psychoneuro 2008; 34(9): 434-435
DOI: 10.1055/s-0028-1091311
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12th Congress of the European Federation of Neurological Societies (EFNS) - Galantamin bei schwerer Demenz - Ergebnisse der SERAD-Studie

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19 November 2008 (online)

 
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Bild: PhotoDisc Inc. Nachgestellte Situation.

Nach den aktuellen Leitlinien werden zur Behandlung bei leichter bis mittelschwerer Alzheimer-Demenz (AD) Acetylcholinesterasehemmer (AChI), wie Galantamin (Reminyl®), empfohlen. Bei schwerer Demenz steht die Zulassung jedoch bisher noch aus. Dabei leben bereits heute rund 35 % der Patienten mit Alzheimer-Demenz in Pflegeheimen.

Auf dem European Federation of Neurological Societies (EFNS) in Madrid stellte Dr. Joop C. van Oene, PhD, Tilburg, die ersten Ergebnisse der SERAD-Studie (Safety and Efficacy of Reminyl® in Severe Alzheimer's Disease) vor [5]. Diese randomisierte placebokontrollierte Studie untersuchte Wirksamkeit und Sicherheit von Galantamin bei Patienten mit schwerer Demenz, die in einem Pflegeheim untergebracht waren.

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Tab. 1 Ergebnisse der SERAD-Studie: Demografische Daten und Komorbiditäten.

Galantamin ist ein AChI, der einen einzigartigen Wirkmechanismus aufweist. Im Gegensatz zu anderen AChI inhibiert er nicht nur den Abbau von Acetylcholin, sondern moduliert gleichzeitig die nikotinergen Rezeptoren. Wirksamkeit und Sicherheit von Galantamin bei leichter bis mittelschwerer AD konnten bereits in mehreren Studien gezeigt werden [1], [2]. Auch bei fortgeschrittener Demenz liegen bereits vielversprechende Ergebnisse vor [3], [4].

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Studiendesign

407 Patienten erhielten in der multizentrischen Studien zunächst für 6 Monate doppelblind und randomisiert Galantamin oder Placebo. Anschließend wurde die Studie weitere 6 Monate offen fortgeführt. Die ersten Patienten wurden im Dezember 2003 in die Studie aufgenommen, die im September 2007 endete. Eingeschlossen wurden Patienten in Pflegeheimen mit einer schweren AD, d. h. einem Mini Mental Status Test (MMST)-Wert zwischen 5 und 12 und der Diagnose einer AD nach DSM-IV und den Kriterien des National Institute of Neurological and Communicative Disorders and Stroke - Alzheimer's Disease Related Disorders Association (NINDS-ADRDA-Kriterien) (wahrscheinliche AD) bzw. der Diagnose einer möglichen AD mit zerebrovaskulärer Erkrankung (CVD) nach den Kriterien des National Institute of Neurological Disorders and Stroke - Association International pour la Recherche et l'Enseignement en Neurosciences (NINDS-AIREN-Kriterien). Das Durchschnittsalter betrug in der Galantamin-Gruppe 83,7 Jahre, in der Placebo-Gruppe 83,5 Jahre. Die demografischen Daten der Patienten zeigt Tabelle 1. In den letzten 3 Monaten waren die Patienten weder mit AChI noch mit Memantine behandelt worden.

Die Galantaminzieldosis betrug 24 mg/d, die Durchschnittsdosis 22,0 mg/d. In den ersten 4 Wochen erhielten die Patienten 4 mg Galantamin (2-mal täglich), dann für 4 Wochen täglich 2 × 8 mg/d, anschließend 2 × 12 mg/d. Ab Woche 12 war auch eine Dosisreduktion auf 16 mg/d möglich. Ausgewertet wurden die Daten der Patienten, die wenigstens eine Dosis Galantamin erhalten hatten ("Intent to treat population"), nach Woche 26.

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Messparameter

Als primäre Parameter wählten die Untersucher Kognition und Aktivitäten des täglichen Lebens. Die kognitiven Fähigkeiten der Patienten wurden anhand der Severe Impairment Battery (SIB) bestimmt, die Alltagsaktivitäten anhand des Minimum Data Set - Activities of Daily Living (MDS-ADL). Sekundäre Messparameter waren Verhalten (NPI - Nursing Home version (NPI-NH)), soziale Kompetenzen (Subskala des MDS für psychosoziales Befinden, Kognition nach dem MMST sowie Sicherheit und Verträglichkeit (Nebenwirkungen, Vitalzeichen, EKG, Labor, körperlich-neurologischer Befund).

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Ergebnisse

81,2 % der Patienten unter Galantamin beendeten die 6-monatige placebokontrollierte Phase (n = 168), unter Placebo 80,5 % (n = 161). Der häufigste Grund für einen Studienabbruch waren sowohl in der Galantamin- als auch in der Placebo-Gruppe unerwünschte Nebenwirkungen (je 14,5 %).

Die Kognition verbesserte sich in der Verum-Gruppe signifikant im Vergleich zur Placebo-Gruppe (p < 0,01) (Abb. [1]). Auch die Aktivitäten des täglichen Lebens verbesserten sich unter Galantamin vs. Placebo in den Subgruppen 'Bewegung im Pflegeheim', 'Essen' und 'körperliche Hygiene' (Abb. [2]).

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Abb. 1 Signifikante Verbesserung der Kognition unter Galantamin vs. Placebo bei schwerer Alzheimer-Demenz.

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Abb. 2 Verbesserung der Alltagsaktivitäten unter Galantamin vs. Placebo.

Hinsichtlich der sekundären Messparameter soziale Kompetenzen benötigten im Item 'Unterstützung bei Fortbewegung im Stationsbereich' die Patienten unter Galantamin signifikant weniger Hilfe als die Placebo-Patienten (p < 0,005). Auch die Anzahl der Tage, in denen die Patienten in ein Krankenhaus aufgenommen werden mussten, waren unter Galantamin signifikant geringer im Vergleich zu den Ausgangsdaten.

Die Verträglichkeit unter Galantamin war vergleichbar mit den Ergebnissen unter Placebo. Die Anzahl der Nebenwirkungen war in beiden Gruppen ähnlich. Die Art der unerwünschten Ereignisse war jedoch unterschiedlich. So traten unter Galantamin deutlich seltener Infektionen auf als unter Placebo (1,9 vs. 5,0 %), an Bronchitis erkrankten unter Galantamin 3,9 % der Patienten, unter Placebo 8,0 %, auch Hypertension war in der Galantamin-Gruppe signifikant seltener (1,4 vs. 5,5 %). Dies spiegelt sich auch in der Mortalität der Patienten wider, die in der Galantamin-Gruppe signifikant geringer war als in der Placebo-Gruppe (3,9 vs. 10,5 %). Vermutlich könne dies darauf zurückgeführt werden, dass die Galantamin-Patienten mehr auf der Station herumgingen und so mehr Bewegung hätten, schlussfolgerte van Oene.

Klinisch relevante Effekte von Galantamin auf Blutdruck und Herzfrequenz wurden nicht beobachtet.

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Fazit

Bei den Patienten mit schwerer Demenz verbesserte Galantamin die Kognition signifikant gegenüber Placebo (SIB-Gesamtscore). Auch in den Items Gedächtnis, Praxis und visuospatiale Fähigkeiten erzielten die Patienten unter Galantamin signifikant bessere Ergebnisse als die unter Placebo. Hinsichtlich der Alltagskompetenzen, gemessen mit der MDS-ADL self-performance, konnte im Item 'Bewegung im Stationsbereich' ein signifikanter Vorteil in der Galantamin- im Vergleich zur Placebo-Gruppe nachgewiesen werden. Hinsichtlich der Verträglichkeit hat sich Galantamin bei Patienten mit schwerer Demenz als sicher und verträglich gezeigt. Die Mortalilität der Patienten war unter Galantamin signifikant geringer als unter Placebo.

Dr. Katrin Wolf, Eitorf

Quelle: Symposium "SERAD - Safety and Efficacy of galantime (Reminyl®) in severe Alzheimer's Diseases" am 25. August 2008 im Rahmen des 12. Kongresses der European Federation of Neurological Societies (EFNS) 2008 in Madrid (Spanien), veranstaltet von der Janssen-Cilag GmbH

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Literatur

  • 01 Loy C . Schneider L . Cochrane database Syst Rev. 2006;  CD001747
  • 02 Loveman E . et al . Health Technol Assess. 2006;  10 1-160
  • 03 Wilkinson DG . et al . J Clin Pract. 2002;  56 509-514
  • 04 Blesa R . et al . Dement Geriatr Cogn Disord. 2003;  15 79-87
  • 05 Burns A . et al . Poster (P2002) präsentiert auf dem 12. Kongress der European Federation of Neurological Societies (EFNS) vom 23.-26. August 2008 in Madrid, Spanien. 
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Literatur

  • 01 Loy C . Schneider L . Cochrane database Syst Rev. 2006;  CD001747
  • 02 Loveman E . et al . Health Technol Assess. 2006;  10 1-160
  • 03 Wilkinson DG . et al . J Clin Pract. 2002;  56 509-514
  • 04 Blesa R . et al . Dement Geriatr Cogn Disord. 2003;  15 79-87
  • 05 Burns A . et al . Poster (P2002) präsentiert auf dem 12. Kongress der European Federation of Neurological Societies (EFNS) vom 23.-26. August 2008 in Madrid, Spanien. 
 
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Bild: PhotoDisc Inc. Nachgestellte Situation.

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Tab. 1 Ergebnisse der SERAD-Studie: Demografische Daten und Komorbiditäten.

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Abb. 1 Signifikante Verbesserung der Kognition unter Galantamin vs. Placebo bei schwerer Alzheimer-Demenz.

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Abb. 2 Verbesserung der Alltagsaktivitäten unter Galantamin vs. Placebo.