederaufnahme der Therapie und Netzwerk-Maßnahmen.
Fazit
Abwarten verbessert weder die psychische Störung noch das Schulabsentismus-Problem. Eine früh einsetzende Diagnostik durch alle beteiligten Fachbereiche sowie pädagogische Maßnahmen, pädiatrische Interventionen und/oder eine psychotherapeutische und/oder psychopharmakologische Therapie wird in den meisten Fällen erfolgreich den Schüler – wie vor mehr als 300 Jahren vom Preußenkönig Friedrich Wilhelm intendiert – in die Heimatschule zurückführen.
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Jeder Schultag zählt – unabhängig davon, ob entschuldigtes oder unentschuldigtes Fehlen vorliegt.
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Schulabsentismus geht nicht selten mit psychischen Störungen einher und ist ein sich entwickelnder Prozess.
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Chronifizierung vermeiden, d. h. Diagnostik und Therapie so früh wie möglich!
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Schulabsentismus kann eingeteilt werden gemäß dem relativen Anteil von Gesamtfehltagen pro Schulhalbjahr – leicht: 0 bis ≤ 5 %, mittel: > 5 % und < 10 %, schwer: ≥ 10 %.
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Die Behandlung fokussiert auf die psychische Störung und die Schulreintegration.
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Ein fortgesetztes Fehlzeitenmonitoring stellt die Basis der Behandlung dar.
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Bei mittel- bis schwergradigem Absentismus ist die abgestimmte Therapie im Netzwerk Schule und Hilfesystem notwendig.
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Etwa 60–80 % der Patienten können erfolgreich in die Schule reintegriert werden.
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist PD Dr. med. PD Dr. phil. Volker Reissner, Düsseldorf, Deutschland.
PD Dr. med. PD Dr. phil. Volker Reissner
Chefarzt der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am LVR-Klinikum Düsseldorf/Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Diplom-Pädagoge. Forschungsschwerpunkte: Schulabsentismus, psychische Gesundheit bei Arbeitslosen, PTSD, Abhängigkeitserkrankungen.


Dr. phil. Dipl. Psych. Ulrike Bowi
Leitende Psychologin der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am LVR-Klinikum Düsseldorf/Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Kinder- und Jugendpsychotherapeutin. Forschungsschwerpunkte: Schulabsentismus, Bullying, Prävention.


Dr. phil. Dipl. Psych. Martin Knollmann
Leitender Psychologe der LVR-Universitätsklinik Essen, Kliniken und Institut der Universität Duisburg-Essen, Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes und Jugendalters. Forschungsschwerpunkte: Schulabsentismus, Fragebogenentwicklung, Emotionsregulation.


Interessenkonflikt
Erklärung zu finanziellen Interessen
Forschungsförderung erhalten: ja, von einer anderen Institution (Pharma- oder Medizintechnikfirma usw.); Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an Firma (Nicht-Sponsor der Veranstaltung): nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an Firma (Sponsor der Veranstaltung): nein
Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen
V. R. ist Mitglied beim International Network for School Attendance (INSA); Internationale wissenschaftliche Nonprofit-Organsiation, in der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie (DGKJPP) und der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN)
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Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
16 July 2025
© 2025. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Oswald-Hesse-Straße 50, 70469 Stuttgart, Germany
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