Laryngorhinootologie 2025; 104(09): 604-607
DOI: 10.1055/a-2603-3905
OP-Techniken

Eingriffe an Hals, Ösophagus und Mediastinum

J. A. Werner
,
J. P. Windfuhr
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Vorgehen bei Halszysten oder -fisteln

Laterale Halszysten/-fisteln

  • Laterale Halszyste: Pathogenetisch wird heute eine Entstehung aus heterotopen Epitheleinschlüssen in Halslymphknoten als „tonsillogene Lymphknotenerkrankung“ postuliert. Hierbei wird davon ausgegangen, dass es sich bei der lateralen Halszyste um einen zystisch veränderten Lymphknoten handelt. Zu den Befunden, die diese Hypothese stützen, gehören neben Altersverteilung und histologischen Befunden nicht zuletzt auch die Lokalisation lateraler Halszysten, in der Regel auf Höhe des lateralen Zungenbeinhornes an der Einmündung der V. facialis in die V. jugularis interna. So ist bekannt, dass das hintere Zungendrittel und die Tonsilla palatina in den hier lokalisierten Nodulus lymphaticus jugulodigastricus drainieren. Nach dieser Hypothese gelangen Plattenepithelien im Rahmen von Entzündungsprozessen aus den tonsillären Krypten mit der Lymphe in die erstdrainierenden Lymphknotenstationen, wobei rezidivierende Infektionen zur Ausbildung einer Zyste führen können.

  • Laterale Halsfistel: Liegt eine embryologische Störung der Involutionsvorgänge der 2.–4. Schlundtasche vor, kann der Ductus cervicalis mit bleibender Öffnung nach außen persistieren. Die Öffnung der Pharynxfistel ist abhängig von der Lage der 2., 3. und 4. Schlundtasche. Diese ist bei der 2. Schlundtasche im Bereich des Recessus supratonsillaris, bei der 3. Schlundtasche im Bereich des Recessus piriformis ventral der Plika des N. laryngeus superior und bei der 4. Schlundtasche im Bereich des Recessus piriformis dorsal der vorgenannten Plika lokalisiert. Vom äußeren Fistelmund ausgehend zeigen laterale Halsfisteln dementsprechend einen unterschiedlich steilen, bogenförmigen Verlauf.

OP-Prinzip

Komplette Entfernung der Zyste/Fistel. Totale Entfernung des Fistelgangs von seinem äußeren Ausführungsgang bis zur inneren Mündung, in der Regel in der Fossa supratonsillaris bzw. an der hinteren Rachenwand.


Indikation

Jede laterale Halszyste bzw. jede symptomatisch gewordene laterale Halsfistel.


Kontraindikation

Reduzierter Allgemeinzustand, der das Eingehen des Operations-/Narkoserisikos nicht rechtfertigt.


OP-Technik

Laterale Halszyste

  • Hautschnitt: Schnitt in einer präformierten Halsfalte auf Zystenniveau, ggf. einen Querfinger unterhalb der Zystenvorwölbung ([Abb. 1]), Durchtrennen des Platysmas, Darstellen der Vorderkante des M. sternocleidomastoideus, Einsetzen der Wundhaken.

  • Darstellung der Zyste: Präparation des Zystenbalgs durch Aufspreizen und Inzision des angelagerten Bindegewebes, Stieltupfer ([Abb. 2]).

  • Lösung der Zyste: Der Balg wird schrittweise gelöst, dies gelingt meist stumpf, bis die Zyste vollständig mobilisiert ist ([Abb. 3]). Hält man sich bei diesem Vorgehen streng an den Balg der Zyste, so sind akzidentelle Verletzungen nervaler Strukturen (N. laryngeus superior, N. recurrens, N. hypoglossus, N. accessorius, R. mandibularis N. facialis) nicht zu befürchten. Besteht nach vorangegangenen Entzündungsprozessen eine erhebliche narbige Verwachsung mit der Umgebung, so empfiehlt es sich, erst kaudal der Zyste die Gefäß-Nerven-Scheide aufzusuchen und von kaudal nach kranial, nach Sichtidentifikation der V. jugularis, des N. vagus und N. hypoglossus, die Zyste zu lösen. Im kranialen Bereich ist auch der N. accessorius bei diesem Vorgehen zu identifizieren. Die Isolierung dieser Strukturen ist auch notwendig, wenn von der Zyste noch strangförmige Fortsätze durch die Karotisgabel ziehen. Bei Einriss der Zyste wird der erschlaffte Zystenbalg in gleicher Weise schrittweise mobilisiert und abschließend abgesetzt.

  • Wundverschluss: abschließend Einlage einer Saugdrainage, schichtweiser Wundschluss.

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Abb. 1 Laterale Halszyste, 1. Schritt: Hautschnitt an der Vorderkante des M. sternocleidomastoideus oder alternativ an einer auf kaudalem Zystenniveau liegenden präformierten Halsfalte.
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Abb. 2 Laterale Halszyste, 2. Schritt: Darstellen des Zystenbalgs durch Aufspreizen des umgebenden Bindegewebes.
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Abb. 3 Laterale Halszyste, 3. Schritt: Bei stärkeren Verwachsungen werden kaudal und kranial der Zyste die Gefäß-Nerven-Scheide, der N. hypoglossus und der N. accessorius isoliert und geschont.
Regeln, Tipps und Tricks

Handelt es sich um eine große Halszyste, kann deren Volumen über eine große Kanüle, um die eine Tabaksbeutelnaht gelegt wurde, deutlich vermindert werden. Die Präparation ist anschließend erleichtert, das Risiko eines unkontrollierten Zysteneinrisses minimiert.

Risiken und Komplikationen

Sensibilitätsstörungen im Narbenbereich. Bei Keloidneigung ist das Entstehen einer unästhetischen Narbenbildung möglich. Bei schwierigen anatomischen Verhältnissen akzidentelle Verletzung des N. hypoglossus, N. laryngeus superior, N. recurrens, N. accessorius, ggf. auch des Fazialismundastes möglich.


Bei lateraler Halsfistel

  • Hautschnitt: Längsschnitt an der Vorderkante des M. sternocleidomastoideus bis zur Fistelöffnung, die spindelförmig umschnitten wird ([Abb. 4]).

  • Gangdarstellung und Präparation des proximalen Abschnitts: Durchtrennung des Platysmas, Anschlingen des Ganges, der zuvor mit Methylenblau angefärbt wird (alternativ feine Gangsonde). Verfolgung des Ganges unter Spaltung der umgebenden Weichteile. Gleichzeitig wird von der Vorderkante des M. sternocleidomastoideus aus die Präparation auf die Gefäßloge vertieft und die V. jugularis dargestellt. Der Gang zieht in der Nähe der Karotisgabel zur Tiefe und tritt meistens zwischen A. carotis externa und interna nach medial. Nach Einsetzen der Wundhaken und Lateroposition des M. sternocleidomastoideus werden stumpf präparierend die Gefäße isoliert und der N. hypoglossus und N. vagus identifiziert ([Abb. 5]).

  • Präparation des proximalen Fistelgangs: Unter Auseinanderhalten der umgebenden Weichteile mit Wundhaken erfolgt das Freilegen des Fistelgangs so weit wie möglich. Jetzt Einsetzen des Tonsillenspatels, Schleimhautinzision lateral der Tonsille, stumpfe Dissektion in die Tiefe und Identifizieren des Fistelgangs durch Zug am distalen Fistelgang. Transoral Absetzen der Fistel, die entweder zuvor in die Mundhöhle eingestülpt oder über Zug am distalen Teil transzervikal entfernt wird. Sorgfältige Schleimhautnaht enoral. Entfernen des Tonsillenspatels ([Abb. 6]).

  • Wundverschluss: Die äußere Wunde wird nach Einlegen einer kleinen Wunddrainage schichtweise verschlossen.

  • Modifikation: Anstelle des einen Längsschnitts vor dem M. sternocleidomastoideus können mehrere Querschnitte in die RSTL der Haut über den M. sternocleidomastoideus gelegt werden. Nach Unterminierung der dazwischenliegenden Hautbrücken wird die Fistel wie oben beschrieben schrittweise dargestellt und exstirpiert. Dieses Verfahren ist chirurgisch anspruchsvoller, die Narbenbildung in der Regel kosmetisch aber etwas besser.

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Abb. 4 Laterale Halsfistel, 1. Schritt: Hautschnitt entlang des M. sternocleidomastoideus mit spindelförmiger Umschneidung der Fistelöffnung. Alternativ können auch zwei oder drei in präformierte Halsfalten gelegte Hautinzisionen erfolgen, über welche die Fistel dann nach kranial dargestellt wird.
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Abb. 5 Laterale Halsfistel, 2. Schritt: Nach Freilegen der Gefäß-Nerven-Scheide wird der Fistelgang weiter nach zentral präpariert. Er tritt meist durch die Karotisgabel nach innen.
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Abb. 6 Laterale Halsfistel, 3. Schritt: Einstülpen des Fistelgangs. Nach Einsetzen eines Tonsillenspatels wird die Fistel transoral nach Schleimhautinzision lateral der ipsilateralen Tonsille identifiziert, durchgezogen und abgesetzt oder nach Absetzen transzervikal entfernt.
Risiken und Komplikationen

Die Komplikationen entsprechen grundsätzlich denen der lateralen Halszyste. Eine Verletzung der A. carotis beim Durcharbeiten durch die Karotisgabel sollte bei der erforderlichen Sorgfalt grundsätzlich nicht vorkommen.



Nachbehandlung

Wunddrainage je nach Verlauf entfernen (meist zwischen dem zweiten und vierten postoperativen Tag), Antibiotikatherapie nur bei Anhalt für eine Infektion (Einzelfallentscheidung). Fäden etwa am siebten postoperativen Tag entfernen.

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Abb. 7 Exstirpation einer äußeren Laryngozele. Hautschnitt.
Zitierweise für diesen Artikel

Rettinger G, Hosemann W, Hüttenbrink KW, Werner JA (Hrsg.). HNO-Operationslehre – Mit allen wichtigen Eingriffen. Stuttgart: Thieme 5., vollständig überarbeitete Auflage 2017. doi:10.1055/b-004-140287

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Article published online:
09 September 2025

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