Rofo 2008; 180(8): 691-697
DOI: 10.1055/s-0028-1082142
Bildessay

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Bildgebende Diagnostik des Neuro-Behçet

Neuro-Behçet's disease: MR-imaging findings
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Publication Date:
29 July 2008 (online)

 

Der Morbus Behçet (MB) ist eine systemische Vaskulitis unklarer Genese mit rezidivierendem Verlauf (O'Duffy JD. Rheum Dis Clin North Am 1990; 16: 423–431). Die klassische Triade aus oralen und genitalen Aphthen mit Uveitis wurde erstmals 1937 durch den türkischen Dermatologen Hulusi Behçet beschrieben. Die "International Study GroupŽs Classification" vereint die gegenwärtig am weitesten verbreiteten Kriterien zur Diagnostik des Morbus Behçet. Diese beinhaltet rezidivierende orale Ulzerationen sowie zusätzlich 2 der folgenden Kriterien zur endgültigen Diagnosestellung: rezidivierende genitale Aphthen, Läsionen im Bereich von Haut oder Augen oder einen positiven Pathergie-Test.

Es ist allgemein bekannt, dass der MB eine auffällige Epidemiologie aufweist. Er ist vorherrschend im mediterranen Raum, hier überwiegend in den östlichen Teilen sowie entlang der östlichen Grenze zu Asien, jedoch weit weniger häufig in anderen Teilen der Welt. Üblicherweise sind junge Erwachsene betroffen, die Erkrankung kann die Haut und Schleimhäute, die Augen, Gelenke, das Gefäßsystem, die Lungen, den Gastrointestinaltrakt sowie das Nervensystem betreffen. In etwa 5 bis 10 % der Fälle ist das Zentrale Nervensystem (ZNS) betroffen. Die häufigste Lokalisation ist hier der Hirnstamm.

Trotz zunehmenden Kenntnissen über das klinische Bild des MB, bleiben die ätiologischen Faktoren unklar und spekulativ: Virale, bakterielle oder genetische Ursachen, immunologische Faktoren und Defekte in der Fibrinolyse wurden in Betracht gezogen. In histologischen Studien zeigt sich das Bild einer Vaskulitis des venösen und arteriellen Gefäßsystems mit Infiltration der Gefäßwände sowie der perivaskulären mononukleären Zellen.

Folgende Befallsmuster des Nervensystems können auftreten: parenchymal, nicht parenchymal (intrakranielle Hypertonie), eine Mischform aus diesen beiden oder eine periphere Neuropathie (Akman-Demir G et al. Brain 1999; 122: 2171 –2182). Bei der parenchymatösen Form der Vaskulitis zeigen sich neuropathologisch fokal nekrotisierende Läsionen mit merklicher Entzündungsreaktion der Zellen, vorwiegend mit Beteiligung der Venolen, oder diffuse Formen, die auf eine globale ZNS-Beteiligung hinweisen. Der Hirnstamm ist die häufigste Lokalisation dieser Form. Das klinische Bild umfasst dabei bilaterale Hirnnervenausfälle, Pyramidenbahnzeichen sowie weitere Hirnstammsymptome. Bei Patienten mit Beteiligung der Großhirnhemisphären treten am häufigsten Hemiparesen, hemisensorische Störungen und Krampfanfälle auf. Patienten mit Erkrankung des Rückenmarks zeigen gewöhnlich eine Paraplegie aufgrund einer transversen Myelitis, eines Brown-Sequard-Syndroms oder sensorischen Störungen.

Die intrakranielle Hypertonie manifestiert sich mit Kopfschmerzen, Erbrechen und bilateralem Papillenödem ohne klinisch oder bildmorphologisch belegte Beteiligung des Hirnparenchyms. Diese Form geht mit den sekundären Läsionen einer Sinus- und Venenthrombose einher (Abb. [1a, b]). Seltene Manifestationen des Neuro-Behçet zeigen einen Befall der Leptomeningen oder der peripheren Nerven. Der Neuro-Behçet kann sich als akute fokale oder multifokale ZNS-Dysfunktion zeigen und klinisch dem Bild einer multiplen Sklerose ähneln.

Abb. 1 Phasen-Kontrast-MR-Phlebografie des intrakraniellen Sinus venosus bei einem Patienten mit länger bestehendem Neuro-Behçet. a zeigt eine deutliche Kaliberreduktion im Verlauf des Sinus sagittalis superior nach Thrombose mit späterer partieller Rekanalisierung (Pfeile). Der linke Sinus transversus weist ebenfalls ein schmales Kaliber bei postthrombotischem Syndrom auf (b).

Eine beträchtliche Anzahl an Patienten mit Neuro-Behçet erleidet rezidivierende Verläufe, während andere eine sekundär-progressive Verlaufsform entwickeln. Einige Neuro-Behçet-Patienten entwickeln einen schleichenden Krankheitsverlauf mit primär-progressiver ZNS-Dysfunktion, während andere Symptome einer intrakraniellen Hypertonie infolge einer Sinusvenenthrombose entwickeln. Obwohl den neurologischen Symptomen gewöhnlich nicht neurologische vorausgehen, können die nicht neurologischen Symptome in einigen Fällen unerkannt bleiben oder im Krankheitsverlauf eher spät auftreten und somit diagnostische Schwierigkeiten bereiten.

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