Open Access
CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd
DOI: 10.1055/a-2641-7664
GebFra Science
Original Article

Management pränatal diagnostizierter Fehlbildungen des zentralen Nervensystems (ZNS): Einflussfaktoren auf die Entscheidungsfindung und den Zeitpunkt der Schwangerschaftsbeendigung

Article in several languages: English | deutsch
Christine Ibold
1   Gynäkologie, Sana Kliniken Leipziger Land, Borna, Germany (Ringgold ID: RIN62478)
,
Massimiliano Lia
2   Abteilung für Geburtsmedizin, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Germany (Ringgold ID: RIN9180)
,
Holger Stepan
2   Abteilung für Geburtsmedizin, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Germany (Ringgold ID: RIN9180)
,
Renaldo Faber
3   Zentrum für Pränatale Medizin Leipzig, Leipzig, Germany
,
Sabine Riße
3   Zentrum für Pränatale Medizin Leipzig, Leipzig, Germany
,
Andreas Merkenschlager
4   Neuropädiatrie, Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Germany (Ringgold ID: RIN9180)
,
Susanne Schrey-Petersen
2   Abteilung für Geburtsmedizin, Universitätsklinikum Leipzig, Leipzig, Germany (Ringgold ID: RIN9180)
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Einleitung

ZNS-Fehlbildungen gehören zu den häufigsten pränatal diagnostizierten Fehlbildungen und sind eine Hauptursache für späte Schwangerschaftsabbrüche. Die Diagnosestellung und prognostische Beratung sind komplex. Ziel dieser Studie war die Analyse von Schwangerschaftsausgängen in Bezug auf spezifische Fehlbildungen, Einflussfaktoren auf die Entscheidungsfindung und die Dauer zwischen Diagnose und Abbruch sowie von Ursachen später Diagnosen oder besonders später Abbrüche.

Patient*innen und Methode

Es erfolgte eine retrospektive Untersuchung aller an einem Perinatalzentrum zwischen 2003 und 2014 betreuten Schwangerschaften mit fetaler ZNS-Fehlbildung. Erfasst wurden Abbruchraten, Art der Fehlbildung und Gestationsalter bei Erstdiagnose und Abbruch. Statistisch analysiert wurden Einflussfaktoren auf die Entscheidungsfindung sowie die Zeitdauer zwischen Diagnose und Abbruch. Für Abbrüche ab 26+0 SSW erfolgte eine Einzelfallanalyse.

Ergebnisse

In 139 von 251 Fällen (55,44%) wurde die Schwangerschaft zwischen 13+1 und 38+2 SSW abgebrochen (Median 22+4 SSW). Der Zeitraum zwischen Erstdiagnose und Abbruchbeginn (ΔAbbruch) betrug im Median 10 Tage (Spanne: 1 bis 94 Tage). Relevante Einflussfaktoren auf die Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch stellten die Art der Fehlbildung im Vergleich zur isolierten Ventrikulomegalie (nicht-isolierten ACC (aOR 17,5; p < 0,001), Holoprosenzephalie (aOR 24,4; p < 0,001) Spina bifida (aOR 7,24; p < 0,001), übrigen Neuralrohrdefekten (aOR 62,5; p < 0,001) sowie das Vorhandensein zusätzlicher genetischer Auffälligkeiten (aOR 6,38; p = 0,014) dar. Seltener war die Entscheidung zum Abbruch bei Diagnosestellung ab der 22+0 SSW (aOR 0,24; p < 0,001). Signifikante Einflussfaktoren auf die Dauer zwischen Diagnose und Abbruchsbeginn (ΔAbbruch) waren: Durchführung eines fetalen MRT (HR 0,41; p = 0,003), maternales Alter (HR 0,95 pro zusätzliches Jahr; p = 0,034). Hingegen war dieses Intervall signifikant verkürzt, wenn eine destruktive Veränderung (HR 10,5; p = 0,004) oder ein (Non-Spina-bifida-)Neuralrohrdefekt (HR 3,86; p = 0,002) vorlag. Eine bekannte Chromosomenaberration (p = 0,87), Anomalien außerhalb des ZNS (p = 0,58) oder eine Diagnose ≥ 22+0 SSW (p = 0,74) waren nicht mit der Dauer bis zum Abbruch assoziiert. Die Analyse besonders später Abbrüche ab 26+0 SSW ergab nur in einzelnen Fällen Hinweise auf eine vermeidbare Verzögerung der Diagnose oder des Abbruchs.

Schlussfolgerung

Die diagnostische und prognostische Komplexität zerebraler Fehlbildungen führt selbst unter optimalen Betreuungsbedingungen häufig zu späten Diagnosen und verzögerten Entscheidungen. Eine standardisierte und frühzeitig eingeleitete pränataldiagnostische Abklärung kann Schwangeren eine ergebnisoffene und informierte Beratung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt ermöglichen. Eine besonders späte Schwangerschaftsbeendigung ist jedoch nicht zwangsläufig als negativ zu bewerten, da sie in der Mehrzahl der Fälle auf die Erforderlichkeit einer differenzierten pränataldiagnostischen Abklärung – etwa durch ein fetales MRT – sowie auf die ethisch gebotene Notwendigkeit einer ausreichend langen Phase für eine informierte und emotional reflektierte Entscheidungsfindung zurückzuführen ist.


Einleitung

Fehlbildungen des Zentralnervensystems gehören mit einer angenommenen Prävalenz von ca. 1 auf 100 Lebendgeburten zu den häufigsten pränatal diagnostizierten fetalen Auffälligkeiten [1]. Das Spektrum ist weit und reicht von Befunden, bei denen keine oder geringere Auswirkungen auf die spätere Entwicklung des Kindes zu erwarten sind, bis zu Fehlbildungen, bei denen alle motorischen, sensorischen und kognitiven Funktionen und teilweise auch die vegetativen Funktionen stark eingeschränkt sind. ZNS-Fehlbildungen stellen sowohl in der Diagnostik als auch in der pränatalen Beratung und Abschätzung der Prognose eine große Herausforderung dar. In Abhängigkeit von der Art und dem Schweregrad der pränatal diagnostizierten bzw. vermuteten Fehlbildung entscheidet sich ein Anteil der Elternpaare dagegen, die Schwangerschaft auszutragen. Dabei ist gerade für Fehlbildungen des Zentralnervensystems typisch, dass die Diagnose erst sehr spät gestellt wird und ein Abbruch der Schwangerschaft in einem späteren Stadium der Schwangerschaft, häufig nach der 22. SSW, erfolgt, wodurch in vielen Fällen ein Fetozid notwendig wird [2] [3] [4]. Die späte Diagnosestellung ist auch darauf zurückzuführen, dass viele ZNS-Fehlbildungen erst in fortgeschrittenen Schwangerschaftswochen eindeutig erkennbar sind, da die Gehirnreifungsprozesse vergleichsweise spät in der Schwangerschaft ablaufen.

Ziel der vorliegenden retrospektiven Untersuchung war die Feststellung des unmittelbaren Ausgangs der aktuellen Schwangerschaft: Wie groß war der Anteil der Schwangeren in einem Perinatalzentrum Level I, die sich bei den unterschiedlichen ZNS-Fehlbildungen für einen Abbruch der Schwangerschaft entschieden, und auf welche Art und in welcher Schwangerschaftswoche erfolgte dieser. Ebenfalls untersucht wurden der Zeitpunkt der Erstdiagnose in Bezug auf den Abbruch der Schwangerschaft, mögliche Ursachen für eine Verzögerung der Diagnose oder des Abbruchs und ob sich die Diagnose postnatal bestätigte. Bei denjenigen Fällen, bei denen sich die Diagnose nicht bestätigte, wurde analysiert, ob dass das Wissen über die korrekte (postnatale) Diagnose einen Einfluss auf das seitens der Eltern gewählte Vorgehen gehabt haben könnte.


Patient*innen und Methode

In dieser Arbeit wurden retrospektiv alle zwischen 2003 und 2014 an einem Perinatalzentrum Level I geborenen Kinder mit pränatal diagnostizierter ZNS-Fehlbildung untersucht. Die Identifizierung erfolgte über die standardisierte Erfassung in den Geburtenbüchern. Prä- und postnatale Befunde, Geburtsverlauf und Nachbetreuung wurden aus den klinikinternen Systemen (ViewPoint, SAP) erhoben.

Die Diagnose der ZNS-Fehlbildungen erfolgte primär sonografisch. Oft wurde pränatal eine MRT zur Bestätigung und Spezifizierung hinzugezogen. Die postnatale Diagnosesicherung erfolgte bei lebendgeborenen Kindern per MRT oder Ultraschall, bei Schwangerschaftsabbrüchen durch neuropathologische Untersuchungen, sofern die Eltern zustimmten. Als primäres Outcome wurde erfasst, ob die Schwangerschaft vorzeitig beendet (Interruptio/Abbruch) oder ausgetragen wurde. Bei ausgetragenen Schwangerschaften wurde zwischen „lebend geboren“ und „peripartal verstorben“ sowie zwischen „postnatal bestätigter“ und „abweichender“ Diagnose unterschieden. Ausgeschlossen wurden Zwillingsschwangerschaften und Schwangerschaften, bei denen spontan ein intrauteriner Fruchttod auftrat.

Der Zeitpunkt der Erstdiagnose wurde als die erste dokumentierte Diagnose festgelegt, die in den meisten Fällen mit der Erstuntersuchung durch einen erfahrenen Spezialisten bzw. eine erfahrene Spezialistin mit fortgeschrittener Qualifikation (DEGUM II oder III) identisch war. Frühere (Verdachts-)Diagnosen, z. B. im Rahmen der allgemeinen Schwangerschaftsvorsorge oder Verzögerungen bis zur Vorstellung beim Spezialisten/bei der Spezialistin konnten nur eingeschränkt erfasst werden. Bei allen Abbrüchen wurden der Zeitraum zwischen ED und Beginn des Abbruchs, also Zeitpunkt des Fetozids bzw. der ersten Medikamentengabe, aus den Angaben in den VIEWpoint-Befunden errechnet sowie Verweise auf mögliche Ursachen für eine Verzögerung der Diagnose oder des Abbruchs dokumentiert. Bei allen Abbrüchen ab 26+0 SSW erfolgte eine Einzelfallanalyse hinsichtlich der mutmaßlichen Ursache für die späte Diagnosefeststellung bzw. den späten Abbruch.

Gemäß klinikinternem Standard wurde allen Patientinnen ein neuropädiatrisches Konsil sowie – je nach Verdachtsdiagnose – ein kinderchirurgisches und/oder neonatologisches Konsil angeboten. Diese Beratungsgespräche fanden in der Regel im Anschluss an das fetale MRT statt, sofern ein solches durchgeführt wurde. Bei entsprechender Indikation wurde zudem eine diagnostische Punktion (z. B. Amniozentese) angeboten. Im Rahmen dieser Abklärung erhielten die Patientinnen ebenfalls ein genetisches Beratungsgespräch.

In einer ersten Regressionsanalyse wurde untersucht, welche Faktoren unabhängig mit der Entscheidung zu einem Schwangerschaftsabbruch assoziiert sind. Variablen, die wir in das multivariable logistische Regressionsmodell integrierten, wurden aufgrund deren klinischer Plausibilität ausgesucht und umfassten: Art der ZNS-Anomalie, Vorhandensein von Fehlbildungen außerhalb des ZNS, bekannte Chromosomenaberrationen, Diagnose nach der 22+0 SSW und das maternale Alter.

In einer zweiten Regressionsanalyse wurde die Subgruppe jener Schwangeren analysiert, die einen Schwangerschaftsabbruch durchführen ließ. Hierbei wurde mittels Cox’scher Regressionsanalyse untersucht, welche Variablen mit der Dauer zwischen Diagnose einer ZNS-Anomalie und dem Schwangerschaftsabbruch (definiert als den Beginn der medizinischen Maßnahme) assoziiert waren. Folgende Parameter wurden in dieses Cox’sche Regressionsmodell integriert: Art der ZNS-Anomalie, Vorhandensein von Fehlbildungen außerhalb des ZNS, bekannte Chromosomenaberrationen, Durchführung eines fetalen MRT, Diagnose nach der 22+0 SSW und das maternale Alter.

Ergebnisse beider Regressionsanalysen wurden mittels adjustierter Odds Ratio oder Hazard Ratio, deren Konfidenzintervalle und eines p-Werts für jede Variable dargestellt.

Eine schriftliche Einwilligung zur wissenschaftlichen Nutzung anonymisierter Daten wird standardmäßig von allen Patient*innen an unserer Institution eingeholt. Alle Verfahren entsprachen den ethischen Standards der für menschliche Experimente zuständigen Kommission (institutionell und national) sowie der aktuellen Fassung der Deklaration von Helsinki (1975).


Ergebnisse

Zwischen 2003 und 2014 wurden insgesamt 259 Schwangerschaften mit fetalen ZNS-Auffälligkeiten betreut. Acht Schwangerschaften wurden aus der Analyse ausgeschlossen: 6, weil es sich um Geminigraviditäten handelte, und 2, da die Feten spontan intrauterin verstorben waren. Von den Eltern entschieden sich 44,6% (112) für das Austragen der Schwangerschaft, während 55,4% (139) einen Abbruch wählten. Diese Abbrüche (Zeitpunkt der Abortinduktion bzw. des Fetozids) erfolgten zwischen 13+1 und 38+2 Schwangerschaftswochen (Median: 22+4 SSW). Postnatal zeigte sich in 19 Fällen eine von der pränatalen abweichende Diagnose. In 218 Fällen (86,9%) lagen Informationen zum Zeitpunkt der Erstdiagnose vor, wobei das mediane Gestationsalter bei Erstdiagnose 20+3 SSW (Min 12+1; Max 38+6) betrug. Die klinischen Charakteristika der Studienkohorte sind in [Tab. 1] zusammengefasst.

Tab. 1 Klinische Charakteristika der ausgetragenen und abgebrochenen Schwangerschaften.

Charakteristikum

ausgetragen

N = 1121

Interruptio

N = 1391

1 Median (IQR); n (%)

IQR = Interquartile Range; fehlende Daten: Bei einer Patientin mit Interruptio war die Parität nicht angegeben. Bei 22 Patientinnen mit ausgetragener Schwangerschaft und 12 mit Interruptio war der Zeitpunkt der Erstdiagnose retrospektiv nicht eruierbar.

maternales Alter

28,0 (25,0–34,0)

28,0 (25,0–32,0)

Parität

  • 0

50 (45)

78 (57)

  • 1

39 (35)

45 (33)

  • 2

15 (13)

10 (7,2)

  • 3

4 (3,6)

3 (2,2)

  • 4

1 (0,9)

0 (0)

  • 5

3 (2,7)

2 (1,4)

SSW (Diagnose)

25+5 (20+6–30+5)

20+4 (19+4–22+2)

SSW (Abbruch)

NA (NA–NA)

22+3 (20+4–24+5)

Intervall Diagnose–Abbruch

NA (NA–NA)

10 (6–18)


Fehlbildungsdiagnosen und Schwangerschaftsausgänge

Das Gestationsalter bei Diagnosestellung, die Rate an Schwangerschaftsabbrüchen, das Gestationsalter zum Zeitpunkt des Abbruchs sowie das Intervall zwischen Diagnose und Abbruchbeginn bzw. Fetozid unterschieden sich zwischen den jeweiligen Diagnosegruppen ([Tab. 2]). Die höchste Abbruchrate zeigte sich bei Neuralrohrdefekten ohne Spina bifida mit 95,5%, während die niedrigste Rate bei isolierten Ventrikulomegalien mit 21,6% beobachtet wurde. In einzelnen kleinen Subgruppen wie Arachnoidalzysten betrug die Abbruchrate 0%. Innerhalb der einzelnen Fehlbildungsgruppen variierte die Entscheidung zur Schwangerschaftsbeendigung in Abhängigkeit vom Vorliegen zusätzlicher genetischer Auffälligkeiten, weiterer extrazerebraler Fehlbildungen sowie vom Schweregrad des Befundes. Aufgrund der geringen Fallzahlen in den jeweiligen Subgruppen konnten diese Unterschiede nicht statistisch signifikant ausgewertet werden. So lag die Abbruchrate bei Feten mit schwerer bzw. moderater Ventrikulomegalie bei 28,6% bzw. 22,2%, während alle Schwangerschaften mit milder Ventrikulomegalie fortgeführt wurden.

Tab. 2 Ausgang der Schwangerschaften, Abbruchraten und Gestationsalter bei Diagnose und Abbruch.

Fehlbildung

Gestationsalter bei Diagnose (Mediane SSW; Min; Max), auch lebend geborene

Schwangerschaftsabbruchrate

Gestationsalter bei Schwangerschaftsabbruch (Mediane SSW; Min; Max)

Intervall Diagnose–Abbruch (ΔAbbruch, Tage; Min; Max)

* nur in einem Fall Angaben zum Zeitpunkt der Diagnosestellung vorliegend; ** primäre Verdachtsdiagnose durch niedergelassene(n) Gynäkolog*in nicht dokumentiert; *** davon ein Kind auch mit genetischer Auffälligkeit (Trisomie 21); n. b. nicht bekannt; **** nur in einem Fall Angaben zum GA bzw. genauem Abbruchsdatum (Intervall); ZNS = zentrales Nervensystem; ACM = Arnold-Chiari-Malformation

1 davon 2 nicht bestätigt, eine abgebrochen bei postnatal bestätigtem multiplem Fehlbildungssyndrom; 2 davon 8 nicht bestätigt, aber alle ausgetragen: 1 mit Trisomie 21, 1 mit großem Halsteratom von 5 × 9 cm (postnatal verstorben), 1 mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalte; 3 davon 3 postnatal nicht bestätigt, alle ausgetragen: 1 postnatal lediglich milde VM, 1 postnatal semilobäre Holoprosenzephalie, 1 unauffällig; 4 eine nicht bestätigt, aber ausgetragen: pränatal V. a. semilobäre Holoprosenzephalie: postnatal Balkenagenesie mit VM; 5 davon 4 nicht bestätigt (2 DW,1 ACM, 1 Megacisterna magna), 1 davon ein Abbruch bei V. a. DW und bestätigtem Turner plus weiteren Fehlbildungen; 6 postnatal nicht bestätigt, ausgetragen.

Spina bifida (n = 76)1

2 nicht bestätigt

gesamt (n = 76)

20+4 (17+2; 35+3)

65,8%

21+4 (18+0; 28+1)

7 (2; 50)

Spina bifida aperta (n = 67)

20+5 (17+4; 35+3)

67,2%

21+4 (18+1; 32+5)

8 (2; 50)

  • davon mit ACM (n = 62)

20+6 (17+4; 35+3)

71%

21+6 (18+1; 32+5)

8 (2; 50)

mit auffälliger Genetik (n = 2)

19+2****

100%

22+2 (21+2; 23+3)

14*

mit Fehlbildung außerhalb des ZNS (n = 8)

19+6 (17+2; 32+2)

75%

21+0 (18+0; 25+3)

8 (5; 15)

Spina bifida occulta (n = 3)

21+4 (19+4; 25+5)

0%

andere Neuralrohrdefekte (n = 22)

gesamt (N = 22)

19+6 (12,1; 36+4)

95,5%

20+2 (13+1; 38+2)

7 (1**; 22)

An-/Exenzephalus (n = 9)

16+2 (13+0; 21+2)

100%

19+4 (13+1; 23+5)

5 (1**; 22)

Enzephalozele (n = 8)

20+3 (12+1; 36+4)

100%

22+2 (14+4; 38+3)

8 (1; 14)

okzipitale Meningozele (n = 5)

18+6 (13+3; 29+3)

80%

19+6 (14+0; 22+1)

8 (4; 9)

Ventrikulomegalie2 (n = 53)

8 nicht bestätigt

gesamt (n = 54)

23+3 (18+2; 40+1)

24,1%

23+4 (20+3; 31+6)

20 (7; 90)

isoliert (n = 37)

25+1 (18+5; 40+1)

21,6%

22+0 (20+3; 27+4)

21 (7; 41)

mit genetischer Auffälligkeit (n = 6)

21+5 (19+3; 35+0)

66,7%

25+3 (21+0; 31+6)

23,5 (9; 90)

mit extrakranieller Auffälligkeit*** (n = 10)

24+0 (19+5; 32+0)

10%

29+5

18

Balkenagenesie3 (n = 38)

3 nicht bestätigt

gesamt (n = 38)

22+1 (15+1; 37+3)

50%

23+6 (19+4; 35+5)

13 (4; 92)

ohne weitere ZNS-Fehlbildungen (n = 24)*

21+3 (15+1; 30+4)

37,5%

21+3 (19+4; 26+4)

13 (4; 80)

mit weiteren ZNS-Fehlbildungen (n = 14)

22+3 (17+1; 37+3)

71,4%

25+5 (20+3; 35+5)

12 (6; 92)

Holoprosenzephalie4 (n = 16)

1 nicht bestätigt

22+2 (12+0; 29+1)

81,3%

23+5 (13+0; 31+3)

7,5 (3; 57)

Fehlbildungen der hinteren Schädelgrube5 (n = 20)

4 nicht bestätigt

gesamt (n = 20)

21+1 (19+5; 29+6)

50%

22+6 (20+2; 27+1)

14 (3; 23)

Dandy-Walker-Malformation (n = 12)

20+2 (19+5; 24+4)

50%

21+5 (20+2; 27+1)

14 (3; 23)

Megacisterna magna (n = 1)

22+1

0%

Arnold-Chiari-Malformation (n = 6)

21+6 (20+0; 29+6)

66,7%

24+1 (24+0; 25+5)

14 (12; 20)

zerebelläre Zyste (n = 1)

n. b.

0%

Tumoren und destruktive Auffälligkeiten (n = 12)

gesamt (n = 12)

31+6 (22+3; 38+2)

41,7%

32+0 (21+4; 33+4)

6 (4; 17)

Tumor (n = 3)

30+4 (29+6; 31+1)

33,3%

32+0

n. b.

Porenzephalie (n = 3)

30+3 (22+3; 38+2)

33,3%

23+0****

4****

Hydranenzephalie (n = 2)

30+6****

50%

33+2****

17****

Blutung (n = 4)

35+4 (32+4; 36+2)

50%

33+4****

6****

Mikrozephalie (n = 4)

31+4 (20+6; 37+4)

75%

33+4 (32+2; 34+0)

22 (6; 78)

zerebrale Dysgenesien (n = 6)

gesamt (n = 6)

20+6 (16+4; 28+1)

66,7%

24+4 (24+3; 29+6)

38 (18; 94)

Lissenzephalie (n = 4)

19+4 (16+4; 28+1)

50%

27+1 (24+3; 29+6)

61 (27; 94)

Schizenzephalie (n = 1)

22+1

100%

24+5

18

Gyrierungsstörung (n = 1)

21+0

100%

27+6

48

Arachnoidalzysten (n = 2)

38+6****

0%

Aneurysma (n = 1)6

nicht bestätigt

40+1

0%

tuberöse Sklerose (n = 1)

22+2

100%

27+5

38

gesamt (n = 251)

20+3 (12+1; 38+6)

55,4%

22+4 (13+1; 38+2)

10 (1; 94)

Einflussfaktoren auf die Entscheidungsfindung und den Zeitpunkt der Schwangerschaftsbeendigung

Bei insgesamt 139 Schwangerschaftsabbrüchen lag das mediane Gestationsalter zum Zeitpunkt des Abbruchs bei 22+4 SSW (Spanne: 13+1 bis 38+2 SSW). Der Zeitraum zwischen Erstdiagnose und Abbruchbeginn (ΔAbbruch) betrug im Median 10 Tage (Spanne: 1 bis 94 Tage).

Ein Vergleich nach Gestationsalter zum Abbruch zeigte, dass ΔAbbruch bei Schwangerschaftsabbrüchen bis einschließlich 21+6 SSW mit Median 6 Tagen (Spanne: 1–17 Tage) deutlich kürzer war als bei Abbrüchen ab 22+0 SSW mit Median 15 Tagen (Spanne: 4–92 Tage) (p < 0,001). Auch der Zeitpunkt der Erstdiagnose unterschied sich signifikant zwischen beiden Gruppen: Bei früheren Abbrüchen erfolgte die Diagnose im Median bei 19+4 SSW (Spanne: 12+0–21+0), bei späteren Abbrüchen dagegen bei 21+6 SSW (Spanne: 15+1–36+4) (p < 0,001), siehe [Tab. 3]. Allerdings bestätigte sich der Zeitpunkt der Diagnose in der Cox-Regression nicht als signifikanter Einflussfaktor auf ΔAbbruch (siehe unten).

Tab. 3 Klinische Charakteristika in Abhängigkeit des Gestationsalters beim Abbruch der Schwangerschaft.

Charakteristikum

N = 1391

bis 21+6

N = 611

ab 22+0

N = 781

p-Wert2

1 Median (IQR); n (%)

2 Wilcoxon Rank Sum test; Fisher’s Exact Test; Pearson’s Chi-squared Test

ACC = Agenesis of the Corpus Callosum (Balkenagenesie); AHS = Auffälligkeiten in der hinteren Schädelgrube; aOR = Odds Ratio; KI = Konfidenzintervall; NRD (non-SB) = Neuralrohrdefekte außer Spina bifida; SB = Spina bifida. Fehlende Daten: Bei einer Patientin mit Abbruch vor 22+0 SSW war die Parität nicht angegeben; bei 12 Patientinnen fehlten die Angaben zum Zeitpunkt der Erstdiagnose (davon 8 vor und 4 ab 22+0 SSW); bei 11 Patientin fehlten die Angaben zum Intervall zwischen Diagnose und Abbruchbeginn (7 vor und 4 ab 22+0 SSW)

Alter

28,0 (25,0–32,0)

28,0 (25,0–32,0)

28,0 (26,0–32,0)

0,67

Parität

> 0,99

  • 0

78 (57)

34 (57)

44 (56)

  • 1

45 (33)

20 (33)

25 (32)

  • 2

10 (7,2)

4 (6,7)

6 (7,7)

  • 3

3 (2,2)

1 (1,7)

2 (2,6)

  • 5

2 (1,4)

1 (1,7)

1 (1,3)

SSW (Diagnose)

20,6 (19,6–22,3)

19,6 (18,1–20,0)

21,9 (20,6–23,7)

< 0,001

SSW (Abbruch)

22,4 (20,6–24,7)

20,4 (19,6–21,0)

24,2 (23,1–29,3)

< 0,001

Intervall Diagnose–Abbruch in Tagen

10 (6–18)

6 (3–7)

15 (9–23)

< 0,001

ZNS-Anomalie

0,10

  • Ventrikulomegalie

13 (9,4)

5 (8,2)

8 (10)

  • ACC (isoliert)

9 (6,5)

5 (8,2)

4 (5,1)

  • ACC (nicht isoliert)

10 (7,2)

2 (3,3)

8 (10)

  • AHS

10 (7,2)

4 (6,6)

6 (7,7)

  • destruktive Veränderungen

5 (3,6)

1 (1,6)

4 (5,1)

  • Dysgenesien

4 (2,9)

0 (0)

4 (5,1)

  • Holoprosenzephalie

13 (9,4)

4 (6,6)

9 (12)

  • Mikrozephalie

3 (2,2)

0 (0)

3 (3,8)

  • SB

50 (36)

27 (44)

23 (29)

  • NRD (non-SB)

21 (15)

13 (21)

8 (10)

  • andere

1 (0,7)

0 (0)

1 (1,3)

bekannte genetische Auffälligkeit

0,71

  • nein

119 (86)

51 (85)

68 (87)

  • ja

19 (14)

9 (15)

10 (13)

zusätzliche Fehlbildungen außerhalb des ZNS

0,55

  • nein

68 (50)

28 (47)

40 (53)

  • ja

67 (50)

31 (53)

36 (47)

Die multivariable Regressionsanalyse zeigte, dass eine bekannte Chromosomenaberration mit der Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch assoziiert war (aOR 6,38; p = 0,014). Umgekehrt waren Schwangerschaftsabbruche signifikant seltener, wenn die Diagnose der ZNS-Anomalie in der 22+0 SSW oder später gestellt wurde (aOR 0,24; p < 0,001). Zu betonen ist, dass dieser Effekt unabhängig von der Art der ZNS-Anomalie war. Im Vergleich zur isolierten Ventrikulomegalie (Referenzdiagnose) gab es signifikant mehr Entscheidungen zu einem Schwangerschaftsabbruch bei einer nicht-isolierten ACC (aOR 17,5; p < 0,001), bei der Holoprosenzephalie (aOR 24,4; p < 0,001) sowie bei der Spina bifida (aOR 7,24; p < 0,001) und den übrigen Neuralrohrdefekten (aOR 62,5; p < 0,001). Die übrigen ZNS-Anomalien sowie das maternale Alter (p = 0,39) und das Vorhandensein von zusätzlichen Fehlbildungen außerhalb des ZNS (p = 0,14) waren nicht mit der Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs assoziiert (siehe [Tab. 4]).

Tab. 4 Einflussfaktoren auf die Entscheidung zum Abbruch (multivariable Regressionsanalyse).

Einflussfaktor

aOR (95%-KI)

p-Wert

ACC = Agenesis of the Corpus Callosum (Balkenagenesie); AHS = Auffälligkeiten in der hinteren Schädelgrube; aOR = Odds Ratio; KI = Konfidenzintervall; NRD (non-SB) = Neuralrohrdefekte außer Spina bifida; SB = Spina bifida

ZNS-Anomalie

  • Ventrikulomegalie

Referenz

  • ACC (isoliert)

2,29 (0,65–8,19)

0,20

  • ACC (nicht isoliert)

17,5 (3,87–101)

< 0,001

  • AHS

3,32 (0,79–14,3)

0,10

  • destruktive Veränderungen

2,69 (0,28–18,5)

0,34

  • Dysgenesien

7,53 (1,07–70,9)

0,051

  • Holoprosenzephalie

24,4 (4,78–192)

< 0,001

  • Mikrozephalie

14,8 (1,30–356)

0,039

  • SB

7,24 (2,83–19,9)

< 0,001

  • NRD (non-SB)

62,5 (10,1–1,231)

< 0,001

  • andere

4,78 (0,20–59,6)

0,23

zusätzliche Fehlbildungen außerhalb des ZNS

  • nein

Referenz

  • ja

1,70 (0,84–3,48)

0,14

bekannte Chromosomenanomalie

  • nein

Referenz

  • ja

6,38 (1,63–33,3)

0,014

Diagnose nach der 22+0 SSW

  • nein

Referenz

  • ja

0,24 (0,11–0,49)

< 0,001

maternales Alter

1,03 (0,96–1,10)

0,39

In der Subgruppe der Schwangeren, die sich für einen Schwangerschaftsabbruch entschieden, war die Dauer zwischen Diagnose und Beginn des Schwangerschaftsabbruchs (Fetozid oder Abortinduktion) signifikant länger, wenn ein fetales MRT durchgeführt wurde (HR 0,41; p = 0,003) oder das maternale Alter stieg (HR 0,95 pro zusätzliches Jahr; p = 0,034). Hingegen war dieses Intervall signifikant verkürzt, wenn eine destruktive Veränderung (HR 10,5; p = 0,004) oder ein (Non-Spina-bifida-)Neuralrohrdefekt (HR 3,86; p = 0,002) vorlag. Eine bekannte Chromosomenaberration (p = 0,87), Anomalien außerhalb des ZNS (p = 0,58) oder eine Diagnose ≥ 22+0 SSW (p = 0,74) waren hingegen nicht mit der Dauer bis zum Abbruch assoziiert ([Tab. 5]).

Tab. 5 Multivariable Cox-Regression: Einfluss verschiedener Faktoren auf die zeitliche Nähe zwischen Diagnose und Schwangerschaftsabbruch.

Einflussfaktor

HR (95%-KI)

p-Wert

Eine HR von > 1 bedeutet, dass das Zeitintervall zwischen Diagnose und Schwangerschaftsabbruch kürzer war verglichen zur Referenz. Faktoren mit einer HR < 1 waren hingegen mit einer Verzögerung des Abbruchs assoziiert. ACC = Agenesis of the Corpus Callosum (Balkenagenesie); AHS = Auffälligkeiten in der hinteren Schädelgrube; HR = Hazard Ratio; KI = Konfidenzintervall; NRD (non-SB) = Neuralrohrdefekte außer Spina bifida; SB = Spina bifida

ZNS-Anomalie

  • Ventrikulomegalie

Referenz

  • ACC (isoliert)

1,26 (0,48–3,35)

0,64

  • ACC (nicht isoliert)

1,19 (0,45–3,15)

0,73

  • AHS

2,31 (0,92–5,80)

0,075

  • destruktive Veränderungen

10,5 (2,08–53,2)

0,004

  • Dysgenesien

0,72 (0,19–2,76)

0,63

  • Holoprosenzephalie

1,36 (0,55–3,35)

0,50

  • Mikrozephalie

0,73 (0,19–2,78)

0,65

  • SB

1,87 (0,87–4,01)

0,11

  • NRD (non-SB)

3,86 (1,66–8,99)

0,002

  • andere

0,92 (0,11–7,79)

0,94

Alter

0,95 (0,91–1,00)

0,034

fetales MRT

  • nein

Referenz

  • ja

0,41 (0,23–0,73)

0,003

bekannte Chromosomenanomalie

  • nein

Referenz

  • ja

0,95 (0,51–1,76)

0,87

zusätzliche Fehlbildungen außerhalb des ZNS

  • nein

Referenz

  • ja

1,12 (0,75–1,67)

0,58

Diagnose nach der 22+0 SSW

  • nein

Referenz

  • ja

1,09 (0,67–1,78)

0,74

Ergänzend dazu wurden im Rahmen einer Einzelfallanalyse potenzielle Gründe für besonders späte Schwangerschaftsabbrüche identifiziert. Untersucht wurden dabei 29 Fälle mit Abbruch ab 26+0 SSW. Mögliche verzögernde Faktoren waren:

  • späte Schwangerschaftsfeststellung und/oder späte Feindiagnostik (n = 7)

  • Warten auf fetale MRT-Befunde (n = 6)

  • Warten auf genetische Diagnostik (n = 6)

  • Diagnosen, die erst im Schwangerschaftsverlauf auftraten (n = 5)

  • verzögerte/komplexe Diagnosesicherung bei unklaren Befunden (n = 5)

  • Fehlbildungen, die in vorangegangenen Untersuchungen möglicherweise übersehen wurden (n = 2)

  • verzögerte Überweisung zum spezialisierten Ultraschall/Perinatalzentrum (n = 2)

  • lange Entscheidungsprozesse der Schwangeren (n = 3)

(→ siehe Tab. S1, Zusatzmaterial, online)

Eine statistische Analyse dieser Einzelfallfaktoren wurde aufgrund der geringen Fallzahlen nicht durchgeführt.


Schwangerschaftsabbrüche mit und ohne Fetozid

Von 139 Schwangerschaftsabbrüchen wurden 63 (45,3%) als Fetozid durchgeführt, der bei einem medianen Gestationsalter von 24+1 SSW erfolgte (Spanne 20+2 bis 38+2 SSW). 41 Fetozide (65,1%) wurden ab 24+0 SSW vorgenommen. Bis auf einen Fall einer Sectio parva bei Placenta praevia totalis entbanden alle Schwangeren nach Fetozid vaginal.

Die häufigste Indikation für einen Fetozid stellte Spina bifida dar (n = 19), wobei der mediane Zeitraum zwischen Diagnose und Abbruch (ΔAbbruch) 14 Tage betrug (Spanne: 6–50 Tage). In 2 Fällen (11%) überschritt ΔAbbruch 4 Wochen – bedingt durch eine späte Schwangerschaftsfeststellung bzw. eine lange Entscheidungsfindung.

Weitere häufige Diagnosen im Rahmen von Fetoziden waren:

  • Balkenagenesie (n = 9), ΔAbbruch: 14 Tage (Spanne: 7–92)

  • Ventrikulomegalie (VM) (n = 7), ΔAbbruch: 33 Tage (Spanne: 9–41)

  • Auffälligkeiten der hinteren Schädelgrube (n = 6), ΔAbbruch: 16 Tage (Spanne: 12–23)

Bei Ventrikulomegalie war der Zeitraum zwischen Diagnose und Abbruch besonders lang: In 5 von 10 Fällen (50%) lag ΔAbbruch bei über 4 Wochen. Auch bei isolierter Balkenagenesie (ACC) zeigte sich ein verlängerter Entscheidungsprozess mit ΔAbbruch > 4 Wochen in 2 von 9 Fällen (22%) bzw. > 3 Wochen in 4 von 9 Fällen (44%).

Insgesamt 76 Schwangerschaftsabbrüche (54,6%) erfolgten ohne Fetozid, ausschließlich medikamentös induziert, bei einem Gestationsalter zwischen 13+1 und 31+6 SSW (Median: 20+3 SSW). Darunter fanden 15 Abbrüche zwischen 22+0 und 23+6 SSW sowie 4 Abbrüche ab 24+0 SSW statt. Alle medikamentösen Abbrüche ohne Fetozid jenseits der 24. SSW wurden aufgrund nicht lebensfähiger fetaler Fehlbildungen wie Trisomie 18 oder Anenzephalie durchgeführt.


Fetales MRT

Ein fetales MRT wurde bei 77 Patientinnen durchgeführt, wovon in 23 Fällen im weiteren Verlauf die Schwangerschaft abgebrochen wurde (davon 21 Fälle ≥ 22+0 SSW); in 54 Fällen wurde das Kind lebend geboren, wovon 4 postnatal verstarben.


Postnatale bzw. postmortale Bestätigung der Diagnose

Postnatal bzw. post mortem abweichende Diagnosen wurden bei 19/251 Kindern (7,6%) festgestellt. Die postnatale Diagnosesicherung erfolgte von 112 lebend geborenen Kindern in 71 Fällen (63,4%) durch MRT, in 37 weiteren Fällen (33,0%) wurde eine rein sonografische Diagnosesicherung oder -ausschluss als ausreichend betrachtet. Vier Kindern verstarben unmittelbar postnatal vor Durchführung eines MRT/Ultraschalls. Bei einem Kind mit sehr milder Ventrikulomegalie wurde der Befund vermutlich postnatal nicht weiterverfolgt. Von 41 Kindern, die kein postnatales MRT erhielten, hatten 16 bereits ein pränatales MRT erhalten. Bei diesen erfolgte die postnatale Diagnosesicherung durch Ultraschall bzw. verstarb eines der Kinder unmittelbar postnatal. Eine aussagekräftige neuropathologische Untersuchung lag bei 73 von 139 (52,5%) Schwangerschaftsabbrüchen vor. Bei 11 Feten (7,9%) war das Gehirn autolytisch so verändert, dass eine neuropathologische Untersuchung nicht möglich war, 30 Eltern (21,6%) lehnten eine Obduktion ab und in weiteren 29 Fällen (20,8%) lagen keine Angaben zum Grund der fehlenden neuropathologischen Untersuchung vor. Dennoch lassen sich auch in den Fällen mit fehlender neuropathologischer Untersuchung Angaben zur Diagnosebestätigung machen: Bei 19 Kindern wurde eine offene Spina bifida (18) bzw. eine Anenzephalie (1) durch rein äußerliche pathologische Begutachtung bestätigt. Auch bei einem Kind mit schwerer Ventrikulomegalie war eine klinische Bestätigung einer schweren ZNS-Auffälligkeit möglich (stark klaffende Schädelnähte). In 11 weiteren Fällen lag eine nachgewiesene genetische Störung (Triple X, L1CAM, 2-mal Triploidie, Trisomie 21, 2-mal Trisomie 18, 1 balancierte Translokation 13,17 mit multiplen Fehlbildungen, Trisomie 13 und Turner-Syndrom, Cri-du-Chat) vor. Bei 9 Feten ohne nachgewiesene genetische Auffälligkeit lagen multiple Fehlbildungen außerhalb des ZNS vor. In 13 Fällen wurde postmortal ein MRT zur Diagnosebestätigung durchgeführt, wodurch in 4 weiteren Fällen mit nicht aussagekräftiger neuropathologischer Untersuchung die Diagnose bestätigt werden konnte.



Diskussion

Fehlbildungen des Zentralnervensystems (ZNS) gehören zu den Anomalien, die mit den schwerwiegendsten Beeinträchtigungen der kindlichen Entwicklung einhergehen können. Aufgrund ihrer Komplexität und den in der Schwangerschaft erst relativ spät ablaufenden Gehirnreifungsprozessen werden sie häufig erst spät im Verlauf der Schwangerschaft diagnostiziert, und die Prognoseeinschätzung gestaltet sich als herausfordernd. Dies macht eine umfassende, multidisziplinäre Beratung der betroffenen Eltern unverzichtbar [2] [3] [4] [5] [6].

In der Beratung sollten alle Optionen – das Austragen der Schwangerschaft, die palliative Versorgung des Kindes nach der Geburt oder der Abbruch der Schwangerschaft – gleichwertig und ergebnisoffen dargestellt werden. Aufgrund der Schwere der zu erwartenden Einschränkungen entscheiden sich ein erheblicher Teil der Eltern noch relativ spät gegen ein weiteres Austragen der Schwangerschaft. In solchen Fällen wird häufig ein Fetozid nach § 218a Abs. 2 StGB (medizinische Indikation) notwendig.

Mit einem Anteil von 20–30% stellen ZNS-Fehlbildungen eine der häufigsten Ursachen für späte Schwangerschaftsabbrüche dar [3] [4] [5] [6] [7]. International variieren sowohl der Zeitpunkt der Diagnosestellung als auch die Häufigkeit und der Zeitpunkt des Abbruchs. Diese Unterschiede hängen von den jeweiligen gesetzlichen Regelungen und der üblichen pränatalen Diagnostik im jeweiligen Land ab.

Feststellung von ZNS-Auffälligkeiten in Abhängigkeit von den Vorgaben der Mutterschaftsrichtlinien und der Qualität der Ultraschalluntersuchung im 2. (und 3.) Trimenon

In Deutschland hängt die pränatale Untersuchung des fetalen ZNS stark vom Wunsch der Schwangeren und der Qualifikation des Untersuchenden ab. Bis 2012 war laut Mutterschaftsrichtlinien nur die Dokumentation eines einzelnen Bildes von jeweils Kopf, Abdomen und Extremitäten vorgesehen; erst mit der Einführung des erweiterten Organscreenings wurde eine gezieltere Untersuchung zwischen der 18+6 und 21+6 SSW routinemäßig angeboten. Dennoch bleibt die Qualität der Ultraschalluntersuchungen uneinheitlich, da das Screening von Untersuchern mit stark variierender Ausbildung und Geräten durchgeführt wird. Eine umfassende Untersuchung des ZNS findet im Normalfall nicht statt und die Kosten werden auch von der Krankenkasse nur bei entsprechender Indikation übernommen. Demgegenüber stehen die oft sehr schweren zu erwartenden Auswirkungen von ZNS-Fehlbildungen auf die kindliche Entwicklung [4]. Die Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) fordert daher, eine standardisierte ZNS-Diagnostik nach internationalen Leitlinien der International Society of Ultrasound in Obstetrics and Gynecology (ISUOG) in die pränatale Basisdiagnostik zu integrieren [8].


Einflussfaktoren auf die Entscheidungsfindung: Fehlbildungstyp, zusätzliche genetische oder extrakranielle Befunde und Diagnosezeitpunkt

Die Rate medizinisch indizierter Schwangerschaftsabbrüche variierte in der untersuchten Kohorte deutlich zwischen den verschiedenen Arten von ZNS-Fehlbildungen, was auch in vergleichbaren Studien so beschrieben wird [4] [9] [10] [11]. Ebenfalls zeigten vorangehende Studien einen Zusammenhang zwischen dem Vorliegen genetischer Auffälligkeiten und der Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch [9] [10]. Demgegenüber zeigte sich das Vorliegen extrazerebraler Fehlbildungen in der vorliegenden Studie nicht als signifikanter Prädiktor. Eine mögliche Erklärung hierfür liegt in der insgesamt geringen Fallzahl sowie der ausgeprägten Heterogenität dieser Befunde. Die Spannbreite reichte von prognostisch eher geringfügigen Auffälligkeiten wie einem Ventrikelseptumdefekt oder einem in der Bildgebung nicht eindeutig darstellbaren Magen bis hin zu komplexen Fehlbildungssyndromen mit infauster Prognose. In größeren und homogeneren Kohorten könnte sich die Bedeutung extrakranieller Fehlbildungen anders darstellen. Vergleichbare Studien zu dieser Fragestellung liegen in der Literatur nicht vor.

Ein weiterer relevanter Einflussfaktor war der Zeitpunkt der Diagnosestellung, was auch in einer anderen Studie so beschrieben wurde [12]. Die geringere Häufigkeit eines Schwangerschaftsabbruchs bei später Diagnose könnte durch die mit fortschreitender Gestationsdauer zunehmende emotionale Bindung an den Feten bedingt sein, welche die Entscheidung zu einem Abbruch psychisch erheblich erschwert. Alternativ ist zu berücksichtigen, dass schwerwiegende Fehlbildungen mit hoher Abbruchrate – etwa Anenzephalie oder Spina bifida – häufig bereits im frühen Schwangerschaftsverlauf eindeutig diagnostiziert werden.

Das mütterliche Alter stellte hingegen keinen signifikanten Einflussfaktor auf die Entscheidungsfindung dar. Dies legt nahe, dass sich die grundsätzliche Einstellung zur Fortführung der Schwangerschaft bei jüngeren und älteren Schwangeren nicht wesentlich unterscheidet. Vergleichbare Daten zum Einfluss des maternalen Alters auf die Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch finden sich in der aktuellen Literatur nicht.


Spina bifida und andere Neuralrohrdefekte: die häufigste Form der ZNS-Fehlbildungen und ihre Auswirkungen auf die Schwangerschaftsentscheidung

Neuralrohrdefekte stellen die größte Gruppe von ZNS-Fehlbildungen dar. Laut einer systematischen Übersichtsarbeit beträgt die Abbruchrate bei Anenzephalie 85% (59–100%) und bei Spina bifida 63% (31–97%). Einflussfaktoren für Abbrüche bei Spina bifida sind regionale Unterschiede (Europa 66% vs. Nordamerika 50%), zusätzliche Auffälligkeiten (66% vs. 56% ohne) und der Subtyp (offen 60% vs. geschlossen 33%). Zudem ist die Abbruchrate vor der 24. SSW höher (86% vs. 27% danach). Länderspezifisch sind Unterschiede erkennbar, etwa in den Niederlanden, wo die Rate insgesamt niedriger, bei frühen Diagnosen jedoch vergleichbar ist [13].

In unserer Studie lag die Abbruchrate bei Spina bifida ohne zusätzliche Auffälligkeiten mit 50,9% etwas niedriger als in der genannten Übersichtsarbeit. Bei Feten mit zusätzlichen genetischen oder extrakraniellen Auffälligkeiten sowie bei Anenzephalie stieg die Rate auf 100%, was höher ist als in vergleichbaren Studien [11] [13]. Im Gegensatz zu diesen Arbeiten umfasst unsere Studie jedoch ausschließlich pränatal diagnostizierte Fälle von Spina bifida oder Anenzephalie. Internationale Studien berichten, je nach lokalen Gegebenheiten, von deutlich niedrigeren Abbruchraten bei Anenzephalie, obwohl diese Fehlbildung in der Regel nicht mit einem Überleben vereinbar ist. So wurden in Brasilien 57% [14], in Kanada 61,4% [15] und in den Niederlanden 79% [16] dokumentiert. Der markante Unterschied zu den hohen Abbruchraten in unserer Studie könnte in der Struktur des Gesundheitssystems, der Verfügbarkeit von Ultraschall-Screenings, ethischen Gründen und den gesetzlichen Regelungen für Schwangerschaftsabbrüche liegen.


Einflussfaktoren auf den Zeitraum bis zum Schwangerschaftsabbruch

Der mediane Zeitraum zwischen Erstdiagnose und Schwangerschaftsabbruch ist vergleichbar mit anderen retrospektiven Kohortenstudien [4] [11] [17]. Unterschiede zeigten sich je nach Fehlbildungsgruppe und Gestationsalter. Bei Spina bifida (nicht signifikant) und vor allem bei anderen Neuralrohrdefekten (signifikant) war der mediane Abstand relativ kurz, was auf die vergleichsweise klare Prognose und gute Erkennbarkeit zurückzuführen sein könnte. Sehr lange Abstände (> 4 Wochen) waren selten und erklärbar durch späte Schwangerschaftsfeststellung oder lange Entscheidungsfindung seitens der Schwangeren.

Der relativ lange Zeitraum zwischen Diagnose und Abbruch bei der VM und ACC könnte die komplexere Prognoseeinschätzung widerspiegeln. Allein durch die sonografische Morphologie ist es praktisch unmöglich, die spätere kindliche Beeinträchtigung einzuschätzen. Das fetale MRT, das oft erst um die 28. SSW durchgeführt wird, verlängert den diagnostischen Prozess, liefert jedoch wichtige zusätzliche Informationen zur Prognose. Eine frühere MRT-Diagnostik wurde aufgrund des physiologischen Verlaufs der Gehirnentwicklung als nicht sinnvoll erachtet. In unserer Kohorte erfolgten alle 9 Abbrüche wegen ACC (ohne weitere ZNS-Auffälligkeit) nach 24+0 SSW, während in einer deutschen Vergleichskohorte 68,4% ab 24+0 SSW durchgeführt wurden [4]. Eine französische Studie berichtete für ACC-Abbrüche ebenfalls eine Rate von 100% nach der 24. SSW [17]. Die isolierte Ventrikulomegalie und der Balkenmangel (partiell oder vollständig) stellen eine besondere Herausforderung in der pränatalen Beratung dar. Es ist nahezu unmöglich, allein auf Basis der morphologischen Befunde den Schweregrad der späteren kognitiven Entwicklungsbeeinträchtigung zuverlässig abzuschätzen. Im Einklang mit anderen Studien zeigte sich, dass die Abbruchrate bei zusätzlichen genetischen Störungen oder weiteren intra- bzw. extrakraniellen Auffälligkeiten signifikant höher war als bei isolierten Fehlbildungen [9] [10].

Der Umstand, dass das fetale MRT – bezogen auf sämtliche Fehlbildungen – den Zeitraum zwischen (Verdachts-)Diagnose und Beginn eines möglichen Schwangerschaftsabbruchs verlängert, erscheint plausibel und ist nicht negativ zu bewerten. Zum einen spiegelt dies wider, dass bestimmte Diagnosen, insbesondere zerebrale Dysgenesien, erst durch eine weiterführende Bildgebung mittels MRT eindeutig gestellt werden können. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass viele der mittels MRT beurteilbaren ZNS-Fehlbildungen aufgrund der fortschreitenden Hirnentwicklung erst im späteren Schwangerschaftsverlauf sicher diagnostizierbar sind. Vor diesem Hintergrund wird das fetale MRT mit gutem Grund ab der 28. Schwangerschaftswoche empfohlen, da zu diesem Zeitpunkt eine differenziertere Beurteilung der zerebralen Strukturen möglich ist.

Obwohl der mediane Abstand zwischen Diagnose und Abbruch von 10 Tagen angesichts der beschriebenen diagnostischen und beratenden Komplexität angemessen erscheint, wurden folgende Ergebnisse kritisch hinterfragt und daraufhin überprüft, ob sich hier Hinweise auf eine unnötige Verzögerung der Diagnose oder des Abbruchs ergaben:

  • 32,2% der Abbrüche erfolgten nach 24+0 SSW.

  • In mindestens 16 Fällen (11,2%) betrug der Abstand zwischen Diagnose und Abbruch > 4 Wochen.

  • In mindestens 17 Fällen (11,9%) wurde die Diagnose erst nach 24+0 SSW gestellt.

Es stellt sich die Frage, ob diese sehr späten Abbrüche zumindest zum Teil vermeidbar waren oder ob der Zeitpunkt in Hinblick auf die Komplexität der Diagnose, die erforderliche Diagnostik durch MRT und/oder Genetik sowie die Möglichkeit, den Eltern ausreichend Zeit für eine Entscheidungsfindung einzuräumen, angemessen erscheint. Die Eltern sollten bei ihrer Entscheidung keinesfalls unter Druck gesetzt werden, sondern frei entscheiden können, ob sie weitere Diagnostik wünschen und ob und wann sie sich für einen Abbruch entscheiden.

Die Einzelfallanalyse (Supplement, Tab. S1) ergab, dass eine frühere Diagnose oder Entscheidung vermutlich nur in wenigen Fällen hätte erfolgen können: Zwei Fälle betrafen Fehlbildungen (lumbosakrale Spina bifida), die im 2. Trimenon-Screening nicht gesehen wurden, und in 2 weiteren Fällen war der Zeitraum zwischen auffälligem Screening und Vorstellung im Perinatalzentrum unerklärt lang (> 5 Wochen). In allen anderen Fällen konnte die späte Diagnosefeststellung oder der lange Zeitraum bis zum Abbruch gut begründet werden, z. B. durch späte Schwangerschaftsfeststellung oder die Komplexität der Diagnose mit damit verbundenem langen diagnostischen Pfad bzw. sorgfältig abgewogener elterlicher Entscheidungsfindung.

Insgesamt wurden 86,7% der Fehlbildungen vor 24+0 SSW erkannt, wobei die Rate bei Neuralrohrdefekten mit 93% höher lag als bei anderen Fehlbildungen (80%). Diese Rate ist höher als in einer vergleichbaren Kohorte in Deutschland mit 51% vor 24+0 SSW [4]. Die Gründe hierfür bleiben letztendlich unklar, könnten aber gegebenenfalls in regionalen Unterschieden der Versorgungsstrukturen zu finden sein. Allerdings liegen keine Daten vor, wie viele Schwangere sich in den verschiedenen Regionen Deutschlands zum erweiterten Screening und/oder Feindiagnostik nach DEGUM-Standard vorstellen.

Abbrüche aufgrund von ZNS-Fehlbildungen (außer Neuralrohrdefekten) erfolgten in 50% der Fälle nach der 24. Schwangerschaftswoche, was mit 61% in einer vergleichbaren Studie im Einklang steht [4]. Eine Aussage, wie oft eine frühere Diagnosestellung möglich gewesen wäre, ist nur eingeschränkt möglich, da keine ausreichenden Angaben zu den Untersuchungen vor Zuweisung zum Spezialisten vorliegen. Somit kann keine Aussage getroffen werden, wie häufig eine noch frühere Diagnose möglich gewesen wäre.


Postnatal bzw. post mortem abweichende Diagnosen

Es lassen sich 2 Hauptsituationen identifizieren, in denen sich die pränatale Diagnose postnatal bzw. post mortem nicht bestätigte:

  1. Milde Auffälligkeiten: Hier bestätigte sich der Befund postnatal z. B. bei isolierter VM oder ACC in mehreren Fällen nicht, und das Kind war unauffällig. Da diese Fehlbildungen pränatal bereits als vergleichsweise mild eingestuft wurden, wurden alle Schwangerschaften ausgetragen. Es ist daher unwahrscheinlich, dass die Fehldiagnosen den primären Schwangerschaftsausgang beeinflusst haben.

  2. Schwere Fehlbildungen: In besonders schweren Fällen änderte sich die Diagnose postnatal, etwa von einer schweren Ventrikulomegalie zu einer Holoprosenzephalie, oder es wurden zusätzliche lebenslimitierende Faktoren wie Chromosomenstörungen festgestellt. Auch hier dürfte der Einfluss der Fehldiagnose auf das Schwangerschaftsmanagement gering gewesen sein.

Insgesamt deutet die Studie auf eine hohe Qualität der pränatalen Diagnosesicherung hin, und es fanden sich zumindest in der untersuchten Kohorte keine Hinweise darauf, dass Fehldiagnosen den primären Schwangerschaftsausgang (Austragen oder Abbruch) maßgeblich beeinflusst haben. Eine Einschränkung besteht darin, dass nach Schwangerschaftsabbrüchen nicht in allen Fällen eine fetale Obduktion durchgeführt wurde. Zudem war eine detaillierte neuropathologische Untersuchung des ZNS aufgrund der Zeitspannen zwischen Fetozid, Geburt und Obduktion nicht immer möglich, wodurch die Bestätigung pränataler Diagnosen nach Interruptio nur begrenzt beurteilt werden kann. Die Sensitivität der Ultraschalluntersuchung wurde nicht analysiert, da postnatal diagnostizierte ZNS-Fehlbildungen bei pränatal unauffälligen Kindern in dieser Studie nicht erfasst wurden.



Schlussfolgerung

Die Analyse unterstreicht die Bedeutung spezialisierter Ultraschalluntersuchungen im 2. Trimenon, insbesondere zur detaillierten Untersuchung des fetalen ZNS. Trotz guter Betreuungsbedingungen werden ZNS-Auffälligkeiten oft erst spät erkannt, was häufig auf die diagnostische Komplexität zurückzuführen ist. In vielen Fällen konnte die eindeutige Diagnose erst nach längerer Abklärung im Pränatalzentrum gestellt werden. Die pränatale Ultraschalldiagnostik zeigte in dieser Kohorte eine hohe Genauigkeit, wobei postnatal oder post mortem abweichende Diagnosen das Schwangerschaftsmanagement vermutlich nicht wesentlich beeinflussten. Da viele ZNS-Fehlbildungen (z. B. Gyrierungsstörungen) aufgrund der physiologischen Gehirnentwicklung erst später im Verlauf erkennbar werden, erscheint die Implementation eines zusätzlichen standardisierten ZNS-Ultraschalls im 3. Trimenon sinnvoll.

Eine standardisierte und frühzeitige Diagnostik ermöglicht Schwangeren eine umfassende und ergebnisoffene Beratung zu einem möglichst frühen Zeitpunkt, die der Komplexität von ZNS-Fehlbildungen gerecht wird. Der relativ lange Zeitraum zwischen Erstdiagnose und erfolgtem Abbruch ist dabei in vielen Fällen nicht als negativ zu deuten, insbesondere, wenn es sich um komplexe und prognostisch schwer einzuschätzende Fehlbildungen handelt. Hier ist es wichtig, dass den Eltern ausreichend Zeit für eine umfassende Beratung und die Entscheidungsfindung bleibt, was auch wiederholte Konsultationen und Untersuchungen notwendig machen kann. Wichtig hingegen ist die Vermeidung „unnötiger“ Verzögerungsfaktoren, zum Beispiel durch verspätete und nicht zielgerichtete Diagnostik. Eine offene und wertungsfreie Entscheidungsfindung sollte sowohl den Schutz des Lebens als auch die Unterstützung Schwangerer berücksichtigen, die sich für das Austragen der Schwangerschaft entscheiden. Gleichzeitig muss Schwangeren die Möglichkeit einer freien Entscheidung gewährleistet werden, um Traumatisierungen durch späte Diagnosen, sehr späte Abbrüche oder international betrachtet den Ausschluss eines Abbruchs nach einer bestimmten Schwangerschaftswoche zu vermeiden.


Limitationen und Ausblick

Die vorliegenden Daten wurden retrospektiv erhoben, wobei nicht alle Details, wie der Zeitpunkt der Erstdiagnose, vollständig erfasst werden konnten. Bei Schwangerschaftsabbrüchen ist die Rate an postnatal abweichenden Diagnosen nur eingeschränkt beurteilbar, da nur in der Hälfte der Fälle eine aussagekräftige neuropathologische Untersuchung möglich war. In der Studie nicht erfasst wurden ebenfalls Feten mit ZNS-Auffälligkeiten aufgrund von Infektionen wie CMV, was darauf zurückzuführen ist, dass diese Feten im Geburtenregister als Infektionen und nicht als ZNS-Auffälligkeit dokumentiert wurden. Die meisten hier analysierten Schwangerschaften mit ZNS-Anomalien und Spina bifida traten vor der Einführung des erweiterten Ultraschallscreenings in die Mutterschaftsrichtlinien (2013) auf. Eine relevante Fragestellung wäre, ob diese gesetzliche Änderung das frühzeitige Erkennen von Fehlbildungen verbessert hat. Eine niederländische Studie zeigte nach Einführung eines standardisierten Ultraschallscreenings einen deutlichen Anstieg der Entdeckungsrate von Spina bifida vor der 24. SSW, von 43% auf 88% [18].


Supplementary Material

Tab. S1: Schwangerschaftsabbrüche ab 26+0 SSW.



Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Supplementary Material


Correspondence

Dr. Susanne Schrey-Petersen
Abteilung für Geburtsmedizin, Universitätsklinikum Leipzig
Liebigstraße 20A
04103 Leipzig
Germany   

Publication History

Received: 14 February 2025

Accepted after revision: 22 June 2025

Article published online:
02 September 2025

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