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DOI: 10.1055/a-2603-3905
Eingriffe an Hals, Ösophagus und Mediastinum

Vorgehen bei Halszysten oder -fisteln
Laterale Halszysten/-fisteln
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Laterale Halszyste: Pathogenetisch wird heute eine Entstehung aus heterotopen Epitheleinschlüssen in Halslymphknoten als „tonsillogene Lymphknotenerkrankung“ postuliert. Hierbei wird davon ausgegangen, dass es sich bei der lateralen Halszyste um einen zystisch veränderten Lymphknoten handelt. Zu den Befunden, die diese Hypothese stützen, gehören neben Altersverteilung und histologischen Befunden nicht zuletzt auch die Lokalisation lateraler Halszysten, in der Regel auf Höhe des lateralen Zungenbeinhornes an der Einmündung der V. facialis in die V. jugularis interna. So ist bekannt, dass das hintere Zungendrittel und die Tonsilla palatina in den hier lokalisierten Nodulus lymphaticus jugulodigastricus drainieren. Nach dieser Hypothese gelangen Plattenepithelien im Rahmen von Entzündungsprozessen aus den tonsillären Krypten mit der Lymphe in die erstdrainierenden Lymphknotenstationen, wobei rezidivierende Infektionen zur Ausbildung einer Zyste führen können.
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Laterale Halsfistel: Liegt eine embryologische Störung der Involutionsvorgänge der 2.–4. Schlundtasche vor, kann der Ductus cervicalis mit bleibender Öffnung nach außen persistieren. Die Öffnung der Pharynxfistel ist abhängig von der Lage der 2., 3. und 4. Schlundtasche. Diese ist bei der 2. Schlundtasche im Bereich des Recessus supratonsillaris, bei der 3. Schlundtasche im Bereich des Recessus piriformis ventral der Plika des N. laryngeus superior und bei der 4. Schlundtasche im Bereich des Recessus piriformis dorsal der vorgenannten Plika lokalisiert. Vom äußeren Fistelmund ausgehend zeigen laterale Halsfisteln dementsprechend einen unterschiedlich steilen, bogenförmigen Verlauf.
OP-Prinzip
Komplette Entfernung der Zyste/Fistel. Totale Entfernung des Fistelgangs von seinem äußeren Ausführungsgang bis zur inneren Mündung, in der Regel in der Fossa supratonsillaris bzw. an der hinteren Rachenwand.
Indikation
Jede laterale Halszyste bzw. jede symptomatisch gewordene laterale Halsfistel.
Kontraindikation
Reduzierter Allgemeinzustand, der das Eingehen des Operations-/Narkoserisikos nicht rechtfertigt.
OP-Technik
Laterale Halszyste
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Hautschnitt: Schnitt in einer präformierten Halsfalte auf Zystenniveau, ggf. einen Querfinger unterhalb der Zystenvorwölbung ([Abb. 1]), Durchtrennen des Platysmas, Darstellen der Vorderkante des M. sternocleidomastoideus, Einsetzen der Wundhaken.
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Darstellung der Zyste: Präparation des Zystenbalgs durch Aufspreizen und Inzision des angelagerten Bindegewebes, Stieltupfer ([Abb. 2]).
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Lösung der Zyste: Der Balg wird schrittweise gelöst, dies gelingt meist stumpf, bis die Zyste vollständig mobilisiert ist ([Abb. 3]). Hält man sich bei diesem Vorgehen streng an den Balg der Zyste, so sind akzidentelle Verletzungen nervaler Strukturen (N. laryngeus superior, N. recurrens, N. hypoglossus, N. accessorius, R. mandibularis N. facialis) nicht zu befürchten. Besteht nach vorangegangenen Entzündungsprozessen eine erhebliche narbige Verwachsung mit der Umgebung, so empfiehlt es sich, erst kaudal der Zyste die Gefäß-Nerven-Scheide aufzusuchen und von kaudal nach kranial, nach Sichtidentifikation der V. jugularis, des N. vagus und N. hypoglossus, die Zyste zu lösen. Im kranialen Bereich ist auch der N. accessorius bei diesem Vorgehen zu identifizieren. Die Isolierung dieser Strukturen ist auch notwendig, wenn von der Zyste noch strangförmige Fortsätze durch die Karotisgabel ziehen. Bei Einriss der Zyste wird der erschlaffte Zystenbalg in gleicher Weise schrittweise mobilisiert und abschließend abgesetzt.
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Wundverschluss: abschließend Einlage einer Saugdrainage, schichtweiser Wundschluss.






Handelt es sich um eine große Halszyste, kann deren Volumen über eine große Kanüle, um die eine Tabaksbeutelnaht gelegt wurde, deutlich vermindert werden. Die Präparation ist anschließend erleichtert, das Risiko eines unkontrollierten Zysteneinrisses minimiert.
Sensibilitätsstörungen im Narbenbereich. Bei Keloidneigung ist das Entstehen einer unästhetischen Narbenbildung möglich. Bei schwierigen anatomischen Verhältnissen akzidentelle Verletzung des N. hypoglossus, N. laryngeus superior, N. recurrens, N. accessorius, ggf. auch des Fazialismundastes möglich.
Bei lateraler Halsfistel
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Hautschnitt: Längsschnitt an der Vorderkante des M. sternocleidomastoideus bis zur Fistelöffnung, die spindelförmig umschnitten wird ([Abb. 4]).
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Gangdarstellung und Präparation des proximalen Abschnitts: Durchtrennung des Platysmas, Anschlingen des Ganges, der zuvor mit Methylenblau angefärbt wird (alternativ feine Gangsonde). Verfolgung des Ganges unter Spaltung der umgebenden Weichteile. Gleichzeitig wird von der Vorderkante des M. sternocleidomastoideus aus die Präparation auf die Gefäßloge vertieft und die V. jugularis dargestellt. Der Gang zieht in der Nähe der Karotisgabel zur Tiefe und tritt meistens zwischen A. carotis externa und interna nach medial. Nach Einsetzen der Wundhaken und Lateroposition des M. sternocleidomastoideus werden stumpf präparierend die Gefäße isoliert und der N. hypoglossus und N. vagus identifiziert ([Abb. 5]).
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Präparation des proximalen Fistelgangs: Unter Auseinanderhalten der umgebenden Weichteile mit Wundhaken erfolgt das Freilegen des Fistelgangs so weit wie möglich. Jetzt Einsetzen des Tonsillenspatels, Schleimhautinzision lateral der Tonsille, stumpfe Dissektion in die Tiefe und Identifizieren des Fistelgangs durch Zug am distalen Fistelgang. Transoral Absetzen der Fistel, die entweder zuvor in die Mundhöhle eingestülpt oder über Zug am distalen Teil transzervikal entfernt wird. Sorgfältige Schleimhautnaht enoral. Entfernen des Tonsillenspatels ([Abb. 6]).
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Wundverschluss: Die äußere Wunde wird nach Einlegen einer kleinen Wunddrainage schichtweise verschlossen.
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Modifikation: Anstelle des einen Längsschnitts vor dem M. sternocleidomastoideus können mehrere Querschnitte in die RSTL der Haut über den M. sternocleidomastoideus gelegt werden. Nach Unterminierung der dazwischenliegenden Hautbrücken wird die Fistel wie oben beschrieben schrittweise dargestellt und exstirpiert. Dieses Verfahren ist chirurgisch anspruchsvoller, die Narbenbildung in der Regel kosmetisch aber etwas besser.






Die Komplikationen entsprechen grundsätzlich denen der lateralen Halszyste. Eine Verletzung der A. carotis beim Durcharbeiten durch die Karotisgabel sollte bei der erforderlichen Sorgfalt grundsätzlich nicht vorkommen.
Nachbehandlung
Wunddrainage je nach Verlauf entfernen (meist zwischen dem zweiten und vierten postoperativen Tag), Antibiotikatherapie nur bei Anhalt für eine Infektion (Einzelfallentscheidung). Fäden etwa am siebten postoperativen Tag entfernen.


Rettinger G, Hosemann W, Hüttenbrink KW, Werner JA (Hrsg.). HNO-Operationslehre – Mit allen wichtigen Eingriffen. Stuttgart: Thieme 5., vollständig überarbeitete Auflage 2017. doi:10.1055/b-004-140287
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Publication History
Article published online:
09 September 2025
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